TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/8 W261 2227302-1

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Veröffentlicht am 08.04.2020
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Entscheidungsdatum

08.04.2020

Norm

BBG §41 Abs2
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W261 2227302-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS als Vorsitzende und die Richterin Mag. Karin RETTENHABER-LAGLER sowie den fachkundigen Laienrichter Herbert PICHLER als Beisitzerin und als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien , vom 20.12.2019, betreffend die Zurückweisung des Antrages auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung innerhalb der Jahresfrist zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte am 19.09.2019 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (auch Sozialministeriumservice, in der Folge belangte Behörde) und legte ein Konvolut an medizinischen Befunden bei.

Die belangte Behörde holte zur Überprüfung des Antrages ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Neurologie ein. In dem auf aufgrund der Aktenlage erstatteten Gutachten vom 29.10.2019 stellte der medizinische Sachverständige beim Beschwerdeführer die Funktionseinschränkungen "Oligendrogliom links frontal in den Stammganglien" und Epilepsie" und einen Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 50 von Hundert (in der Folge vH) fest.

Die belangte Behörde stellte dem Beschwerdeführer in weiterer Folge einen Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung mit Wirksamkeit ab 19.09.2019 (Zeitpunkt der Antragstellung) aus.

Am 20.12.2019 stellte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades seiner Behinderung im Behindertenpass und legte ein Konvolut an Befunden vor.

Da der Antrag binnen der Jahresfrist des § 41 Abs. 2 BBG gestellt wurde, ersuchte die belangte Behörde den Ärztliche Dienst um Feststellung aus medizinischer Sicht, ob die beiliegenden Befunde geeignet seien, eine offenkundige Änderung des Leidenszustandes glaubhaft zu machen.

Mit Schreiben vom 19.12.2019 stellte die medizinische Sachverständige zusammenfassend in seiner sofortigen Beantwortung fest, dass die vom Beschwerdeführer vorgelegten Befunde nicht geeignet seien, eine offenkundige Änderung des Leidenszustandes glaubhaft zu machen. Eine neuerliche Begutachtung innerhalb der Jahresfrist sei daher nicht gerechtfertigt.

Mit angefochtenem Bescheid vom 20.12.2019 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung zurück. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr verstrichen sei, und der Beschwerdeführer eine offenkundige Änderung der Funktionsbeeinträchtigungen nicht habe glaubhaft machen können.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 07.01.2020 eine Beschwerde und führte begründend aus, dass ein namentlich genannter Sachverständiger in seinem Gutachten an das Bezirksgericht XXXX festgestellt habe, dass "seit Diagnoseerstellung des links frontalen und Stammganglien befallenden Hirntumors eine 100 % Arbeitsunfähigkeit für jedwede Tätigkeit bestehe." Er ersuche, diese Ausführungen bei der Beurteilung des Antrages zu berücksichtigen. Der Beschwerdeführer legte seiner Beschwerde eine Reihe von Unterlagen, unter anderem aus einem beim Bezirksgericht XXXX anhängigen Pflegschaftsverfahren an.

Die belangte Behörde legte den Aktenvorgang dem Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) mit Schreiben vom 09.01.2020 vor, wo dieser am selben Tag einlangte.

Das BVwG führte am 10.01.2020 eine Abfrage im Zentralen Melderegister durch, wonach der Beschwerdeführer österreichischer Staatsbürger ist, und seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland hat.

Die belangte Behörde legte im Nachhang zur Beschwerde am 10.01.2020 ein Schreiben der medizinischen Universität XXXX vom 12.12.2019 vor, wonach der Beschwerdeführer angesichts der umfassenden kognitiven und körperlichen Einschränkungen regelmäßig Betreuung in seinem Alltag bedürfe, weswegen die Zuerkennung von Pflegegeld indiziert sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz im Inland.

Der Beschwerdeführer stellte am 19.09.2019 erstmals einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses.

Beim Beschwerdeführer bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1. Oligendrogliom links frontal in den Stammganglien

2. Epilepsie

Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 50 v. H.

Leiden 1 wird durch Leiden 2 im Gesamtgrad der Behinderung nicht angehoben, weil eine Leidensüberschneidung vorliegt.

Der Beschwerdeführer ist seit 19.09.2019 Inhaber eines Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 50 vH.

Der neuerliche Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses langte am 12.12.2019 bei der belangten Behörde ein.

Die vom Beschwerdeführer mit diesem Antrag vorgelegten neuen Befunde und mit der Beschwerde vorgelegten Unterlagen sind nicht geeignet, eine offenkundige Änderung des Leidenszustandes des Beschwerdeführers glaubhaft zu machen.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen hinsichtlich der Antragsstellung basieren auf dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland basieren auf dem vom BVwG eingeholten Auszug aus dem Zentralen Melderegister.

Der Gesamtgrad der Behinderung gründet sich auf das seitens der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten eines Facharztes für Neurologie vom 29.10.2019, aufgrund der Aktenlage.

Aufgrund dieses medizinischen Sachverständigengutachtens, wonach der Beschwerdeführer einen Grad der Behinderung von 50 vH aufweist, stellte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit Wirksamkeit ab 19.09.2019 einen Behindertenpass aus.

Der Beschwerdeführer stellte am 12.12.2019 einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung. Er legte dabei folgende Unterlagen vor:

- eJournal, XXXX , Univ. Klinik für Innere Medizin vom 24.09.2019 (AS 23)

- Befundbericht, XXXX , Univ. Klinik für Augenheilkunde und Optometrie vom 16.10.2019 (AS 22)

- eJournal, XXXX , Univ. Klinik für Dermatologie vom 22.10.2019 (AS 20)

- Befund Dr. XXXX , Dr. XXXX & Partner OG, Fachärzte für Radiologie vom 30.08.2018 (AS 19)

- Stationärer Patientenbrief, XXXX , Univ. Klinik für Strahlentherapie vom 14.11.2019 (AS 12 bis 18)

- Aufenthaltsbestätigung vom 14.11.2019 (AS 11)

- Entlassungsbericht Pflege, XXXX , Univ. Klinik für Strahlentherapie vom 14.11.2019 (AS 10).

Der von der belangten Behörde befasste medizinische Sachverständige kommt in seiner Stellungnahme nach Durchsicht der vorgelegten Berichte zusammenfassend in seiner sofortigen Beantwortung vom 19.12.2019 zu dem Ergebnis, dass eine offenkundige Änderung des Leidenszustandes aus diesen Unterlagen nicht zu entnehmen ist.

Auch aus den vom Beschwerdeführer mit seiner Beschwerde vorgelegten Unterlagen lässt sich nicht entnehmen, dass sich sein Leidenszustand seit der Ausstellung seines Behindertenpasses maßgeblich verschlechtert habe, was zu einer Neufestsetzung des Grades der Behinderung führen könne, weswegen die entsprechende Feststellung getroffen wird.

Wenn der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde angibt, dass ihm ein medizinischer Sachverständiger 100%ig Arbeitsunfähigkeit attestiert habe, so ist ihm entgegen zu halten, dass dieses von ihm genannte Gutachten im Rahmen eines pflegschaftsbehördlichen Verfahrens, um welches es um Unterhaltszahlungen des Beschwerdeführers an seine minderjährigen Kinder geht, erstellt wurde. Somit ist auch der Gutachtensauftrag an den im Pflegschaftsverfahren beigezogenen Sachverständigen naturgemäß ein anderer, als es der Gutachtensauftrag für Sachverständige im Rahmen des Behindertenverfahrens ist, welche eine Leidenseinschätzung nach der Einschätzungsverordnung vorzunehmen haben. Somit kann diesem Argument des Beschwerdeführers in seiner Beschwerde nicht gefolgt werden.

Auch das der Beschwerde nachgereichte Schreiben vom 12.12.2019 beurteilt eine andere Frage, nämlich, ob der Beschwerdeführer die Anspruchsvoraussetzungen für den Erhalt von Pflegegeld erfüllt, oder nicht. Auch dafür sind andere Aspekte von Relevanz, als dies zur Einschätzung von Leiden nach der Einschätzungsverordnung erforderlich sind. Ganz abgesehen davon, dass dieses letztgenannte Schreiben allein schon aufgrund der Neuerungsbeschränkung nicht berücksichtigt werden kann, belegt auch dieses Schreiben nicht, dass beim Beschwerdeführer in den letzten Monaten eine massive Verschlechterung seines Leidenszustandes eingetreten ist.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Zu Spruchteil A)

1. Zur Entscheidung in der Sache

Die gegenständlich maßgebliche Bestimmung des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lautet:

"§ 41. (2) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird."

Im Beschwerdefall wurde dem Beschwerdeführer von der belangten Behörde aufgrund seines Erstantrages vom 19.09.2019 ein Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 50 vH mit Wirksamkeit ab 19.09.2019 ausgestellt. Am 12.12.2019 brachte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung bei der belangten Behörde ein.

Eine solche neuerliche Antragstellung innerhalb der Jahresfrist führt jedoch nach dem klaren Gesetzeswortlaut des § 41 Abs. 2 BBG nur dann nicht zu einer zurückweisenden Entscheidung ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.

Nach der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) sind "offenkundig" solche Tatsachen, deren Richtigkeit - unter Bedachtnahme auf die Lebenserfahrung - der allgemeinen Überzeugung entsprechen bzw. allgemein bekannt sind (vgl. das Erkenntnis des VwGH vom 16.09.2008, Zl. 2008/11/0083). Eine "Offenkundigkeit" bringt es nach der genannten Rechtsprechung mit sich, dass eine Tatsache erkennbar ist, ohne dass eine Prüfung der individuellen Situation erforderlich ist.

Wie bereits oben in der Beweiswürdigung ausgeführt wurde, hat der Beschwerdeführer mit den neu vorgelegten medizinischen Unterlagen eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung im Sinne des § 41 Abs. 2 BBG unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht glaubhaft gemacht.

Die belangte Behörde hat daher mit dem angefochtenen Bescheid zu Recht den am 12.12.2019 eingelangten Antrag des Beschwerdeführers auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung gemäß § 41 Abs. 2 BBG zurückgewiesen.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 erster Fall VwGVG unterbleiben, weil der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei zurückzuweisen war.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass Frist Grad der Behinderung offenkundige Änderung Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W261.2227302.1.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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