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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1993 §37 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde des F in Wien, vertreten durch Dr. Michael Drexler, Rechtsanwalt in Wien IX, Hörlgasse 4/5, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 24. Juni 1996, Zl. SD 560/96, betreffend Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 24. Juni 1996 wurde aufgrund des Antrages des Beschwerdeführers vom 19. August 1994 gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, festgestellt, daß keine stichhältigen Gründe für die Annahme bestünden, daß er im Staatsgebiet der Jugoslawischen Föderation i.S. des § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei.
Der Beschwerdeführer sei von Dezember 1991 bis Ende Jänner 1994 aufgrund befristeter Sichtvermerke zum Aufenthalt in Österreich berechtigt gewesen. Am 16. Februar 1994 sei er
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nachdem er kurzzeitig in seine Heimat zurückgekehrt wäre
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aus Deutschland (wohin er mit einem Bus über Skopije, Wien und Salzburg gelangt wäre) nach Österreich abgeschoben und hier mit einem Aufenthaltsverbot belegt worden. Nach seiner Entlassung aus der Schubhaft habe er (am 16. August 1994) einen Asylantrag gestellt und diesen zusammengefaßt damit begründet, nicht zum Militär und nicht für Serbien kämpfen zu wollen. Im Fall seiner Rückkehr in den Kosovo würde er dort sofort erschossen werden. In seiner Berufung gegen den negativen erstinstanzlichen Asylbescheid habe er ausgeführt, er wäre im Jahr 1993 in seine Heimat zurückgekehrt, um sich dort um seine alleinstehende Mutter zu kümmern. Er hätte nicht geglaubt, nochmals einberufen zu werden (er wäre bereits 1988/89 beim Militär gewesen). Er wäre aber unmittelbar nach seiner Rückkehr im November 1993 zur Polizei geladen worden, wo man ihm mitgeteilt hätte, er solle sich als Reservist zur territorialen Verteidigung bereithalten. Dies hätte für ihn einen Einsatz in der Krisenregion, z.B. in Sandjak oder in den serbischen Gebieten in Bosnien, zur Folge gehabt. Er hätte aber nicht Teil der serbischen Aggressions- und Unterdrückungspolitik sein wollen. Im Jänner 1994 wären serbische Polizisten in sein Haus gekommen und hätten ihn sofort zum Militärdienst einziehen wollen. Mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 18. Jänner 1996 sei der Asylantrag des Beschwerdeführers rechtskräftig abgewiesen worden.
Im vorliegenden Verfahren habe der Beschwerdeführer auf seine Angaben im Asylverfahren verwiesen und ergänzend darauf hingewiesen, daß er während seines Militärdienstes 1988 Angehöriger der Militärpolizei gewesen wäre, was (laut UNHCR vom 14. Februar 1995) ein zusätzliches Gefahrenmoment darstellte. Ehemalige Polizisten wären wegen ihrer Kenntnisse im Umgang mit Waffen als potentielle Gegner ebenso gefährdet wie frühere Angehörige des Offizierskorps. Hiezu sei zu bemerken, daß der Beschwerdeführer kein Polizist und offenbar auch kein Offizier gewesen sei, daß es weiters auf der Hand liege, als Angehöriger des Militärs Kenntnis im Umgang mit Waffen zu haben, und daß ihm während seines Heimataufenthaltes Ende 1993 nicht mehr geschehen sei als seine Einberufung als Reservist. In einem ergänzenden Schriftsatz vom 15. März 1996 habe der Beschwerdeführer vorgebracht, daß der UNHCR von einer verstärkten Einberufung ethnischer Albaner ausginge, die weniger den Zweck verfolgte, sie tatsächlich in der Armee einzusetzen, als sie zur Flucht zu bewegen, und daß die Erstbehörde den Zusammenhang zwischen Einberufung und Eigenschaft als Angehöriger der albanischen Nationalität außer acht gelassen hätte. Selbst eine Verurteilung zu einer 30tägigen Gefängnisstrafe würde eine unmenschliche Behandlung darstellen.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde folgendes aus: Eine Einberufung zur Militärdienstleistung stelle im allgemeinen keine asylrechtlich relevante Verfolgung, somit also auch keine Bedrohung i.S. des § 37 Abs. 2 FrG dar. Die Furcht vor der Ableistung des Militärdienstes sei grundsätzlich kein Grund, für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, da die Militärdienstpflicht alle in einem entsprechenden Alter befindlichen männlichen Staatsbürger in gleicher Weise treffe. Eine wegen der Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes bzw. wegen Desertion drohende, auch strenge Bestrafung sei in diesem Sinne grundsätzlich nicht als Verfolgung i.S. der Flüchtlingskonvention anzusehen. Die Flucht wegen Einberufung zum Militärdienst könne nur dann asylrechtlich relevant sein, wenn die Einberufung aus einem der in der Flüchtlingskonvention genannten Gründe erfolgt wäre oder aus solchen Gründen eine drohende allfällige Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung schwerer als die von anderen Staatsangehörigen wäre. Nun habe der Beschwerdeführer auf seine Zugehörigkeit zur albanischen Volksgruppe im Kosovo hingewiesen und geltend gemacht, daß er nicht für die Serben bzw. mit den Serben kämpfen wollte. Aus diesem Grund wäre er am 16. Jänner 1994 geflüchtet. Damit machte der Beschwerdeführer einen Zusammenhang zwischen seiner Einberufung zum Militärdienst und seiner Eigenschaft als Angehöriger, der von den Serben unterdrückten albanischen Nationalität im Kosovo geltend, womit er zum Ausdruck bringen wolle, daß seine Freiheit aus Gründen seiner Zugehörigkeit zur albanischen Nationalität besonders, somit also i.S. des § 37 Abs. 2 FrG bedroht sei.
Im Staatsgebiet der Jugoslawischen Föderation - und somit auch im Kosovo - bestehe grundsätzlich allgemeine Wehrpflicht, wobei nach den gesetzlichen Bestimmungen keine ethnischen Unterschiede vorgesehen seien, also serbische und kosovo-albanische Volksgruppenangehörige gleichermaßen einberufen würden. Tatsächlich lasse sich auch für die angegebene Zeit nicht verifizieren, daß die Einberufung zum Militär und der Einsatz zum Militär volksgruppenabhängig unter spezifischer Benachteiligung von Kosovo-Albanern erfolgt wäre. Vielmehr würden Kosovo-Albaner erfahrungsgemäß nicht an der Front, sondern im Hinterland und in technischen Einheiten eingesetzt. Der Beschwerdeführer habe zugeben müssen, daß die Jugoslawische Föderation zur maßgeblichen Zeit in keine kriegerischen Auseinandersetzungen verwickelt gewesen und auch jetzt nicht sei. Er habe weiters zugeben müssen, daß er nur zur Reserve einberufen worden wäre und in Bosnien kein serbisches Militär sei.
Was die dem Beschwerdeführer drohende Strafe anlange, so stehe aufgrund des Berichtes der International Helsinki Federation for Human Rights über die Menschenrechtsituation im Kosovo vom November 1993 fest, daß in den meisten belegten Fällen der Nichtbefolgung einer Einberufung von den jungen Männern, die zwangsweise eingezogen worden seien, einige mit Geldstrafen und andere zu kurzfristigen Gefängnisstrafen verurteilt worden seien. Anzumerken sei, daß die Bestrafungen für Deserteure und Refrakteure im Kontext der damaligen militärischen Auseinandersetzungen nicht verschärft worden seien. Die Strafsanktion für eine Verletzung dieser Pflicht sei für alle Staatsangehörige der Bundesrepublik Jugoslawien gleich, und nicht auf eine bestimmte ethnische Zugehörigkeit abgestellt. Auch die übrigen Berichte (Amnesty International 1994) ließen eine relevante, volksgruppenabhängige, d.h. bestimmte Volksgruppen betreffende Benachteiligung im Zusammenhang mit den wegen Nichtbefolgung eines Einberufungsbefehls drohenden Sanktionen nicht erkennen.
Besondere Gründe, die nach rechtskräftigem Abschluß des Asylverfahrens ein Refoulement-Verbot als gegeben erscheinen ließen, seien nicht zu erkennen gewesen. Eine (laut UNHCR vom 14. Februar 1995) verstärkte Einberufung von Albanern könne nicht als asylrechtlich relevante Verfolgung angesehen werden. Es sei ferner nicht ungewöhnlich, daß Militärdienstpflichtige sich als Reservisten bereitzuhalten hätten. Die Vorgänge anläßlich der Rückkehr des Beschwerdeführers (Ende 1993) ließen auch sonst keine Gefährdung seiner Person erkennen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes "bzw. wegen Verstoß nach § 60 AVG" aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 54 FrG das Bestehen einer aktuellen, also im Fall der Abschiebung des Fremden in den von seinem Antrag erfaßten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung i.S. des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 2. Oktober 1997, Zl. 97/18/0454, mwN).
2. Der Beschwerdeführer erblickte eine Gefährdung/Bedrohung seiner Person i.S. des § 37 Abs. 1/Abs. 2 FrG darin, daß er aus Anlaß eines Aufenthaltes in seiner Heimat Ende des Jahres 1993 von der Polizei dazu verhalten worden sei, sich als "Reservist zur territorialen Verteidigung" bereitzuhalten, was für ihn einen Einsatz in "der Krisenregion", vor allem "in den serbischen Gebieten in Bosnien" zur Folge gehabt hätte. Da er einen derartigen Einsatz verweigert habe, seien im Jänner 1994 serbische Polizisten in sein Haus eingedrungen, um ihn zu verhaften und zwangsweise einzuziehen. Überdies brachte der Beschwerdeführer dazu im Verwaltungsverfahren vor, daß die Behörde das "Problem des rechtlichen Zusammenhanges zwischen der Einberufung zum Militärdienst und der Eigenschaft als Angehöriger der albanischen Nationalität im Kosovo außer acht läßt" (Stellungnahme vom 15. März 1996; ebenso Berufung vom 15. April 1996), und weiters, daß etwa auch eine lediglich 30tägige Freiheitsstrafe eine unmenschliche Behandlung darstellen würde (Gefahr der Folter und von Mißhandlungen). Schließlich wies der Beschwerdeführer auf ein "zusätzliches wesentliches Gefahrenelement" hin, das in seiner Eigenschaft als Angehöriger der Militärpolizei während der Zeit seines Militärdienstes (1988 bis 1989) begründet sei (Eingabe vom 20. Juli 1995).
3. Selbst wenn man, wie dies die belangte Behörde offensichtlich getan hat, das den Feststellungsantrag begründende Vorbringen des Beschwerdeführers, soweit es konkret auf seine Person abstellt, als glaubwürdig ansieht (wenngleich es in keiner Weise bescheinigt ist), so kann der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie zu dem Ergebnis gelangt ist, daß es dem Beschwerdeführer nicht gelungen sei, eine aktuelle Gefährdung und/oder Bedrohung i.S. des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG als wahrscheinlich darzutun.
3.1. Der Beschwerdeführer ist nämlich eine nachvollziehbare Begründung dafür schuldig geblieben, weshalb die polizeiliche Mitteilung, er sollte sich als Reservist bereithalten - den Militärdienst hatte der Beschwerdeführer seinen eigenen Angaben zufolge bereits vom 19. Juni 1988 bis 19. Juni 1989 abgeleistet - einen Einsatz in der "Krisenregion", vornehmlich "in den serbischen Gebieten in Bosnien", zur Folge gehabt hätte, und daß ihn die Pflicht, sich als Reservist bereitzuhalten, und die daraus (angeblich) resultierende Gefahr eines tatsächlichen Einsatzes in Krisengebieten allein aus dem Grund seiner Zugehörigkeit zur albanischen Volksgruppe im Kosovo getroffen hätte. Die belangte Behörde hat auf dem Boden einer nicht als unschlüssig zu erkennenden - und im übrigen unbekämpft gebliebenen - Beweiswürdigung gefolgert, daß die vom Beschwerdeführer geäußerte Befürchtung nicht glaubhaft gemacht worden sei. Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung hat die belangte Behörde ihre Rechtsansicht ausreichend begründet, und zwar auch unter dem Gesichtspunkt der Relevanz der im § 37 Abs. 2 FrG angeführten Kriterien für die Beurteilung einer Einberufung zum Militärdienst als mögliche Bedrohung i.S. dieser Bestimmung. Die Hinweise des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren auf Berichte des UNHCR, der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, von Amnesty International und anderer Menschenrechtsorganisationen sind allgemein, die politischen und menschenrechtlichen Verhältnisse im Kosovo schlechthin beleuchtend, gehalten und lassen sich nicht ohne weiteres auf die spezifische Situation des Beschwerdeführers übertragen.
3.2. Soweit der Beschwerdeführer aufgrund seiner "Wehrdienstverweigerung" überdies befürchtet, im Fall seiner Rückkehr in seine Heimat einer unmenschlichen Behandlung unterworfen zu werden (§ 37 Abs. 1 FrG), und zwar auch dann, wenn er "etwa lediglich zu einer 30tägigen Gefängnisstrafe verurteilt würde", handelt es sich - im Umfang undifferenzierter Bezugnahme auf Berichte von Amnesty International und der Schweizerischen Flüchtlingshilfe - gleichfalls um nicht mehr als eine Vermutung. Der Umstand, daß es diesen Berichten zufolge nach der Verhaftung "politischer und anderer Gefangener" zu schweren Menschenrechtsverletzungen gekommen ist und daß "Deserteure und Refrakteure" nach einem Grenzübertritt "unverzüglich verhaftet werden", zeigt eine konkrete Gefahr i.S. des § 37 Abs. 1 FrG für den Beschwerdeführer nicht auf: Zum einen ist es dem Beschwerdeführer, wie erwähnt, nicht gelungen, eine Bedrohung seiner Freiheit aus Gründen seiner politischen Ansichten oder seiner Nationalität glaubhaft zu machen, zum anderen bedürfte es näherer Darlegungen des Beschwerdeführers, inwiefern er begründet annehmen zu können glaubt, daß mit seiner Verhaftung, wenn es zu einer solchen käme, und einer allfälligen - von ihm unterstellten - kurzzeitigen Freiheitsstrafe eine unmenschliche Behandlung verbunden wäre oder diesfalls von einer unmenschlichen Strafe gesprochen werden könnte, abgesehen davon, daß auch in dieser Hinsicht darauf Bedacht zu nehmen wäre, daß der Beschwerdeführer lediglich "Reservist" war.
Was aber das vom Beschwerdeführer in seiner Eingabe vom 20. Juli 1995 und in seiner Berufung unter Bezugnahme auf einen Bericht des UNHCR erstattete und in der Beschwerde wiederholte Vorbringen anlangt, ehemalige Angehörige von Polizeieinheiten seien einer erhöhten Gefährdung ausgesetzt, so hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid darauf hingewiesen, daß der Beschwerdeführer weder dem Offizierkorps noch der Polizei - nur auf diese Personengruppe bezieht sich der besagte Bericht des UNHCR - angehört habe. Diese Sachverhaltsfeststellung blieb in der Beschwerde unbestritten. Schon deswegen konnte die belangte Behörde eine "erhöhte Gefährdung" in unbedenklicher Weise verneinen.
4. Unter Zugrundlegung der vorstehenden Ausführungen (unter II.3.1.) ist auch dem Beschwerdevorwurf, es liege ein "Verstoß nach § 37 (4) FrG vor", der Boden entzogen, setzt doch die Anwendung dieser Bestimmung eine Bedrohung "im Sinne des Abs. 2" voraus - was vom Beschwerdeführer nicht glaubhaft gemacht wurde.
5. Da sich nach dem Gesagten die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1996180379.X00Im RIS seit
20.11.2000