TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/8 W261 2214013-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.04.2020
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Entscheidungsdatum

08.04.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W261 2214013-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS als Vorsitzende und die Richterin Mag. Karin RETTENHABER-LAGLER sowie den fachkundigen Laienrichter Herbert PICHLER als Beisitzerin und Beisitzer über die Beschwerde von XXXX geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 13.12.2108, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte am 24.07.2018 (einlangend) einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (auch Sozialministeriumservice, in der Folge belangte Behörde) und legte ein Konvolut an medizinische Befunden bei.

Die belangte Behörde holte zur Überprüfung des Antrages ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin ein. In dem auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 20.09.2018 erstatteten Gutachten vom 28.10.2018 stellte die medizinische Sachverständige beim Beschwerdeführer die Funktionseinschränkungen Vielgelenksschmerzen und einen Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 40 von Hundert (in der Folge vH) fest.

Die belangte Behörde übermittelte dem Beschwerdeführer dieses Sachverständigengutachten mit Schreiben vom 30.10.2018 im Rahmen des Parteiengehörs und räumte diesem eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme ein. Der Beschwerdeführer gab eine umfangreiche Stellungnahme ab, wonach er Probleme mit dem Knie habe, es sei nicht nur das vordere Kreuzband, sondern auch das hintere Kreuzband gerissen, er leide auch an Meniskusrissen und Knorpelschäden. Die dadurch bedingte Instabilität verursache Schmerzen. Er verstehe nicht, wie andere Personen, welche weit weniger Beschwerden haben würden als er, einen Behindertenpass bekommen würden, und er nicht.

Er leide seit ca. zwei Jahren an einer Borreliose, weswegen er sieben Monate habe im Krankenstand verbringen müssen. Diese habe zu Lähmungen im Arm, Ellenbogen, Schulter und Fingern geführt. Nach einer Verbesserung im Sommer 2017 sei eine Verschlechterung im Herbst 2017 eingetreten. Er habe seinen Job verloren und habe keine Chance auf einen Wiedereinstieg, weil immer wieder Schübe auftreten würden. Diese würden auch ins Knie ausstrahlen und die Schmerzen seien unerträglich. Es würden bei ihm auch vermehrt psychische Probleme wie Angst und Panikattacken auftreten. Er habe im Oktober 2018 einen neuerlichen Rückfall erlitten. Er nehme mittlerweile an einer Studie über Borreliose teil, um den genaueren Ursachen für die Schmerzen und die Lähmungserscheinungen auf den Grund zu gehen. Es gehe ihm im Herbst immer schlechter, weil in diesem Zeitraum sein Immunsystem geschwächt sei. Es könne sein, dass er bei der Untersuchung einen guten Eindruck gemacht und nicht so krank gewirkt habe. Tatsächlich sei sein Körper einfach krank, weswegen er im Krankenstand sei, bzw. Notstand beziehe. Der Beschwerdeführer schloss dieser Stellungnahme - trotz Ankündigung im Schreiben - keine neuen Befunde an.

Die belangte Behörde nahm diese Stellungnahme zum Anlass, um eine schriftliche Stellungnahme der befassten medizinischen Sachverständigen einzuholen. Diese führte in deren Stellungnahme vom 12.12.2018 aus, dass aufgrund der Ausführungen des Beschwerdeführers keine Änderung der Gesamteinschätzung vorgenommen werden könne.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 13.12.2018 wies die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40, 41 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) ab und stellte einen Grad der Behinderung in Höhe von 40 vH fest. Die belangte Behörde legte dem Bescheid das eingeholte Sachverständigengutachten samt Stellungnahme in Kopie bei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde und brachte zusammengefasst vor, dass die Ausstellung des Behindertenpasses bereits im Jahr 2014 von einem Orthopäden beantragt worden sei. Er habe massive Knieschmerzen, welche durch die Borreliose zusätzlich erschwert werden würden. Die Gelenks- und Fingersteifigkeit und die Schmerzen mit Carpaltunnelsyndrom seien ebenfalls nicht hinreichend berücksichtigt worden. Es sei unverantwortlich, dass die Kombination Borreliose mit Gelenks und Nervenschmerzen, welche fast jede schon einmal verletzte Stelle, wie speziell Knie, Schulter, Finger bzw. auch Ellenbogen, massiv beeinträchtigen würden, vollkommen außer Acht gelassen werde. Die Beurteilung sei durch eine Allgemeinmedizinerin erfolgt, wahrscheinlich sei es sinnvoller, diese von einem Orthopäden bzw. Neurologen bzw. einen Borreliosekundigen durchführen zu lassen. Er ersuche um nochmalige Prüfung durch das Bundesverwaltungsgericht und Vorladung, damit er seine Beschwerden vorbringen könne. Der Beschwerdeführer legte der Beschwerde keine ärztlichen Befunde bei.

Die belangte Behörde legte den Aktenvorgang dem Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) mit Schreiben vom 04.02.2019 vor, wo dieser am selben Tag in der Gerichtsabteilung W260 einlangte.

Das BVwG machte mit Schreiben vom 06.03.2019 einen Verspätungsvorhalt. Mit Eingabe vom 14.03.2019 (eingelangt am 19.03.2019) teilte der Beschwerdeführer mit, dass er sich zu dem Zeitpunkt, als ihm der Bescheid zugestellt worden sei, nachweislich im Ausland aufgehalten habe, weswegen die von ihm erhobene Beschwerde als rechtzeitig anzusehen sei.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 21.01.2020 wurde das gegenständliche Beschwerdeverfahren der Gerichtsabteilung W260 abgenommen und der Gerichtsabteilung W261 neu zugeteilt, wo dieses am 12.02.2020 einlangte.

Das BVwG führte am 12.02.2020 eine Abfrage im Zentralen Melderegister durch, wonach der Beschwerdeführer österreichischer Staatsbürger ist, und seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland hat.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses langte am 24.07.2018 bei der belangten Behörde ein.

Der Beschwerdeführer erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz im Inland.

Ausmaß der Funktionseinschränkungen:

Atmung: reguläre Atemfrequenz in Ruhe.

Lymphknotenstatus: keine vergrößerten Lymphknoten tastbar;

Schädel: Augen: Pupillen isokor, mittelweit, Zähne: in laufender Sanierung; Halsorgane: Arterien: beidseits tastbar; Venen: nicht gestaut; Schilddrüse: blande Strumektomienarbe; Thorax: symmetrisch, Lunge: vesikuläre Atmung, Basen atemverschieblich;

Herz: Herztöne rein, rhythmisch;

Abdomen: im Thoraxniveau, Nierenlager: frei ;

Wirbelsäule: Verband obere BWS (nicht heilende Effloreszenz), LWS klopfempfindlich, Druckschmerz ISG bds., HWS: 1/2 eingeschränkt beweglich in allen Ebenen, Seitneigen Rumpf: symmetrisch frei, Finger-Boden-Versuch: Unterrand der Patella;

Extremitäten:

Obere Extremitäten:

Grobe Kraft: seitengleich, Faustschluß: beidseits nicht komplett, Spitzgriff Dig II und III rechts nicht möglich, weitere Finger möglich, Fingerspreizen beidseits frei, Gelenke äußerlich unauffällig;

Schultergelenke: beidseits Anteversion und Abduktion endlagig eingeschränkt, Ellenbogengelenke beidseits frei beweglich, Handgelenke beidseits endlagig eingeschränkt beweglich in allen Ebenen, Beugen Dig II und III re endlagig eingeschränkt, kein Streckdefizit, weitere Finger frei beweglich, Sensibilität: beidseits gleich, Schürzengriff beidseits komplett, Nackengriff beidseits bis vor das Ohr durchführbar (wegen Wunde am Rücken), keine signifikante Umfangdifferenz, Narbenbildungen: keine.

Untere Extremitäten:

Aktives Heben beidseits 40°; Hüftgelenke: Beweglichkeit beidseits nicht eingeschränkt; Kniegelenke: Beugen beidseits 100°, kein Streckdefizit, Druckschmerz med. und lat. Gelenkspalt beide Kniegelenke, keine Schwellung, bandstabil beidseits;

Sprunggelenke: beidseits ohne Einschränkung; Knie anheben beidseits über 20cm möglich; Kraft: grobe Kraft beidseits vorhanden; grob neurologisch unauffällig, keine trophischen Störungen, Beschwielung: seitengleich typisch.

Gesamtmobilität - Gangbild:

Trägt Sportschuhe, Aufstehen aus dem Sitzen ohne Aufstützen, selbständiges An/Ausziehen teils im Sitzen, teils im Stehen möglich, Transfer Untersuchungsliege selbständig, wohnt in einem Reihenhaus mit 1 Stockwerk, Stiegen Steigen morgens erschwert, mit Anhalten je nach Tagesverfassung im Wechselschritt oder Nachstellschritt, Bekleiden zeitweise mit Hilfe, sonst im Alltag selbständig, Gehstrecke von 10 Minuten möglich, fährt die Mutter mit dem Zug besuchen; Gangbild frei, flüssig, flott, sicher, harmonisches Gangbild.

Status Psychicus:

Orientiert, Gedächtnis, Auffassung und Aufmerksamkeit unauffällig, Stimmung ausgeglichen.

Der Beschwerdeführer machte zum Zeitpunkt der Untersuchung im September 2018 keine Therapie gegen die Borreliose.

Beim Beschwerdeführer besteht folgende Funktionseinschränkung, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern wird:

1. Vielgelenksschmerzen

Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 40 v. H.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen hinsichtlich der Antragsstellung basieren auf dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland basieren auf dem vom BVwG eingeholten Auszug aus dem Zentralen Melderegister.

Der Gesamtgrad der Behinderung gründet sich auf das seitens der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 28.10.2018, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 20.09.2018.

Darin wird auf die Art der Leiden des Beschwerdeführers und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Die medizinische Gutachterin setzt sich auch umfassend und nachvollziehbar mit den vorgelegten Befunden sowie mit der Frage der wechselseitigen Leidensbeeinflussungen und dem Zusammenwirken der zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen auseinander. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf den im Rahmen einer persönlichen Untersuchung erhobenen Befunden, entsprechen auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen; die Gesundheitsschädigungen sind nach der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.

Der Beschwerdeführer leidet seit Jahren an Problemen am rechten Knie und seit dem Jahr 2016 auch an einer chronischen Borreliose, welche schubweise zu Gelenksentzündungen führt, die wiederum mit starken Schmerzen verbunden sind.

Wenn der Beschwerdeführer nun in seiner Beschwerde rügt, dass die medizinische Sachverständige diese Umstände nicht bzw. nicht hinreichend bei der Einschätzung des Grades der Behinderung gewürdigt habe, so ist dem entgegen zu halten, dass diese einerseits sämtliche vom Beschwerdeführer vorgelegten medizinischen Befunde in deren Beurteilung einfließen ließ. Hinzu kommt, dass die Gutachtenserstellung aufgrund einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers erfolgte, in welcher sich diese ein Bild von den Beschwerden des Beschwerdeführers machen konnte. Es mag sein, dass die Beschwerden beim Beschwerdeführer schubhaft auftreten, und er am Tag der Untersuchung keinen derartigen Schub hatte. Dies wirkt sich dennoch nur bedingt auf die Einschätzung des Grades der Behinderung aus. Dies aus dem Grund, weil derartige Schübe und die damit verbundenen Schmerzen durchgehend zumindest über einen Zeitraum von sechs Monaten andauern müssten, um zu einer anderen Einschätzung des Leidenszustandes zu kommen. Dies wurde vom Beschwerdeführer weder behauptet, noch durch entsprechende medizinische Befunde objektiviert.

Dies gilt auch für die vom Beschwerdeführer vorgebrachten psychischen Beeinträchtigungen, wie Angst und Panikattacken. Diese sind nicht durch entsprechende medizinische Befunde belegt, so dass diese Leiden nicht objektiviert werden können.

Wenn der Beschwerdeführer angibt, dass seine Probleme mit dem rechten Knie nicht hinreichend gewürdigt wurden, so ist ihm entgegen zu halten, dass beide Knie bei der Untersuchung am 20.09.2018 bandstabil waren, ein Beugen beidseits auf 100° möglich war, keine Schwellung und auch kein Streckdefizit vorlag. Zwar bestand ein Gelenkspalt bei beiden Kniegelenken und ein Druckschmerz medial und lateral, dies berücksichtigte die medizinische Sachverständige jedoch bei der Einschätzung des Grades der Behinderung.

Auch das Carpaltunnelsyndrom ist bei der Einschätzung des Grades der Behinderung, entgegen den Ausführungen in der Beschwerde berücksichtigt.

Der Beschwerdeführer gab selbst bei der Anamnese bei seiner Untersuchung am 20.09.2018 an, dass "momentan keine Therapien erfolgen", weswegen die entsprechende Feststellung getroffen wird.

Es liegt am Beschwerdeführer, seine Leidenszustände durch die Vorlage von medizinischen Befunden objektivierbar zu machen. Er kündigte zwar in seiner Stellungnahme vom 14.11.2018 an, dass er Befunde anschließe, was er jedoch nicht tat. Alle Befunde, welche der Beschwerdeführer vorlegte, sind im Gutachten berücksichtigt. Naturgemäß können jene weiteren Befunde, welche der Beschwerdeführer noch haben mag, welche er jedoch der belangten Behörde nicht vorlegte, nicht berücksichtigt werden.

Die Sachverständige geht in ihrer Stellungnahme vom 12.12.2018 auf sämtliche Einwendungen des Beschwerdeführers in seiner im Rahmen des Parteiengehörs vor der belangten Behörde abgegebenen Stellungnahme ein. Der Beschwerdeführer ist damit den Ausführungen der medizinischen Sachverständigen nicht und damit insbesondere auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).

Seitens des BVwG bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit, Widerspruchsfreiheit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens vom 28.10.2018. Es wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

Insoweit in der Beschwerde beanstandet wird, der Beschwerdeführer sei nicht durch Fachärzte für Neurologie untersucht worden, ist festzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 24.06.1997, 96/08/0114 ausgeführt hat, dass die Behörden im Zusammenhang mit der Einschätzung des Grades der Behinderung verpflichtet sind, zur Klärung medizinischer Fachfragen ärztliche Gutachten einzuholen. Es besteht jedoch kein Anspruch auf die Zuziehung eines Facharztes eines bestimmten medizinischen Teilgebietes. Es kommt vielmehr auf die Schlüssigkeit der eingeholten Gutachten an.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

1. Zur Entscheidung in der Sache

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

(2) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.

...

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

§ 46 Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung der Beschwerdevorentscheidung beträgt 12 Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden."

Die maßgebenden Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung, BGBl. II. Nr. 261/2010 idgF BGBl II. Nr. 251/2012) lauten auszugsweise wie folgt:

"Behinderung

§ 1. Unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Grad der Behinderung

§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.

Gesamtgrad der Behinderung

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v.H. sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht. Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn

- sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

- zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

Grundlage der Einschätzung

§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.

(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.

..."

Zunächst ist rechtlich festzuhalten, dass der Grad der Behinderung im Beschwerdefall - wie dies auch die belangte Behörde zu Recht annahm - nach der Einschätzungsverordnung einzuschätzen war, was im Verfahren auch unbestritten geblieben ist.

Das Leiden 1 des Beschwerdeführers sind Vielgelenksschmerzen, welche die medizinische Sachverständige richtig nach Position 02.02.02 mit einem Grad der Behinderung von 40 % einstufte. Bei dieser Position handelt es sich um generalisierte Erkrankungen des Bewegungsapparates, wobei die resultierende Gesamtfunktionseinschränkung bei entzündlichen rheumatischen Systemerkrankungen, degenerativen rheumatischen Erkrankungen und systemischen Erkrankungen der Muskulatur, bzw. diese gleichzuhaltende Krankheitsbilder einzuschätzen sind. Es liegen beim Beschwerdeführer funktionelle Auswirkungen mittleren Grades, wie beispielsweise die posttraumatische Veränderung der Kniegelenke, die Abnützung der Halswirbelsäule, ein Schulter-Armsyndrom, ein Carpaltunnelsyndrom verbunden mit Belastungsdefiziten, jedoch bei erhaltener Selbstständigkeit im Alltag, vor. Dabei werden die Borreliose und deren Auswirkungen mitberücksichtigt. Das Vorliegen dauernder erheblicher Funktionseinschränkungen und einer über mindestens sechs Monate dauernder Therapie konnte nicht objektiviert werden, weswegen eine höhere Einschätzung des Grades der Behinderung nach Position 02.02.03 der Einschätzungsverordnung nicht möglich ist.

Wie oben unter Punkt 2. (Beweiswürdigung) ausgeführt, wird der gegenständlichen Entscheidung das seitens der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 28.10.2018, beruhend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 20.09.2018 zu Grunde gelegt.

Die vom Beschwerdeführer im Rahmen der Beschwerde vorgebrachten Beschwerdegründe waren nicht geeignet, die durch die medizinischen Sachverständige getroffenen Beurteilungen zu widerlegen oder zusätzliche Dauerleiden bzw. eine zwischenzeitlich eingetretene Verschlechterung des Zustandes zu belegen.

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, aktuell nicht erfüllt.

Im Übrigen ist aber auch darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt. In diesem Fall sind vom Beschwerdeführer alle Befunde, welche diese Verschlechterung belegen, vorzulegen, damit diese bei der Beurteilung des Grades der Behinderung berücksichtigt werden können.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde und insbesondere auf das von der belangten Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten, das auf einer persönlichen Untersuchung beruht, auf alle Einwände und die im Verfahren vorgelegten Atteste des Beschwerdeführers in fachlicher Hinsicht eingeht, und welchem der Beschwerdeführer nicht substantiiert entgegengetreten ist. Die strittige Tatsachenfrage, genauer die Art und das Ausmaß der Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers sind einem Bereich zuzuordnen, der von einem Sachverständigen zu beurteilen ist. Beide Parteien haben keinen Verhandlungsantrag gestellt. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W261.2214013.1.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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