Entscheidungsdatum
08.04.2020Norm
BFA-VG §22a Abs4Spruch
W180 2227007-4/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Georg PECH über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Algerien, im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft zu Recht:
A)
Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, der illegal in das österreichische Bundesgebiet gereist war, stellte am 09.11.2016 einen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz in Österreich und gab insbesondere an, algerischer Staatsangehöriger zu sein. Zu seinen Fluchtgründen führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass er familiäre Probleme gehabt habe und von seinem Onkel geschlagen worden sei.
Mit Bescheid vom 04.12.2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den (ersten) Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Algerien (Spruchpunkt II.) ab, erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Algerien zulässig ist (Spruchpunkt III.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde nicht gewährt (Spruchpunkt IV.) und einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.). Weiters wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.).
Die gegen die Spruchpunkte II. bis VI. dieses Bescheides gerichtete Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 09.01.2018, Zahl I404 2181681-1/3E, als unbegründet ab, setzte jedoch das verhängte Einreiseverbot auf die Dauer von fünf Jahren herab.
Am 31.01.2018 stellte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bei der Vertretungsbehörde Algeriens einen Antrag auf Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.08.2019, Zahl XXXX , wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Unter einem wurde ausgesprochen, dass die Rechtsfolgen dieses Bescheides nach der Entlassung des Beschwerdeführers aus der (Straf-)Haft eintreten. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer selbst keine Beschwerde.
In der Folge stellte der Beschwerdeführer am 20.09.2019 während der Anhaltung in Schubhaft einen (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Zu seinen Fluchtgründen führte er im Wesentlichen aus, er habe im Jahr 2016 eine Affäre mit seiner gleichaltrigen Cousine gehabt. Sein streng gläubiger und sehr einflussreicher Onkel habe davon erfahren; dieser würde ihn umbringen, wenn er ihn finde.
Mit Aktenvermerk vom 20.09.2019 teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer mit, dass gemäß § 76 Abs. 6 FPG die Schubhaft aufrechterhalten bleibe, da Gründe zu der Annahme bestünden, dass der (zweite) Antrag auf internationalen Schutz zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde.
Mit mündlich verkündetem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.10.2019 erfolgte die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes; dies wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.10.2019, Zahl I413 2181681-2/3E, als rechtmäßig erklärt.
Über den (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bisher noch nicht entschieden.
Am 12.12.2019 stellte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bei der marokkanischen und bei der tunesischen Vertretungsbehörde jeweils einen Antrag auf Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer.
Nach Durchführung einer Schubhaftverhandlung wurde mit mündlich verkündetem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.01.2020 festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlagen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig gewesen ist.
Im HRZ-Verfahren mit Marokko wurde bis jetzt drei Mal, zuletzt am 20.02.2020, sowie im HRZ-Verfahren mit Tunesien ebenfalls bis jetzt drei Mal, zuletzt am 31.01.2020, bei den Vertretungsbehörden urgiert.
In der Folge legte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Verwaltungsakt am 05.02.2020 und in weiterer Folge am 03.03.2020 erneut gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vor.
Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.02.2020 und vom 11.03.2020 wurde neuerlich jeweils festgestellt, dass zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorgelegen sind und die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung verhältnismäßig gewesen ist.
Vor Ablauf einer weiteren Frist von 4 Wochen (§ 22a Abs. 4 BFA-VG) legte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Verwaltungsakt am 30.03.2020 dem Gericht zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Zur Person des Beschwerdeführers und zu den Voraussetzungen der Schubhaft bzw. zur Verhältnismäßigkeit der Aufrechterhaltung der Schubhaft:
Der Beschwerdeführer hat bisher keine Dokumente vorgelegt, die seine Identität bescheinigen; seine Identität steht nicht fest. Er gibt an, ein Staatsangehöriger Algeriens zu sein; die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht. Der Beschwerdeführer ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.
Er wird seit 19.09.2019 in Schubhaft angehalten. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ordnete die Schubhaft (ursprünglich) mit Bescheid vom 23.08.2019, Zahl XXXX , über den Beschwerdeführer - aufschiebend bedingt mit Ende der Strafhaft - gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG zum Zweck der Sicherung der Abschiebung an.
Der Beschwerdeführer ist haftfähig und hat in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung. Es liegen keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen beim Beschwerdeführer vor.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.12.2017 wurde der (erste) Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vollinhaltlich abgewiesen, gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und ein siebenjähriges Einreiseverbot verhängt. Die gegen die Spruchpunkte II. bis VI. dieses Bescheides gerichtete Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 09.01.2018, Zahl I404 2181681-1/3E, als unbegründet ab, setzte jedoch das verhängte Einreiseverbot auf die Dauer von fünf Jahren herab.
Der Beschwerdeführer stellte am 20.09.2019 aus dem Stande der Schubhaft einen (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Zu diesem Zeitpunkt lag aufgrund der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.12.2017 erlassenen Rückkehrentscheidung eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor.
Über den (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bisher noch nicht entschieden.
Mit mündlich verkündetem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.10.2019, Zahl XXXX , erfolgte die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes; dies wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.10.2019, Zahl I413 2181681-2/3E, als rechtmäßig erklärt.
Mit (rechtskräftigem) Urteil eines Landesgerichtes vom 14.06.2017 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 1 und 84 Abs. 1 StGB, des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 2a SMG, des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach den §§ 15, 269 Abs. 1 StGB, des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB, des Vergehens des versuchten Diebstahls nach den §§ 15, 127 StGB sowie des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 129 Abs. 2 Z 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten, davon acht Monate bedingt, unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt. Es handelte sich dabei um eine Jungendstraftat. In weiterer Folge wurde der bedingt nachgesehene Teil der Freiheitsstrafe widerrufen.
Mit (rechtskräftigem) Urteil eines Landesgerichtes vom 18.09.2017 wurde der Beschwerdeführer als junger Erwachsener wegen des Vergehens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs. 3 StGB sowie des Vergehens des versuchten unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach den §§ 27 Abs. 2a und Abs. 3 SMG, 15 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt.
Mit (rechtskräftigem) Urteil eines Landesgerichtes vom 12.10.2018 wurde der Beschwerdeführer als junger Erwachsener wegen der Vergehen des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach den §§ 15, 269 Abs. 1 erster Fall StGB und des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt.
Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz. Er geht in Österreich keiner legalen Erwerbstätigkeit nach und verfügt über keine eigenen finanziellen Mittel zur Existenzsicherung. Er ist nicht selbsterhaltungsfähig. Der Beschwerdeführer ist in Österreich weder nennenswert sozial noch beruflich verankert. In Österreich leben keine Familienangehörigen des Beschwerdeführers.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist seiner Verpflichtung, auf eine möglichst kurze Dauer der Schubhaft hinzuwirken, nachgekommen; es hat rechtzeitig und zielführend ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikats für den Beschwerdeführer mit der algerischen Vertretungsbehörde eingeleitet. Im Dezember 2019 wurden überdies Verfahren mit der marokkanischen und tunesischen Vertretungsbehörde eingeleitet. Der Beschwerdeführer wurde am 31.01.2020 einer algerischen Delegation vorgeführt. Urgenzen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl bei der algerischen Botschaft erfolgten mehrfach, zuletzt am 03.03.2020 (Einzelurgenz) und am 26.03.2020 (Sammelurgenz).
Eine (relevante) Änderung der Umstände für die Verhängung der Schubhaft und der Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.01.2020, vom 12.02.2020 und vom 11.03.2020, wonach die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vorliegen, hat sich im Verfahren nicht ergeben.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Akt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, die Akten des Bundesverwaltungsgerichtes zu den Zahlen 2181681-1, 2181681-2, 2227007-1 und 2227007-2, in das Strafregister, in das Zentrale Fremdenregister, in das Zentrale Melderegister sowie in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.
2.1. Zur Person des Beschwerdeführers und zu den Voraussetzungen der Schubhaft bzw. zur Verhältnismäßigkeit der Aufrechterhaltung der Schubhaft:
Aus dem Verwaltungsakt sowie den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes ergibt sich, dass der Beschwerdeführer bisher keine Dokumente zum Nachweis seiner Identität vorgelegt hat. An seiner Volljährigkeit bestehen keine Zweifel. Anhaltspunkte dafür, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt oder Asylberechtigter bzw. subsidiär Schutzberechtigter ist, sind im Verfahren nicht hervorgekommen.
Dass der Beschwerdeführer seit 19.09.2019 in Schubhaft angehalten wird, ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie aus der Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres. Die Feststellung zu der behördlichen Anordnung der Schubhaft ergibt sich zudem aus der zitierten Entscheidung.
Es haben sich weiterhin keine Anhaltspunkte ergeben, wonach beim Beschwerdeführer eine Haftunfähigkeit vorliegen würde. Eine Haftunfähigkeit wird auch nicht behauptet. Dass der Beschwerdeführer Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Behandlung hat, ergibt sich bereits daraus, dass er in der Vergangenheit mehrmals medizinisch versorgt wurde. Zuletzt hatte der Beschwerdeführer überdies in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 17.01.2020 die Frage verneint, ob er an chronischen oder akuten Krankheiten oder anderen Leiden oder Gebrechen leide.
Der Stand der Asylverfahren, der fremdenrechtliche Status des Beschwerdeführers und die Feststellungen zu seiner fehlenden Integration ergeben sich aus der Aktenlage. Die Feststellungen zu dem mangelnden sozialen Netz, dem fehlenden Wohnsitz, den fehlenden finanziellen Mittel sowie der mangelnden beruflichen Tätigkeit ergeben sich ebenso wie die Feststellung, dass in Österreich keine Familienangehörigen des Beschwerdeführers leben, überdies insbesondere aus den bisherigen Angaben des Beschwerdeführers in seinen Verfahren. Eine diesbezügliche Änderung der persönlichen Verhältnisse ist im Verfahren nicht hervorgekommen.
Aus einer Einsichtnahme in das Strafregister ergeben sich die strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers.
Die Feststellungen zu den Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates (HRZ) mit den algerischen, marokkanischen und tunesischen Vertretungsbehörden ergeben sich aus den vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegten Schriftstücken sowie aus der Stellungnahme des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl. Dass der Beschwerdeführer am 31.01.2020 einer algerischen Delegation vorgeführt wurde, ergibt sich insbesondere aus dem im Gerichtsakt Zahl W275 2227007-2 einliegenden Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.02.2020. Die Feststellungen zu den bei der algerischen Botschaft erfolgten jüngsten Urgenzen ergeben sich aus dem Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.03.2020. Die diesbezüglichen Angaben und Schriftstücke sind schlüssig und nachvollziehbar, sodass die entsprechenden Feststellungen getroffen werden konnten. Die Dauer der Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft, welche die höchstzulässige Dauer im Entscheidungszeitpunkt nicht erreicht bzw. übersteigt, resultiert zudem aus der Notwendigkeit der Identifizierung des Beschwerdeführers, an der er nicht mitwirkt (diesbezüglich ist insbesondere auf den Bericht über einen Vorführtermin hinzuweisen, wonach die Vorführung aufgrund des aggressiven Verhaltens des Beschwerdeführers nicht in einem Einvernahmeraum erfolgt sei, sondern im unteren Bereich des Gesperres).
Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife der Sache nicht aufzunehmen.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zu Spruchteil A) - Fortsetzung der Schubhaft:
3.1.1. Gesetzliche Grundlagen:
Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) lautet:
"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.
Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.
(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.
(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.
(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.
(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."
§ 77 FPG - Gelinderes Mittel
Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1 FPG.
Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.
Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.
Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.
Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.
Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.
Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.
Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.
§ 22a Abs. 4 BFA-VG lautet:
Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.
3.1.2. Zur Judikatur:
Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).
Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).
Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).
"Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs. 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde" (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).
"Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird" (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).
3.1.3. Aufgrund der oben zitierten gesetzlichen Bestimmungen hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht die Verwaltungsakten zur amtswegigen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit der weiteren Anhaltung vorzulegen. Es ist Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichtes hierüber im Verfahren eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit durchzuführen und hat sich im Rahmen dieser Überprüfung auch im Hinblick auf die vorzunehmende Zukunftsprognose für das Gericht ergeben, dass die weitere Anhaltung des Beschwerdeführers als verhältnismäßig angesehen werden kann.
Im gegenständlichen Fall liegt auch weiterhin Fluchtgefahr vor und ist auch Sicherungsbedarf gegeben, da aus dem vergangenen und aktuellen Verhalten des Beschwerdeführers mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit geschlossen werden kann, dass der Beschwerdeführer seine Abschiebung mit allen Mitteln zu verhindern oder jedenfalls zu behindern beabsichtigt. Der Beschwerdeführer hat auch keine berücksichtigungswürdigen Umstände dargetan bzw. haben sich aus dem Prüfungsverfahren solche nicht ergeben, wonach die Schonung seiner Freiheit das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung überwiegen würde.
Gemäß § 76 Abs. 2a FPG ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen. Insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.
Der Beschwerdeführer wurde als Jugendlicher bzw. junger Erwachsener bereits drei Mal strafrechtlich verurteilt; er hat wiederholt gegen das Suchtmittelgesetz verstoßen sowie die Vergehen bzw. Verbrechen der Sachbeschädigung, des versuchten Diebstahls, des Diebstahls durch Einbruch, der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel, der schweren Körperverletzung sowie des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt verübt. Zuletzt wurde er zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten verurteilt. Der Beschwerdeführer hat keine nennenswerten familiären oder sozialen Bindungen in Österreich. Einer legalen Erwerbstätigkeit geht er in Österreich nicht nach. Er hat in Österreich auch keinen eigenen gesicherten Wohnsitz.
Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers kommt daher ein geringerer Stellenwert zu als dem öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen - insbesondere an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung - zumal der Beschwerdeführer bereits in der Vergangenheit gezeigt hat, dass er sich nicht rechtskonform verhält und im Verfahren auch keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er dieses Verhalten in Zukunft ändern würde. Das Verhalten des Beschwerdeführers in der Vergangenheit schließt überdies die Anordnung gelinderer Mittel aus.
Wie sich aus der medialen Berichterstattung ergibt, ist der Flugverkehr aus Österreich auf Grund der derzeitigen Pandemie (CoViD-19) aktuell zwar weitgehend eingestellt. Die realistische Möglichkeit der Überstellung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Höchstdauer der Schubhaft, die im Falle des Beschwerdeführers gemäß § 80 Abs. 4 Z 2 FPG 18 Monate beträgt, besteht jedoch aus aktueller Sicht weiterhin. Aus derzeitiger Sicht ist auch damit zu rechnen, dass die gegenwärtigen Restriktionen im Zusammenhang mit CoViD-19 in einigen Wochen wieder gelockert werden können und Abschiebungen durchführbar sein werden.
Bei einer im Sinne des § 80 Abs. 4 Z 2 FPG höchstzulässigen Dauer der Schubhaft von 18 Monaten ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände und vor dem Hintergrund, dass sich das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates umfassend bemüht, die Aufrechterhaltung der seit 19.09.2019 bestehenden Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft nach wie vor verhältnismäßig.
Es war daher gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festzustellen, dass die angeordnete Schubhaft nach wie vor notwendig und verhältnismäßig ist und dass die maßgeblichen Voraussetzungen für ihre Fortsetzung im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.
3.2. Zu Spruchteil B) - Revision:
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
Im vorliegenden Akt findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.
Die Revision war daher nicht zuzulassen.
Schlagworte
Einreiseverbot Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft Identität öffentliche Interessen Pandemie Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf strafrechtliche Verurteilung Überprüfung Untertauchen VerhältnismäßigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W180.2227007.4.00Im RIS seit
28.07.2020Zuletzt aktualisiert am
28.07.2020