Entscheidungsdatum
06.04.2020Norm
AsylG 2005 §10Spruch
W124 2229909-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Felseisen als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt II. mit der Maßgabe abgewiesen, dass es zu lauten hat:
"Gemäß § 52 Abs. 1 Z 2 FPG iVm § 9 BFA-VG wird gegen Sie eine Rückkehrentscheidung erlassen."
II. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte III., IV., V. und VI. des angefochtenen Bescheides gemäß §§ 46, 52, 53 Abs. 1 und Abs. 2, 55 Abs. 4 FPG und § 18 Abs. 2 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Zum Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich
1.1. Dem Beschwerdeführer (in der Folge: BF), einem indischen Staatsangehörigen, wurde von der Österreichischen Botschaft Neu Delhi am XXXX ein Visum der Kategorie D mit Gültigkeit vom XXXX bis XXXX zur einmaligen Einreise ausgestellt. Am XXXX reiste er in das österreichische Bundesgebiet ein.
1.2. Am XXXX stellte er bei der Bezirkshauptmannschaft XXXX einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltskarte als Angehöriger eines EWR-Bürgers. Zur Begründung des Antrags wurde vorgebracht, dass er mit XXXX , einer portugiesischen Staatsangehörigen mit aufrechtem Hauptwohnsitz in Österreich, verheiratet sei.
1.3. Die zuständige Bezirksverwaltungsbehörde sowie das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: Bundesamt) richteten daraufhin ein Erhebungsersuchen zum Verdacht der Aufenthaltsehe zwischen dem BF und seiner Ehefrau an die Landespolizeidirektion Niederösterreich (in der Folge: LPD NÖ).
1.4. Am XXXX führte die LPD NÖ Erhebungen an der Adresse des Beschwerdeführers durch. Daraufhin wurden am XXXX sowohl der BF als auch seine Ehefrau im Rahmen einer Beschuldigtenvernehmung zum Verdacht des Eingehens einer Aufenthaltsehe iSd § 117 Abs. 1 FPG von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes befragt.
Im Zuge seiner Einvernahme wurde der BF eingangs zu seiner Person und in weiterer Folge zu seiner Ehefrau befragt. Er gab den Namen und das Geburtsdatum seiner Ehefrau an und führte weiter aus, seine Ehefrau sei seit sieben Jahren geschieden und habe drei Töchter im Alter von 10, 13 und 16 Jahren. Ihre Familie lebe in Lissabon. Da ihre Mutter vor zwei Jahren verstorben sei, würden die Töchter seiner Ehefrau bei ihrer Tante leben. Geschwister habe sie nicht. Sie arbeite in Wien im 6. Bezirk als Reinigungs- und Hilfskraft, seit sie in Österreich lebe. Ein indischer Freund oder eine Freundin habe über Facebook vermittelt. In Portugal habe sie - so glaube er- in einem Coffeeshop gearbeitet. Welche Schule sie besucht habe, habe er sie nicht gefragt.
Hinsichtlich allfälliger persönlicher Merkmale gab er an, sie habe ein Muttermal. Er selbst habe von einem Unfall eine Narbe an der linken Hand. Am rechten Oberarm habe er eine Tätowierung in Form eines Löwen, am linken Unterarm den Familiennamen.
Zum Kennenlernen führte er aus, im Jahr XXXX , als er in Malaysia gewesen sei, habe er ihr auf Facebook eine Freundschaftsanfrage gesendet, die sie akzeptiert habe. Sie hätten miteinander gechattet und nach zwei bis drei Monaten habe er sie gefragt, ob sie seine Freundin sein wolle. Sie hätten immer öfter über Facebook und WhatsApp telefoniert. Nach einer gewissen Zeit habe er ihr telefonisch einen Heiratsantrag gemacht. Wegen ihrer Töchter habe sie darüber erst nachdenken müssen. Nach 10 Tagen habe er sie erneut gefragt, woraufhin sie eingewilligt habe. XXXX sei sie zu ihm nach Indien gekommen, um den Lebensstil und seine Verwandten kennenzulernen. In dieser Zeit sei die Heirat beschlossen worden. Seine Ehefrau habe ihm damals erzählt, dass sie wegen der Arbeit nach Wien gezogen sei.
Sie hätten aus Liebe geheiratet und es seien keine Versprechungen irgendeiner Art vereinbart worden. Im Zuge der Ausführungen zur Hochzeitsfeier gab der BF unter anderem an, er habe einen Ehering aus Gold mit einer Blume. Seine Ehefrau habe einen Ring, der wie eine Blume geformt sei, sie trage ihn aber nicht, sondern bewahre ihn gemeinsam mit der Hochzeitskleidung in Portugal auf.
Befragt, zum Abend vor der Einvernahme, gab der BF an, sie hätten gegen 22.30 Uhr bei XXXX Pasta mit weißer Sauce geholt und zuhause gegessen. Danach seien sie gemeinsam schlafengegangen. Er sei zuerst eingeschlafen.
Zur Wohnung führte er unter anderem an, sie seien gemeinsam eingezogen, die amtliche Meldung sei jedoch zu unterschiedlichen Zeitpunkten erfolgt. Beim Einzug seien die Couch sowie die drei Matratzen bereits in der Wohnung gewesen. Auf der Couch würden sie gemeinsam schlafen. Seine Ehefrau erziele ein monatliches Einkommen in Höhe von ? 1.200,00 und bezahle davon die Miete in Höhe von XXXX --. Sie würden vom Einkommen seiner Ehefrau leben. Der BF gehe keiner Erwerbstätigkeit nach, da er noch auf seine Arbeitsbewilligung warte.
Bei der Bezirkshauptmannschaft sei er von einem indischen Freund begleitet worden, den er in Österreich kennengelernt habe. Er habe ihm bei der Verständigung geholfen, da er gute Deutschkenntnisse habe.
Die Ehefrau des BF gab im Zuge ihrer Einvernahme an, der Geburtstag des BF sei am XXXX und er sei 29 Jahre alt, das genaue Geburtsjahr könne sie nicht nennen. Er sei in XXXX in der indischen Provinz Punjab geboren.
Zu ihrer eigenen Person führte sie (unter anderem) an, sie sei seit circa sechs Jahren geschieden. Ihre drei Kinder würden nur zum Teil aus dieser Ehe stammen. Der BF habe keine Kinder und sei noch nie verheiratet gewesen. Die Namen seiner Angehörigen könne sie nicht nennen, da es ihr schwerfalle, sich die indischen Namen zu merken. Sie habe die Familie aber kennengelernt. Seine Eltern würden in einem kleinen Dorf namens XXXX im Punjab leben. Eine Schwester lebe mit ihrem Ehemann in XXXX und der jüngere Bruder lebe noch bei ihren Schwiegereltern.
Dem BF sei es aktuell nicht erlaubt, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Sie arbeite als Reinigungskraft. Befragt zu besonderen Merkmalen ihres Ehegatten, führte sie an, er habe verschiedene Tattoos, eines davon sei am rechten Unterarm innen, eines sei am linken Arm außen und eines am Brustkorb. Alle Tattoos hätten einen religiösen Hintergrund, mehr könne sie dazu nicht angeben. Sie selbst habe an der rechten Oberlippe ein Piercing.
Vor ca. zwei Jahren habe sie den BF über Facebook kennengelernt. Genaueres könne sie dazu nicht angeben, da sie sehr viele Facebook-Freunde habe und mit allen in Kontakt sei. Sie habe ihn zufällig auf Facebook entdeckt, habe mit ihm zu schreiben begonnen und der Austausch sei intensiver geworden. Sie habe sich in ihn verleibt und sei dann im XXXX nach Indien gereist. Davor habe es kein persönliches Treffen gegeben. Danach sei sie erst wieder im XXXX zur Eheschließung nach Indien geflogen.
Zur Frage, warum die Eheschließung bereits nach so kurzer Zeit nach dem Kennenlernen stattgefunden habe, führte sie an, das sei nur eine Formalität, der BF und sie würden in einer sehr liberalen Beziehung leben. Der BF stamme aus einer sehr religiösen indischen Familie, die auf die Hochzeit bestanden habe. Sie selbst habe sich weder in Indien noch in Portugal ein Leben vorstellen können. Ihre Kinder würden sich noch in Portugal bei ihrer Tante befinden, sie wolle sie aber auch nach Österreich nachholen. Finanzielle Zuwendungen oder Versprechungen habe es im Rahmen der Eheschließung nicht gegeben. Wenn jemand davon profitiere, sei es ihr Ehemann, da er aus viel ärmlicheren Verhältnissen stamme. Ihren Angehörigen habe sie von der Hochzeit erzählt, sie hätten daran jedoch nicht teilnehmen können, da der Flug zu teuer gewesen wäre. Die Familie des BF sei bei der Hochzeit jedoch anwesend gewesen. Sie sei bei der Eheschließung traditionell indisch bekleidet und geschminkt gewesen. Der Vater des BF sowie weitere Verwandte von ihm seien die Trauzeugen gewesen. In Indien sei es etwas anders, was die Trauzeugen betreffe. Die Hochzeit sei von der Familie ihres Ehemannes organisiert und finanziert worden.
Einen Ehering besitze sie nicht. Sie habe lediglich von der Familie ihres Mannes einen wertvollen Ring geschenkt bekommen. Dieser sei aus Gold mit einem großen weißen Stein. Sie trage den Ring jedoch nicht, da er ihr zu protzig und wertvoll sei. Aus diesem Grund bewahre sie in ihrer Wohnung in Portugal auf. Klassische Eheringe hätten sie jedoch nicht. Ihr Ehemann trage keinen Ehering, da sie keine Eheringe hätten.
Der BF und sie würden in einer gemeinsamen Wohnung in XXXX leben. Zum Abend, welcher der Einvernahme vorausgegangen ist, gab sie an, ihr Mann habe sich indisches Essen gekocht, während sie für sich Pasta zubereitet habe. Sie hätten gemeinsam gekocht und gegessen. Um 23 Uhr sei sie gemeinsam mit ihrem Mann zu Bett gegangen, sei jedoch dann noch relativ lange auf Facebook aktiv gewesen.
Zur finanziellen Situation gab sie an, ihr Ehemann beziehe derzeit kein Einkommen. Sie verdiene netto XXXX bezahle monatlich XXXX ,-- an Miete exklusive Betriebskosten und sei für ihre drei Kinder unterhaltspflichtig. Einen finanziellen Beitrag zur Haushaltsführung leiste der BF nicht. Sie hätten kein gemeinsames Konto. Ob der BF ein Konto führe, wisse sie nicht.
Den Freund des BF, welcher sie zur Bezirkshauptmannschaft begleitet habe, habe sie zuvor noch nie gesehen. Sie gehe davon aus, dass er sie begleitet habe, da weder der BF noch sie Deutsch sprechen würden, der Freund ihres Mannes jedoch gut Deutsch spreche.
Die Wohnung, in der sie zuvor gewohnt habe, habe sie von Portugal aus über eine indische Vereinigung gemietet, zumal es in Portugal sehr viele Inder gebe und sie auch sehr viele kenne. Den Unterkunftgeber kenne sie jedoch nicht persönlich.
1.5. Mit Schreiben vom XXXX teilte die LPD NÖ gemäß § 110 FPG sowohl der Bezirkshauptmannschaft XXXX als auch dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit, die Behörde sei zu der Feststellung gekommen, dass im vorliegenden Fall von einer Aufenthaltsehe iSd § 117 FPG auszugehen sei. Nach Darstellung des Sachverhalts wurde begründend zusammengefasst ausgeführt, aufgrund des Bezugs der Ehegatten zu einem indischen Staatsangehörigen, der in der Slowakei wegen Schleppertätigkeit verurteilt worden sei sowie der zeitlich sehr knappen Abfolge von Übersiedlung, Eheschließung und Inanspruchnahme der Freizügigkeit habe sich der Verdacht erhärtet, dass die Eheschließung dem Zweck gedient habe, dem BF die Rechtsstellung eines begünstigten Drittstaatsangehörigen zu verschaffen.
In der Folge seien durch die PI XXXX Erhebungen durchgeführt worden.
Im Rahmen ihrer Einvernahmen sei es zu abweichenden Angaben gekommen. So habe die Ehefrau des BF sein Geburtsdatum nicht nennen können. Ferner habe der BF erklärt, seine Ehefrau habe keine Geschwister, während sie in ihrer Einvernahme jedoch angegeben habe, einen Halbbruder und eine Halbschwester zu haben.
Hinsichtlich besonderer körperlicher Merkmale habe der BF angeführt, er habe zwei Tätowierungen, nämlich einen Löwen am rechten Oberarm sowie seinen Familiennamen am linken Unterarm. Seine Ehefrau brachte hingegen vor, er habe insgesamt drei Tätowierungen, welche sich am rechten inneren Unterarm, am linken Arm außen und am Brustkorb befinden würden. Ferner behauptete sie, dass sämtliche Tätowierungen einen religiösen Hintergrund hätten. Die Narbe an seiner linken Hand habe sie unerwähnt gelassen. Als der BF zu allfälligen besonderen Merkmalen seiner Ehefrau befragt worden sei, habe er zudem nicht erwähnt, dass sie ein Piercing trage.
Überdies habe die Ehefrau angeführt, die Hochzeitsfeier sei von der Familie des BF organisiert und finanziert worden, während der BF behauptet habe, die gesamte Hochzeit selbst organisiert zu haben.
Ein weiterer Widerspruch ergebe sich aus ihren Angaben zu den Eheringen. So habe die Ehefrau angeführt, sie habe keinen Ehering. Allerdings habe ihr die Familie ihres Mannes einen wertvollen Goldring mit weißem Stein geschenkt, welchen sie in Lissabon aufbewahre. Ihr Ehemann trage keinen Ehering. Der BF habe hingegen erklärt, sein Ehering sei aus Gold mit einer Blume dekoriert. Seine Ehefrau habe einen Ehering, der wie eine Blume geformt sei.
Zur Wohnsituation habe der BF angeführt, an seiner Wohnadresse mit seiner Ehefrau alleine zu leben und mit ihr gemeinsam auf der Couch zu schlafen. Bei der Nachschau durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sei jedoch festgestellt worden, dass sich zwei Couchbetten sowie zwei auf dem Fußboden liegende Matratzen in der Wohnung befinden würden, die offenbar auch zum Schlafen benutzt würden. Die vorgefundenen Schlafstätten würden sohin den Aufenthalt einer weiteren Person in der Wohnung nahelegen. Hinzu trete, dass zu diesem Zeitpunkt XXXX an der Adresse aufrecht gemeldet gewesen sei. Diese Person sei jedoch weder vom BF noch von seiner Ehefrau erwähnt worden.
Die Angaben zum Abend, welcher der Einvernahme vorausgegangen sei, würden zudem stark divergieren. Seine Ehefrau habe angegeben, sie habe sich selbst italienisches Essen gekocht, während der BF ein indisches Gericht zubereitet habe. Der BF habe hingegen erklärt, sie hätten Essen geholt und hätten beide Pasta mit weißer Sauce gegessen.
Zur Person, welche das Paar zur Antragstellung begleitet habe, habe der BF angegeben, es handle sich um einen Freund, den er in Österreich kennengelernt habe. Obwohl er diesen Freund eigenen Angaben nach sohin während des gemeinsamen Ehelebens kennengelernt habe, habe seine Ehefrau erklärt, sie habe diesen Mann zuvor noch nie gesehen.
Zusammenfassend komme die LPD Niederösterreich daher zu der Feststellung, dass der BF eine Ehe eingegangen sei, um ein Bleiberecht zu erlangen, wobei bereits im Vorhinein geplant worden sei, kein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 EMRK zu führen. Ein solches sei auch tatsächlich nicht geführt worden.
Dieser Mitteilung wurden der Abschlussbericht der PI XXXX , die Niederschriften der Beschuldigtenvernehmungen des Beschwerdeführers und seine Ehefrau sowie Lichtbilder, beigelegt.
1.6. Mit Bescheid vom XXXX , Zl. XXXX , wurde sein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltskarte gemäß § 54 Abs. 7 NAG iVm § 57 NAG, § 3 Abs. 1 NAG iVm der Verordnung des Landeshauptmannes von NÖ über die Vollziehung des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes zurückgewiesen und festgestellt, dass der BF nicht in den Anwendungsbereich des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechtes fällt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der BF habe am XXXX einen Antrag gemäß § 54 Abs. 1 NAG gestellt und dazu vorgebracht, er sei mit XXXX , einer portugiesischen Staatsangehörigen, verheiratet. Im Rahmen der persönlichen Antragstellung, bei welchen er von seiner Ehefrau begleitet worden sei, sei jedoch der Eindruck vermittelt worden, dass der BF die Ehe nur zum Schein geschlossen habe, um sich die Rechtsstellung eines begünstigten Drittstaatsangehörigen zu verschaffen. In der Folge habe die PI XXXX Erhebungen an seiner Wohnadresse durchgeführt und in weiterer Folge sowohl den BF als auch seine Ehefrau einvernommen.
Dem BF sei die Möglichkeit eingeräumt worden, zur beabsichtigten Zurückweisung seines Antrags Stellung zu beziehen und habe er im Wesentlichen vorgebracht, die Vorwürfe seien aus der Luft gegriffen. Im Zuge eines weiteren Schreibens sei darauf hingewiesen worden, dass laut Bericht der LPD NÖ auch zahlreiche Übereinstimmungen zwischen den Angaben des BF und seiner Ehefrau bestünden. Diesbezüglich sei darauf hinzuweisen, dass die LPD NÖ dennoch in ihrem Bericht vom XXXX vom Vorliegen einer Aufenthaltsehe iSd § 117 FPG ausgegangen sei. Die Behörde gehe davon aus, dass der BF im Zusammenwirken und in Absprache mit seiner Ehegattin auch verschiedene übereinstimmende Aussagen getroffen habe. Dennoch würden sich zahlreiche Widersprüche aus ihren Angaben ergeben.
In der Folge wurden im Wesentlichen die Erwägungen, welche die LPD NÖ in ihrer Mitteilung nach § 110 FPG vom XXXX dargelegt hatte, wiederholt. Im Wesentlichen wurde darauf hingewiesen, dass die Angaben des BF und seiner Ehefrau zu dem der Einvernahme vorausgehenden Abend, zu ihren Eheringen sowie zu den Geschwistern der Ehefrau stark divergieren würden. Ferner würden die Angaben des BF zur Wohnsituation in Widerspruch zu den in der Wohnung durchgeführten Erhebungen stehen. So habe er behauptet, seine Ehefrau und er würden alleine in der Wohnung leben und würden gemeinsam auf der Couch schlafen. Die zwei Couchbetten sowie die auf dem Fußboden liegenden Matratzen würden jedoch nahelegen, dass an der Adresse weitere Personen leben würden. In diesem Zusammenhang sei auch zu berücksichtigen, dass zu diesem Zeitpunkt XXXX an der Adresse gemeldet gewesen sei. Bei ihr handle es sich um die Lebensgefährtin von jenem Freund, welcher den BF und seine Frau zur Bezirkshauptmannschaft begleitet habe und sei davon auszugehen, dass auch er an der Adresse wohne.
Ergänzend wurde ausgeführt, dass nach Ansicht der Behörde die Ehe überstürzt und nach einer sehr kurzen persönlichen Kennenlernphase eingegangen worden sei, wodurch sich der Verdacht des Vorliegens einer Aufenthaltsehe weiter erhärte. Der Verdacht sei durch den Bericht der LPD NÖ vom XXXX bestätigt worden.
In einer Gesamtschau kam die Behörde zu dem Ergebnis, dass eine Aufenthaltsehe vorliege und daher der Antrag des BF zurückzuweisen sei.
1.7. Mit Schreiben vom XXXX übermittelte die Bezirkshauptmannschaft XXXX diesen Bescheid samt Zustellnachweis dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und führte aus, dass keine Beschwerde erhoben und sohin der Bescheid am XXXX in Rechtskraft erwachsen sei.
2. Zum gegenständlichen Verfahren
2.1. Am XXXX erfolgte eine niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, im Zuge welcher er eingangs bestätigte, den Dolmetscher zu verstehen und sowohl psychisch als auch physisch in der Lage zu sein, der Einvernahme zu folgen und die Fragen zu beantworten.
Zu seiner Person gab er an, er sei gesund und benötige keine dauerhafte Medikation. Zuletzt sei er am XXXX unter Verwendung seines Reisepasses aus Indien ausgereist. In Österreich habe er in XXXX gewohnt und habe von der Unterstützung seiner Frau gelebt. Ein Visum oder ein Aufenthaltsrecht eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union habe er nie besessen. Er sei unbescholten. Nach Österreich sei er gereist, da seine Frau hier arbeite. Zuvor sei er noch nie in Österreich gewesen.
Zu seinem Leben im Herkunftsstaat gab er zu Protokoll, er habe die Grundschule absolviert, habe jedoch keinen Beruf erlernt. Nach der Schule habe er zwei Jahre in Malaysia gelebt und als Landwirt gearbeitet. In Indien habe er von der Unterstützung seiner Eltern gelebt. Sein Vater betreibe Handel mit Baustoffen. Er komme aus der Mittelschicht und lebe mit seiner Familie in einer Mietwohnung, da seine Mutter für die öffentliche Hand arbeite. Eine Rückkehr in den Herkunftsstaat sei möglich, eine bessere Zukunft habe er jedoch in Österreich.
Zu seinem Familienstand gab er an, er sei verheiratet und habe keine Kinder. Seine Ehefrau heiße XXXX und sei am XXXX in Lissabon geboren. Sie habe drei Kinder. Auf Nachfrage, wo seine Ehefrau lebe, gab er an, sie habe bei ihm gelebt, sie sei aber jetzt auf Urlaub gefahren. Er denke, sie komme im März zurück. Sie sei weggefahren, da ihre Tochter sehr krank sei und sie sich um die Tochter kümmern müsse. Da seine Ehefrau geschieden sei, würden ihre Kinder in Portugal bei ihrer Tante leben. Die jüngste Tochter heiße XXXX und sei 10 Jahre alt, dann komme die 13-jährige XXXX und die 16-jährige XXXX . Der BF habe kein Obsorgerecht.
In Indien würden seine Eltern, sein Bruder sowie seine Schwester leben. In Österreich habe er derzeit keine Verwandten. Einer Erwerbstätigkeit sei er im österreichischen Bundesgebiet nicht nachgegangen. Zu seinen derzeitigen finanziellen Mitteln führte er an, er habe sich von einem Freund ? 300 ,-- ausgeborgt und habe davon noch ? 200 ,--. Ansonsten habe er nur Schmuck als Vermögen. Eine Kreditkarte oder Bankomatkarte habe er nicht und könne er auch nicht auf andere Weise legal Geld bekommen. Auf die Frage, ob er soziale Kontakte in Österreich pflege, etwa in einem Verein oder einer sonstigen Organisation, gab er an, er habe einen indischen Freund in Österreich. Deutsch spreche er nicht.
Hinsichtlich des Verhaltens des Aufenthaltes des BF führte die Behörde aus, er halte sich unrechtmäßig in Österreich auf, zumal mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft XXXX vom XXXX festgestellt worden sei, dass er eine Scheinehe eingegangen sei. Ihm komme in Österreich kein Aufenthaltsrecht zu und gefährde er durch sein Verhalten die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar. In der Folge wurde dem BF die Möglichkeit eingeräumt, hierzu eine Stellungnahme abzugeben, der BF nahm dies zur Kenntnis, bezog jedoch nicht Stellung.
Auf Nachfrage, ob er in eine mögliche Abschiebung nach Indien einwillige, gab der BF zu Protokoll, dass er einer Abschiebung unter der Bedingung zustimme, dass er keinen Stempel in seinem Reisepass erhalte, der auf die Abschiebung hinweise. Nachgefragt, ob er vorhabe, sich der Abschiebung zu widersetzen, antworte er, es sei in Ordnung und er werde zurückkehren, da er hier eingereist sei und sein Aufenthaltstitel abgelehnt worden sei.
Abschließend wurden dem BF seine Angaben rückübersetzt und bestätigte er die Korrektheit seiner Angaben mit seiner Unterschrift.
2.2. Mit Mandatsbescheid vom XXXX wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet.
2.3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom XXXX wurde dem BF kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 erteilt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 und Z 8 FPG wurde gegen den BF ein Einreiseverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen (Spruchpunkt IV). Gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 4 FPG wurde ihm keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt VI.).
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich der BF unrechtmäßig in Österreich aufhalte. Der BF sei eine Scheinehe eingegangen, um ein Aufenthaltsrecht in Österreich zu erwirken. Sein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltskarte sei zurückgewiesen worden. Mit seiner Ehefrau habe er kein tatsächliches Familienleben in Österreich geführt und halte sich seine Ehefrau nicht mehr im österreichischen Bundesgebiet auf. Der BF gehe keiner Erwerbstätigkeit nach und verfüge nicht über ausreichend finanzielle Mittel, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Seine Ehefrau sei ebenso wenig in der Lage, für seinen Lebensunterhalt aufzukommen. In Österreich verfüge der BF weder über Verwandte noch über soziale Kontakte. Im Herkunftsstaat lebe hingegen seine Familie. Ferner sei er im Fall der Rückkehr nach Indien in der Lage, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen und seinen Lebensunterhalt aus Eigenem zu bestreiten. Auf den Seiten 11 bis 37 des angefochtenen Bescheids wurden Feststellungen zur allgemeinen Situation im Herkunftsstaat getroffen.
Beweiswürdigend wurde insbesondere auf die Angaben des BF in seiner Einvernahme am XXXX , den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft XXXX vom XXXX , die Anzeigen der PI XXXX vom XXXX und vom XXXX sowie auf die Auszüge aus ZMR, IZR sowie dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger verwiesen.
Rechtlich wurde ausgeführt, dass die Voraussetzungen zur Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG nicht vorliegen würden. Hinsichtlich seines Privat- und Familienlebens wurde erwogen, dass er sich unrechtmäßig in Österreich aufhalte und seine Ehe nur geschlossen worden sei, um ein Aufenthaltsrecht zu erhalten. Ein tatsächliches Familienleben habe er nie geführt und halte sich seine Ehefrau nicht mehr in Österreich auf. Er sei weder beruflich noch sprachlich oder sozial in Österreich integriert. Er sei strafgerichtlich unbescholten, habe jedoch durch seinen unrechtmäßigen Aufenthalt gegen das Fremdenrecht verstoßen und sei aus diesem Grund Anzeige gegen ihn erstattet worden. Ferner sei er wegen des Verdachtes des Eingehens einer Aufenthaltsehe gemäß §?117 Abs. 1 FPG bei der Staatsanwaltschaft XXXX angezeigt worden. Insgesamt würden daher die staatlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen die privaten Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen. Anhaltspunkte dafür, dass der BF im Fall seiner Rückkehr nach Indien einer Gefährdung iSd § 50 Abs. 1 oder 2 FPG ausgesetzt wäre, seien im Verfahren nicht hervorgekommen und liege auch keine Empfehlung iSd § 50 Abs. 3 FPG vor. Hinsichtlich der Erlassung des Einreiseverbots wurde ausgeführt, dass der BF über keine ausreichenden Mittel verfüge, um seinen Unterhalt zu bestreiten. Ferner sei er eine Ehe zum Schein eingegangen, um ein Aufenthaltsrecht in Österreich zu erwirken. Folglich seien die Tatbestände des § § 53 Abs. 2 Z 6 und 8 FPG erfüllt. Hinzu trete, dass er sich seit 92 Tagen unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte. Der Erlassung eines Einreiseverbotes stünden keine privaten oder familiären Interessen des BF entgegen. Aufgrund seines Gesamtverhaltens sei ein Einreiseverbot für die Dauer von fünf Jahren gerechtfertigt und zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten. Im Hinblick auf Spruchpunkt V. wurde ausgeführt, dass einer Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG die aufschiebende Wirkung abzuerkennen gewesen sei, zumal die sofortige Ausreise des BF im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich sei. Gemäß § 55 Abs. 4 FPG sei von der Festlegung einer Frist zur freiwilligen Ausreise abzusehen gewesen.
2.4. Am XXXX wurde der BF gemäß § 46 FPG nach Indien abgeschoben.
2.5. Am XXXX wurde gegen die Spruchpunkte II., III., IV., V und VI. dieses Bescheids Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung, mangelhafter Beweiswürdigung und der Verletzung von Verfahrensvorschriften erhoben. Nach Darstellung des Sachverhalts wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Beweiswürdigung betreffend die Feststellungen zur Ehe des BF bestehe lediglich aus Verweisen auf verschiedene Aktenbestandteile. Hinsichtlich der Feststellungen zum Privat-, und Familienleben des BF sei zudem lediglich auf seine Angaben in der Einvernahme vor dem Bundesamt am XXXX verwiesen worden. Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung hätte die Behörde schließlich auf die Erwägungen im Bescheid der Bezirkshautpmannschaft XXXX vom XXXX verwiesen (vgl. S. 46 des angefochtenen Bescheids), eine nähere Auseinandersetzung mit den Beweismittel sei jedoch nicht erfolgt und seien auch keine eigenen Ermittlungen durchgeführt worden. Unabhängig davon, dass die Behörde bei der Feststellung des Vorliegens einer Aufenthaltsehe nicht an eine Nichtigerklärung der Ehe oder an eine strafrechtliche Verurteilung gebunden sei, sei davon auszugehen, dass die Behörde qualifizierte Ermittlungspflichten treffen würden, wenn eine Nichtigerklärung oder eine strafrechtliche Verurteilung nicht vorliegen würden. Ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren sei gegenständlich jedoch nicht durchgeführt worden. In der Einvernahme vom XXXX sei der Beschwerdeführer zu einer Aufenthaltsehe nicht befragt worden. Im Zuge ordentlicher Ermittlungen wäre die Behörde jedoch zu dem Ergebnis gekommen, dass der BF und seine Ehefrau keine Aufenthaltsehe eingegangen seien, sondern sie vielmehr bis zur Festnahme und Abschiebung des BF ein Familienleben im gemeinsamen Haushalt geführt hätten. So habe der BF im Rahmen seiner Einvernahme vor dem Bundesamt am XXXX angegeben, dass er verheiratet sei, seine Frau in Österreich gearbeitet und bei ihm gelebt habe, jedoch auf Urlaub gefahren sei, um sich um ihre Tochter zu kümmern. Ferner habe er angeführt, von der Unterstützung seiner Ehefrau zu leben. Das Bundesamt habe diese Ausführungen jedoch in keiner Weise gewürdigt. Ferner sei darauf hinzuweisen, dass die PI XXXX in ihrem Abschlussbericht vom XXXX zu dem Schluss gekommen sei, dass die Einvernahmen des BF und seiner Ehefrau viele Übereinstimmungen zeigen würden und sich die beiden gut zu kennen scheinen. So sei erhoben worden, dass die Eheleute im XXXX einen gemeinsamen Hausstand begründet hätten, bei einer Nachschau der BF am Wohnsitz angetroffen worden sei und Kleidungsstücke beiderlei Geschlechts wahrgenommen worden seien. Weder der BF noch seine Ehegattin seien nach dem Bericht geständig gewesen. Ferner hätten sie Hochzeitsfotos vorgelegt. Insoweit sei nicht ersichtlich, wie die Behörde ohne ergänzende Ermittlungen zu dem Schluss komme, dass eine Aufenthaltsehe vorliege. Hinzu trete, dass die Behörde die Feststellungen hinsichtlich des Privat- und Familienlebens des BF auf seine Angaben in der Einvernahme am XXXX stütze (S. 37 des angefochtenen Bescheids) und der BF in der Einvernahme ein gemeinsames Familienleben nicht verneint habe. Die Feststellungen auf Seite 45 des angefochtenen Bescheids, wonach der BF lediglich über einen Aufenthaltstitel mit Gültigkeit von XXXX bis XXXX verfügt habe, seien aktenwidrig. Auch der Vorwurf der Behörde, wonach der BF bei einem neuerlichen Aufenthalt im Schengen Raum "wieder versuchen werde unrechtmäßig einen dauerhaften Wohnsitz zu nehmen, um einer unrechtmäßigen Erwerbstätigkeit nachzugehen (S. 46 des angefochtenen Bescheids), erweise sich als aktenwidrig, zumal der Beschwerdeführer in Österreich zuvor nie einer unrechtmäßigen Erwerbstätigkeit nachgegangen sei. Wenn dem BF weiter vorgeworfen werde, er verfüge nur über wenige Barmittel, um sich auf längere Sicht ein Leben innerhalb der Europäischen Union finanzieren zu können, so sei dem zu entgegnen, dass er im Zuge seiner Einvernahme angegeben habe, von seiner Frau unterstützt zu werden sowie über Schmuck zu verfügen. Nach dem Wert des Schmuckes sei er hingegen nicht gefragt worden. Zudem würden sich seine Angaben zur Unterstützung durch seine Frau mit den Ausführungen in den Beschuldigtenvernehmungen vom XXXX decken. Bei Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens hätte die Behörde sohin zu dem Ergebnis kommen müsse, dass keine Aufenthaltsehe vorliege und der BF überdies nicht mittellos sei. Folglich hätte sie von der Verhängung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbots für die Dauer von fünf Jahren absehen müssen.
Hinsichtlich der Beweiswürdigung sei ferner auszuführen, dass die Behörde die Feststellungen der BH XXXX wiederholt habe, ohne eigene Ermittlungen durchzuführen. Ferner habe sie die Feststellungen im Abschlussbericht der PI XXXX sowie die Stellungnahme des BF ignoriert. Folglich habe die Behörde den Bescheid mit Willkür belastet und führe die fehlende Auseinandersetzung mit den divergierenden Beweisergebnissen zur Mangelhaftigkeit des Bescheides.
Unter Verweis auf die Entscheidung des VwGH vom 14.04.2016, Ro 2016/21/0005, wurde ausgeführt, dass der BF im Hinblick auf die aufrechte Ehe mit einer Unionsbürgern selbst bei Vorliegen einer Aufenthaltsehe als begünstigter Drittstaatsangehöriger zu qualifizieren sei und sohin keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen nach dem 1. Abschnitt 8. Hauptstücks des FPG, sondern nach dem 4. Abschnitt des 8. Hauptstücks des FPG zu erlassen seien. Der Bescheid erweise sich sohin als rechtswidrig und sei daher zu beheben.
Sollte das erkennende Gericht dieser Ansicht nicht folgen, so sei dennoch zu berücksichtigen, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung im gegenständlichen Fall unzulässig sei. Die Behörde hätte in einer Interessensabwägung zu dem Ergebnis kommen müssen, dass eine Rückkehrentscheidung einen unzulässigen Eingriff in das Privat- und Familienleben des BF darstellt, da der BF mit seiner Ehefrau in Österreich zusammengelebt habe, sie sich gut gekannt hätten und der BF finanziell von ihr abhängig gewesen sei. Er sei legal in das Bundesgebiet eingereist und sei strafrechtlich unbescholten.
Die Erlassung des Einreiseverbotes sei ferner rechtswidrig, da die Behörde verabsäumt habe, eine nachvollziehbare individuelle Gefährlichkeitsprognose durchzuführen und auf die Persönlichkeit des BF abzustellen. Wie bereits ausgeführt, liege das von der Behörde festgestellte Fehlverhalten des BF nicht vor. Die Behörde übersehe ferner, dass die Verhängung eines Einreiseverbotes nicht nur mit generellen Überlegungen begründet werden dürfe. Der BF sei legal eingereist, habe rechtmäßig einen Wohnsitz genommen und sei ordnungsgemäß gemeldet. Er sei unbescholten und sei nicht der Schwarzarbeit nachgegangen. Er habe an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts mitgewirkt und habe seine Identität nie verschleiert. Diese Umstände würden dafür sprechen, dass er keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle. Auch aus dem Umstand, dass die Behörde den BF nicht umgehend festnehmen habe lassen, sondern bis Ende XXXX zugewartet habe, spreche dafür, dass er keine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstelle. Die Verhängung des Einreiseverbots sei sohin rechtswidrig erfolgt. In eventu sei festzuhalten, dass die Behörde das Einreiseverbot zu hoch bemessen habe, zumal keine in der Person des BF gelegene Gründe für die Ausschöpfung der Höchstdauer dargelegt worden seien. Diesbezüglich sei auf die Entscheidung des VwGH vom 15.12.2011, Zl. 2011/21/0237, zu verweisen. Es fehle überdies an Feststellungen, warum die Behörde das Einreiseverbot mit der Dauer von fünf Jahren festgesetzt habe. Insgesamt habe sie das ihr eingeräumte Ermessen sohin überschritten. Abschließend wurde auf verschiedene Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts hingewiesen und dazu ausgeführt, dass in diesen Fällen eine Auseinandersetzung mit Schein- bzw. Aufenthaltsehen erfolgt sei, jedoch selbst bei Hinzukommen von zusätzlichen strafrechtlichen Verurteilungen bzw. Nichtigerklärungen der Ehe deutlich kürzer Einreise- bzw. Aufenthaltsverbote verhängt worden seien.
Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde wurde auf die Entscheidung des EuGH vom 11.06.2015, C-554/13, hingewiesen, wonach die bloße Tatsache einer strafrechtlichen Verurteilung für sich genommen nicht geeignet sei, eine Gefahr für die öffentliche Ordnung zu begründen. Der BF sei unbescholten und habe sich auch verwaltungsrechtlich nicht strafbar gemacht. Auch das Zuwarten der Behörde mit der Festnahme des BF zeige, dass keine Gründe vorgelegen hätten, welche die sofortige Ausreise des BF iSd Art. 7 Abs. 4 der Rückführungs-RL erforderlich gemacht hätten. Abschließend sei festzuhalten, dass durch die sofortige Abschiebung der Abspruch über die Rechtmäßigkeit der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nicht obsolet werde, da zum einen die Rechtswirkungen des Einreiseverbotes trotz fehlender Rechtskraft eintreten würden und dieser Umstand zum anderen auch für einen allfälligen Antrag auf Aufhebung, in eventu Verkürzung eines Einreiseverbots gemäß § 60 Abs. 1 FPG erscheine, zumal ein solcher Antrag nur bei fristgerechter Ausreise zulässig sei. Eine fristgerechte Ausreise setze logischerweise die Setzung einer solchen Frist voraus.
2.6. Am XXXX langte die Beschwerdevorlage beim Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des BF
Der BF ist indischer Staatsangehöriger und gehört der Religionsgemeinschaft der Sikhs an. Er führt den im Spruch genannten Namen und wurde am XXXX in der indischen Provinz Punjab geboren.
Am XXXX heiratete er in Indien XXXX , eine portugiesische Staatsangehörige. Der BF beabsichtigte jedoch zu keinem Zeitpunkt mit seiner Ehefrau ein Familienleben zu führen, und wurde ein solches auch nicht geführt. Vielmehr versuchte der BF durch die Eheschließung ein Aufenthaltsrecht in Österreich zu erwirken.
Am XXXX reiste der BF mit einem Visum der Kategorie D mit Gültigkeit von XXXX bis XXXX in das österreichische Bundesgebiet ein und meldete einen aufrechten Hauptwohnsitz in Österreich. Seine Ehefrau verfügte bereits seit XXXX über einen aufrechten Wohnsitz im österreichischen Bundesgebiet und zog am XXXX an die Adresse des BF.
Am XXXX stellte der BF einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltskarte nach § 54 Abs. 1 NAG, welchen er mit der Ehe zu XXXX begründete. Mit Bescheid vom XXXX , Zl. XXXX , wurde sein Antrag gemäß § 54 Abs. 7 iVm § 57 NAG, § 3 Abs. 2 NAG iVm der Verordnung des Landeshauptmannes von NÖ über die Vollziehung des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes zurückgewiesen und festgestellt, dass der BF nicht in den Anwendungsbereich des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechtes fällt. Der Bescheid ist am XXXX in Rechtskraft erwachsen.
In der Folge leitete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein Verfahren zur Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen gegen den Beschwerdeführer ein. Am XXXX wurde der BF nach Indien abgeschoben.
1.2. Zum Leben des BF im Herkunftsstaat
Der BF gehört der der Religionsgemeinschaft der Sikhs an und stammt aus dem indischen Bundesstaat Punjab. Er spricht neben Hindi auch Englisch. Nach Abschluss der Grundschule hat er zwei Jahre in Malaysia als Landwirt gearbeitet. Über eine Berufsausbildung verfügt er nicht. Im Herkunftsstaat hat er bei seinen Eltern in einer Mietwohnung gelebt und ist von ihnen finanziell unterstützt worden. Sein Vater handelt mit Baustoffen, während seine Mutter für die öffentliche Hand arbeitet. Seine Familie gehört der Mittelschicht an. Neben seinen Eltern leben auch sein Bruder und seine Schwester nach wie vor im Herkunftsstaat.
Der BF ist gesund, arbeitsfähig und hat keine Obsorgeverpflichtungen. Er ist in der Lage, seinen Lebensunterhalt im Herkunftsstaat eigenständig zu bestreiten.
1.3. Zum Leben des BF in Österreich
Die Ehefrau des BF lebt in Österreich, jedoch hat der BF zu keinem Zeitpunkt ein Familienleben mit ihr geführt. Über sonstige Verwandte oder nahe Angehörige verfügt er nicht. Er ist weder Mitglied in einem Verein noch einer sonstigen Organisation und nimmt am kulturellen und sozialen Leben in Österreich nicht teil. Er pflegt eine Freundschaft zu einem indischen Staatsangehörigen, ein Abhängigkeitsverhältnis oder eine sonstige besondere Nahebeziehung zu diesem Freund besteht jedoch nicht. Über Deutschkenntnisse verfügt der BF nicht.
In Österreich geht der BF keiner rechtmäßigen Erwerbstätigkeit nach. Er verfügt über keine ausreichenden Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes. Die Ehefrau des BF erzielt als Reinigungskraft ein monatliches Nettoeinkommen von XXXX und ist für ihre drei minderjährigen Kinder unterhaltspflichtig. Der Mietzins für die Wohnung, in welcher sie gemeinsam mit dem BF gelebt hat, beträgt monatlich XXXX exklusive Betriebskosten. Seine Ehefrau ist sohin nicht in der Lage, für den Lebensunterhalt des BF aufzukommen.
1.4. Feststellungen zur allgemeinen Situation in Indien
Politische Lage
Indien ist mit über 1,3 Milliarden Menschen und einer multireligiösen und multiethnischen Gesellschaft die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt (CIA Factbook 23.1.2019; vgl. AA 18.9.2018). Die Zentralregierung hat im indischen Föderalsystem deutlich größere Kompetenzen als die Regierungen der Bundesstaaten. Indien verfügt über 29 Bundesstaaten und sechs Unionsterritorien (AA 11.2018a). Im Einklang mit der Verfassung haben die Bundesstaaten und Unionsterritorien ein hohes Maß an Autonomie und tragen die Hauptverantwortung für Recht und Ordnung (USDOS 20.4.2018). Die Hauptstadt New Delhi hat einen besonderen Rechtsstatus (AA 11.2018a).
Die Gewaltenteilung zwischen Parlament und Regierung entspricht britischem Muster (AA 18.9.2018), der Grundsatz der Gewaltenteilung von Legislative, Exekutive und Judikative ist durchgesetzt (AA 11.2018a). Die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit, die über einen dreistufigen Instanzenzug verfügt, ist verfassungsmäßig garantiert (AA 18.9.2018). Das oberste Gericht (Supreme Court) in New Delhi steht an der Spitze der Judikative und wird gefolgt von den High Courts auf Länderebene (GIZ 3.2018a). Die Pressefreiheit ist von der Verfassung verbürgt, jedoch immer wieder Anfechtungen ausgesetzt (AA 9.2018a). Indien hat zudem eine lebendige Zivilgesellschaft (AA 11.2018a).
Indien ist eine parlamentarische Demokratie und verfügt über ein Mehrparteiensystem und ein Zweikammerparlament (USDOS 20.4.2018). Darüber hinaus gibt es Parlamente auf Bundesstaatsebene (AA 18.9.2018).
Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von einem Wahlausschuss gewählt, während der Premierminister Leiter der Regierung ist (USDOS 20.4.2018). Das Präsidentenamt bringt vor allem repräsentative Aufgaben mit sich, im Krisenfall verfügt der Präsident aber über weitreichende Befugnisse. Seit Juli 2017 ist Präsident Ram Nath Kovind indisches Staatsoberhaupt (AA 11.2018a). Das wichtigste Amt innerhalb der Exekutive bekleidet aber der Premierminister (GIZ 3.2018a).
Wahlen zum Unterhaus finden nach einfachem Mehrheitswahlrecht ("first-past-the-post") alle fünf Jahre statt, zuletzt im April/Mai 2014 mit knapp 830 Millionen Wahlberechtigten (AA 18.9.2018). Dabei standen sich drei große Parteienbündnisse gegenüber: Die United Progressive Alliance (UPA) unter Führung der Kongresspartei, die National Democratic Alliance (NDA) unter Führung der Bharatiya Janata Party (BJP - Indische Volkspartei) und die so genannte Dritte Front, die aus elf Regional- und Linksparteien besteht sowie die aus einem Teil der India-Against-Corruption-Bewegung hervorgegangene Aam Aadmi Party (AAP) (GIZ 3.2018a; vgl. FAZ 16.5.2014). Abgesehen von kleineren Störungen, verliefen die Wahlen korrekt und frei (AA 18.9.2018). Als deutlicher Sieger mit 336 von 543 Sitzen löste das Parteienbündnis "National Democratic Alliance" (NDA) mit der "Bharatiya Janata Party" (BJP) als stärkste Partei (282 Sitze) die Kongress-Partei an der Regierung ab (AA 18.9.2018). Die BJP holte sie nicht nur die absolute Mehrheit, sie ließ auch den bislang regierenden Indian National Congress (INC) weit hinter sich. Der INC kam nur noch auf 46 Sitze und erlitt die schlimmste Niederlage seit der Staatsgründung 1947. Wie es mit dem INC mit oder ohne die Familie Gandhi weitergeht, wird abzuwarten sein. Die Gewinne der Wahlen im Punjab, Goa und Manipur sowie das relativ gute Abschneiden in Gujarat sind jedenfalls Hoffnungsschimmer, dass die Zeit der Kongresspartei noch nicht vorbei ist (GIZ 13.2018a). Die Anti-Korruptionspartei (AAP), die 2013 bei der Wahl in Delhi 28 von 70 Sitzen erringen konnte, errang 2014 landesweit nur vier Sitze (GIZ 3.2018; vgl. FAZ 16.5.2014). Der BJP-Spitzenkandidat, der bisherige Ministerpräsident von Gujarat, Narendra Modi, wurde zum Premierminister gewählt und steht seither einem 26-köpfigen Kabinett (mit zusätzlichen 37 Staatsministern) vor (AA 18.9.2018).
In Indien wird im Zeitraum zwischen April und Mai 2019 wieder gewählt. Der genaue Zeitplan ist jedoch noch unklar. In den Umfragen liegt der hindu-nationalistische Premier Narendra Modi mit seiner BJP vorne (DS 1.1.2019).
Die seit 2014 im Amt befindliche neue Regierung will nicht nur den marktwirtschaftlichen Kurs fortsetzen, sondern ihn noch intensivieren, indem bürokratische Hemmnisse beseitigt und der Protektionismus verringert werden soll. Ausländische Investoren sollen verstärkt aktiv werden (GIZ 3.2018b).
Unter Premierminister Modi betreibt Indien eine aktive Außenpolitik. Der außenpolitische Kernansatz der "strategischen Autonomie" wird zunehmend durch eine Politik "multipler Partnerschaften" ergänzt. Wichtigstes Ziel der indischen Außenpolitik ist die Schaffung eines friedlichen und stabilen globalen Umfelds für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes und als aufstrebende Gestaltungsmacht die zunehmende verantwortliche Mitgestaltung regelbasierter internationaler Ordnung (AA 11.2018b). Ein ständiger Sitz im UN-Sicherheitsrat ist dabei weiterhin ein strategisches Ziel (GIZ 3.2018a). Gleichzeitig strebt Indien eine stärkere regionale Verflechtung mit seinen Nachbarn an, wobei nicht zuletzt Alternativkonzepte zur einseitig sino-zentrisch konzipierten "Neuen Seidenstraße" eine wichtige Rolle spielen. In der Region Südasien setzt Indien zudem zunehmend auf die Regionalorganisation BIMSTEC (Bay of Bengal Initiative for Multi-Sectoral Technical and Economic Cooperation). Indien ist Dialogpartner der südostasiatischen Staatengemeinschaft und Mitglied im "Regional Forum" (ARF). Überdies nimmt Indien am East Asia Summit und seit 2007 auch am Asia-Europe Meeting (ASEM) teil. Die Shanghai Cooperation Organisation (SCO) hat Indien und Pakistan 2017 als Vollmitglieder aufgenommen. Der Gestaltungswille der BRICS-Staatengruppe (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) schien zuletzt abzunehmen (AA 11.2018b).
In den Beziehungen zum gleichfalls nuklear gerüsteten Nachbarn Pakistan haben sich in den Jahrzehnten seit der Unabhängigkeit wiederholt Phasen des Dialogs und der Spannungen bis hin zu kriegerischen Auseinandersetzung abgelöst. Größtes Hindernis für eine Verbesserung der Beziehungen ist weiterhin das Kaschmir-Problem (AA 11.2018b).
Indien ist durch das Nuklearabkommen mit den USA ein Durchbruch gelungen. Obwohl es sich bis heute weigert, dem Atomwaffensperrvertrag beizutreten, bedeutet das Abkommen Zugang zu Nukleartechnologie. Ebenfalls positiv hat sich das Verhältnis Indiens zu China entwickelt. Zwar sind die strittigen Grenzfragen noch nicht geklärt, aber es wurden vertrauensbildende Maßnahmen vereinbart, um zumindest in dieser Frage keinen Konflikt mehr herauf zu beschwören. Auch ist man an einer weiteren Steigerung des bilateralen Handels interessiert, der sich binnen eines Jahrzehnts mehr als verzehnfacht hat (GIZ 3.2018a).
Die Beziehungen zu Bangladesch sind von besonderer Natur, teilen die beiden Staaten doch eine über 4.000 km lange Grenze. Indien kontrolliert die Oberläufe der wichtigsten Flüsse Bangladeschs und war historisch maßgeblich an der Entstehung Bangladeschs während seines Unabhängigkeitskrieges beteiligt. Schwierige Fragen wie Transit, Grenzverlauf, ungeregelter Grenzübertritt und Migration, Wasserverteilung und Schmuggel werden in regelmäßigen Regierungsgesprächen erörtert. Die Beziehungen des Landes zur EU sind vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht von besonderer Bedeutung. Die EU ist der größte Handels- und Investitionspartner Indiens. Der Warenhandel in beide Richtungen hat sich faktisch stetig ausgeweitet (GIZ 3.2018a).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien
- AA - Auswärtiges Amt (11.2018a): Indien, Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/indien-node/-/206048, Zugriff 23.1.2019
- AA - Auswärtiges Amt (11.2018b): Indien, Außenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/indien-node/-/206046, Zugriff 23.1.2019
- CIA - Central Intelligence Agency (15.1.2019): The World Factbook - India, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/in.html, Zugriff 23.1.2019
- DS - Der Standard (1.1.2019): Was 2019 außenpolitisch bringt. Die US-Demokraten übernehmen die Mehrheit im Repräsentantenhaus, Großbritannien plant den Brexit - und in Indien, der größten Demokratie der Welt, sind Wahlen, https://www.derstandard.de/story/2000094950433/was-2019-aussenpolitisch-bringt, Zugriff 28.1.2019
- FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (16.5.2014): Modi ist Mann der Stunde, http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/fruehaufsteher/wahlentscheid-in-indien-modi-ist-der-mann-der-stunde-12941572.html, Zugriff 11.10.2018
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (3.2018a): Indien, https://www.liportal.de/indien/geschichte-staat/, Zugriff 23.1.2019
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmBH (3.2018b): Indien, Wirtschaftssystem und Wirtschaftspolitik, https://www.liportal.de/indien/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 23.1.2019
- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430388.html, Zugriff 18.10.2018
Sicherheitslage
Indien ist reich an Spannungen entlang von Ethnien, Religionen, Kasten und auch Lebensperspektiven, die sich oft in kommunal begrenzten Ausschreitungen entladen (GIZ 3.2018a). Terroristische Anschläge in den vergangenen Jahren (Dezember 2010 in Varanasi, Juli 2011 in Mumbai, September 2011 in New Delhi und Agra, April 2013 in Bangalore, Mai 2014 in Chennai und Dezember 2014 in Bangalore) und insbesondere die Anschläge in Mumbai im November 2008 haben die Regierung unter Druck gesetzt. Von den Anschlägen der letzten Jahre wurden nur wenige restlos aufgeklärt und die als Reaktion auf diese Vorfälle angekündigten Reformvorhaben zur Verbesserung der indischen Sicherheitsarchitektur wurden nicht konsequent umgesetzt (AA 24.4.2015). Aber auch im Rest des Landes gab es Terroranschläge mit islamistischem Hintergrund. Im März 2017 platzierte eine Zelle des "Islamischen Staates" (IS) in der Hauptstadt des Bundesstaates Madhya Pradesh eine Bombe in einem Passagierzug. Die Terrorzelle soll laut Polizeiangaben auch einen Anschlag auf eine Kundgebung von Premierminister Modi geplant haben (BPB 12.12.2017).
Die Spannungen im Nordosten des Landes gehen genauso weiter wie die Auseinandersetzung mit den Naxaliten (GIZ 3.2018a). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt (AA 18.9.2018).
Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2016 insgesamt 898 Todesopfer durch terrorismus-relevante Gewalt. Im Jahr 2017 wurden 803 Personen durch terroristische Gewalt getötet und im Jahr 2018 wurden 935 Menschen durch Terrorakte getötet. Bis zum 13.1.2019 wurden 12 Todesopfer durch terroristische Gewaltanwendungen registriert [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 13.1.2019).
Konfliktregionen sind Jammu und Kashmir, die nordöstlichen Regionen und der maoistische Gürtel. In Jharkhand und Bihar setzten sich die Angriffe von maoistischen Rebellen auf Sicherheitskräfte und Infrastruktur fort. In Punjab kam es bis zuletzt durch gewaltbereite Regierungsgegner immer wieder zu Ermordungen und Bombenanschlägen. Neben den islamistischen Terroristen tragen die Naxaliten (maoistische Untergrundkämpfer) zur Destabilisierung des Landes bei. Von Chattisgarh aus kämpfen sie in vielen Unionsstaaten (von Bihar im Norden bis Andrah Pradesh im Süden) mit Waffengewalt gegen staatliche Einrichtungen. Im Nordosten des Landes führen zahlreiche Separatistengruppen (United Liberation Front Assom, National Liberation Front Tripura, National Socialist Council Nagaland, Manipur People's Liberation Front etc.) einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie. Der gegen Minderheiten wie Moslems und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird selten von offizieller Seite in die Kategorie Terror eingestuft, sondern vielmehr als "communal violence" bezeichnet (ÖB 12.2018).
Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 18.9.2018).
Pakistan und Indien
Pakistan erkennt weder den Beitritt Jammu und Kaschmirs zur indischen Union im Jahre 1947 noch die seit dem ersten Krieg im gleichen Jahr bestehende de-facto-Aufteilung der Region auf beide Staaten an. Indien hingegen vertritt den Standpunkt, dass die Zugehörigkeit Jammu und Kaschmirs in seiner Gesamtheit zu Indien nicht zur Disposition steht (AA 11.2018b). Seit 1947 gab es bereits drei Kriege aufgrund des umstrittenen Kaschmir-Gebiets (BBC 23.1.2018).
Nach dem friedlichen Unabhängigkeitskampf gegen die britische Kolonialherrschaft zeigte bereits die blutige Teilung Britisch-Indiens, die mit einer Massenflucht, schweren Gewaltausbrüchen und Pogromen einherging, wie schwierig es sein wird, die ethnisch, religiös, sprachlich und sozioökonomisch extrem heterogene Gesellschaft in einem Nationalstaat zusammenzuhalten. Die inter-religiöse Gewalt setzte sich auch nach der Teilung zwischen Indien und Pakistan fort (BPB 12.12.2017).
Indien wirft Pakistan vor, Infiltrationen von Terroristen auf indisches Staatsgebiet zumindest zu dulden, wenn nicht zu befördern. Größere Terroranschläge in Indien in den Jahren 2001 und 2008 und ein terroristischer Angriff auf eine Militärbasis im indischen Teil Kaschmirs im September 2016 hatten die Spannungen in den bilateralen Beziehungen erheblich verschärft. Gemäß Regierungserklärung reagierte Indien auf den Anschlag, bei dem 18 indische Soldaten ums Leben kamen, mit einer begrenzten Militäroperation ("surgical strike") im pakistanisch kontrollierten Teil Kaschmirs, die sich nach indischen Angaben gegen eine bevorstehende terroristische Infiltration richtete. Immer wieder kommt es zu Schusswechseln zwischen Truppenteilen Indiens und Pakistans an der Waffenstillstandslinie in Kaschmir. Indien sieht Pakistan in der Verantwortung für die terroristischen Bedrohungen an seiner Nordwestgrenze und erhöht den Druck auf den Nachbarn, um wirksame pakistanische Maßnahmen gegen den Terrorismus zu erreichen (AA 11.2018b).
Der von 2014-2015 Hoffnung gebende Dialogprozess zwischen beiden Seiten ist 2016 zum Stillstand gekommen. Aktuell sind die Beziehungen auf sehr niedrigem Niveau stabil (AA 11.2018b).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien
- AA - Auswärtiges Amt (24.4.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien
- AA - Auswärtiges Amt (11.2018b): Indien, Außenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/indien-node/-/206046, Zugriff 23.1.2019
- BBC - British Broadcasting Corporation (23.1.2018): India country profile - Overview, http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384, Zugriff 29.1.2019
- BPB - Bundeszentrale für Politische Bildung (12.12.2017): Innerstaatliche Konflikte - Indien, http://www.bpb.de/internationales/weltweit/innerstaatliche-konflikte/215390/indien, Zugriff 23.10.2018
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (3.2018a): Indien, https://www.liportal.de/indien/geschichte-staat/, Zugriff 11.10.2018
- ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2018): Asylländerbericht Indien - Arbeitsversion
- SATP - South Asia Terrorism Portal (13.1.2019): Data Sheet - India Fatalities: 1994-2019, http://www.satp.org/satporgtp/countries/india/database/indiafatalities.htm, Zugriff 23.1.2019
Punjab
Laut Angaben des indischen Innenministeriums zu den Zahlen der Volkszählung im Jahr 2011 leben von den 21 Mio. Sikhs 16 Mio. im Punjab (MoHA o.D.).
Der Terrorismus im Punjab ist Ende der 1990er Jahre nahezu zum Erliegen gekommen. Die meisten hochkarätigen Mitglieder der verschiedenen militanten Gruppen haben den Punjab verlassen und operieren von anderen Unionsstaaten oder Pakistan aus. Finanzielle Unterstützung erhalten sie auch von Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland (ÖB 12.2018).
Der illegale Waffen- und Drogenhandel von Pakistan in den indischen Punjab hat sich in letzter Zeit verdreifacht. Im Mai 2007 wurden dem indischen Geheimdienst Pläne des pakistanischen Geheimdienstes, Inter-Services-Intelligence (ISI) bekannt, welcher gemeinsam mit der in Indien verbotenen Sikh-Gruppierung Babbar Khalasa International (BKI) und anderen militanten Sikh- Gruppierungen Anschläge auf Städte im Punjab (Jalandhar, Ludhiana, Pathankot) beabsichtigten. Die Sicherheitsbehörden im Punjab konnten bislang die aufkeimende Wiederbelebung der militanten Sikh-Bewegung erfolgreich neutralisieren (ÖB 12.2018). In Jammu und Kaschmir, im Punjab und in Manipur haben die Behörden besondere Befugnisse ohne Haftbefehl Personen zu suchen und zu inhaftieren (USDOS 20.4.2018; vgl. BBC 20.10.2015). Menschenrechtsberichten zufolge kommt es im Punjab regelmäßig zu Fällen von Menschenrechtsverletzungen insbesondere der Sicherheitsbehörden (extralegale Tötungen, willkürliche Festnahmen, Folter in Polizeigewahrsam, Todesfolge von Folter etc.) (ÖB 12.2018).
Die Staatliche Menschenrechtskommission im Punjab hat in einer Reihe von schweren Menschenrechtsverletzungen durch die Sicherheitskräfte interveniert. In vielen Fällen wurde die Behörde zu Kompensationszahlungen verpflichtet. Die Menschenrechtskommission erhält täglich 200-300 Beschwerden über Menschenrechtsverletzung und ist in ihrer Kapazität überfordert. Oft sind Unterkastige oder Kastenlose Opfer der polizeilichen Willkür (ÖB 12.2018).
Neben den angeführten Formen der Gewalt, stellen Ehrenmorde vor allem in den nördlichen Bundesstaaten Haryana und Punjab weiterhin ein Problem dar (USDOS 20.4.2018).
Die Zugehörigkeit zur Sikh-Religion ist kein Kriterium für polizeiliche Willkürakte. Die Sikhs, 60 Prozent der Bevölkerung des Punjabs, stellen dort einen erheblichen Teil der Beamten, Richter, Soldaten und Sicherheitskräfte. Auch hochrangige Positionen stehen ihnen offen (ÖB 10.2017).
In Indien ist die Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit rechtlich garantiert und praktisch von den Behörden auch respektiert; in manchen Grenzgebieten sind allerdings Sonderaufenthaltsgenehmigungen notwendig. Sikhs aus dem Punjab haben die Möglichkeit sich in anderen Landesteilen niederzulassen, Sikh-Gemeinden gibt es im ganzen Land verstreut. Sikhs können ihre Religion in allen Landesteilen ohne Einschränkung ausüben. Aktive Mitglieder von verbotenen militanten Sikh-Gruppierungen, wie Babbar Khalsa International, müssen mit polizeilicher Verfolgung rechnen (ÖB 10.2017).
Quellen:
- AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1394309.html, Zugriff 6.11.2018
- BBC - British Broadcasting Corporation (20.10.2015): Why are Indian Sikhs angry?, http://www.bbc.com/news/world-asia-india-34578463, Zugriff 18.10.2018
- MoHA - Government of India, Ministry of Home Affairs, Office of the Registrar General & Census Commissioner, India (o.D.): C-1 Population By Religious Community, http://www.censusindia.gov.in/2011census/C-01.html, Zugriff 18.10.2018
- ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2018): Asylländerbericht Indien - Arbeitsversion
- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430388.html, Zugriff 18.10.2018
USDOS - US Department of State (29.5.2018): 2015 Report on International Religious Freedom - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1436757.html, Zugriff 23.10.2018
Allgemeine Menschenrechtslage
Indien hat 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte unterzeichnet (AA 18.9.2018). Die nationale Gesetzgebung in Menschenrechtsangelegenheiten ist breit angelegt. Alle wichtigen Menschenrechte sind verfassungsrechtlich garantiert (ÖB 12.2018). Die Umsetzung dieser Garantien ist allerdings häufig nicht in vollem Umfang gewährleistet (AA 18.9.2018). Eine Reihe von Sicherheitsgesetzen schränken die rechtsstaatlichen Garantien, z.B. das Recht auf ein faires Verfahren, aber ein. Diese Gesetze wurden nach den Terroranschlägen von Mumbai im November 2008 verschärft; u.a. wurde die Unschuldsvermutung für bestimmte Straftatbestände außer Kraft gesetzt. Besonders in Unruhegebieten haben die Sicherheitskräfte zur Bekämpfung sezessionistischer und terroristischer Gruppen weitreichende Befugnisse, die oft exzessiv genutzt werden. Es gibt glaubhafte Berichte über extralegale Tötungen (AA 18.9.2018).
Die wichtigsten Menschenrechtsprobleme sind Missbrauch durch Polizei und Sicherheitskräfte einschließlich außergerichtlicher Hinrichtungen, Folter und Vergewaltigung. Korruption