TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/7 W133 2212681-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.04.2020
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Entscheidungsdatum

07.04.2020

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W133 2212681-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Vorsitzende und den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 06.12.2018 betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in dem Behindertenpass, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer erlitt im XXXX im Alter von 28 Jahren einen Motorradunfall mit mehrfachen sehr schweren Verletzungen.

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung: Sozialministeriumservice; in der Folge als "belangte Behörde" bezeichnet) stellte dem Beschwerdeführer am 01.10.2012 einen unbefristeten Behindertenpass mit einem eingetragenen Grad der Behinderung von 90 von Hundert (v.H.) und der Zusatzeintragung "Metallimplantat" aus. Dies erfolgte nach Einholung eines unfallchirurgischen Sachverständigengutachtens vom 12.08.2011, in dem die Funktionseinschränkungen 1. "Plexusparese links (Gegenarm)", bewertet mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 80 v.H. nach der Positionsnummer 462 der Richtsatzverordnung, 2. "Beweglichkeitseinschränkung am rechten Handgelenk und bei der Vorderarmdrehung (Gebrauchsarm)", bewertet mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 30 v.H. nach der Positionsnummer 54 der Richtsatzverordnung, 3. "Geheilter Oberschenkelbruch links", bewertet mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 10 v.H. nach der Positionsnummer 111 der Richtsatzverordnung und 4. "Traumatischer Milzverlust", bewertet mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 10 v.H. nach der Positionsnummer 416 der Richtsatzverordnung, festgestellt und ein Gesamtgrad der Behinderung von 90 v.H. objektiviert wurden. Begründend wurde ausgeführt, das führende Leiden 1 werde durch das Leiden 2 um eine Stufe erhöht, weil eine wechselseitige ungünstige Leidensbeeinflussung zwischen diesen beiden Leiden bestehen würde. Die übrigen Leiden würden nicht weiter erhöhen. Im Vergleich zum Vorgutachten vom 14.09.2010 sei Leiden 1 unverändert eingeschätzt worden, es sei jedoch zu einer Besserung der Leiden 2 und 3 gekommen, weshalb es zu einer Herabsetzung des Grades der Behinderung gekommen sei. Es wurde weiters festgestellt, dass dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei.

Am 09.07.2018 stellte der Beschwerdeführer den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO (Parkausweis), der entsprechend dem vom Beschwerdeführer unterfertigten Antragsformular für den - auf ihn zutreffenden - Fall, dass er nicht über einen Behindertenpass mit der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in diesem Behindertenpass verfügt, auch als Antrag auf Vornahme der genannten Zusatzeintragung in dem Behindertenpass galt. Diesem Antrag wurden keinerlei medizinische Unterlagen beigelegt. Der Beschwerdeführer wurde daher von der belangten Behörde mit Schreiben vom 23.07.2018 dazu aufgefordert, aktuelle Befunde zu übermitteln. Am 06.08.2018 langte ein umfangreiches Befundkonvolut bei der belangten Behörde ein.

Die belangte Behörde holte in der Folge ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie sowie Ärztin für Allgemeinmedizin mit der Zusatzqualifikation Orthopädie vom 05.10.2018 ein. In diesem Sachverständigengutachten konnten nach Durchsicht der vorgelegten Unterlagen und einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 13.09.2018 folgende Funktionseinschränkungen objektiviert werden: 1.) Plexusparese linker Arm, 2.) Geringgradige Funktionseinschränkung rechtes Handgelenk, 3.) Geringgradige Funktionseinschränkung rechtes Hüftgelenk und 4.) Traumatischer Milzverlust. Im Vergleich zum Vorgutachten vom 12.08.2011 hätten sich keine Veränderungen ergeben. Es wurde aus medizinischer Sicht festgestellt, dass dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei.

Mit Schreiben vom 08.10.2018 räumte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer ein förmliches Parteiengehör gemäß § 45 AVG samt Möglichkeit zur Stellungnahme ein. Das orthopädische Gutachten vom 05.10.2018 wurde dem Beschwerdeführer als Beilage übermittelt.

Mit Schreiben vom 23.10.2018 brachte der Beschwerdeführer ohne Vorlage weiterer Beweismittel eine Stellungnahme ein. Darin bringt er zusammengefasst vor, dass entgegen den Ausführungen im Gutachten seine rechte Hand zu hundert Prozent gefühllos und die Unterarmdrehung vollkommen eingeschränkt sei, die Angaben zur Beweglichkeit seines Handgelenkes falsch seien, er nicht frei stehen könne, sondern sich immer am Stock oder Sessel angehalten habe, der Zehenballen- und Fersengang nicht ohne Einsinken durchführbar seien, der Einbeinstand ohne Anhalten nicht möglich sei und er diese Übung auch nur mit dem rechten Bein durchführen habe können, die tiefe Hocke nicht möglich sei, der linke Oberschenkel zur Hälfte gefühllos sei und daher eine Sensibilität nicht existent sei und die Rückenmuskulatur nicht symmetrisch ausgebildet sei. Auch sei sein Gangbild barfuß nicht hinkfrei und unauffällig, sondern knicke das linke Bein ein. Die Angabe, dass seine Kniegelenke beidseits unauffällig seien, sei nicht belegt. Ein Röntgen der Kniegelenke sei durchgeführt worden, der Befund sei noch nicht vorliegend.

Aufgrund der eingebrachten Stellungnahme holte die belangte Behörde eine gutachterliche Stellungnahme der Fachärztin für Unfallchirurgie und Orthopädie sowie Ärztin für Allgemeinmedizin vom 04.12.2018, welche das Gutachten vom 05.10.2018 erstellt hatte, ein. Darin führt die Gutachterin aus, dass objektivierbare Funktionseinschränkungen unter Beachtung sämtlicher vorgelegter Befunde maßgeblich für die Einstufung behinderungsrelevanter Leiden nach den Kriterien der Einschätzungsverordnung seien. Die bei der Begutachtung am 13.09.2018 festgestellten Defizite im Bereich des Stütz- und Bewegungsapparates seien in der Beurteilung hinsichtlich Einstufung nach der Einschätzungsverordnung und hinsichtlich beantragter Zusatzeintragung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in vollem Umfang berücksichtigt worden. Die Funktionseinschränkung der linken oberen Extremität könne bei ausreichender Gangsicherheit kompensiert werden. Höhergradige Funktionseinschränkungen hätten nicht festgestellt werden können, sodass das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, allenfalls unter Verwendung einer einfachen Gehhilfe, nicht erheblich erschwert sei. Befunde, welche eine maßgebliche Verschlimmerung belegen hätten können, seien nicht vorgelegt worden, sodass an der getroffenen Beurteilung festgehalten werde.

Mit Bescheid vom 06.12.2018 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" gemäß §§ 42 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) ab. Sie stützte diesen Bescheid auf die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens. Als Beilage zum Bescheid wurden dem Beschwerdeführer das eingeholte Sachverständigengutachten vom 05.10.2018 sowie die ergänzende Stellungnahme vom 04.12.2018 übermittelt.

Der Beschwerdeführer erhob mit E-Mailnachricht vom 07.01.2019 fristgerecht eine Beschwerde gegen den Bescheid vom 06.12.2018. Ohne Vorlage weiterer Beweismittel brachte der Beschwerdeführer zusammengefasst vor, dass das Gutachten nicht der Realität entspreche und darin Bewegungen angeführt seien, die er nicht ausführen könne. Im Gutachten werde festgehalten, dass er mit einem Behelf 300 - 400 m problemlos gehen könne und es ihm daher zumutbar sei, öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Er habe bei der Untersuchung keine 300 - 400 m gehen müssen und würde er dies ohne Unterbrechung auch nicht schaffen. Er verwende auch für die kleinsten Wege ein Fahrzeug. Mit einem vollständig gelähmten Arm (Plexusparese komplett) und einem Gehstock in der rechten Hand - wobei dieser Arm durch mehrfache Brüche und Platten auch eingeschränkt sei - sei es ihm unmöglich, öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Auch sei alleine schon auf Grund seines Grades der Behinderung von 90 v.H. nicht nachvollziehbar, dass es ihm zuzumuten sein solle, öffentliche Verkehrsmittel zu benützen.

Die belangte Behörde legte am 10.01.2019 dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt zur Entscheidung vor. Das Verfahren wurde der hg. Gerichtsabteilung W115 zugeteilt.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.01.2020 wurde das gegenständliche Beschwerdeverfahren mit Wirksamkeit vom 07.02.2020 der Gerichtsabteilung W115 abgenommen und der Gerichtsabteilung W133 neu zugeteilt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist Inhaber eines unbefristeten Behindertenpasses mit einem eingetragenen Grad der Behinderung von 90 v.H.

Er hat seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

Der Beschwerdeführer stellte am 09.07.2018 einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in dem Behindertenpass.

Beim Beschwerdeführer bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

* Plexusparese linker Arm;

* Geringgradige Funktionseinschränkung rechtes Handgelenk;

* Geringgradige Funktionseinschränkung rechtes Hüftgelenk;

* Traumatischer Milzverlust.

Die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung bezüglich der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel liegen nicht vor.

Es liegen keine Funktionsbeeinträchtigungen der oberen und der unteren Extremitäten und der Wirbelsäule vor, welche die Mobilität ausreichend erheblich und dauerhaft einschränken würden. Im Bereich der unteren Extremitäten liegen keine relevanten Funktionsbeeinträchtigungen vor, welche die Steh- und Gehleistung einschränken würden. Die Gesamtmobilität ist ausreichend, um kurze Wegstrecken von 300 - 400 m zurücklegen zu können und um Niveauunterschiede zu überwinden, das sichere Ein- und Aussteigen ist möglich. Die behinderungsbedingte Verwendung einer Gehhilfe ist anhand der festgestellten Funktionseinschränkungen nicht erforderlich. An den oberen Extremitäten liegen zwar höhergradige Funktionseinschränkungen bei Plexusparese links vor, die Kraft und Beweglichkeit der rechten oberen Extremität ist jedoch gut, sodass die Benützung von Haltegriffen zumutbar und möglich ist und der Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln nicht erheblich erschwert ist. Die Funktionseinschränkung der linken oberen Extremität kann somit ausreichend kompensiert werden. Bei ausreichender Stand-, Gang- und Trittsicherheit ist der Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln nicht erheblich erschwert.

Es konnten weiters weder erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit noch erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder von Sinnesfunktionen festgestellt werden, es ist auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vorhanden.

Hinsichtlich der beim Beschwerdeführer bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, wechselseitiger Leidensbeeinflussung, medizinischer Diagnose und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel werden die diesbezüglichen medizinischen Beurteilungen im Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Orthopädie sowie Ärztin für Allgemeinmedizin vom 05.10.2018 sowie deren ergänzende Stellungnahme vom 04.12.2018 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt.

Der Beschwerdeführer moniert im Wesentlichen die durch die beigezogene Gutachterin durchgeführte Untersuchung und führt aus, dass es ihm mit einem vollständig gelähmten Arm (Plexusparese komplett) und einem Gehstock in der rechten Hand - wobei dieser Arm durch mehrfache Brüche und Platten auch eingeschränkt sei - nicht möglich sei, öffentliche Verkehrsmittel zu benützen.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen über die Ausstellung eines Behindertenpasses, den aktuellen Grad der Behinderung und das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" im Behindertenpass basieren auf dem Akteninhalt.

Die Feststellung zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland ergibt sich aus einem vom Bundesverwaltungsgericht aktuell eingeholten Auszug aus dem Zentralen Melderegister; konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Inland hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Auch die belangte Behörde ging vom Vorliegen dieser Voraussetzung aus.

Die Feststellungen zu den bestehenden Leidenszuständen und zur aktuellen Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel gründen sich auf das durch die belangte Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Orthopädie sowie Ärztin für Allgemeinmedizin vom 05.10.2018 sowie auf deren ergänzende Stellungnahme vom 04.12.2018. Darin wird nachvollziehbar ausgeführt, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel für den Beschwerdeführer aktuell zumutbar ist. Im Gutachten und in der Stellungnahme wird auf die Art der Leiden des Beschwerdeführers und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Die Gutachterin setzte sich auch nachvollziehbar mit den im Zuge des Verfahrens vorgelegten Befunden auseinander. Die getroffene Beurteilung basiert auf dem im Rahmen einer persönlichen Untersuchung erhobenen Befund und entspricht auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen (zur Art und zum Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen und deren Auswirkungen wird auf die detaillierten, oben im Original wiedergegebenen Ausführungen im Gutachten verwiesen).

Die Feststellungen und die getroffene medizinische Beurteilung zu den Auswirkungen der vorliegenden Gesundheitsschädigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel decken sich auch mit den Ergebnissen der Untersuchung im Rahmen der Statuserhebung und auch mit den vorliegenden Befunden.

Im Rahmen der Untersuchung wurde folgender klinischer Status erhoben:

"Allgemeinzustand:

Gut, 36 Jahre

Ernährungszustand

BMI 26,3.

Größe: 191,00 cm Gewicht: 96,00 kg Blutdruck: 120/80

Klinischer Status - Fachstatus:

Caput/Collum: Klinisch unauffälliges Hör- und Sehvermögen.

Thorax: Symmetrisch, elastisch.

Atemexkursion seitengleich, sonorer Klopfschall, VA. HAT rein, rhythmisch.

Abdomen: Klinisch unauffällig, keine pathologischen Resistenzen tastbar, kein Druckschmerz.

Integument unauffällig.

Schultergürtel und beide oberen Extremitäten:

Rechtshänder. Der Schultergürtel steht links höher. Muskelverhältnisse: deutliche Verschmächtigung linker gesamter Arm und linke Schulter.

Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird links als taub angegeben.

Arm links: Schlaffe Parese, Schulterbeweglichkeit möglich, kann gehoben werden, Arm im Schultergelenk nicht beweglich, sonst keine aktive Bewegung, Hand und Finger verschmächtigt.

Multiple Narben linker Ober- und Unterarm, Narbe rechter Oberarm und Unterarm. Handgelenk rechts: endlagige Bewegungsschmerzen.

Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Schultern links aktiv S, R und F 0, passiv F 0/20, S 0/80, rechts frei. Ellbogengelenke rechts frei, links passiv 0/15/120. Unterarmdrehung rechts mäßig eingeschränkt, links passiv geringgradig möglich. Handgelenke S rechts 60/0/30, links passiv 40/0/20, F rechts 0/0/25, links passiv 0/0/10. Daumen und Langfinger rechts frei, links passiv geringgradig beweglich. Grob- und Spitzgriff sind rechts uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist rechts komplett. Fingerspreizen rechts unauffällig, die grobe Kraft rechts KG 5. Tonus und Trophik unauffällig.

Nacken- und Schürzengriff sind rechts uneingeschränkt, links nicht durchführbar.

Becken und beide unteren Extremitäten:

Freies Stehen sicher möglich, Zehenballengang und Fersengang beidseits ohne Anhalten und ohne Einsinken durchführbar.

Der Einbeinstand ist ohne Anhalten möglich. Die tiefe Hocke ist möglich.

Die Beinachse ist im Lot. Symmetrische Muskelverhältnisse: Bandmaß Unterschenkel beidseits 39cm, Oberschenkel: Z.n. Lappenplastikentnahme am Oberschenkel links ventral, mediane Narbe.

Beinlänge ident.

Die Durchblutung ist ungestört, keine Ödeme, keine Varizen, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Die Beschwielung ist in etwa seitengleich.

Hüftgelenk links endlagige Rotationsschmerzen.

Kniegelenke und Sprunggelenke beidseits unauffällig.

Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Hüften S links 0/90, rechts 0/110, IR/AR links 10/0/20, rechts 15/0/30. Knie beidseits 0/0/130, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich. Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits bis 60° bei KG 5 möglich.

Wirbelsäule: Schultergürtel links höherstehend, in etwa im Lot, dorsal Thoraxasymmetrie, geringgradige skoliotische Fehlhaltung, sonst regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet. Mäßig Hartspann. Kein Klopfschmerz über der Wirbelsäule, ISG und Ischiadicusdruckpunkte sind frei.

Aktive Beweglichkeit: HWS: in allen Ebenen frei beweglich.

BWS/LWS: FBA: nicht durchgeführt, in allen Ebenen frei beweglich.

Lasegue bds. negativ, Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar.

Gesamtmobilität - Gangbild:

Kommt selbständig gehend mit Halbschuhen mit Gehstock, das Gangbild barfuß ohne Gehhilfe hinkfrei und unauffällig, sicher.

Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt.

Status Psychicus:

Allseits orientiert; Merkfähigkeit, Konzentration und Antrieb unauffällig; Stimmungslage ausgeglichen."

Die Beurteilung der Mobilität des Beschwerdeführers als ausreichend begründet die Gutachterin nachvollziehbar damit, dass im Rahmen der persönlichen Untersuchung keine Funktionsbeeinträchtigungen der oberen und unteren Extremitäten und der Wirbelsäule objektiviert werden konnten, welche die Mobilität erheblich und dauerhaft einschränken würden, da im Bereich der unteren Extremitäten keine relevanten Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, welche die Steh- und Gehleistung einschränken würden, wodurch die Gesamtmobilität ausreichend ist, um kurze Wegstrecken von etwa 300 - 400 m zurücklegen zu können und um Niveauunterschiede zu überwinden.

Vor dem Hintergrund der vorliegenden Befunde und dem erhobenen Status beschreibt die Sachverständige weiters nachvollziehbar, dass die Verwendung eines Gehbehelfes nicht erforderlich ist und, dass Standfestigkeit und Trittsicherheit in ausreichendem Maß vorliegen. Sollte der Beschwerdeführer zur Erhöhung der persönlichen Sicherheit einen Gehstock verwenden, bleibt ihm dies unbenommen. Allerdings konnte im Rahmen der persönlichen Untersuchung durch die befasste Sachverständige und auch in den vom Beschwerdeführer vorgelegten medizinischen Beweismitteln kein Hinweis darauf gefunden werden, dass eine Funktionseinschränkung des Bewegungsapparates vorliegt, welche die Benützung einer Gehhilfe erfordern würde.

Hinsichtlich der Möglichkeit in öffentliche Verkehrsmittel ein- und auszusteigen sowie den sicheren Transport in diesen beschreibt die beigezogene Gutachterin im Einklang mit dem erhobenen klinischen Status schlüssig, dass an der linken oberen Extremität zwar eine höhergradige Funktionseinschränkung bei Plexusparese vorliegt, aber die Kraft und Beweglichkeit der rechten oberen Extremität ausreichend gut ist, sodass dem Beschwerdeführer die Benützung von Haltegriffen möglich ist, da die fehlende Kraft der linken oberen Extremität ausreichend kompensiert werden kann und somit der sichere Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln nicht erheblich erschwert ist.

Hinweise auf erhebliche Einschränkungen der unteren Extremitäten und der rechten oberen Extremität, welche das Anhalten, Einsteigen und den Transport in öffentliche Verkehrsmittel maßgeblich erschweren würden, sind weder in den vorgelegten Befunden dokumentiert noch im Rahmen der persönlichen Untersuchung durch die befasste Sachverständige festgestellt worden. In diesem Zusammenhang wird im - vom Beschwerdeführer vorgelegten - Entlassungsbefund eines näher genannten Rehabilitationsaufenthaltes vom 31.10.2012 (somit bereits zwei Jahre nach dem Motorradunfall) beschrieben, dass der Beschwerdeführer freigehend, voll belastend zur Untersuchung erscheint, sich das Gangbild flott und flüssig mit guter Rumpfaufrichtung darstellt, unauffälliges Abrollverhalten über den lateralen Fußrand vorliegt und die Schrittlänge symmetrisch ist. Auch waren im Rahmen dieser Abschlussuntersuchung der Fersengang, der Zehenspitzengang, der Einbeinstand, der Einbein-Zehenspitzenstand und auch die tiefe Hocke möglich. Weiters wird in diesem Befund eine im Lot befindliche Wirbelsäule mit Schulterhochstand rechts (+1 cm), ein Fingerkuppen-Boden-Anstand von 15 cm, ein Kinn-Jugulum-Abstand von 2/20 beschrieben und dargestellt, dass kein Klopf- und Druckschmerz entlang der gesamten Wirbelsäule vorliegt. Die Sensibilität der rechten unteren Extremität wird in diesem Entlassungsbefund als seitengleich intakt und die Muskulatur als seitengleich ausgeprägt dargestellt, wobei beide Beine im Liegen gestreckt von der Unterlage gehoben und gehalten werden konnten. Die Beweglichkeit des rechten Handgelenkes wird in der Extension und Flexion mit 50-0-50 als normal beschrieben, die Fingergelenke als frei beweglich bei einem Fingerkuppen-Hohlhand-Abstand von 0 cm und es konnte an der rechten oberen Extremität ein Kraftgrad 5 objektiviert werden. Dieser Befund steht somit im Einklang mit den Ergebnissen der klinischen Untersuchung durch die im gegenständlichen Verfahren beigezogene Gutachterin.

Aktuelle Befunde oder Beweismittel, welche eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes seit dem Ende der Rehabilitation am 31.10.2012 dokumentieren würden, wurden vom Beschwerdeführer nicht in Vorlage gebracht.

Somit ergeben sich keine ausreichend konkreten Anhaltspunkte für die Annahme, dass beim Beschwerdeführer von der beigezogenen Sachverständigen keine fachgerechte Untersuchung durchgeführt worden wäre, und ergibt sich eine solche Annahme auch nicht aus den diesbezüglich nicht ausreichend substantiierten Vorbringen in der Stellungnahme bzw. in der Beschwerde; insbesondere widersprechen die Untersuchungsergebnisse - wie eben ausführlich dargelegt - auch nicht den vom Beschwerdeführer selbst vorgelegten medizinischen Unterlagen.

Bei der von der Behörde herangezogenen Sachverständigen handelt es sich vielmehr um eine erfahrene und bewährte Ärztin, welche auch seitens des Bundesverwaltungsgerichtes häufig zu Begutachtungen herangezogen wird, und an deren Qualifikation und Unbefangenheit seitens des Verwaltungsgerichtes kein Zweifel besteht.

Der Beschwerdeführer ist dem Sachverständigengutachten und der Stellungnahme der Fachärztin für Unfallchirurgie und Orthopädie sowie Ärztin für Allgemeinmedizin nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens und der vorliegenden gutachterlichen Stellungnahme. Diese werden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

...

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

...

§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.

§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen."

§ 1 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 in der Fassung des BGBl. II Nr. 263/2016, lautet auszugsweise:

"§ 1 ...

(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:

1. die Art der Behinderung, etwa dass der Inhaber/die Inhaberin des Passes

a)...

b)...

...

2. ...

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

(6)..."

Gemäß § 1 Abs. 5 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen bildet die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 18.12.2006, 2006/11/0211, und vom 17.11.2009, 2006/11/0178, jeweils mwN.).

In den auf der Homepage des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz veröffentlichten Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen zur Stammfassung BGBl. II 495/2013 wird - soweit im Beschwerdefall relevant - Folgendes ausgeführt:

Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (auszugsweise) - (nunmehr seit der Novelle BGBl. II Nr. 263/2016 unter § 1 Abs. 4 Z. 3 geregelt):

"Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.

...

Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.

Durch die Verwendung des Begriffes "dauerhafte Mobilitätseinschränkung" hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.

Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.

Die Begriffe "erheblich" und "schwer" werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleichbedeutend.

...

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:

- arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option

- Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen

- hochgradige Rechtsherzinsuffizienz

- Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie

- COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie

- Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie

- mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss benützt werden.

...

Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:

- Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr,

- hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten,

- schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen,

- nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden - Begleitperson ist erforderlich.

Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:

- anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID - sever combined immundeficiency),

- schweren, hämatologischen Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z.B: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie),

- fortgeschrittenen Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit,

- selten auftretenden chronischen Abstoßungsreaktion nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führen.

..."

Der Vollständigkeit halber ist zunächst darauf hinzuweisen, dass im gegenständlichen Verfahren der Antrag des Beschwerdeführers auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" gemäß §§ 42 und 45 BBG abgewiesen wurde. Verfahrensgegenstand im gegenständlichen Beschwerdeverfahren ist somit nicht die Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung, sondern ausschließlich die Prüfung der Voraussetzungen für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung.

Wie oben unter Punkt II.2. eingehend ausgeführt wurde, werden der gegenständlichen Entscheidung das Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Orthopädie sowie Ärztin für Allgemeinmedizin vom 05.10.2018 sowie deren ergänzende Stellungnahme vom 04.12.2018 zu Grunde gelegt, wonach dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel möglich und auch zumutbar ist. Weder bestehen ausreichend erhebliche Einschränkungen der oberen oder unteren Extremitäten, noch entscheidungserhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit, noch erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder Funktionen. Auch liegen keine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubheit vor sowie auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems im Sinne der genannten Verordnung. Ein psychiatrisches Leiden in einem Ausmaß, welches die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in unzumutbarem Ausmaß behindert, wurde ebenfalls nicht belegt.

Wie ebenfalls bereits oben im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurde, wurden vom Beschwerdeführer keine Befunde vorgelegt, die das Gutachten bzw. die Stellungnahme entkräften würden. Das Gutachten und die Stellungnahme erweisen sich als richtig, vollständig und schlüssig. Es kann - wie bereits oben beweiswürdigend dargelegt wurde - der erfahrenen und bewährten amtssachverständigen Gutachterin auch nicht unterstellt werden, sie habe tatsachenwidrige Untersuchungsergebnisse in ihrem Gutachten festgehalten.

Auch eine Ausschöpfung der zumutbaren Therapieoptionen in Bezug auf die geltend gemachten Funktionseinschränkungen ist nicht belegt. Auf Nachfrage der Gutachterin hatte der Beschwerdeführer im Rahmen der Anamneseerhebung vielmehr lediglich angegeben, "er mache selbstständig Heilgymnastik durch Bewegen des linken Arms und der Finger der linken Hand". Nach den anzuwendenden Erläuterungen ist aber auch die Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin wäre hierfür nach den Erläuterungen nicht ausreichend.

Da festzustellen war, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen kein Ausmaß erreichen, welches aktuell die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" rechtfertigt, war die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid spruchgemäß abzuweisen. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist dem Beschwerdeführer zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt zumutbar.

Gemäß § 46 BBG dürfen in Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.

Der Beschwerdeführer ist darauf hinzuweisen, dass bei einer befundmäßig objektivierten offenkundigen Verschlechterung seines Leidenszustandes eine neuerliche Antragstellung und die neuerliche Prüfung der "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.

Im gegenständlichen Fall wurde die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unter Mitwirkung einer ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen (Schmerzen, Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen, deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel) gehören dem Bereich zu, der von Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht ausreichend substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachtens geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen (vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). Beide Parteien haben zudem keine mündliche Verhandlung beantragt. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird (vgl. dazu die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 09.06.2017, Zl. E 1162/2017-5). Dies gilt überdies insbesondere während der Phase der Wirksamkeit des Art 16 § 3 (iVm § 6 Abs 1) des 2. COVID-19-Gesetzes, BGBl I Nr. 16/2020.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass Sachverständigengutachten Zumutbarkeit Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W133.2212681.1.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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