TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/8 W261 2199227-1

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Veröffentlicht am 08.04.2020
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Entscheidungsdatum

08.04.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
StVO 1960 §29b

Spruch

W261 2198627-1/8E

W261 2199227-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS als Vorsitzende und die Richterin Mag. Karin RETTENHABER-LAGLER sowie den fachkundigen Laienrichter Herbert PICHLER als Beisitzer über die Beschwerden von XXXX , geb. XXXX ,

1.) gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 17.01.2018, betreffend Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass, und

2.) gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 18.01.2018, betreffend Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Parkausweises gemäß §29 b StVO

zu Recht erkannt:

A)

Beide Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist in beiden Fällen gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin ist seit 17.11.2017 Inhaberin eines Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 50 % von Hundert (in der Folge v.H.).

Am 17.11.2017 stellte sie beim Sozialministeriumservice (in der Folge "belangte Behörde" genannt) einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29 b Straßenverkehrsordnung (StVO) (Parkausweis), der entsprechend dem von der belangten Behörde zur Verfügung gestellten und von der Beschwerdeführerin ausgefüllten Antragsformular auch als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gilt und legte eine Reihe von ärztlichen Befunden vor.

Die belangte Behörde holte in weiterer Folge ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin ein. In dem auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 15.01.2018 erstatteten Gutachten vom selben Tag stellte die medizinische Sachverständige fest, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass aus medizinischer Sicht nicht vorlägen.

Mit dem erstangefochtenen Bescheid vom 17.01.2018 wies die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gemäß §§ 42 und 45 BBG ab.

Mit dem zweitangefochtenen Bescheid vom 18.01.2018 wies die belangte Behörde auch den Antrag der Beschwerdeführerin auf Ausstellung eines Parkausweises gemäß § 29 b StVO ab. Begründend dazu führte diese aus, dass als Voraussetzung für die Ausstellung eines Parkausweises die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" in den Behindertenpass vorliegen müsse. Da diese Voraussetzung jedoch nicht erfüllt sei, sei der Antrag auf Ausfolgung eines Parkausweises ebenfalls abzuweisen.

Die belangte Behörde schloss den genannten Bescheiden das eingeholte Sachverständigengutachten in Kopie an.

Gegen diese Bescheide erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht jeweils die gegenständlichen Beschwerden beim Bundesverwaltungsgericht.

Darin brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, dass sie unter einem Trümmerbruch des Sprunggelenkes leide, welche sie im Jahr 1973 erlitten habe, bei welchem sich im Laufe der Zeit so starke Schmerzen mit Mobilitätseinschränkungen entwickelt hätten, dass ihr im September 2015 eine Sprunggelenksprothese implantiert worden sei. In weiterer Folge sei sie zweimal zur Reha gewesen, um die Mobilität halbwegs wiederherzustellen. Durch ihre Krebsoperation mit Chemotherapie im Jahr 2017 habe sich eine Polyneuropathie ergeben, welche ihr beim Gehen schwer zu schaffen mache, und welche sich auch auf das Feingefühl bei den Händen massiv auswirke. Tatsächlich sei ihre Muskelkraft bei den oberen Extremitäten vermindert, sie könne beispielsweise keine Flaschen mehr öffnen, das Betätigen der Regler beim Küchenherd und das Verriegeln der Toilettentür sei ein Problem. Sie sei auch nicht in der Lage, die Einkäufe, Besorgungen, Wege zum Arzt und zu Behandlungen alleine durchzuführen. Sie werde von ihrem Ehemann begleitet, welcher sie mit dem PKW überall hinführe. Sie trage seit dem Jahr 2013 ein Hörgerät. Sie beantrage die Bescheide aufzuheben, und ihren ursprünglichen Anträgen stattzugeben. Die Beschwerdeführerin schloss den Beschwerden eine Kopie ihres Implantatenpasses und eine Hörgeräterechnung an.

Die belangte Behörde nahm die Beschwerden zum Anlass, eine ergänzende Stellungnahme der befassten medizinischen Sachverständigen einzuholen. In deren ergänzenden Stellungnahme vom 01.03.2018 kommt diese zusammenfassend zum Ergebnis, dass weder die Verletzung am Sprunggelenk, noch die durch die Chemotherapie ausgelöste Polyneuropathie dazu führen würden, dass der Beschwerdeführerin die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht mehr zumutbar sei. Eine Hörverminderung könne ohne Vorlage eines aktuellen Tonaudiogrammes nicht berücksichtigt werden.

Die belangte Behörde übermittelte diese ergänzende Stellungnahme der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 02.03.2018 im Rahmen des Parteiengehörs und räumte dieser die Möglichkeit ein, hierzu innerhalb einer bestimmten Frist eine Stellungnahme abzugeben.

Die Beschwerdeführerin gab mit Eingabe vom 19.03.2018 eine schriftliche Stellungnahme ab, wonach die Sprunggelenksprothese und die Polyneuropathie ihr Gangbild trotz intensiven Bemühungen stark beeinträchtigen würden. Ohne ihren Mann würde sie nirgends mehr hinkommen. Leider stürze sie im eigenen Haus, weil ihr das Heben der Füße schwer falle. Die Beschwerdeführerin legte eine Reihe von weiteren Befunden, unter anderem auch ein Tonaudiogramm vom 24.01.2018 vor.

Aufgrund dieser neuen Befunde ersuchte die belangte Behörde die befasste medizinische Sachverständige ein Sachverständigengutachten auf Basis der Aktenlage unter Einbeziehung der neu vorgelegten medizinischen Befunde zu erstellen.

In deren medizinischen Gutachten aufgrund der Aktenlage vom 26.04.2018 kommt die medizinische Sachverständige zum Ergebnis, dass bei der Beschwerdeführerin die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass aus medizinischer Sicht nicht vorlägen.

Die belangte Behörde übermittelte dieses Sachverständigengutachten der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 30.04.2018 und räumte dieser die Möglichkeit zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme ein.

Die Beschwerdeführerin gab keine schriftliche Stellungnahme ab.

Die belangte Behörde legte den Aktenvorgang dem Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) mit Schreiben vom 19.06.2018 vor, wo dieser am 19.06.2018 in der Gerichtsabteilung W260 einlangte.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 21.01.2020 wurde das gegenständliche Beschwerdeverfahren der Gerichtsabteilung W260 abgenommen und der Gerichtsabteilung W261 neu zugeteilt, wo dieses am 12.02.2020 einlangte.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am 12.02.2020 eine Abfrage im Zentralen Melderegister durch, wonach die Beschwerdeführerin österreichische Staatsbürgerin ist, und ihren ordentlichen Wohnsitz im Inland hat.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Die Beschwerdeführerin erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Die Beschwerdeführerin hat ihren ordentlichen Wohnsitz im Inland und besitzt einen Behindertenpass.

Der Beschwerdeführerin ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.

Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen der Beschwerdeführerin:

Ernährungszustand: gut

Größe: 163,00 cm Gewicht: 60,00 kg Blutdruck: 160/80

Klinischer Status - Fachstatus:

Haut-/farbe: rosig sichtbare Schleimhäute gut durchblutet.

Caput: Visus: mit Brille korrgiert, Hörvermögen beidseits eingeschränkt, keine Lippenzyanose. Sensorium: altersentsprechend, HNA frei.

Collum: SD: schluckverschieblich, keine Einflussstauung, Lymphknoten: nicht palpabel.

Thorax: Symmetrisch, elastisch, PAC rechts.

Cor: Rhythmisch, rein, normfrequent.

Pulmo: Vesikuläratmung, keine Atemnebengeräusche, keine Dyspnoe.

Abdomen: Bauchdecke: weich, kein Druckschmerz, keine Resistenzen tastbar, Hepar am Ribo, Lien nicht palp., Nierenlager: frei. CHE-Narbe, medizinische Bauchnarbe.

Pulse: Allseits tastbar.

Obere Extremität: Symmetrische Muskelverhältnisse. Nackengriff und Schürzengriff beidseits uneingeschränkt durchführbar, grobe Kraft beidseits nicht vermindert, Faustschluß und Spitzgriff beidseits durchführbar. Die übrigen Gelenke altersentsprechend frei beweglich. Sensibilität wird unauffällig angegeben.

Untere Extremität: Zehenspitzen und Fersenstand sowie Einbeinstand beidseits mit Abstützen durchführbar, links jedoch deutlich erschwert, beide Beine von der Unterlage abhebbar, grobe Kraft beidseits nicht vermindert, freie Beweglichkeit in Hüftgelenken und Kniegelenken, bandstabil, kein Erguss, linkes Sprunggelenk deutlich verplumt, höhergradige Bewegungseinschränkung in allen Ebenen, symmetrische Muskelverhältnisse, Sensibilität wird unauffällig angegeben keine Varikositas, keine Ödeme beidseits.

Wirbelsäule: Kein Klopfschmerz, Finger-Bodenabstand im Stehen: 0 cm, Rotation und Seitwärtsneigung in allen Ebenen frei beweglich.

Gesamtmobilität - Gangbild: etwas breitbeinig, ataktisch, jedoch sicher, kein Gehbehelf.

Status psychicus: klar, orientiert.

Die Beschwerdeführerin hat folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

- N. Ovarii - operativ saniert

- Sprunggelenksprothese links wegen posttraumatischer Arthrosen bei Zustand nach distaler Unterschenkelfraktur links

- Einschränkung des Hörvermögens beidseits

- Polyneuropathie

Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:

Die festgestellten Gesundheitsschädigungen am Stütz- und Bewegungsapparat haben keine erhebliche Einschränkung der Mobilität zur Folge. Insbesondere liegt keine höhergradige Einschränkung der Gehfähigkeit vor.

Es liegen keine erheblichen Einschränkungen der oberen und unteren Extremitäten, sowie der Wirbelsäule vor.

Das Zurücklegen von kurzen Wegstrecken von 300 bis 400 Meter ist der Beschwerdeführerin aus eigener Kraft zumutbar. Das Überwinden von Niveauunterschieden ist der Beschwerdeführerin bei ausreichend guten Kraftverhältnissen der oberen und unteren Extremitäten ohne Hilfsmittel möglich. Ein sicheres Anhalten ist möglich.

Der Transport in öffentliche Verkehrsmittel ist unter üblichen Transportbedingungen nicht eingeschränkt, auch die Sitzplatzsuche ist nicht eingeschränkt.

Es liegt keine schwere Erkrankung des Immunsystems vor.

Es liegt keine maßgebende Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit vor, durch welche eine Unzumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel zu begründen wäre.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen, dem Wohnsitz der Beschwerdeführerin im Inland und zum Behindertenpass ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.

Die Feststellungen zu Art, Ausmaß und Auswirkungen der Funktionseinschränkungen auf die Zumutbarkeit zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel gründen sich - in freier Beweiswürdigung - in nachstehend ausgeführtem Umfang auf die vorgelegten und eingeholten Beweismittel:

Die von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 15.01.2018, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am selben Tag und vom 26.04.2018, basierend auf der Aktenlage, sind schlüssig und nachvollziehbar, diese weisen keine Widersprüche auf. Es wird auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Auch wird zu den Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel eingehend Stellung genommen und nachvollziehbar ausgeführt, dass es der Beschwerdeführerin - trotz der vorliegenden Funktionseinschränkungen - möglich und zumutbar ist, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen.

Die Beschwerdeführerin hat eine durch ihre Sprunggelenksprothese links als Folge eines Trümmerbruches und einen Unterschenkelfarktur im Jahr 1973. Sie erhielt die Prothese im September 2015. Im Mai 2017 musste sich die Beschwerdeführerin einer Krebsoperation im Unterleib unterziehen. Als Nebenwirkung der Chemotherapie leidet sie unter Polyneuropathie.

Trotz dieser unbestrittenen Leidenszustände der Beschwerdeführerin bedingen diese keine höhergradige Einschränkung der Gehfähigkeit. Zwar liegt durch die Polyneuropathie eine geringfügige Beeinflussung des Gangbildes durch eine geringe Gangstörung vor, unabhängig davon ist das Gangbild der Beschwerdeführerin nach wie vor sicher und ohne die Notwendigkeit von Hilfsmitteln, wie dies auch die von der Beschwerdeführerin selbst vorgelegten Befunde von ihren Rehabilitationsaufenthalten belegen.

Das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke von 300 bis 400 Meter ist somit selbständig möglich. Auch das Ein- und Aussteigen in öffentliche Verkehrsmittel ist der Beschwerdeführerin ohne fremde Hilfe zumutbar. Ein sicherer Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln durch Festhalten an Haltegriffen ist gewährleistet, da - trotz des Vorbringens in ihrer Beschwerde - ausreichende Kraftverhältnisse in den oberen Extremitäten gegeben sind.

Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, die folgende Krankheitsbilder umfassen: Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10, sind im Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen. Ebenso wenig besteht ein Hinweis auf eine Erkrankung des Immunsystems.

Die Beschwerdeführerin gab zum Gutachten der medizinischen Sachverständigen vom 26.04.2018 keine Stellungnahme ab.

Die Beschwerdeführerin ist mit dem oben wiedergegebenen Vorbringen in der Beschwerde den Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin im Lichte obiger Ausführungen daher nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit der Sachverständigengutachten vom 15.01.2018, beruhend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin und vom 26.04.2018 aufgrund der Aktenlage, und werden diese Sachverständigengutachten in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

1. Zur Entscheidung in der Sache:

1.1 Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass

Der Vollständigkeit halber wird zunächst darauf hingewiesen, dass mit dem nunmehr erstangefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 17.01.2018, der Antrag der Beschwerdeführerin auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gemäß §§ 42 und 45 Bundesbehindertengesetz idgF BGBl I Nr. 32/2018 (in der Folge kurz BBG) abgewiesen wurde.

Verfahrensgegenstand ist in diesem Verfahren somit nicht die Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung, sondern ausschließlich die Prüfung der Voraussetzungen der Vornahme der beantragten Zusatzeintragung.

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

...

§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpass und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen."

§ 1 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, idg F BGBl II Nr. 263/2016 lautet - soweit im gegenständlichen Fall relevant - auszugsweise:

"§ 1 ....

(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:

1. .......

2. ......

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d

vorliegen.

(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

(6)......"

In den Erläuterungen zu § 1 Abs. 2 Z 3 zur Stammfassung der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 wird unter anderem - soweit im gegenständlichen Fall relevant - Folgendes ausgeführt:

"Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (neu nunmehr § 1 Abs. 4 Z. 3, BGBl. II Nr. 263/2016):

...

Durch die Verwendung des Begriffes "dauerhafte Mobilitätseinschränkung" hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.

...

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:

- arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option

- Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen

- hochgradige Rechtsherzinsuffizienz

- Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie

- COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie

- Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie

- mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden..."

Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob die Antragstellerin dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist, und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung unzumutbar ist (vgl. VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 18.12.2006, 2006/11/0211, und vom 17.11.2009, 2006/11/0178, jeweils mwN.).

Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob die Antragstellerin dauernd an ihrer Gesundheit geschädigt ist, und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321). Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit der Beschwerdeführerin zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hierbei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).

Bei der Beurteilung der zumutbaren Wegstrecke geht der Verwaltungsgerichtshof von städtischen Verhältnissen und der durchschnittlichen Distanz von 300 bis 400 Metern bis zur nächsten Haltestelle eines öffentlichen Verkehrsmittels aus (vgl. das Erkenntnis vom 27. Mai 2014, Zl. Ro 2014/11/0013).

Wie oben im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt, wurde in den eingeholten Sachverständigengutachten vom 15.01.2018, beruhend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am selben Tag, und vom 26.04.2018 beruhend auf der Aktenlage nachvollziehbar verneint, dass im Fall der Beschwerdeführerin - trotz der bei ihr vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen - die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass vorliegen. Mit dem Vorliegen der bei der Beschwerdeführerin objektivierten aktuellen Funktionsbeeinträchtigungen vermag die Beschwerdeführerin noch nicht die Überschreitung der Schwelle der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen darzutun.

Die Voraussetzungen für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung aufgrund von erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sind im Falle der Beschwerdeführerin ebenfalls nicht gegeben. Eine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit liegt ebenso wenig vor, wie entscheidungsmaßgebliche Einschränkungen der Sinnesfunktionen. Es kann im vorliegenden Fall außerdem keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, festgestellt werden.

Da festgestellt worden ist, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen kein Ausmaß erreichen, welches die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass rechtfertigt, war spruchgemäß zu entscheiden.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Prüfung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in Betracht kommt.

1.2 Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Parkausweises gemäß §29 b StVO

Die gegenständlich maßgebliche Bestimmung der Straßenverkehrsordnung (StVO) hinsichtlich des erstangefochtenen Bescheides lautet - soweit im gegenständlichen Fall relevant - auszugsweise:

"§ 29b. (1) Inhabern und Inhaberinnen eines Behindertenpasses nach dem Bundesbehindertengesetz, BGBl. Nr. 283/1990, die über die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" verfügen, ist als Nachweis über die Berechtigungen nach Abs. 2 bis 4 auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ein Ausweis auszufolgen. Die näheren Bestimmungen über diesen Ausweis sind durch Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz zu treffen.

..."

Nachdem die Voraussetzung für eine Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass bei der Beschwerdeführerin nicht vorliegen, ist es auch nicht möglich, ihr nach § 29b StVO einen Parkausweis auszustellen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde, auf die über Veranlassung der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten, wovon ein Gutachten auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin beruht, sowie eine Ergänzung zu diesem Sachverständigengutachten, welche auf alle Einwände und vorgelegten Befunde der Beschwerdeführerin in fachlicher Hinsicht eingehen, und welchen die Beschwerdeführerin im Rahmen des ihr eingeräumten Parteiengehörs nicht substantiiert entgegengetreten ist. Die strittige Tatsachenfrage, genauer die Art und das Ausmaß der Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers und damit verbunden die Frage der Zumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, sind einem Bereich zuzuordnen, der von einem Sachverständigen zu beurteilen ist. Die Beschwerdeführerin hat keine mündliche Beschwerdeverhandlung beantragt. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Parkausweis Voraussetzungen Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W261.2199227.1.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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