Entscheidungsdatum
06.04.2020Norm
AVG §60Spruch
I421 2230036-1/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Martin STEINLECHNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, serbische Staatsbürgerin, vertreten durch VEREIN MENSCHENRECHTE ÖSTERREICH, Alser Straße 20, 1090 Wien, gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Wien (BAW) vom 28.02.2020, Zl. 130562307-190515177, beschlossen:
A)
In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid a u f g e h o b e n und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl z u r ü c k v e r w i e s e n.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des für Fremdenwesen und Asyl wurde gegen die Beschwerdeführerin gemäß § 52 Abs. 4 FPG iVm. § 9 BFA-Verfahrensgesetz eine Rückkehr Entscheidung erlassen (Spruchpunkt I.), Gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin gemäß § 46 FPG nach Serbien zulässig ist (Spruchpunkt II.), Gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 3 Z. 1 FPG gegen die Beschwerdeführerin ein auf die Dauer von vier Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.) und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.
2. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Es wurde beantragt, die Spruchpunkte I. Bis III. aufzuheben, hilfsweise den Spruchpunkt III. des Bescheides dahingehend ab zu ändern, dass die Dauer des Einreiseverbotes reduziert wird und eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.
3. Am 31.3.2020 langte beim Bundesverwaltungsgericht in der Außenstelle Innsbruck die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Serbien. Sie wurde am XXXX1990 in Serbien geboren, kam bereits 1990 nach Österreich, hält sich seitdem durchgehend im Bundesgebiet auf und ist sohin seit klein auf im Bundesgebiet aufhältig.
1.2. Die Beschwerdeführerin hat in Österreich ihre Eltern und ihre sechs minderjährigen Kinder als familiäre Anknüpfungspunkte. Die minderjährigen Kinder der Beschwerdeführerin befinden sich in der Obhut der Eltern der Beschwerdeführerin. Die Beschwerdeführerin ist ledig.
1.3. Die Beschwerdeführerin besuchte in Österreich Volksschule und Hauptschule. Sie verfügt über keine abgeschlossene Berufsausbildung und stand nur in wenigen kurzzeitigen Beschäftigungsverhältnissen.
1.4. Die Beschwerdeführerin verfügt über die Aufenthaltsberechtigungskarte "rot-Weiß-Rot-Karte plus".
1.5. Die Beschwerdeführerin hält Besuchskontakt zu ihren Kindern und ihren Eltern. Die Väter der Kinder leisten keinen Unterhalt. Die Beschwerdeführerin wird von ihren Eltern unterstützt.
1.6. Die Beschwerdeführerin wurde in Österreich mehrmals rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt. Im August 2014 wegen der Vergehen der falschen Beweisaussage nach § zwei 88 Abs. 1 und Abs. 4 StGB, der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 erster Fall StGB und des Diebstahls nach § 127 StGB, wobei die Straftaten im Jahr 2010 verübt wurden. Mit weiterem Urteil ebenfalls aus dem Jahr 2014 wurde die Beschwerdeführerin wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage und des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 zweiter Fall StGB verurteilt, wobei eine Zusatzstrafe ausgesprochen wurde. Mit Urteil vom November 2015 wurde die Beschwerdeführerin neuerlich wegen des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 zweiter Fall StGB verurteilt. Bei den Strafbemessungsgründen wurde als mildernd das Geständnis und die Beeinträchtigung - laut Sachverständigengutachten - der Dispositionsunfähigkeit gewertet, als erschwerend die einschlägige Vorstrafe und der Rückfall innerhalb der offenen Probezeit. In der Begründung wird angeführt, dass bei der Beschwerdeführerin bereits mehrfach die Diagnose einer Borderline-Persönlichkeitsstörung gestellt wurde, die auch durch die Sachverständige verifiziert werden kann. Dabei handelt es sich um eine Unterform der emotional instabilen Persönlichkeitsstörung mit deutlicher Tendenz, Impulse ohne Berücksichtigung von Konsequenzen aus zu agieren, verbunden mit unvorhersehbarer und launenhaft der Stimmung. Es besteht eine Neigung zu emotionalen Ausbrüchen und eine Unfähigkeit, impulshaftes Verhalten zu kontrollieren (Aktenseite 85).
Mit Strafurteil vom 9.7.2019 wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, im Zeitraum von Oktober 2018 bis Dezember 2018 in Wien im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einem abgesondert verfolgten Mittäter vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge, nämlich insgesamt 150 g Kokain einem Abnehmer zu einem Grammpreis von Euro 100 überlassen zu haben, wodurch die Beschwerdeführerin das Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28 a Abs. 1 fünfter Fall SMG begangen hat und zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt wurde. Als mildernd wertete das erkennende Strafgericht lediglich das reumütige Geständnis. Die Beschwerdeführerin stellte noch in der Hauptverhandlung einen Antrag nach § 39 SMG (Aktenseite 111 ff). Bereits seit 13. Mai 2019 befand sich die Beschwerdeführerin bis zur Hauptverhandlung in Untersuchungshaft und im Anschluss daran in Strafhaft. Dem Antrag auf Strafaufschub gemäß § 39 SMG wurde schließlich stattgegeben und die Beschwerdeführerin am 12.9.2019 aus der Strafhaft entlassen, wobei Strafaufschub bis 9.7.2021 gewährt wurde (Aktenseite 144).
1.7. Am 14.11.2019 fand vor der belangten Behörde die niederschriftliche Einvernahme der Beschwerdeführerin zur beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung iVm. einem Einreiseverbot, zu welchem Termin die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf den Gegenstand der Vernehmung, geladen war. In dieser Einvernahme gab die Beschwerdeführerin an, sie sei arbeitsunfähig und habe diese Unterlagen dabei. Sie habe einen Bruder und eine Schwester, die beide in Wien leben. Sie absolviere eine Therapie im "XXXX". Wenn sie die Therapie abgeschlossen habe werde sie wieder bei ihren Eltern wohnen. In Serbien habe sie keine Verwandten, sie habe keine Ahnung, wann sie zuletzt in Serbien gewesen sei, ihre Familie ist in Österreich.
1.8. Gemäß Therapiebestätigung vom 13.11.2019 (Aktenseite 174) hat die Beschwerdeführerin die Therapie am 8.10.2019 begonnen. In dieser Bestätigung ist als Aufnahme Diagnose psychische - und Verhaltensstörungen durch multiplen Substanzgebrauch, Abhängigkeitssyndrom, derzeit im ärztlich überwachten Ersatz Drogenprogramm festgehalten. Angemerkt ist weiters, dass der Patient zur Stabilisierung stationär aufgenommen worden ist. Sich der Patient selbst als behandlungsbedürftig sieht und zeige sich in den Gesprächen sehr motiviert, eine stationäre Entwöhnungstherapie zu absolvieren.
1.9. Aus der chefärztlichen Stellungnahme der Pensionsversicherungsanstalt vom 27.2.2019 ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin infolge von Leidenszustandes bereits vor einem regelmäßigen Erwerb nachzugehen. Invalidität gemäß § 255 Abs. 7 besteht auf Dauer (Aktenseite 180). Dieser Bestätigung angeschlossen ist ein ärztliches Gutachten einer Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie vom 5.2.2019 und ein ärztliches Gutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 23.11.2018, beide erstellt im Auftrag der Pensionsversicherungsanstalt.
2. Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und die unter Punkt II. getroffenen Feststellungen beruhen auf dem vorliegenden Akteninhalt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, daher ist im Gegenständlichen Einzelrichterzuständigkeit gegeben.
Zu A)
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG (Anmerkung: sog. Bescheidbeschwerden) dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2).
Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 leg cit. nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Das Modell der Aufhebung des Bescheids und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) § 28 VwGVG Anm11). Gemäß dieser Bestimmung kann die Berufungsbehörde, sofern der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen. Wie oben ausgeführt, ist aufgrund von § 17 VwGVG die subsidiäre Anwendung von § 66 Abs. 2 AVG durch die Verwaltungsgerichte ausgeschlossen.
Im Gegensatz zu § 66 Abs. 2 AVG setzt § 28 Abs. 3 VwGVG die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung nicht mehr voraus.
Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss. Gemäß Abs. 3 sind auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes § 29 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 4 und § 30 sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.
Der VwGH hat mit Erkenntnis vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063 (Waffenverbot), in Bezug auf die grundsätzliche Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte nach § 28 VwGVG und die Möglichkeit der Zurückverweisung ausgesprochen, dass angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte darstellt. So kommt eine Aufhebung des Bescheides nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Das Verwaltungsgericht hat nachvollziehbar zu begründen, wenn es eine meritorische Entscheidungszuständigkeit nicht als gegeben annimmt, etwa, weil es das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 1 und Z 2 des § 28 Abs. 2 VwGVG verneint bzw. wenn es von der Möglichkeit des § 28 Abs. 3 erster Satz VwGVG nicht Gebrauch macht.
Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung eines Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Die Begründung eines Bescheides bedeutet die Bekanntgabe der Erwägungen, aus denen die Behörde zur Überzeugung gelangt ist, dass ein bestimmter Sachverhalt vorliegt und dass damit der Tatbestand einer bestimmten Rechtsnorm verwirklicht ist. Die Begründung eines Bescheides hat Klarheit über die tatsächlichen Annahmen der Behörde und ihre rechtlichen Erwägungen zu schaffen. In sachverhaltsmäßiger Hinsicht hat sie daher alle jene Feststellungen in konkretisierter Form zu enthalten, die zur Subsumierung dieses Sachverhaltes unter die von der Behörde herangezogene Norm erforderlich sind. Denn nur so ist es möglich, den Bescheid auf seine Rechtsrichtigkeit zu überprüfen (VwGH 23.11.1993, Zl. 93/04/0156; 13.10.1991, Zl. 90/09/0186; 28.07.1994, Zl. 90/07/0029).
3.2. Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid wurde im Wesentlichen gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Serbien zulässig ist und gegen die Beschwerdeführerin ein auf die Dauer von vier Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.
Dieser Bescheid erging, nachdem Beschwerdeführerin von der belangten Behörde dazu mündlich einvernommen wurde und eine schriftliche Äußerung und diverse Nachweise vorgelegt hatte.
3.3. Die belangte Behörde hat bei ihren Feststellungen die sich aus dem Akteninhalt ergebende Tatsache, dass die Beschwerdeführerin ein eingeschränktes Gesamtleistungskalkül aufweist, welches für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht ausreicht, wobei sie bereits vor der erstmaligen Aufnahme einer Beschäftigung infolge des Leidenszustandes außerstande war, einem regelmäßigen Erwerb nachzugehen und sohin invalid ist, außer Acht gelassen. Dies ergibt sich aus der chefärztlichen Stellungnahme der Pensionsversicherungsanstalt vom 27.2.2019 (Aktenseite 180), wobei sich im Behördenakt auch das Gutachten aus dem Fachbereich der Psychiatrie und Neurologie und der Allgemeinmedizin findet. Die belangte Behörde hat sich mit der entscheidungswesentlichen Frage des Gesundheitszustands und der Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin überhaupt nicht auseinandergesetzt und dazu auch keine Feststellungen getroffen. Im bekämpften Bescheid wird zwar unter dem Punkt "Verfahrensgang" auf Seite 8 des Bescheides kursorisch auf diese Unterlagen verwiesen, Feststellungen dazu sind aber unterblieben.
3.4. Im bekämpften Bescheid wird auf Seite 17, unter dem Punkt "Rechtliche Beurteilung", die Feststellung getroffen, die Beschwerdeführerin habe eine Anschrift in Serbien, könne daher im Land ihrer Herkunft finden. Es ergibt sich aus dem Bescheid und auch aus dem Verwaltungsakten, aufgrund welcher Beweismittel die belangte Behörde zur Feststellung gelangt, die Beschwerdeführerin habe eine Anschrift in Serbien. Unklar bleibt auch was damit zum Ausdruck gebracht werden solle, ob z.B. die Beschwerdeführerin in Serbien über eine Wohnmöglichkeit verfügt, wobei zudem unklar ist aus welchem Rechtstitel ihr diese zustehen sollte. Auch zur Abklärung dieses nur angedeuteten, aber weder wesentlichen Sachverhaltes, sind weitere Ermittlungen und Feststellungen erforderlich.
3.5. Auch die Feststellungen zum Familienleben der Beschwerdeführerin sind unzureichend. Zum einen führt belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin würde von ihren Eltern unterstützt werden daraus ihren Unterhalt bestreiten. Konkrete Feststellungen dazu wie diese Unterstützung ausgestaltet ist, ob die Unterstützung in Geldleistung oder Naturalleistung erfolgt, finden sich im bekämpften Bescheid nicht. Dazu sind ergänzende Ermittlungen und konkrete Feststellungen erforderlich, zumal nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Beschwerdeführerin in einem wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnis zu ihren Eltern steht.
Der Sachverhalt zum Familienleben der Beschwerdeführerin ist aber auch in Bezug auf ihre Kinder unvollständig. Im Bescheid wird zwar angeführt, dass die Beschwerdeführerin Mutter von sechs Kindern sei (Bescheid Seite 10), Feststellungen zum Alter der Kinder und zu einem möglichen Mutterkindverhältnis fehlen vollständig. In ihrer niederschriftlichen Einvernahme hat die Beschwerdeführerin angegeben (Aktenseite 170) sie würde die Kinder schon besuchen. Die Beschwerdeführerin führt in ihrer handschriftlichen Eingabe bei der belangten Behörde, datiert mit 25.11.2019 (Aktenseite 178) aus, ihre Kinder würden sie brauchen und könne sie ihre Kinder niemals alleine lassen also zurücklassen was alles gute Gründe seien sie nicht in eine für sie vollkommen fremdes Land abzuschieben.
3.6. Schließlich sind die Feststellungen im bekämpften Bescheid zum der Beschwerdeführerin gemäß § 39 SMG gewährten Haftaufschub bis 9.7.2021 unzureichend. Es wird nämlich lediglich dieser Umstand festgestellt, der sich aus Aktenseite 144 ergibt. Diese gesetzliche Bestimmung lautet wie folgt:
Aufschub des Strafvollzuges
§ 39. (1) Der Vollzug einer nach diesem Bundesgesetz außer nach § 28a Abs. 2, 4 oder 5 oder einer wegen einer Straftat, die mit der Beschaffung von Suchtmitteln in Zusammenhang steht, verhängten Geldstrafe oder drei Jahre nicht übersteigenden Freiheitsstrafe ist nach Anhörung der Staatsanwaltschaft - auch noch nach Übernahme in den Strafvollzug (§ 3 Abs. 4 Strafvollzugsgesetz - StVG) - für die Dauer von höchstens zwei Jahren aufzuschieben, wenn
1. der Verurteilte an Suchtmittel gewöhnt ist und sich bereit erklärt, sich einer notwendigen und zweckmäßigen, ihm nach den Umständen möglichen und zumutbaren und nicht offenbar aussichtslosen gesundheitsbezogenen Maßnahme, gegebenenfalls einschließlich einer bis zu sechs Monate dauernden stationären Aufnahme, zu unterziehen, und
2. im Fall der Verurteilung zu einer 18 Monate übersteigenden Freiheitsstrafe wegen einer Straftat, die mit der Beschaffung von Suchtmitteln in Zusammenhang steht, der Vollzug der Freiheitsstrafe nicht im Hinblick auf die Gefährlichkeit des Täters geboten erscheint, insbesondere, weil die Verurteilung wegen Straftaten erfolgt ist, die unter Anwendung erheblicher Gewalt gegen Personen begangen worden sind.
(2) Das Gericht kann die Art der gesundheitsbezogenen Maßnahme bestimmen (§ 11 Abs. 2 Z 1 bis 5). Liegt bereits eine Stellungnahme einer der in § 35 Abs. 3 Z 2 genannten Stellen oder das Ergebnis der Begutachtung durch den Arzt einer Einrichtung oder Vereinigung nach § 15 vor, so hat das Gericht die Stellungnahme oder das Ergebnis der Begutachtung für die Bestimmung der Maßnahme und die Beurteilung der Voraussetzungen und Bedingungen des Abs. 1 Z 1 heranzuziehen, es sei denn, dass eine Änderung der dafür erheblichen Umstände anzunehmen wäre.
(3) Das Gericht kann den Verurteilten auffordern, Bestätigungen über den Beginn und den Verlauf der gesundheitsbezogenen Maßnahme vorzulegen.
Ermittlungen und Feststellungen dazu welche zweckmäßigen und notwendigen gesundheitsbezogenen Maßnahmen, zu welchen sich die Beschwerdeführerin bereit erklärt hat, angeordnet wurden, fehlen im bekämpften Bescheid ebenfalls zur Gänze. Es sei darauf verwiesen, dass die Beschwerdeführerin einen fachärztlichen Befundbericht - Therapiebestätigung vom 13.11.2014 (Aktenseite 174) vorgelegt hat, welche Therapie möglicherweise mit der gerichtlich angeordneten gesundheitsbezogenen Maßnahme in Zusammenhang steht. Derartige Umstände müssen aber bei der rechtlichen Beurteilung und Erstellung einer individuellen Gefährlichkeitsprognose der Beschwerdeführerin berücksichtigt werden.
Das von der belangten Behörde durchgeführte Ermittlungsverfahren war in den angeführten Punkten somit mangelhaft, sodass die Angelegenheit zur Verfahrensergänzung an die belangte Behörde zurückverwiesen wird.
4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Da im gegenständlichen bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entfallen.
Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
Schlagworte
Abschiebung Behebung der Entscheidung Einreiseverbot Ermittlungspflicht Familienleben Gesundheitszustand Kassation mangelhaftes Ermittlungsverfahren mangelnde Sachverhaltsfeststellung Privatleben Rückkehrentscheidung Straffälligkeit strafrechtliche Verurteilung Straftat ZurückverweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:I421.2230036.1.00Im RIS seit
28.07.2020Zuletzt aktualisiert am
28.07.2020