TE Vwgh Erkenntnis 1998/2/18 94/09/0354

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Veröffentlicht am 18.02.1998
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Index

63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;

Norm

BDG 1979 §115;
BDG 1979 §92 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Höß, Dr. Fuchs, Dr. Blaschek und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des Disziplinaranwaltes (Stellvertreters) gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 12. September 1994, Zl. 55/6-DOK/94, betreffend Schuldspruch ohne Strafe in einem Disziplinarverfahren (mitbeteiligte Partei: Ludwig K in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Das Kostenbegehren der belangten Behörde wird abgewiesen.

Begründung

Der Mitbeteiligte steht als Gruppeninspektor in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Er versieht seinen Dienst im Bereich der Bundespolizeidirektion Wien.

Mit dem Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres vom 30. März 1994 wurde der Mitbeteiligte nach durchgeführter mündlicher Verhandlung von der Anschuldigung, er habe durch die Verweigerung eines Alkomattestes wegen Verdachtes der Beeinträchtigung durch Alkohol am 5. Oktober 1993 außer Dienst als Lenker eines PKWs nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden eine Dienstpflichtverletzung gemäß § 43 Abs. 2 BDG 1979 begangen, gemäß § 126 Abs. 2 BDG 1979 freigesprochen.

Der Begründung des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses ist zu entnehmen, daß der Mitbeteiligte im Verwaltungsstrafverfahren mit Straferkenntnis vom 21. Dezember 1993 "mit S 8.000,-- gemäß § 5/2 StVO bestraft" worden ist (die Lenkerberechtigung sei dem Mitbeteiligten bis 5. Juli 1994 entzogen gewesen). Die dienstliche Verwendung des Mitbeteiligten sei durch den "mit dem Lenken von Kraftfahrzeugen im alkoholisierten Zustand verbundenen Führerscheinentzug" insofern beeinträchtigt gewesen, als für die Vollziehung seiner dienstlichen Aufgaben das Lenken von Kraftfahrzeugen erforderlich sei.

Die Disziplinarkommission stützte den Freispruch auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Oktober 1990, 90/09/0110, in dem in einem Fall der Verweigerung einer Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt nach § 5 Abs. 2 StVO ein disziplinärer Überhang nach § 95 BDG 1979 verneint worden sei. Aufgrund dieses Erkenntnisses sei auch im Beschwerdefall eine schuldhafte Dienstpflichtverletzung nach § 43 Abs. 2 BDG 1979 zu verneinen, "da mangels eines disziplinären Überhanges gem. § 95/1 BDG von der Verfolgung abzusehen war".

Gegen dieses Disziplinarerkenntnis erhob der Disziplinaranwalt Berufung, weil seiner Ansicht nach ein disziplinärer Überhang und eine spezialpräventive Notwendigkeit der Verhängung einer Disziplinarstrafe gemäß § 95 Abs. 3 unter Beachtung des § 43 Abs. 2 BDG 1979 bestehe. Ein Exekutivbeamter habe auch privat und außer Dienst die Verpflichtung, in gewissen Bereichen "Vorbild zu sein, er hat Rechtsgüter wie Sicherheit im Verkehr zu schützen und nicht zu verletzen". Gerade der ständig zunehmende Straßenverkehr bringe eine höhere Gefährdung von Leben und körperlicher Unversehrtheit der Verkehrsteilnehmer mit sich. Bei Alkoholgenuß erhöhe sich diese Gefahr wegen der damit verbundenen Minderung der Reaktionsfähigkeit und der zu größerer Rücksichtslosigkeit führenden Steigerung des Selbstvertrauens. Derart erhöhte Verpflichtungen auch für den privaten Bereich träfen nicht nur einen Sicherheitswachebeamten, sondern auch - wie im Fall des Mitbeteiligten - einen Kriminalbeamten, der "bei Wahrnehmung alkoholisierter Lenker die Verpflichtung hat, entsprechende Maßnahmen zu setzen; Maßnahmen, die weit über die Verpflichtung einer Zivilperson hinausgehen". Der Tatbestand des § 5 Abs. 2 StVO sei nach dem Willen des Gesetzgebers offenbar deswegen normiert worden, weil in diesen Fällen der Lenker eines PKWs offensichtlich in Kenntnis über seine strafbare Trunkenheit die Untersuchung seiner Atemluft auf Alkoholgehalt verweigere. Der Verwaltungsgerichtshof habe zwar im Erkenntnis vom 18. Oktober 1990 in einem konkreten Fall entschieden, daß bei Bestrafung eines Exekutivbeamten durch die Verwaltungsbehörde wegen § 5 Abs. 2 StVO keine Verpflichtung zu einer zusätzlichen disziplinären Bestrafung vorliege, im Hinblick auf die erwähnten Argumente und die Tatsache, daß es sich um eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes aus dem Jahr 1990 handle, erscheine es erforderlich, die "Aktualität dieser Entscheidung" in bezug auf das gegenständliche Disziplinarverfahren aus dem Jahr 1993 zu überprüfen. Mit der im Verwaltungsstrafverfahren verhängten Mindeststrafe von S 8.000,-- sei keine Berücksichtigung des disziplinären Aspekts erfolgt. Die spezialpräventive Notwendigkeit einer Disziplinarstrafe, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten, ergebe sich "schlüssig aus den einschlägigen Vormerkungen" des Mitbeteiligten. Diesem sei von der Dienstbehörde am 25. November 1991 eine schriftliche Ermahnung nach § 109 Abs. 2 BDG 1979 wegen Verweigerung eines Alkomattestes am 22. September 1990 als Lenker eines (an einem Unfall beteiligten) PKWs erteilt worden. In diesem Zusammenhang sei demnach der Mitbeteiligte auch wegen fahrlässiger Körperverletzung gemäß § 88 StGB mit Urteil des "Straf-BG Wien vom 6.6.1991 (14 U 462/90) zu insgesamt S 28.000,-- rechtskräftig verurteilt" worden.

Verwaltungsstrafrechtlich sei es zu einer rechtskräftigen Bestrafung mit der Mindeststrafe von S 8.000,-- (Erkenntnis vom 20. September 1991) gekommen. Die Lenkerberechtigung sei damals das erste Mal entzogen worden, nunmehr sei ein Entzug der Lenkerberechtigung bis 5. Juni 1994 verfügt worden. Weiters sei eine rechtskräftige disziplinäre Bestrafung des Mitbeteiligten mit Verweis vom 29. Mai 1992 (Disziplinarverfügung gemäß § 131 BDG 1979 wegen "mehrmaliger lautstarker Auseinandersetzungen mit der damaligen Lebensgefährtin und anschließender Selbstmordankündigung") zu berücksichtigen. Es sei daher im Beschwerdefall ein disziplinärer Überhang sowie eine spezialpräventive Notwendigkeit einer Disziplinarstrafe gemäß § 95 Abs. 3 BDG 1979 gegeben, sodaß die Verhängung einer angemessenen Geldstrafe nach § 92 Abs. 1 Z. 3 BDG 1979 beantragt werde.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Disziplinaranwaltes teilweise Folge. Sie hob den Freispruch auf und sprach den Mitbeteiligten schuldig, durch die Verweigerung eines Alkomattestes wegen Verdachtes der Beeinträchtigung durch Alkohol am 5. Oktober 1993 außer Dienst nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden die Dienstpflicht nach § 43 Abs. 2 BDG 1979 schuldhaft im Sinn des § 91 BDG 1979 verletzt zu haben. Die belangte Behörde nahm allerdings im angefochtenen Bescheid gemäß § 95 Abs. 3 BDG 1979 i.V.m. § 115 BDG 1979 von der Verhängung einer Strafe Abstand.

Nach einer Zitierung des § 95 BDG 1979 führt die belangte Behörde aus, in die Beurteilung der Rechtsfrage nach Abs. 3 leg. cit. sei auch die Prüfung der Erfüllung der Voraussetzungen des § 115 BDG 1979 miteinzubeziehen, um zu vermeiden, daß Beamte, die nicht gerichtlich oder verwaltungsbehördlich verurteilt worden seien, schlechter gestellt würden, als jene, die aufgrund desselben Sachverhaltes eine gerichtliche und verwaltungsbehördliche Verurteilung erfahren hätten. Bei der Beurteilung der Straffrage habe die belangte Behörde auf die Tatsache der Ermahnung wegen eines gleichartigen Delikts Bedacht genommen. Diese liege jedoch etwa zwei Jahre vor der gegenständlichen Dienstpflichtverletzung. Die belangte Behörde habe auch nicht die Disziplinarstrafe des Verweises durch eine Disziplinarverfügung übersehen, diese habe sich jedoch auf eine andersgeartete Dienstpflichtverletzung bezogen. Trotz dieser Vormerkungen sei der Mitbeteiligte zwar schuldig zu sprechen, im Sinne des § 95 Abs. 3 und § 115 BDG 1979 aber keine zusätzliche Strafe erforderlich, um den Beamten von weiteren Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Die belangte Behörde gehe davon aus, daß dem Mitbeteiligten durch die Verwaltungsstrafe und den Schuldspruch im Disziplinarverfahren das Unrecht seines Handelns genügend vor Augen geführt werde. Das Absehen von der Verhängung einer Strafe sei auch ohne Verletzung dienstlicher Interessen möglich.

In der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung "bei Anwendung des § 95/3 BDG" angefochten, "da die Voraussetzungen der spezialpräventiven Notwendigkeit einer Disziplinarstrafe im konkreten Falle sehr wohl vorliegen".

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, jedoch keine Gegenschrift erstattet. Seitens des Mitbeteiligten langte ebenfalls keine Gegenschrift ein.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Mangels Anfechtung ist der angefochtene Bescheid hinsichtlich der Schuldfrage in Rechtskraft erwachsen.

Die Berechtigung des Disziplinaranwaltes, gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG gegen Entscheidungen der Disziplinaroberkommission Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben, ist im § 103 Abs. 4 BDG 1979 normiert. Im Beschwerdefall wendet sich die Beschwerde gegen die unterbliebene Verhängung "einer Disziplinarstrafe". In der Beschwerde wird dazu - nach Schilderung des Sachverhaltes (insbesondere des Berufungsinhaltes) - ausgeführt, zur spezialpräventiven Notwendigkeit einer Disziplinarstrafe nach § 95 Abs. 3 BDG 1979 verweise der Disziplinaranwalt "auf meine obigen Ausführungen über die rechtskräftige disziplinäre Maßnahme, das rechtskräftige Gerichtsurteil und die rechtskräftige Verwaltungsstrafe aus den Jahren 1991 bis 1992".

Wird von der Verfolgung (nach § 95 Abs. 1 BDG 1979) nicht abgesehen, dann ist gemäß § 95 Abs. 3 BDG 1979, wenn sich eine strafgerichtliche oder verwaltungsbehördliche Verurteilung auf denselben Sachverhalt bezieht, eine Strafe nur auszusprechen, wenn und soweit dies zusätzlich erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten.

Nach § 115 BDG 1979 kann im Falle eines Schuldspruches von der Verhängung einer Strafe abgesehen werden, wenn dies ohne Verletzung dienstlicher Interessen möglich ist und nach den Umständen des Falles und nach der Persönlichkeit des Beamten angenommen werden kann, daß ein Schuldspruch allein genügen wird, den Beamten von weiteren Verfehlungen abzuhalten.

Auch der Schuldspruch ohne Strafe nach § 115 BDG 1979 ist eine Disziplinarstrafe (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Juni 1992, 91/09/0148). Mit der Bezugnahme auf die Notwendigkeit einer Disziplinarstrafe unter dem Gesichtspunkt des § 95 Abs. 3 BDG 1979 wird damit in der Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt. Soweit die Beschwerdeausführungen (in Wahrheit) auf eine unzulässige Anwendung des § 115 BDG 1979 abzielen, ist ihnen ebenfalls nicht zu folgen.

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid in schlüssiger Weise ausgeführt, daß sie den Vorfall aus dem Jahr 1990 (der disziplinarrechtlich zu keiner Bestrafung, sondern nur zu einer Ermahnung nach § 109 Abs. 2 BDG 1979 vom 21. November 1991 führte) wegen des mittlerweile vergangenen Zeitraumes von etwa zwei Jahren nicht als gegen die Anwendung des § 115 BDG 1979 sprechend ansah. Auch die in Form - der "leichtesten" - Disziplinarstrafe des Verweises nach § 92 Abs. 1 Z. 1 BDG 1979 bestehende disziplinarrechtliche Vorstrafe vom 29. Mai 1992 wegen "mehrmaliger lautstarker Auseinandersetzungen mit der damaligen Lebensgefährtin" mußte die belangte Behörde, weil einen anders gearteten Verstoß betreffend, nicht als ein Hindernis für ihr Vorgehen nach § 115 BDG 1979 werten.

Die in den "Beschwerdeausführungen" nicht weiter substantiierte Beschwerde macht damit insgesamt keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides deutlich. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Antrag auf Kostenzuspruch der belangten Behörde (Vorlageaufwand nach § 48 Abs. 2 Z. 1 VwGG) war abzuweisen, weil gemäß § 47 Abs. 4 VwGG in den Fällen (u.a.) des Art. 131 Abs. 2 B-VG für den Beschwerdeführer und die belangte Behörde kein Aufwandersatz stattfindet.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1994090354.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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