TE Bvwg Beschluss 2020/4/6 G306 2223824-1

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Veröffentlicht am 06.04.2020
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Entscheidungsdatum

06.04.2020

Norm

AsylG 2005 §57
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

G306 2223824-1/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dietmar MAURER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA.: Serbien, vertreten durch RA Dr. Kurt HICKEL, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.09.2019, Zl. XXXX, beschlossen:

A) In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid (im Ankämpfungsumfang) zur Gänze a u f g e h o b e n und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl z u r ü c k v e r w i e s e n .

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

Gegen den Beschwerdeführer (BF) wurde bereits mit Bescheid vom 12.11.2015, Zahl XXXX, aufgrund illegalen Aufenthalts im Bundesgebiet, eine Rückkehrentscheidung erlassen. Der BF hat das Bundesgebiet verlassen und ist nach Serbien zurückgekehrt (Bestätigung Österreichische Botschaft vom XXXX.2015, AS 48).

Der BF reiste abermals in das Bundesgebiet ein und stellte am 03.10.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser Antrag wurde in erster Instanz als unbegründet abgewiesen und abermals eine Rückkehrentscheidung erlassen. Der BF hat das österreichische Bundesgebiet nachweislich wieder am XXXX.2016 verlassen und ist nach Serbien zurückgekehrt.

Im Zuge einer Lenker- und Fahrzeugkontrolle vom XXXX.2019, wurde der BF abermals im Bundesgebiet angetroffen. Bei der Kontrolle wurde im Fahrzeug des BF ein Baggy mit Marihuana sichergestellt. Der BF wurde daraufhin einem Amtsarzt vorgeführt. Während dieser Amtshandlung wurde auch der Reisepass kontrolliert. Es wurde festgestellt, dass sich der BF bereits länger im Bundesgebiet aufhält, als es ihm erlaubt war.

Der BF wurde am 10.09.2019 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) Regionaldirektion Wien, niederschriftlich einvernommen. Zu seinen verfügbaren Mittel befragt, gab der BF an, dass er bei der Einreise ca. 2.000,- Euro bei sich hatte. Zum Zeitpunkt der Festnahme beliefen sich die Barmittel auf ca. 100,- - 150,- Euro.

Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des BFA, wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gegen den BF gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß 46 FPG nach Serbien und zulässig ist (Spruchpunkt III.), gemäß § 55 Abs. 4 FPG wurde dem BF keine Frist zur freiwilligen Ausreise eingeräumt (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG wurde der Beschwerde gegen den Bescheid die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.) sowie gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG gegen des BF ein auf die Dauer von 2 Jahren ein befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.).

Mit Eingabe vom 24.09.2019 langte beim BFA - per Mail - die Beschwerde des BF, durch seine ausgewiesene Rechtsvertretung (RV) ein.

Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habenden Verwaltungsakt wurde dem Bundesverwaltungsgericht am 25.09.2019 vom BFA vorgelegt.

Die Beschwerde richtete sich - geht aus dem Wortlaut der Beschwerdeeingabe hervor - ausdrücklich nur gegen den Spruchpunkt VI. (Einreiseverbot). Der BF beantragte darin den bekämpften Bescheid aufzuheben und dahingehende abzuändern, dass das Aufenthaltsverbot (gemeint wohl: Einreiseverbot) für lediglich sechs Monate - oder sonst angemessen, jedenfalls aber nicht für zwei Jahre, ausgesprochen wird.

Ob und wann der BF das Bundesgebiet verlassen hat, geht aus dem Akteninhalt nicht hervor. Die letzte melderechtliche Abmeldung erfolgte am 04.09.2019. Seither scheinen keine melderechtlichen Daten über den BF auf.

Hinsichtlich des Verfahrensganges und des Parteivorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Feststellungen:

Die Beschwerde richtet sich ausschließlich gegen den Spruchpunkt VI. (Einreiseverbot) des bekämpften Bescheides. Die Spruchpunkte I. - V. des bekämpften Bescheides sind somit bereits in Rechtskraft erwachsen.

Der BF führt die im Spruch angeführte Identität (Namen und Geburtsdatum) und ist Staatsangehöriger der Republik Serbien.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

Zur Zurückverweisung:

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG (Anmerkung: sog. Bescheidbeschwerden) dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2).

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 leg cit. nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1

B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Vor dem Hintergrund der soeben zitierten Bestimmung hatte die gegenständliche Entscheidung in Beschlussform zu ergehen.

Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Insoweit erscheinen auch die von der höchstgerichtlichen Judikatur -soweit sie nicht die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung betrifft- anwendbar, weshalb unter Bedachtnahme der genannten Einschränkungen die im Erk. des VwGH vom 16.12.2009, GZ. 2007/20/0482 dargelegten Grundsätze gelten. Mängel abseits jener der Sachverhaltsfeststellung legitimieren das Gericht nicht zur Behebung aufgrund § 28 Abs. 3, 2. Satz (Erk. d. VwGH vom 19.11.2009, 2008/07/0167; vgl. auch Fischer/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013), Anm. 11 zu § 28 VwGVG). Der VwGH hat nun zusammengefasst in ständiger Rechtsprechung betont, dass eine umfangreiche und detaillierte Erhebung des für die Entscheidung jeweils maßgebenden Sachverhaltes durch das Bundesasylamt als Asylbehörde erster und nunmehr auch letzter administrativbehördlicher Instanz durchzuführen ist.

Eine Zurückweisung der Sache gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher insbesondere dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. VwGH 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063). Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung eines Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Die Begründung eines Bescheides bedeutet die Bekanntgabe der Erwägungen, aus denen die Behörde zur Überzeugung gelangt ist, dass ein bestimmter Sachverhalt vorliegt und dass damit der Tatbestand einer bestimmten Rechtsnorm verwirklicht ist. Die Begründung eines Bescheides hat Klarheit über die tatsächlichen Annahmen der Behörde und ihre rechtlichen Erwägungen zu schaffen. In sachverhaltsmäßiger Hinsicht hat sie daher alle jene Feststellungen in konkretisierter Form zu enthalten, die zur Subsumierung dieses Sachverhaltes unter die von der Behörde herangezogene Norm erforderlich sind. Denn nur so ist es möglich, den Bescheid auf seine Rechtsrichtigkeit zu überprüfen (VwGH 23.11.1993, Zl. 93/04/0156; 13.10.1991, Zl. 90/09/0186; 28.07.1994, Zl. 90/07/0029).

Wie sich aus den folgenden Erwägungen ergibt, ist dies in der gegenständlichen Rechtssache vom Bundesamt jedoch in qualifizierter Weise unterlassen worden.

Das von der belangten Behörde durchgeführte Ermittlungsverfahren erweist sich in wesentlichen Punkten als mangelhaft und rechtswidrig:

Das BFA hat den Spruchpunkt VI. (Einreiseverbot) des bekämpften Bescheides auf § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG (Besitz der Mittel für den Unterhalt nicht nachzuweisen vermochte) gestützt. Die belangte Behörde hat diesbezüglich jedoch keine Ermittlungen durchgeführt. Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 10.09.2019 gab der BF an, dass er bei seiner Einreise über ca. 2.000 Euro verfügte. Er gegenständlich ca. über 100 - 150 Euro verfüge. Ob der BF Inhaber einer Bankomat- oder Kreditkarte ist, wurde nicht ermittelt. Ob der BF in seinem Heimatstaat über Mittel bzw. über ein geregeltes Einkommen verfügt, wurde nicht ermittelt. Der BF gab an, dass er eine Wohnung gestrichen habe und in Österreich schwarzgearbeitet habe. Ermittlungen dazu wurden nicht geführt. Es geht aus dem Akt, als auch aus dem Bescheid nicht eindeutig hervor, wann der BF letztmalig in das Bundesgebiet einreiste und wie lang er sich darin aufhielt. Auch in der niederschriftlichen Befragung vom 10.09.2019 wurde der BF nicht gefragt, wie lange er sich im Bundesgebiet aufhält. Es geht aus dem Akt nicht hervor, ob der BF das Bundesgebiet bereits verlassen hat. Es wurde diesbezüglich auch seitens des BFA nichts nachgereicht. Das erkennende Gericht geht auch davon aus, dass die belangte Behörde gegenständlich die Rechtslage verkannte. Im Spruchpunkt VI. wird als Grund der Verhängung eines 2-jährigen Einreiseverbotes die Mittellosigkeit des BF herangezogen. In Weiterer Folge führt die belangte Behörde in ihren Feststellungen ausschließlich die "Schwarzarbeit" als Grund für die Erlassung des Einreiseverbotes an. Auch in ihrer rechtlichen Beurteilung spricht die belangte Behörde davon, dass der BF eine Schwarzarbeit zugegeben habe und schließt dann erst darauf, dass der BF daher nicht über ausreichende Mittel verfügen würde. Sie führt dann weiter aus, dass der BF

sich illegal im Bundesgebiet befinde und sich daher unrechtmäßig aufhalte, er in Österreich einer unrechtmäßigen Beschäftigung nachgegangen wäre. An der Verhinderung der Schwarzarbeit bestünde ein großes öffentliches Interesse.

Der belangten Behörde ist vorzuwerfen, dass sie in der Begründung des angefochtenen Bescheides überhaupt nicht dargelegt hat, inwiefern auf Grund der konkreten Umstände des Einzelfalles eine (besondere) "Schwere des Fehlverhaltens" des BF anzunehmen gewesen wäre. Auch jene Umstände, die einer Beurteilung des "Gesamtverhaltens" der BF zugrunde gelegen wären, wurden nicht dargelegt. Insgesamt reduzierte die belangte Behörde ihre Begründung für das Einreiseverbot einzig auf die Feststellung, dass der BF nach § 53 Abs. 2 Z 6 FPG mittellos wäre ohne jedoch einzelfallbezogen darzulegen, wie sie zu dieser Schlussfolgerung gelangte.

Die Begründung des angefochtenen Bescheides lässt des Weiteren jegliche Kriterien vermissen, die im vorliegenden Fall für die Bemessung der Dauer des Einreiseverbots herangezogen wurden und die letztlich für die Festlegung des Einreiseverbots im Ausmaß von 3 Jahren ausschlaggebend waren. Das erkennende Gericht vermisst auch die von der belangten Behörde zu treffende Gefährdungsprognose die das Gesamtverhalten des BF in Betracht zu ziehen hat. Es ist im bekämpften Bescheid nicht ersichtlich auf Grund welcher konkreten Feststellungen von der belangten Behörde eine Beurteilung vorgenommen wurde. Es genügt nicht, das bloße anführen des Tatsachensachverhalts. Die Beurteilung muss sich auf das zugrundeliegende Fehlverhalten, die Schwere und vor allem die Art der Handlung und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abgestellt werden. Diese Verpflichtung trifft umso mehr zu, weil sich der BF mit der ihm zu Last gelegten Fehlverhalten selbst gar nicht strafbar gemacht hat (§ 28 AuslBG).

Gemäß § 53 Abs 1 und 2 FPG kann das BFA mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot, also die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der EU (außer Irlands und des Vereinigten Königreichs), Islands, Norwegens, der Schweiz und Liechtensteins einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten, erlassen, wenn der Drittstaatsangehörige die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet. Die Dauer des Einreiseverbots ist abhängig von seinem bisherigen Verhalten. Dabei ist zu berücksichtigen, inwieweit sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art 8 Abs 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. § 53 Abs 2 FPG enthält eine demonstrative Aufzählung von Tatbeständen, deren Vorliegen eine Gefährdung öffentlicher Interessen indiziert. Dies ist demnach z.B. wenn er bei einer

Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, er hätte nach den Bestimmungen des AuslBG für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der er betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen (§ 53 Abs 2 Z 7 FPG) oder auch den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag (§ 53 Abs. 2 Z 6 FPG). In diesen Fällen kann ein Einreiseverbot für die Dauer von höchstens fünf Jahren erlassen werden.

Ein Einreiseverbot ist nicht zwingend mit jeder Rückkehrentscheidung zu verbinden, sondern steht im Ermessen der Behörde. Es soll bestimmte, mit dem Aufenthalt der betroffenen Fremden potentiell verbundenen Gefährdungen öffentlicher Interessen hintanhalten. Dabei ist im Rahmen einer Interessenabwägung zu prüfen, inwiefern private und familiäre Interessen des Fremden der Verhängung des Einreiseverbots in der konkreten Dauer allenfalls entgegenstehen. Ein Einreiseverbot ist dann zu verhängen, wenn die Gefährdungsprognose eine zukünftige Gefährdung relevanter öffentlicher Interessen ergibt und eine Interessenabwägung nach Art 8 EMRK zu Lasten des betroffenen Drittstaatsangehörigen ausgeht (vgl Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht § 53 FPG K 10 ff).

Gemäß Art 8 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art 8 Abs 2 EMRK ist ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit er gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren

Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9), zu berücksichtigen.

Bei der Erstellung der für jedes Einreiseverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist das Gesamt(fehl)verhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 53 Abs 2 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei dieser Beurteilung kommt es nicht auf die bloße Tatsache einer allfälligen Verurteilung oder Bestrafung des Fremden an, sondern auf das dieser zugrundeliegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild (vgl VwGH 19.02.2013, 2012/18/0230).

Die belangte Behörde ging davon aus, dass der Tatbestand des § 53 Abs 2 Z 6 FPG erfüllt sei, zumal der BF am XXXX.2019 im Bundesgebiet angetroffen wurde und dabei festgestellt wurde, dass der BF sich nicht nur illegal im Bundesgebiet aufhielt sondern bei der Befragung auch angab, hier im Bundesgebiet gearbeitet zu haben. Der BF hatte ca. 100 - 150,- Euro Barmittel bei sich und konnte auch sonstige finanzielle Absicherungen nicht substantiiert vorbringen. Dem BF ist darüber hinaus der Verstoß gegen das Meldegesetz anzulasten, weil er Unterkunft nahm, ohne sich bei der Meldebehörde anzumelden.

Der Tatbestand des § 53 Abs. 2 Z 7 FPG "Schwarzabeit" ist jedoch nicht erfüllt und unterließ es die belangte Behörde betreffend der mangelnden Barmittel bzw. finanzielle Mittel Erhebungen zu tätigen und in weiterer Folge darzulegen aufgrund welcher Ermittlungsschritte sie zum Ergebnis kam, dass vom BF eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausging.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits zur insoweit vergleichbaren Bestimmung des § 60 Abs. 2 Z 8 iVm Abs. 5 FPG idF vor dem FrÄG 2011 mehrfach ausgesprochen, dass der bloße Vorwurf, der Fremde sei einer Beschäftigung nachgegangen, obwohl ihm der dafür erforderliche Aufenthaltstitel nicht erteilt worden sei, diesen Aufenthaltsverbotstatbestand nicht erfüllt (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom 25. April 2013, Zl. 2013/18/0072, sowie vom 29. Februar 2012, Zl. 2009/21/0376). Auch wenn der Tatbestand des § 53 Abs. 2 Z 7 FPG im Gegensatz zur Rechtslage vor dem FrÄG 2011 nicht mehr voraussetzt, dass der Fremde von bestimmten Organen der Abgabenbehörde, des Arbeitsmarktservice oder des öffentlichen

Sicherheitsdienstes betreten wird, ist Voraussetzung für die Erfüllung des Tatbestands auch nach dieser Bestimmung, dass der Fremde bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht hätte ausüben dürfen.

Feststellungen zu einer - auch dem vorgelegten Verwaltungsakt nicht zu entnehmenden - Betretung des BF bei einer konkreten Beschäftigung, die er nach dem AuslBG nicht hätte ausüben dürfen, traf die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage nicht. Ebenso wenig traf sie im Übrigen Feststellungen zu den Beschäftigungen selbst.

Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass auch der in der Begründung des angefochtenen Bescheides wiedergegebene Tatbestand des § 53 Abs. 2 Z 1 FPG durch das festgestellte Verhalten des BF nicht erfüllt wurde, weil der nach dem AuslBG unzulässig beschäftigte Ausländer verwaltungsrechtlich nach diesem Gesetz nicht strafbar ist (vgl. § 28 AuslBG). Dass eine andere in § 53 Abs. 2 Z 1 FPG aufgezählte Verwaltungsübertretung vorgelegen wäre, stellte die belangte Behörde nicht fest.

Im vorliegenden Fall ist es auch ausgeschlossen, dass es zu einer Betretung des BF im Sinn dieser Bestimmung kam, ein Sachverhalt wie zur Entscheidung des Ra 2017/19/031 vom 24.05.2018 liegt gegenständlich nicht vor.

Die belangte Behörde hat das Einreiseverbot aber auf Z 6 des § 53 FPG gestützt "dem Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermochte" jedoch wurde es diesbezüglich vollkommen unterlassen Ermittlungen zu tätigen sondern begründete es damit, dass der BF einer Schwarzarbeit nachgegangen sei, was jedoch nicht, wie oben angeführt, erwiesen ist.

Zusammenfassend ist der belangten Behörde vorzuwerfen, dass sie die für die Begründung des Bescheides erforderliche Sorgfalt vermissen lässt und dieser damit nicht den Erfordernissen einer umfassenden und in sich schlüssigen Begründung einer abweisenden behördlichen Entscheidung entspricht (vgl. § 60 iVm. § 58 Abs. 2 AVG).

Aus den dargelegten Gründen war daher spruchgemäß dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zu beheben und die gegenständliche Rechtssache an das BFA als zuständige erstinstanzliche Behörde zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen. Das Bundesamt wird den Sachverhalt neuerlich ermitteln müssen und vor allem auch rechtlich zu würdigen zu haben ob die Voraussetzungen zur Erlassung eines Einreiseverbotes noch vorliegen.

Entfall der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Im gegenständlichen Verfahren konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, da das Bundesverwaltungsgericht die Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 Z 1 Halbsatz VwGVG als gegeben erachtet, zumal bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Zu Spruchteil B):

Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Ermittlungspflicht individuelle Verhältnisse Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G306.2223824.1.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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