TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/8 W277 2133080-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.04.2020
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Entscheidungsdatum

08.04.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W277 2133080-1/18E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. ESCHLBÖCK, MBA über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch den XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX , zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde gegen den Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status einer subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat der Russischen Föderation zuerkannt.

III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte für die Dauer von einem Jahr erteilt.

IV. Die Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

I. Verfahrensgang

1. Die Beschwerdeführerin (in der Folge: BF), eine Staatsangehörige der Russischen Föderation, reiste illegal in das Bundesgebiet ein, stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am selben Tag von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt.

Zu ihren Fluchtgründen gab sie an, dass sie und drei weitere Frauen im Herkunftstaat im Jahre XXXX während einer Taxifahrt von maskierten Personen gezwungen worden wären, aus dem Taxi aus- und in ein anderes Fahrzeug einzusteigen. Sie seien von diesen maskierten Personen in ein Haus in XXXX gebracht und jeweils in separaten Zimmern untergebracht worden. Vier, in Tarnuniformen maskierte Personen hätten ihre Maskierung abgenommen und ihr ein amtliches Dokument vorgelegt, welches beinhaltet hätte, dass sie mit Drogen handeln würde. Sie hätte das Dokument unter dem Vorwand, dass sie nicht lesen könnte, nicht unterschrieben. Daraufhin hätten die Personen die Tasche der BF geholt, vorgegeben diese zu durchsuchen und XXXX herausgeholt, von denen sie behaupteten, dass dies Drogen seien. Sie hätte zu den Personen gesagt, dass sie sich mit Drogen nicht auskenne und auch nie welche gehabt hätte. Die BF hätte sich geweigert das Dokument zu unterschreiben und wäre in der Nacht XXXX worden. Danach hätte sie es unterschrieben. Aufgrund ihrer Unterschrift wäre sie vor Gericht zur einer XXXX bedingten Haft verurteilt worden. In dieser Zeit hätte sie das Land nicht verlassen dürfen. Nach Ablauf dieser Zeit hätte sie einen Reisepass beantragt und wäre geflüchtet.

Nach ihren Rückkehrbefürchtungen befragt gab sie an, nicht mehr nach XXXX zurückzuwollen, weil sie Angst vor XXXX habe. Vom Staat hätte sie keine Sanktionen zu erwarten, weil sie legal ausgereist sei.

2. Mit Schriftstück des Landeskrankenhauses XXXX vom XXXX wurde dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) ein Bericht übermittelt, dass bei der BF am XXXX eine XXXX vorgenommen worden ist und sie vom XXXX bis XXXX stationär in diesem Krankenhaus untergebracht war.

3. Die BF wurde am XXXX vom BFA niederschriftlich einvernommen und gab zu ihren Fluchtgründen befragt im Wesentlichen an, dass sie mit drei ihr unbekannten Frauen mit dem Taxi von XXXX nach XXXX gefahren wäre. Sie wären von Männern in Tarnanzügen angehalten und auf verschiedene Autos aufgeteilt worden. Sie wisse nicht, wo die anderen Frauen hingebracht worden seien. Die BF wäre in ein Gebäude in XXXX gebracht worden. Es sei ihr vorgeworfen worden, mit Drogen zu handeln. Die Männer hätten Kapseln aus ihrer Tasche gezogen, die sie als XXXX identifiziert hätten. Die BF hätte geleugnet, dass das XXXX ihr gehöre und wäre gezwungen worden, etwas zu unterschrieben, wobei sie nicht gewusst hätte, was auf dem Papier gestanden habe. Der Vorfall hätte bis zum Abend gedauert. Sie sei von einem der anwesenden Männer XXXX worden. Die BF hätte das Papier unterschrieben. Die Männer hätten für eine Freilassung XXXX Rubel gefordert. Sie hätte XXXX Rubel aufbringen können und es nach drei Tagen in das Gebäude, in dem sie festgehalten worden wäre, vorbeigebracht. Nach einer Woche wäre sie vor Gericht geladen und verurteilt worden.

4. Mit dem nun angefochtenen Bescheid des BFA vom XXXX , Zl. XXXX , wurde der Antrag auf internationalen Schutz der BF vom XXXX sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.), als auch bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat der Russischen Föderation abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ferner wurde der BF unter Spruchpunkt III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt und gegen sie eine Rückkehrentscheidung erlassen, sowie festgestellt, dass ihre Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei. Unter Spruchpunkt IV. wurde festgestellt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Entscheidung betrage.

5. Das BFA stellte der BF amtswegig einen Rechtsberater zur Seite.

6. Mit Schriftsatz vom XXXX erhob die BF durch ihren Rechtsberater, XXXX , binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde.

6.1. Der Beschwerde wurde folgendes beigelegt:

- ein Kurzarztbericht der Universitätsklinik für XXXX vom XXXX ,

- eine Bestätigung der Bildungs- und Beratungseinrichtung XXXX vom XXXX , wonach die BF den Deutschkurs Niveau XXXX im Zeitraum von XXXX bis XXXX besucht hat,

- eine Bestätigung der Anmeldung zu oa. Deutschkurs vom XXXX .

7. Mit Beschwerdevorlage vom XXXX legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Bezug habenden Verwaltungsunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor.

8. Die BF wurde am XXXX im Bundesgebiet amtlich abgemeldet. Zu diesem Zeitpunkt lag keine aufrechte Wohnsitz- bzw. Obdachlosenmeldung im Bundesgebiet vor.

9. Eine Anfrage des BVwG bei der Beschwerdeführervertretung am XXXX hat ergeben, dass diese seit XXXX keinen Kontakt mehr zur BF hatte.

10. Mit Beschluss vom XXXX , Zl. XXXX , wurde das Verfahren der BF eingestellt.

11. Mit XXXX wurde die BF im Zentralen Melderegisterauszuges als XXXX gemeldet. Das Verfahren wurde mit Verfahrensanordnung vom XXXX , Zl. XXXX , fortgesetzt.

12. Das Bundesverwaltungsgericht führte am XXXX eine öffentliche, mündliche Verhandlung unter Beiziehung einer geeigneten Dolmetscherin für die Sprache Russisch durch, an welcher die BF sowie ihre Rechtsvertretung teilnahmen. Das BFA verzichtete vorab mit Schreiben vom XXXX auf die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung und ist folglich nicht erschienen. Die BF wurde ausdrücklich zu ihrer Person und den Fluchtgründen befragt, und es wurde ihr Gelegenheit gegeben, ihre Fluchtgründe umfassend darzulegen sowie zu den im Rahmen der Verhandlung in das Verfahren eingeführten Länderberichten Stellung zu nehmen. Die BF legte in der Verhandlung eine Mappe mit medizinischen Unterlagen vor, welche in Kopie zum Akt genommen wurde.

13. Im Strafregister der Republik Österreich scheint folgende Verurteilung auf:

XXXX vom XXXX RK XXXX

§ 15 StGB § 127 StGB

Datum der (letzten) Tat XXXX

Geldstrafe von XXXX , bedingt, Probezeit 3 Jahre

zu XXXX vom XXXX RK XXXX

Unbedingter Teil der Geldstrafe vollzogen am XXXX

XXXX vom XXXX

14. Mit XXXX legte die BF folgendes vor:

- Meldebestätigung,

- Einstellungszusage vom XXXX der Firma XXXX ,

- Empfehlungsschreiben, datiert mit XXXX , von XXXX ,

- Schreiben der Schwester und des Neffen der BF, datiert mit XXXX .

II. Für das Bundesverwaltungsgericht ergibt sich daraus wie folgt:

1. Feststellungen

1.1. Zur Person der BF

1.1.1. Die BF ist Staatsangehörige der Russischen Föderation, schiitisch muslimischen Glaubens und gehört der Volksgruppe der XXXX an. Sie wurde in XXXX in der Russischen Föderation geboren.

Vor ihrer Ausreise lebte sie 15 Jahre lang in der Wohnung Ihres Ehemannes in XXXX . Im Elternhaus in XXXX lebt aktuell die Frau ihres jüngeren Bruders.

1.1.2. Die BF ist volljährig und im erwerbsfähigen Alter. Sie spricht Russisch und Tschetschenisch und hat eine Grundschule in XXXX besucht. Sie ist kann kaum Lesen und Schreiben.

Sie hat im Herkunftsland auf Tabakfeldern und als Verkäuferin auf einem Markt gearbeitet.

1.1.3. Die BF ist traditionell und standesamtlich verheiratet, lebt jedoch seit etwa XXXX Jahren getrennt von ihrem Ehemann. Sie ist Mutter XXXX erwachsener Söhne. Der Ehemann sowie die XXXX volljährigen Söhne der BF leben in XXXX . Ein Sohn lebt mit seiner Frau und seinen XXXX Kindern in einer Mietwohnung. Der XXXX Sohn lebt mit seiner Ehefrau in der Wohnung des Ehemanns der BF.

Der Ehemann und die Söhne der BF arbeiten im Herkunftsland als Hilfsarbeiter.

1.1.4. Die Eltern der BF sind verstorben. Ein Bruder und eine Schwester der BF leben im Herkunftsstaat.

Die Schwester der BF ist mit dem Sohn im gemeinsamen Haushalt in XXXX (Bezirk XXXX ) wohnhaft. Sie bezieht eine XXXX , da sie an einer XXXX leidet.

Der Bruder der BF lebt mit seiner Ehefrau in XXXX und bezieht nach vormaliger Beschäftigung bei der XXXX eine Alterspension. Er hat XXXX erwachsene, verheiratete Töchter.

1.1.5. Die Schwester, XXXX , und XXXX Neffen der BF haben eine Aufenthaltsberechtigung in Österreich und sind im Bundegebiet berufstätig. Die BF lebt mit ihrer Schwester seit etwa XXXX im gemeinsamen Haushalt. Ihre Schwester kommt für die Miete der Wohnung auf.

Die BF bezieht Leistungen aus der Grundversorgung.

1.1.6. An der BF wurde im Jahr XXXX im Bundesgebiet eine XXXX durchgeführt und muss seither täglich das Medikament XXXX einnehmen. Die BF leidet zudem an XXXX .

1.1.7. Die BF wurde am XXXX wegen eines XXXX delikts in der Russischen Föderation zu einer Freiheitsstrafe von XXXX verurteilt, wobei diese auf eine Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurde.

1.1.8. Die BF wurde am XXXX (mit Rechtskraft vom XXXX ) wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls gemäß §15, § 127 StGB vom XXXX zu einer XXXX , bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren verurteilt.

1.2. Zum Fluchtvorbringen der BF

Die BF ist keiner konkreten, asylrelevanten Verfolgung bzw. Bedrohung im Herkunftsstaat Russische Föderation ausgesetzt.

1.3. Zur maßgeblichen, entscheidungsrelevanten Situation in der Russischen Föderation/Tschetschenien

Aus den ins Verfahren eingeführten, mit der Ladung zugestellten und im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 30.09.2019 (in der Folge: LIB) zitierten Länderberichten zur Lage in der Russischen Föderation ergibt sich Folgendes (letzte Kurzinformation eingefügt am 03.12.2019):

1.3.1. Sicherheitslage in Tschetschenien

Als Epizentrum der Gewalt im Kaukasus galt lange Zeit Tschetschenien. Die Republik ist in der Topographie des bewaffneten Aufstands mittlerweile aber zurückgetreten; angeblich sind dort nur noch kleinere Kampfverbände aktiv. Dafür kämpfen Tschetschenen in zunehmender Zahl an unterschiedlichen Fronten außerhalb ihrer Heimat - etwa in der Ostukraine sowohl auf Seiten prorussischer Separatisten als auch auf der ukrainischen Gegenseite, sowie in Syrien und im Irak (SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (4.2015): Dagestan: Russlands schwierigste Teilrepublik).

In Tschetschenien konnte der Kriegszustand überwunden und ein Wiederaufbau eingeleitet werden. In einem Prozess der "Tschetschenisierung" wurde die Aufstandsbekämpfung im zweiten Tschetschenienkrieg an lokale Sicherheitskräfte delegiert, die sogenannten Kadyrowzy. Diese auf den ersten Blick erfolgreiche Strategie steht aber kaum für nachhaltige Befriedung (SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (4.2017): Russland und der Nordkaukasus im Umfeld des globalen Jihadismus).

Im Jahr 2018 wurden in Tschetschenien mindestens 35 Menschen Opfer des bewaffneten Konflikts, von denen mindestens 26 getötet und neun weitere verletzt wurden. Unter den Opfern befanden sich drei Zivilisten (zwei getötet, einer verletzt), elf Exekutivkräfte (drei getötet, acht verletzt) und 21 Aufständische (alle getötet). Im Vergleich zu 2017, als es 75 Opfer gab, sank die Gesamtopferzahl 2018 um 53,3%. In der ersten Hälfte des Jahres 2019 wurden in Tschetschenien zwei Personen getötet und vier verletzt (Caucasian Knot (30.8.2019): In 2018, the count of conflict victims in Northern Caucasus dropped by 38%). Seit Jahren ist im Nordkaukasus nicht mehr Tschetschenien Hauptkonfliktzone, sondern Dagestan (ÖB Moskau (12.2018): Asylländerbericht Russische Föderation).

1.3.2. Frauen im Nordkaukasus, insbesondere Tschetschenien

Artikel 19 der russischen Verfassung garantiert die Gleichstellung von Mann und Frau (ÖB Moskau (12.2018): Asylländerbericht Russische Föderation, vgl. GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (8.2019c): Russland, Gesellschaft). Zudem hat die Russische Föderation mehrere internationale und regionale Konventionen ratifiziert, die diese Gleichstellung festschreiben, darunter die Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) und ihr Zusatzprotokoll. Grundsätzlich gibt es in der Russischen Föderation keine systematische Diskriminierung von Frauen. Im Rahmen der 62. Sitzung der CEDAW von Oktober bis November 2015 wurde der rezente Länderbericht zur Russischen Föderation diskutiert. In seinen Schlussbemerkungen begrüßte das Komitee die Fortschritte im russischen Rechtssystem zum Kampf gegen die Diskriminierung von Frauen, insbesondere in den Bereichen Arbeitsrecht und Schutz für Schwangere. Folgende Empfehlungen wurden an die russische Regierung gerichtet: Verabschiedung eines umfassenden Anti-Diskriminierungsgesetzes, Verbesserungen beim Zugang von Frauen zu rechtlichen Beschwerdemechanismen, die Ausarbeitung eines nationalen Aktionsplans gegen Menschenschmuggel, die Stärkung der Teilnahme von Frauen am politischen und öffentlichen Leben (z.B. durch Einführung von Quotenregelungen für Frauen in der Staatsduma, dem Föderationsrat, den Ministerien oder dem diplomatischen Dienst), die Einführung eines alters- und genderspezifischen Sexualkundeunterrichts in Grund- und Mittelschulen, die Bekämpfung von Diskriminierung am Arbeitsplatz (z.B. durch Überarbeitung der Liste von Berufsverboten für Frauen in rund 450 Berufen) und die Verbesserung des Zugangs zu qualitativer Gesundheitsversorgung für Frauen in ländlichen Gebieten (ÖB Moskau (12.2018): Asylländerbericht Russische Föderation).

1.3.3. Grundversorgung im Nordkaukasus

Die nordkaukasischen Republiken stechen unter den Föderationssubjekten Russlands durch einen überdurchschnittlichen Grad der Verarmung und der Abhängigkeit vom föderalen Haushalt hervor. Die Haushalte Dagestans, Inguschetiens und Tschetscheniens werden noch immer zu über 80% von Moskau finanziert (GIZ -Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (5.2019a): Russland, Geschichte und Staat, vgl. ÖB Moskau 12.2018), obwohl die föderalen Zielprogramme für die Region mittlerweile ausgelaufen sind. Dennoch hat sich die Lage im Nordkaukasus verbessert, wenngleich es verfrüht erscheint, von einer nachhaltigen Stabilisierung zu sprechen. Vor allem wirtschaftliche Situation in Tschetschenien hat sich aufgrund massiver Transferzahlungen aus dem föderalen Budget in den letzten Jahren einigermaßen stabilisiert. Wenngleich die föderalen Transferzahlungen wichtig bleiben, konnten in den vergangenen Jahren dank des massiven Engagements der Föderalen Behörden, insbesondere des Nordkaukasus-Ministeriums, signifikante Fortschritte bei der sozio-ökonomischen Entwicklung der Region erzielt werden (ÖB Moskau 12.2018).

Der monatliche Durchschnittslohn lag in Tschetschenien im Juni 2019 bei 27.443 Rubel [ca. 388 Euro] (Chechenstat 2019), landesweit bei 48.453 Rubel [ca. 686 Euro] im zweiten Quartal 2019 (GKS 16.8.2019). Die durchschnittliche Pensionshöhe lag in Tschetschenien im August 2019 bei 12.440 Rubel [ca. 176 Euro] (Chechenstat 2019), landesweit im ersten Halbjahr 2019 bei 14.135 Rubel [ca. 200 Euro] (GKS 30.7.2019). Das durchschnittliche Existenzminimum für das erste Quartal 2019 in Tschetschenien lag für die erwerbsfähige Bevölkerung bei 10.967 Rubel [ca. 155 Euro], für Pensionisten bei 8.553 Rubel [ca. 121 Euro] und für Kinder bei 10.552 Rubel [ca. 150 Euro] (Chechenstat 2019). Landesweit lag das durchschnittliche Existenzminimum für das erste Quartal 2019 für die erwerbsfähige Bevölkerung bei 11.553 Rubel [ca. 163 Euro], für Pensionisten bei 8.894 Rubel [ca. 126 Euro] und für Kinder bei 10.585 Rubel [ca. 150 Euro] (RIA Nowosti (23.7.2019): I 2019 (Das Arbeitsministerium hat das Existenzminimum für das erste Quartal 2019 berechnet).

Die materiellen Lebensumstände für die Mehrheit der tschetschenischen Bevölkerung haben sich seit dem Ende des Tschetschenienkrieges dank großer Zuschüsse aus dem russischen föderalen Budget deutlich verbessert. Die ehemals zerstörte Hauptstadt Tschetscheniens, Grozny, ist wieder aufgebaut. Problematisch sind allerdings weiterhin die Arbeitslosigkeit und die daraus resultierende Armut und Perspektivlosigkeit von Teilen der Bevölkerung. Die Bevölkerungspyramide ähnelt derjenigen eines klassischen Entwicklungslandes mit hohen Geburtenraten und niedrigem Durchschnittsalter, und unterscheidet sich damit stark von der gesamtrussischen Altersstruktur (AA -Auswärtiges Amt (13.2.2019): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation).

1.3.4. Medizinische Versorgung in der Russischen Föderation

Medizinische Versorgung wird von staatlichen und privaten Einrichtungen zu Verfügung gestellt. StaatsbürgerInnen haben im Rahmen der staatlich finanzierten, obligatorischen Krankenversicherung (OMS) Zugang zu einer kostenlosen medizinischen Versorgung (IOM 2018, vgl. ÖB Moskau 12.2018). Jede/r russische Staatsbürger/in, egal ob er einer Arbeit nachgeht oder nicht, ist von der Pflichtversicherung erfasst (ÖB Moskau 12.2018). Dies gilt somit natürlich auch für Rückkehrer, daher kann jeder russische Staatsbürger bei Vorlage eines Passes oder einer Geburtsurkunde (für Kinder bis 14) eine OMS-Karte erhalten. Diese müssen bei der nächstliegenden Krankenversicherung eingereicht werden. An staatlichen wie auch an privaten Kliniken sind medizinische Dienstleistungen verfügbar, für die man direkt bezahlen kann (im Rahmen der freiwilligen Krankenversicherung -Voluntary Medical Insurance DMS) (IOM -International Organisation of Migration (2018): Länderinformationsblatt Russische Föderation). Durch die Zusatzversicherung sind einige gebührenpflichtige Leistungen in einigen staatlichen Krankenhäusern abgedeckt (ÖB Moskau 12.2018).

Die kostenfreie Versorgung umfasst Notfallbehandlung, Ambulante Behandlung, inklusive Vorsorge, Diagnose und Behandlung von Krankheiten zu Hause und in Kliniken, Stationäre Behandlung und teilweise kostenlose Medikamente. Behandlungen innerhalb der OMS sind kostenlos. Für die zahlungspflichtigen Angebote von öffentlichen und privaten Kliniken gibt es Preislisten auf den jeweiligen Webseiten (IOM 2018), die zum Teil auch mit OMS abrechnen (GTAI -German Trade and Invest (27.11.20186): Russlands Privatkliniken glänzen mit hohem Wachstum). Immer mehr russische Staatsbürger wenden sich an Privatkliniken (GTAI 27.11.2018, vgl. Ostexperte 22.9.2017). Das Recht auf kostenlose medizinische Grundversorgung für alle Bürger ist in der Verfassung verankert (GIZ -Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (8.2019c): Russland, Gesellschaft, vgl. ÖB Moskau 12.2018). Voraussetzung ist lediglich eine Registrierung des Wohnsitzes im Land. Am Meldeamt nur temporär registrierte Personen haben Zugang zu notfallmäßiger medizinischer Versorgung, während eine permanente Registrierung stationäre medizinische Versorgung, Sozialhilfe, Arbeitslosengeld und Pensionsgelder ermöglicht. Fälle von Diskriminierung auf Grund von Religion oder ethnischer Herkunft bezüglich der Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen sind nicht bekannt (ÖB Moskau 12.2018).

Das noch aus der Sowjetzeit stammende Gesundheitssystem bleibt ineffektiv. Trotz der schrittweisen Anhebung der Honorare sind die Einkommen der Ärzte und des medizinischen Personals noch immer niedrig (GIZ 8.2019c). Dies hat zu einem System der faktischen Zuzahlung durch die Patienten geführt, obwohl ärztliche Behandlung eigentlich kostenfrei ist (GIZ 8.2019c, vgl. AA -Auswärtiges Amt (13.2.2019): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation).

Das Wissen und die technischen Möglichkeiten für anspruchsvollere Behandlungen sind meistens nur in den Großstädten vorhanden. Das Hauptproblem ist jedoch weniger die fehlende technische Ausstattung, sondern ein Ärztemangel, obwohl die Zahl der Ärzte 2018 leicht gestiegen ist. Hinzu kommt, dass die Gesundheitsversorgung zu stark auf die klinische Behandlung ausgerichtet ist. Da in den letzten Jahren die Zahl der Krankenhäuser und Ärztezentren abgenommen hat, hat die Regierung darauf reagiert und 2018 beschlossen, dass bis 2024 360 neue medizinische Einrichtungen, darunter 30 onkologische Zentren, gebaut und weitere 1.200 saniert werden sollen. Zusätzlich sollen 800 mobile Einrichtungen eröffnet werden. Parallel zu diesen Beschlüssen wurden jedoch 2018 300 staatliche Krankenhäuser geschlossen. Den größten Fortschritt in der medizinischen Versorgung brachten 2018 die Einführung der Telemedizin und die digitale Erbringung der medizinischen Leistung. Patienten können seit dem 1.4.2018 einen Termin über ihr e-Konto vereinbaren oder einen digitalen Arzt in Anspruch nehmen. Diagnose und Behandlung erfolgen online. Mit der Einführung der Telemedizin haben sich die langen Wartezeiten auf eine Behandlung verkürzt (AA 13.2.2019).

Im Bereich der medizinischen Versorgung von Rückkehrern sind der Botschaft keine Abweichungen von der landesweit geltenden Rechtslage bekannt. Seit Jänner 2011 ist das "Föderale Gesetz Nr. 326-FZ über die medizinische Pflichtversicherung in der Russischen Föderation" vom November 2010 in Kraft; seit Jänner 2012 gilt das föderale Gesetz Nr. 323-FZ vom November 2011 über die "Grundlagen der medizinischen Versorgung der Bürger der Russischen Föderation". Laut Gesetz hat jeder Mensch Anrecht auf kostenlose medizinische Hilfestellung in dem gemäß "Programm der Staatsgarantien für kostenlose medizinische Hilfestellung" garantierten Umfang. Von diesem Programm sind alle Arten von medizinischer Versorgung (Notfallhilfe, ambulante Versorgung, stationäre Versorgung, spezialisierte Eingriffe) erfasst. Kostenpflichtig sind einerseits Sonderleistungen (Einzelzimmer u.Ä.), andererseits jene medizinischen Leistungen, die auf Wunsch des Patienten durchgeführt werden (z.B. zusätzliche Untersuchungen, die laut behandelndem Arzt nicht indiziert sind) (ÖB Moskau 12.2018).

Personen haben das Recht auf freie Wahl der medizinischen Anstalt und des Arztes, allerdings mit Einschränkungen. Für einfache medizinische Hilfe, die in der Regel in Polikliniken erwiesen wird, haben Personen das Recht, die medizinische Anstalt nicht öfter als einmal pro Jahr, unter anderem nach dem territorialen Prinzip (d.h. am Wohn-, Arbeits-oder Ausbildungsort), zu wechseln. Davon ausgenommen ist ein Wechsel im Falle einer Änderung des Wohn-oder Aufenthaltsortes. Das bedeutet aber auch, dass die Inanspruchnahme einer medizinischen Standardleistung (gilt nicht für Notfälle) in einem anderen als dem "zuständigen" Krankenhaus, bzw. bei einem anderen als dem "zuständigen" Arzt, kostenpflichtig ist. In der ausgewählten Organisation können Personen ihren Allgemein-bzw. Kinderarzt nicht öfter als einmal pro Jahr wechseln. Falls eine geplante spezialisierte medizinische Behandlung im Krankenhaus nötig wird, erfolgt die Auswahl der medizinischen Anstalt durch den Patienten gemäß der Empfehlung des betreuenden Arztes oder selbstständig, falls mehrere medizinische Anstalten zur Auswahl stehen. Abgesehen von den oben stehenden Ausnahmen sind Selbstbehalte nicht vorgesehen (ÖB Moskau 12.2018).

Die Versorgung mit Medikamenten ist grundsätzlich bei stationärer Behandlung sowie bei Notfallbehandlungen kostenlos. Es wird aber berichtet, dass in der Praxis die Bezahlung von Schmiergeld zur Durchführung medizinischer Untersuchungen und Behandlungen teilweise erwartet wird (ÖB Moskau 12.2018). Bestimmte Medikamente werden kostenfrei zur Verfügung gestellt, z.B. Medikamente gegen Krebs und Diabetes (DIS -Danish Immigration Service (1.2015): Security and human rights in Chechnya and the situation of Chechens in the Russian Federation -residence registration, racism and false accusations; Report from the Danish Immigration Service's fact findingmission to Moscow, Grozny and Volgograd, the Russian Federation; From 23 April to 13 May 2014 and Paris, France 3 June 2014). In Notfällen sind Medikamente in Kliniken, wie auch an Ambulanzstationen, kostenfrei erhältlich. Gewöhnlich kaufen russische Staatsbürger ihre Medikamente jedoch selbst. Bürgerinnen mit speziellen Krankheiten wird Unterstützung gewährt, u.a. durch kostenfreie Medikamente, Behandlung, und Transport. Die Kosten für Medikamente variieren, feste Preise bestehen nicht (IOM -International Organisation of Migration (2018): Länderinformationsblatt Russische Föderation). Weiters wird berichtet, dass die Qualität der medizinischen Versorgung hinsichtlich der zur Verfügung stehenden Ausstattung von Krankenhäusern und der Qualifizierung der Ärzte landesweit variieren kann (ÖB Moskau 12.2018). Im Zuge der Lokalisierungspolitik der Russischen Föderation sinkt der Anteil an hochwertigen ausländischen Medikamenten. Es wurde über Fälle von Medikamenten ohne oder mit schädlichen Wirkstoffen berichtet. Als Gegenmaßnahme wurde 2018 ein neues System der Etikettierung eingeführt, sodass nun nachvollzogen werden kann, wo und wie die Arzneimittel hergestellt und bearbeitet wurden. Die Medikamentenversorgung ist zumindest in den Großstädten gewährleistet und teilweise kostenfrei (AA 13.2.2019).

Das Gesundheitswesen wird im Rahmen der "Nationalen Projekte", die aus Rohstoffeinnahmen finanziert werden, modernisiert. So wurden landesweit sieben föderale Zentren mit medizinischer Spitzentechnologie und zwölf Perinatalzentren errichtet, Transport und Versorgung von Unfallopfern verbessert, sowie Präventions-und Unterstützungsprogramme für Mütter und Kinder entwickelt. Schrittweise werden die Gehälter für das medizinische Personal angehoben sowie staatliche Mittel in die Modernisierung bestehender Kliniken investiert. Seit 2002 ist die Lebenserwartung in Russland stetig gestiegen (GIZ 8.2019c).

Aufgrund der Bewegungsfreiheit im Land ist es für alle Bürger der Russischen Föderation möglich, bei Krankheiten, die in einzelnen Teilrepubliken nicht behandelbar sind, zur Behandlung in andere Teile der Russischen Föderation zu reisen (vorübergehende Registrierung) (vgl. dazu die Kapitel 19. Bewegungsfreiheit und 19.1 Meldewesen) (DIS 1.2015, vgl. AA 13.2.2019). Staatenlose, die dauerhaft in Russland leben, sind bezüglich ihres Rechts auf medizinische Hilfe russischen Staatsbürgern gleichgestellt. Bei Anmeldung in der Klinik muss die Krankenversicherungskarte (oder die Polizze) vorgelegt werden, womit der Zugang zur medizinischen Versorgung auf dem Gebiet der Russischen Föderation gewährleistet ist (ÖB Moskau 12.2018).

1.3.5. Medizinische Versorgung in Tschetschenien

Wie jedes Subjekt der Russischen Föderation hat auch Tschetschenien eine eigene öffentliche Gesundheitsverwaltung, die die regionalen Gesundheitseinrichtungen wie z.B. regionale Spitäler (spezialisierte und zentrale), Tageseinrichtungen, diagnostische Zentren und spezialisierte Notfalleinrichtungen leitet. Das Krankenversicherungssystem wird vom territorialen verpflichtenden Gesundheitsfonds geführt. Schon 2013 wurde eine dreistufige Roadmap eingeführt, mit dem Ziel, die Verfügbarkeit und Qualität des tschetschenischen Gesundheitssystems zu erhöhen. In der ersten Stufe wird die primäre Gesundheitsversorgung, inklusive Notfall-und spezialisierter Gesundheitsversorgung, zur Verfügung gestellt. In der zweiten Stufe wird die multidisziplinäre spezialisierte Gesundheitsversorgung, und in der dritten Stufe die spezialisierte Gesundheitsversorgung zur Verfügung gestellt (BDA -Belgium Desk on Accessibility (31.3.2015): Accessibility of healthcare: Chechnya, Country Fact Sheet via MedCOI). Es sind somit in Tschetschenien sowohl primäre als auch spezialisierte Gesundheitseinrichtungen verfügbar. Die Krankenhäuser sind in einem besseren Zustand als in den Nachbarrepubliken, da viele vor nicht allzu langer Zeit erbaut wurden (DIS 1.2015).

Bestimmte Medikamente werden kostenfrei zur Verfügung gestellt, z.B. Medikamente gegen Krebs und Diabetes. Auch gibt es bestimmte Personengruppen, die bestimmte Medikamente kostenfrei erhalten. Dazu gehören Kinder unter drei Jahren, Kriegsveteranen, schwangere Frauen und Onkologie und HIV Patienten. Verschriebene Medikamente werden in staatlich lizensierten Apotheken kostenfrei gegen Vorlage des Rezeptes abgegeben (DIS 1.2015).

Weitere Krankheiten, für die Medikamente kostenlos weitergegeben werden (innerhalb der obligatorischen Krankenversicherung), sind:

-infektiöse und parasitäre Krankheiten

-Tumore

-endokrine Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten

-Krankheiten des Nervensystems

-Krankheiten des Blutes und der blutbildenden Organe sowie bestimmte Störungen mit Beteiligung des Immunsystems

-Krankheiten des Auges und der Augenanhangsgebilde

-Krankheiten des Ohres und des Warzenfortsatzes

-Krankheiten des Kreislaufsystems

-Krankheiten des Atmungssystems

-Krankheiten des Verdauungssystems

-Krankheiten des Urogenitalsystems

-Schwangerschaft, Geburt, Abort und Wochenbett

-Krankheiten der Haut und der Unterhaut

-Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems und des Bindegewebes

-Verletzungen, Vergiftungen und bestimmte andere Folgen äußerer Ursachen

-Geburtsfehler und Chromosomenfehler

-bestimmte Zustände, die ihren Ursprung in der Perinatalperiode haben

-Symptome und abnorme klinische und Laborbefunde, die nicht in der Kategorie der Internationalen Klassifikation von Krankheiten gelistet sind (BDA CFS 31.3.2015).

Die obligatorische Krankenversicherung deckt unter anderem auch klinische Untersuchungen von bestimmten Personengruppen, wie Minderjährigen, Studenten, Arbeitern usw., und medizinische Rehabilitation in Gesundheitseinrichtungen. Weiters werden zusätzliche Gebühren von Allgemeinmedizinern und Kinderärzten, Familienärzten, Krankenschwestern und Notfallmedizinern finanziert. Peritoneal-und Hämodialyse werden auch unterstützt (nach vorgegebenen Raten), einschließlich der Beschaffung von Materialien und Medikamenten. Die obligatorische Krankenversicherung in Tschetschenien ist von der föderalen obligatorischen Krankenversicherung subventioniert (BDA CFS 31.3.2015). Trotzdem muss angemerkt werden, dass auch hier aufgrund der niedrigen Löhne der Ärzte das System der Zuzahlung durch die Patienten existiert (BDA CFS 31.3.2015, vgl. GIZ 8.2019c, AA 13.2.2019). Es gibt dennoch medizinische Einrichtungen, wo die Versorgung kostenfrei bereitgestellt wird, beispielsweise im Distrikt von Gudermes (von hier stammt Ramzan Kadyrow). In kleinen Dörfern sind die ärztlichen Leistungen günstiger (BDA CFS 31.3.2015).

In Tschetschenien gibt es nur einige private Gesundheitseinrichtungen, die normalerweise mit Fachärzten arbeiten, die aus den Nachbarregionen eingeladen werden. Die Preise sind hier um einiges höher als in öffentlichen Institutionen, und zwar aufgrund von komfortableren Aufenthalten, besser qualifizierten Spezialisten und modernerer medizinischer Ausstattung (BDA CFS 31.3.2015).

Wenn eine Behandlung in einer Region nicht verfügbar ist, gibt es die Möglichkeit, dass der Patient in eine andere Region, wo die Behandlung verfügbar ist, überwiesen wird (BDA CFS 31.3.2015).

1.3.5.1. Gesundheitseinrichtungen in Tschetschenien

Gesundheitseinrichtungen, die die ländlichen Gebiete Tschetscheniens abdecken, sind:

"Achkhoy-Martan RCH" (regional central hospital), "Vedenskaya RCH", "Grozny RCH", "Staro-Yurt RH" (regional hospital), "Gudermessky RCH", "Itum-Kalynskaya RCH", "Kurchaloevskaja RCH", "Nadterechnaye RCH", "Znamenskaya RH", "Goragorsky RH", "Naurskaya RCH", "Nozhai-Yurt RCH", "Sunzhensk RCH", Urus-Martan RCH", "Sharoy RH", "Shatoïski RCH", "Shali RCH", "Chiri-Yurt RCH", "Shelkovskaya RCH", "Argun municipal hospital N° 1" und "Gvardeyskaya RH" (BDA CFS 31.3.2015).

Gesundheitseinrichtungen, die alle Gebiete Tschetscheniens abdecken, sind:

"The Republican hospital of emergency care" (former Regional Central Clinic No. 9), "Republican Centre of prevention and fight against AIDS", "The National Centre of the Mother and Infant Aymani Kadyrova", "Republican Oncological Dispensary", "Republican Centre of blood transfusion", "National Centre for medical and psychological rehabilitation of children", "The Republican Hospital", "Republican Psychiatric Hospital", "National Drug Dispensary", "The Republican Hospital of War Veterans", "Republican TB Dispensary", "Clinic of pedodontics", "National Centre for PreventiveMedicine", "Republican Centre for Infectious Diseases", "Republican Endocrinology Dispensary", "National Centre of purulent-septic surgery", "The Republican dental clinic", "Republican Dispensary of skin and venereal diseases", "Republican Association formedical diagnostics and rehabilitation", "Psychiatric Hospital 'Samashki', "Psychiatric Hospital 'Darbanhi'", "Regional Paediatric Clinic", "National Centre for Emergency Medicine", "The Republican Scientific Medical Centre", "Republican Office for forensic examination", "National Rehabilitation Centre", "Medical Centre of Research and Information", "National Centre for Family Planning", "Medical Commission for driving licenses" und "National Paediatric Sanatorium 'Chishki'" (BDA CFS 31.3.2015).

Städtische Gesundheitseinrichtungen in Grosny sind:

"Clinical Hospital N° 1 Grozny", "Clinical Hospital for children N° 2 Grozny", "Clinical Hospital N° 3 Grozny", "Clinical Hospital N° 4 Grozny", "Hospital N° 5 Grozny", "Hospital N° 6 Grozny", "Hospital N° 7 Grozny", "Clinical Hospital N° 10 in Grozny", "Maternity N° 2 in Grozny", "Polyclinic N° 1 in Grozny", "Polyclinic N° 2 in Grozny", "Polyclinic N° 3 in Grozny", "Polyclinic N° 4 in Grozny", "Polyclinic N° 5 in Grozny", "Polyclinic N° 6 in Grozny", "Polyclinic N° 7 in Grozny", "Polyclinic N° 8 in Grozny", "Paediatric polyclinic N° 1", "Paediatric polyclinic N° 3 in Grozny", "Paediatric polyclinic N° 4 in Grozny", "Paediatric polyclinic N° 5", "Dental complex in Grozny", "Dental Clinic N° 1 in Grozny", "Paediatric Psycho-Neurological Centre", "Dental Clinic N° 2 in Grozny" und "Paediatric Dental Clinic of Grozny" (BDA CFS 31.3.2015).

1.3.5.2. Behandlungsmöglichkeiten von Hepatitis C in Tschetschenien

Hepatitis C ist sowohl in der Russischen Föderation (BMA 11674) als auch in Tschetschenien behandelbar (BMA 11292).

1.3.6. Rückkehrer

Die Rückübernahme russischer Staatsangehöriger aus Österreich nach Russland erfolgt in der Regel im Rahmen des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Russischen Föderation über die Rückübernahme. Der Rückübernahme geht, wenn die betroffene Person in Österreich über kein gültiges Reisedokument verfügt, ein Identifizierungsverfahren durch die russischen Behörden voraus. Wird dem Rücknahmeersuchen stattgegeben, wird für diese Person von der Russischen Botschaft in Wien ein Heimreisezertifikat ausgestellt. Wenn die zu übernehmende Person im Besitz eines gültigen Reisedokuments ist, muss kein Rücknahmeersuchen gestellt werden. Bei Ankunft in der Russischen Föderation mussten sich bislang alle Rückkehrer beim Föderalen Migrationsdienst (FMS) ihres beabsichtigten Wohnortes registrieren. Dies gilt generell für alle russische Staatsangehörige, wenn sie innerhalb von Russland ihren Wohnort wechseln. 2016 wurde der FMS allerdings aufgelöst und die entsprechenden Kompetenzen in das Innenministerium verlagert. Die Zusammenarbeit zwischen föderalen und regionalen Behörden bei der innerstaatlichen Migration scheint verbesserungsfähig. Bei der Rückübernahme eines russischen Staatsangehörigen, nach dem in der Russischen Föderation eine Fahndung läuft, wird die ausschreibende Stelle über die Überstellung informiert und diese Person kann, falls ein Haftbefehl aufrecht ist, in Untersuchungshaft genommen werden (ÖB Moskau 12.2018).

Zur allgemeinen Situation von Rückkehrern, insbesondere im Nordkaukasus, kann festgestellt werden, dass sie vor allem vor wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen stehen. Dies betrifft vor allem die im Vergleich zum Rest Russlands großen wirtschaftlichen Probleme sowie die damit einhergehende Arbeitslosigkeit im Nordkaukasus. Hinzu kommen bürokratische Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Dokumenten, die oft nur mit Hilfe von Schmiergeldzahlungen überwunden werden können. Die wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen betreffen weite Teile der russischen Bevölkerung und können somit nicht als spezifisches Problem von Rückkehrern bezeichnet werden. Besondere Herausforderungen ergeben sich für Frauen aus dem Nordkaukasus, zu deren Bewältigung zivilgesellschaftliche Initiativen unterstützend tätig sind. Eine allgemeine Aussage über die Gefährdungslage von Rückkehrern in Bezug auf mögliche politische Verfolgung durch die russischen bzw. die nordkaukasischen Behörden kann nicht getroffen werden, da dies stark vom Einzelfall abhängt. Aus informierten Kreisen mit direktem Praxisbezug war zu erfahren, dass Rückkehrer gewöhnlich nicht mit Diskriminierung seitens der Behörden konfrontiert sind (ÖB Moskau (12.2018): Asylländerbericht Russische Föderation).

Es besteht keine allgemeine Gefährdung für die körperliche Unversehrtheit von Rückkehrern in den Nordkaukasus. Vereinzelt gibt es Fälle von Tschetschenen, die im Ausland einen negativen Asylbescheid erhalten haben, in ihre Heimat zurückgekehrt sind und nach ihrer Ankunft unrechtmäßig verfolgt worden sind. Das unabhängige Informationsportal Caucasian Knot schreibt in einem Bericht vom April 2016 von einigen wenigen Fällen, in denen Tschetschenen, denen im Ausland kein Asyl gewährt worden ist, nach ihrer Abschiebung drangsaliert worden wären (ÖB Moskau 12.2018). Die Stellung eines Asylantrags im Ausland führt aber nicht prinzipiell zu einer Verfolgung. Der Kontrolldruck gegenüber kaukasisch aussehenden Personen ist aus Angst vor Terroranschlägen und anderen extremistischen Straftaten erheblich. Russische Menschenrechtsorganisationen berichten von häufig willkürlichem Vorgehen der Polizei gegen Kaukasier allein wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit. Kaukasisch aussehende Personen stünden unter einer Art Generalverdacht. Personenkontrollen und Hausdurchsuchungen (häufig ohne Durchsuchungsbefehle) finden weiterhin statt (AA - Auswärtiges Amt (13.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation).

Rückkehrende werden grundsätzlich nicht als eigene Kategorie oder schutzbedürftige Gruppe aufgefasst. Folglich gibt es keine individuelle Unterstützung durch den russischen Staat. Rückkehrende haben aber wie alle anderen russischen Staatsbürgerinnen Anspruch auf Teilhabe am Sozialversicherungs-, Wohlfahrts- und Rentensystem, solange sie die jeweiligen Bedingungen erfüllen. Es gibt auch finanzielle und administrative Unterstützung bei Existenzgründungen. Beispielsweise können Mikrokredite für Kleinunternehmen bei Banken beantragt werden. Einige Regionen bieten über ein Auswahlverfahren spezielle Zuschüsse zur Förderung von Unternehmensgründungen an (IOM - International Organisation of Migration (2018): Länderinformationsblatt Russische Föderation).

1.3.7. XXXX

In Tschetschenien ist eine XXXX inklusive Nachuntersuchungen nicht möglich (Anfragebeantwortung vom 05.07.2016, S.1).

In Moskau ist eine Behandlung grundsätzlich verfügbar. Der Patient muss sich bei einer Nachbehandlung selbst um seine Medikamente kümmern, sobald er aus dem Krankenhaus entlassen wird. Alle benötigten medizinischen Behandlungen und Laboruntersuchungen sind in der Russischen Föderation kostenlos, in einem privaten Labor muss ein Patient für die Analyse zwischen 2.000 und 5.000 Rubel bezahlen (Anfragebeantwortung vom 05.07.2016, S. 2 und 3). Die diesbezügliche Unterstützung von NGOs ist mäßig und konzentriert sich im Weiteren auch nicht auf Patienten, die eine XXXX brauchen. Die verpflichtende Krankenversicherung gibt das Recht auf kostenfreie Gesundheitsversorgung (Konsultationen, Medikamente in Gesundheitseinrichtungen). Behandlungen, die offiziell kostenlos sind, sind nicht immer auch in der Realität kostenlos. Verfügbarkeitsprobleme können entstehen (zB. Medikamente, Reagenzien, Zimmer im Raum, richtiger Spezialist,...). Eine XXXX ist in der Russischen Föderation offiziell kostenfrei, der Patient muss jedoch häufig zwischen 2,5 und 3 Millionen Rubel zahlen. (Anfragebeantwortung vom 05.07.2016, S. 3).

1.3.8. XXXX

Das Medikament XXXX ist in der Russischen Föderation/Moskau nicht erhältlich, als Alternativen sind XXXX verfügbar. (Anfragebeantwortung vom 05.07.2016, S.1). Als weitere Alternative gibt es in der Russischen Föderation ein XXXX (Anfragebeantwortung vom 05.07.2016, S.2).

1.3.9. Pantoloc

Das Medikament Pantoloc ist in Tschetschenien verfügbar (Anfragenbeantwortung der Staatendokumentation vom 14.11.2019

1.4. Zur Situation der BF im Falle ihrer Rückkehr

Die BF würde bei einer Rückkehr in die Russische Föderation Gefahr laufen, keine ausreichende medizinische Betreuung und Nachbehandlung hinsichtlich ihrer im Jahr XXXX XXXX zu erhalten.

2. Beweiswürdigung

2.1. Zur Person der BF

2.1.1. Die Identität der BF steht mangels der Vorlage von Originaldokumenten, die ihre Identität belegen könnten, nicht fest. Hinsichtlich Namen und Geburtsdatum der BF liegt somit Verfahrensidentität vor. Die Feststellungen zur ihrer Staats-, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie zu ihrer XXXX Herkunft gründen sich auf ihre insoweit glaubhaften Angaben in den bisherigen Befragungen bzw. ihren Kenntnissen in der russischen und der XXXX Sprache (AS 15, AS 171 sowie Niederschrift der mündlichen Verhandlung (in der Folge: NSV) S. 9).

2.1.2. Bezüglich der Dauer ihres Grundschulbesuchs im Herkunftsstaat machte die BF widersprüchliche Angaben. In ihrer Erstbefragung (AS 15) sowie in der mündlichen Verhandlung (NSV S. 19) gab sie an, XXXX bis XXXX Jahre, in ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA (AS 171) jedoch, von XXXX bis XXXX , also XXXX Jahre, die Grundschule besucht zu haben. Es konnte somit nur festgestellt werden, dass die BF eine Grundschule besucht hat, jedoch nicht, wie lange sie diese besucht hat. Nachvollziehbar waren hierbei Ihre Angaben, dass es sich bei diesem Grundschulbesuch in ihrem Geburtsdorf eher um eine Betreuungseinrichtung für Kinder gehandelt habe und der Unterricht vernachlässigt worden ist (NSV S.9).

Die Feststellung, dass die BF kaum Lesen und Schreiben kann, resultiert aus ihren diesbezüglich glaubhaften Angaben (AS 171, NSV S. 19). Es war in der mündlichen Verhandlung nach Aufforderung Ihren Geburtsort zu buchstabieren erkennbar, dass es der BF nicht möglich war dies zu tun.

Die Feststellung zur bisherigen Beschäftigung der BF im Herkunftsstaat geht aus ihren widerspruchfreien Angaben im Verfahren hervor (AS 171, NSV S. 19)

2.1.3. Dass die BF verheiratet und Mutter XXXX Söhne ist, ist aufgrund ihrer diesbezüglich konsistenten Angaben glaubhaft (AS 15, AS 170 und 171, NSV S. 10 und 11). Ebenso verhält es sich bezüglich ihrer Angaben seit über XXXX von ihrem Mann getrennt zu leben (AS 15, AS 170, NSV S. 10 und 11). Die Feststellungen zu deren aktuellen Wohn- und Beschäftigungsverhältnissen im Herkunftsstaat ergeben sich ebenfalls aus den Angaben der BF in der mündlichen Verhandlung (NSV S. 10 und 11).

2.1.4. Die Feststellungen zu den aktuellen Wohn- und Beschäftigungsverhältnissen ihrer sonstigen Familienangehörigen im Herkunftsstaat ergeben sich aus ihren insoweit glaubhaften Angaben im Verfahren (AS 19, AS 170 und 171, NSV S. 10, 11,17 und 18).

Die Angaben zu den Sterbedaten ihrer Eltern sind zwar nicht konsistent, da die BF im Zuge ihrer Erstbefragung im Jahr XXXX angab, dass ihr Vater vor XXXX und ihre Mutter vor XXXX Jahren verstorben sei (AS 19) und beim BFA im Jahr XXXX anführte, dass ihr Vater vor XXXX und ihre Mutter vor XXXX Jahren verstorben sei (AS 170). Dennoch waren Ihre Angaben, dass beide verstorben sind in einer Gesamtbetrachtung aufgrund der diesbezüglich widerspruchsfreien Angaben glaubhaft.

2.1.5. Die Feststellungen zu ihren Familienangehörigen in Österreich ergeben sich aus ihren Angaben sowie einem aktuellen Auszug aus dem Zentralen Melderegister. Dass die BF seit circa XXXX Jahren mit ihrer im Bundesgebiet wohnhaften Schwester, XXXX

XXXX

zusammenlebt, geht aus einem Schreiben der BF an das BFA XXXX vom XXXX sowie ihren weiteren Angaben vor dem BFA (AS 180) und in der mündlichen Verhandlung (NSV S. 20) hervor. Die BF war bis zum XXXX nicht an der Wohnadresse ihrer Schwester gemeldet. Ihre Angaben, dass die Schwester dies nicht wollte, sind glaubhaft (NSV S.20).

Dass die Schwester der BF die Miete für die Wohnung bezahlt, geht aus einer Angabe der BF vor dem BFA hervor (AS 180). Die Feststellung, dass die BF Leistungen aus der Grundversorgung bezieht ist einem Speicherauszug des Betreuungsinformationssystems zu entnehmen und entspricht auch ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung.

2.1.6. Dass an der BF eine XXXX durchgeführt wurde und sie seither täglich Medikamente die Medikamente XXXX einnehmen muss, ist der ärztlichen Bestätigung vom XXXX , dem Bericht des Landeskrankenhauses XXXX vom XXXX bezüglich ihres stationären Aufenthalts von XXXX bis XXXX , dem Arztbrief des Landeskrankenhauses XXXX vom XXXX , dem Ambulanzbericht des Landeskrankenhauses XXXX vom XXXX , der Gastro Ambulanzkarte vom XXXX und dem Kurzarztbericht der Universitätskliniken XXXX vom XXXX zu entnehmen.

Dass die BF an einer chronischen XXXX leidet ist einem Arztbrief vom XXXX zu entnehmen.

2.1.7. Die Feststellung bezüglich der Verurteilung der BF ergeben sich aus dem vom Gericht eingeholten Auszug aus dem Strafregister.

2.1.8. Die Feststellung, dass die BF in der Russischen Föderation verurteilt wurde, ergibt sich aus einer dem BFA vorgelegten Kopie des Urteils (AS 211ff).

2.2. Zum Fluchtvorbringen der BF

2.2.1. Die Feststellung, dass die BF keiner konkreten, asylrelevanten Verfolgung bzw. Bedrohung im Herkunftsstaat Russische Föderation ausgesetzt ist, ergibt sich daraus, dass das Fluchtvorbringen der BF nicht glaubhaft ist. Es mangelt diesbezüglich schon an der persönlichen Glaubwürdigkeit der BF.

2.2.2. Die BF gab zwar konsistent an, dass sie mit dem Taxi von XXXX nach XXXX von maskierten Männern aufgehalten worden wäre (AS 25, AS 173, NSV S. 13). Sie widerspricht sich allerdings dahingehend, wann der Vorfall stattgefunden hätte, zumal sie in der Erstbefragung angab, dass sich der Vorfall im Jahre XXXX (AS 25), vor dem BFA jedoch behauptete, dass er sich im Jahre XXXX ereignet hätte (AS 174).

Widersprüchliche Angaben macht sie auch dahingehend, wie viele Personen mit ihr im Taxi gefahren seien. Sowohl in ihrer Erstbefragung (AS 25), als auch vor dem BFA (AS 173) erzählte sie von drei weiteren Frauen, die außer ihr und dem Lenker mit ihr im Taxi gefahren wären. In der mündlichen Verhandlung ändert sie ihre Schilderung jedoch dahingehend, dass außer ihr noch zwei Frauen im Taxi gewesen wären und es sich insgesamt um drei Frauen gehandelt hätte (NSV. S. 13 und 14). Nicht nachvollziehbar sind ihre Angaben, das dies falsch protokolliert worden sein könnte (NSV S. 14).

Widersprüchlich schilderte sie auch den weiteren Ablauf der Geschehnisse. So wäre sie laut der Erstbefragung gemeinsam mit den drei weiteren Frauen gezwungen worden, in ein anderes Fahrzeug einzusteigen und in ein Haus nach XXXX gebracht worden. Sie seien in weiterer Folge auf separate Zimmer aufgeteilt worden (AS 25). Nach ihrer Schilderung vor dem BFA wären alle Frauen auf verschiedene Autos aufgeteilt worden und sie hätte nicht gewusst, wo man die anderen Frauen hingebracht hätte. Sie selbst sei jedoch in ein Haus nach XXXX gebracht worden (AS 173). In der mündlichen Verhandlung gab sie an, dass alle Frauen gemeinsam in ein anderes Auto gesetzt und nach XXXX gebracht worden wären (NSV S. 13).

In der Erstbefragung schilderte die BF weiters, dass die Männer ihre Tasche ins Zimmer gebracht und sie durchsucht und XXXX gefunden hätten, die nicht ihr gehört hätten (AS 25). Vor dem BFA führte sie ebenfalls an, dass sie die XXXX aus ihrer Tasche herausgeholt hätten (AS 174). In der mündlichen Verhandlung gab sie an, dass nicht nur ihre, sondern auch die Taschen der anderen Frauen geholt und durchsucht worden wären und in den Taschen XXXX gefunden worden wäre. Die anderen Frauen wären jedoch nicht mit ihr zusammen gewesen und sie hätte diese nicht gesehen (NSV S. 13).

In ihrer Erstbefragung gab die BF weiters an, dass sie die ganze Nacht in dem Zimmer verbracht hätte XXXX (AS 25). Vor dem BFA schilderte die BF, dass sie bis zum Abend in diesem Gebäude angehalten XXXX . Dieser hätte zu ihr gesagt, dass dies noch weiter bis zum Morgen andauern würde, wenn sie das vorgelegte Dokument nicht unterschreiben würde (AS 174). Zusätzlich gab sie an, dass sie ungefähr fünf bis sechs Stunden bis zum Abend von den Männern angehalten worden wäre (AS 175). Nach diesem Widerspruch befragt, erklärte sie vor dem BFA, dass für sie Abend und Nacht dasselbe sei (AS 178). In der mündlichen Verhandlung danach befragt, gab sie zunächst an, in der Früh, dann jedoch zu Mittag XXXX und am Abend freigelassen worden zu sein (NSV S. 16). Auf nochmalige Nachfrage gab sie an, am Nachmittag XXXX (NSV S. 16).

Nicht nachvollziehbar sind auch die Ausführungen der BF dahingehend, wo sie XXXX worden sei. Vor dem BFA gab sie an, nicht mehr zu wissen, wo dies geschehen sei, aber nicht zu glauben, dass es eine Polizeistation gewesen wäre. Sie wisse auch nicht, wo sich das Gebäude befinde, es hätte aber fünf Stockwerke gehabt (AS 174). In der weiteren Befragung gab sie jedoch an, dass es sich bei dem Gebäude, in dem ihre Gerichtsverhandlung stattgefunden habe, um das gleiche Gebäude gehandelt hätte, in dem sie XXXX sei (AS 177). Dies ist jedoch insofern nicht schlüssig, als dem Urteil der Russischen Föderation zu entnehmen ist, dass sie einen Antrag auf ein Urteil ohne Gerichtsverhandlung gestellt hat und diesem stattgegeben wurde (AS 205). In der mündlichen Verhandlung beschrieb sie den Ort als verlassenes Haus, in dem eine Wohnung gewesen wäre (NSV S. 16).

Sie gab weiters an, dass die Männer ihr gesagt hätten, dass sie noch Geld bezahlen müsste und sie dann freigelassen hätten. Sie hätten XXXX von ihr gefordert und davon hätte sie XXXX aufbringen können. Das Geld hätte sie im selben Gebäude, in dem sie festgehalten worden wäre, vorbeigebracht (AS 174). Es ist insgesamt nicht nachvollziehbar, weshalb sie die Zahlung eines solch hohen Betrages mit keinem Wort in der Erstbefragung erwähnt haben könnte. In der mündlichen Verhandlung gab sie hierzu widersprüchlich an, dass man ihr gesagt hätte, dass sie XXXX bringen solle und ihr dann nichts passieren würde (NSV S. 14).

In der mündlichen Verhandlung gab sie weiters an, dass man sie freigelassen hätte und sie das Geld bis zum Abend aufbringen hätte sollen, was sie auch gemacht hätte. Sie wäre zu Fuß nach Hause gegangen, da es nicht weit gewesen wäre und zum Abliefern des Geldes sei sie mit dem Taxi gefahren (NSV S. 14). Vor dem BFA gab sie jedoch an, dass sie vom Gebäude mit dem Auto in ihre Wohnstraße gebracht worden wäre und die Männer sie beobachtet hätten, in welches Haus sie ging. Sie gab weiters in Widerspruch zu ihrer Aussage in der mündlichen Verhandlung an, dass die Männer ihr zwei Tage Zeit gegeben hätten, das Geld vorbeizubringen und sie es nach drei Tagen in das Gebäude, in dem sie festgehalten wurde, gebracht hätte (AS 174 und AS 175). Zur Ablieferung des Geldes wäre sie mit dem Taxi gefahren, wobei der Taxifahrer auf sie gewartet hätte (AS 177).

Nicht nachvollziehbar ist auch, dass sie vor dem BFA angibt, im Zuge der Abgabe des Geldes dem Taxilenker beschrieben zu haben, wie er fahren müsste, sie selbst jedoch nicht genau wüsste, wo sich das Gebäude in XXXX befinde (AS 174).

2.2.3. Da schon ihre Angaben bezüglich ihrer Mitnahme und Anhaltung durch die Männer sowie der Kontrolle ihrer Tasche und ihre zeitlichen Angaben weder nachvollziehbar noch glaubhaft waren, war als Folge die darauf aufbauende Schilderung ihrer XXXX in all ihren widersprüchlichen Varianten nicht glaubhaft. Obgleich nicht verkannt wird, dass es sich bei der Wiedergabe einer XXXX , war in einer Gesamtbetrachtung erkennbar, dass das diesbezügliche Vorbringen nicht der Wahrheit entspricht.

2.2.4. Widersprüchliche Angaben machte die BF auch dahingehend, wann sie den Entschluss zur Ausreise gefasst hat.

In der Erstbefragung gab sie an, am XXXX ausgereist zu sein und den Entschluss eine Woche davor gefasst zu haben (AS 19). Vor dem BFA schilderte sie jedoch, den Entschluss bereits im XXXX gefasst zu haben (AS 172).

2.2.5. Nicht nachvollziehbar ist auch, weshalb die BF aufgrund eines Vorfalls, der sich im Jahre XXXX ereignet hätte erst XXXX , also vier Jahre später, ausreiste. Selbst ihr Argument, dass sie die dreijährige Probezeit abwarten musste (NSV S. 15) konnte dies nicht entkräften, da davon auszugehen ist, dass sie trotz dieses Umstands XXXX geflohen wäre, wenn tatsächlich eine begründete Furcht vor Verfolgung vorliegen würde. Zum Zeitpunkt ihrer Ausreise fehlte die konkrete Verfolgung, da selbst bei Wahrunterstellung ihres Vorbringens seit dem von ihr angegeben fluchtauslösendem Ereignis und der tatsächlichen Flucht XXXX liegen, in denen nach ihren eigenen Angaben weder eine Verfolgung noch eine Bedrohung gegen sie ausging (AS 174).

Auf Nachfrage, weshalb sie mit dem geforderten Geld in Höhe von XXXX nicht ausgereist sei, gab sie an, keinen Reisepass gehabt zu haben (AS 177). Auf Vorhalt, dass der Inlandsreisepass der BF XXXX aufgestellt wurde, sie in ein Nachbarland legal ausreisen hätte können und es ihr auch davor jederzeit möglich gewesen wäre illegal auszureisen, erwiderte sie, dass sie das nicht gewusst hätte, weil sie sich einen Auslandsreisepass machen habe lassen (AS 178).

2.2.6. Zusätzlich widerspricht der ihrer Verurteilung in der Russischen Föderation wegen Suchtgifthandels zugrunde gelegte Sachverhalt ihrem Vorbringen stark.

Demnach hat die BF vorsätzlich und "gewinnsüchtig" (wohl als gewerbsmäßig zu verstehen) XXXX unrechtmäßig und zu Verkaufszwecken erworben und transportiert. Sie hat in einer Apotheke in XXXX dafür bezahlt und dieses nach XXXX gebracht. Am nächsten Morgen hat sie mit einer weiteren Person den Verkauf der Substanz vereinbart (AS 203), das XXXX jedoch an einen verdeckten Ermittler verkauft (AS 205). Die BF verantwortete sich in dieser Verhandlung geständig und stellte einen Antrag, dass das Urteil ohne Gerichtsverhandlung gefällt werde, welchem stattgegeben wurde (AS 205). In der Strafbemessung wurde dabei mildernd berücksichtigt, dass die BF die Tat bereute und aktiv an der Aufklärung des Verbrechens mitgewirkt hat.

Ihre Angaben in der mündlichen Verhandlung sowohl bezüglich ihrer Verurteilung in der Russischen Föderation, als auch bezüglich ihrer Verurteilung wegen versuchten Ladendiebstahles in Österreich, zu Unrecht verurteilt worden zu sein, obwohl sie beide Male die Tat gestanden und kein Rechtsmittel erhoben hat (NSV S. 15), sind nicht nachvollziehbar.

2.2.7. Die BF gab beim BFA an, dass sie von den Behörden in der Russischen Föderation nicht gesucht werde (AS 173) und auch keine Probleme mit den Behörden hätte (AS 173, 178). Eine diesbezügliche Verfolgung ist somit auszuschließen.

2.2.8. Widersprüchlich waren auch ihre Angaben in der mündlichen Verhandlung zu Nebenfragen. So gab sie befragt nach den Gründen, weshalb Österreich ihr Zielland gewesen sei, an, dass sie in das Bundesland eingereist sei, weil ihre Schwester hier lebe. Sie habe jedoch gar nicht gewusst, dass ihre Schwester hier lebe und der Schlepper ihr gesagt hätte, dass das Geld nur bis Österreich reiche (AS 173).

2.2.9. In einer Gesamtbetrachtung ist dem geschilderten Fluchtvorbringen in allen Varianten kein Glauben zu schenken. Eine Verfolgung oder Bedrohung im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation ist nicht gegeben. Die BF gab darüber hinaus in der mündlichen Verhandlung an, dass ihr geschildertes Fluchtvorbringen XXXX bzw. XXXX Jahre zurückliege und für sie in ihrem Herkunftsstaat keine Gefahr mehr bestehe, sie jedoch aus gesundheitlichen Gründen in Österreich bleiben möchte (NSV S. 25).

2.3. Zu den Feststellungen der maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat

Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat ergeben sich aus den im aktuellen LIB vom 30.09.2019 (letzte Kurzinformation eingefügt am 03.12.2019) wiedergegebenen und zitierten Berichten. Die konkret den Feststellungen zugrundeliegenden Quellen wurden im angefochtenen Bescheid und unter Punkt 1.3. zitiert. Die aktuellen Länderberichte beruhen auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von staatlichen und nichtstaatlichen Stellen und bieten dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche, weshalb im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass besteht, an der Richtigkeit dieser Berichte zu zweifeln.

Den Länderberichten wurde seitens der BF weder in ihrer niederschriftlichen Einvernahme, noch in ihrer Beschwerde, noch in der mündlichen Verhandlung substantiiert entgegengetreten, weshalb für das Bundesverwaltungsgericht auch aus diesem Grund keine Zweifel an deren Richtigkeit bestehen.

2.4. Zur Rückkehrsituation der BF

Die BF wurde in XXXX geboren und ebendort sozialisiert. Sie lebte die letzten XXXX vor ihrer Ausreise in XXXX .

Wie unter II.2.1. ausgeführt, sind die Eltern, die Tanten und Onkel der BF bereits verstorben (NSV S. 18) In ihrem Elternhaus lebt die Frau ihres verstorbenen Bruders (NSV S. 18).

Die BF lebt seit etwa XXXX getrennt von ihrem Ehemann, welcher gemeinsam mit ihrem volljährigen Sohn in der Wohnung des Mannes in XXXX lebt. Beide arbeiten als Hilfsarbeiter. Ihr älterer Sohn lebt mit seiner Frau und seinen XXXX Kindern in einer Mietwohnung in XXXX . Er arbeitet ebenfalls als Hilfsarbeiter.

Die BF hat telefonischen Kontakt zu ihren Söhnen und zu ihrem Ehemann (NSV S. 11). Von einer finanziellen Unterstützung der BF durch ihre Söhne und ihren Mann kann nicht ausgegangen werden, da diese als Hilfsarbeiter keinen regelmäßigen Verdienst in der Höhe erzielen, die die medizinische Versorgung sowie den Lebensunterhalt der BF sicherstellen könnte. Eine Unterkunftsmöglichkeit bei dem seit circa XXXX Jahre getrennt lebenden Ehemann ist nicht anzunehmen (s. NSV S. 11).

Zudem wurde die BF bereits vor ihrer Ausreise von den Geschwistern im Herkunftsstaat unterstützt (AS 171). Zwei Brüder der BF sind nunmehr verstorben. Zu dem Bruder und der Schwester im Herkunftsstaat hat sie telefonischen Kontak

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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