Entscheidungsdatum
10.04.2020Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W182 2230151-1/4E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. PFEILER über die Beschwerde von XXXX geb. XXXX , StA. Volksrepublik China, vertreten durch: ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.12.2019, Zl. IFA 740458910 - VZ 180582942, beschlossen:
A) In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. I Nr. 1/1930 idgF, nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1. Hinsichtlich des Beschwerdeführers (im Folgenden: BF), eines Staatsangehörigen der Volksrepublik China, wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 03.05.2010, Zl. C2 260205-0/2008/16E, gemäß § 8 Abs. 1 Asylgesetz 1997 (AsylG), BGBl. I Nr. 76/1997 idF BGBl. I Nr. 129/2004, rechtskräftig festgestellt, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach China nicht zulässig ist und ihm gemäß § 15 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt. Die Entscheidung wurde im Wesentlichen mit der Familieneigenschaft des BF begründet, da seiner Gattin in Österreich subsidiärer Schutz gewährt wurde.
Zuletzt wurde dem BF mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) vom 13.06.2018, Zl. 740458910 VZ 2513543, der Status des subsidiär Schutzberechtigten verlängert und eine bis zum 11.05.2020 befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.
2.1. Am 21.06.2018 stellte der BF beim Bundesamt schriftlich einen Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses für Staatenlose nach § 88 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005. Diesen begründete er im Wesentlichen damit, dass er keinen ausländischen Reisepass besitze und verwies in diesem Zusammenhang auf seinen bis 11.05.2020 gültigen Aufenthaltstitel.
Mit einer schriftlichen Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 05.07.2018 teilte das Bundesamt dem BF mit, dass er laut Aktenlage im Besitz eines chinesischen Reisepasses, der am XXXX von der "Embassy oft the P.R.C. in Austria" ausgestellt worden sei, einer nationalen Geburtsurkunde sowie einer nationalen Heiratsurkunde sei. Daher sei ihm eine neuerliche Vorsprache betreffend der Ausstellung eines nationalen Reisepasses bei seiner Vertretungsbehörde in Österreich zumutbar. Es werde daher beabsichtigt, seinen Antrag vom 21.06.2018 abzuweisen. Dazu wurde ihm die Möglichkeit eingeräumt, binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.
In der schriftlichen Stellungnahme des BF vom 17.07.2018 wies dieser darauf hin, dass er im Jahr XXXX - möglich durch einen besonderen Kontakt zu einem Konsulatsbediensteten - eine Reisegenehmigung ("Travel document") erhalten habe, welche aber seit XXXX (also nach zwei Jahren) nicht mehr gültig sei. Auch nach mehrmaligen Versuchen sei der BF immer abgewiesen worden, zumal sich auch die Belegschaft der Vertretungsbehörde als auch die Handhabe der Vorschriften im Umgang mit Staatsbürgern, die einen subsidiären Asylstatus bzw. eine Karte haben, bei der die ausstellende Behörde das Bundesamt sei, geändert habe. Diese Personen würden nicht mehr vorgelassen werden. Der BF sei mehrmals - im Juni 2017, September 2017 sowie im Jänner und April 2018 - beim Konsulat gewesen und habe versucht, entweder einen Reisepass oder eine Bestätigung zu bekommen. Er sei immer am Eingangstor sofort und kategorisch abgewiesen worden. Jegliche Ausstellung einer Bestätigung sei verweigert worden. Auch nach der Verständigung des Bundesamtes vom 05.07.2018 sei er wie schon zuvor wieder am Eingangstor der chinesischen Vertretungsbehörde ohne weitere Erklärung abgewiesen worden. Der BF ersuche daher aufgrund der vorgebrachten Tatsachen weiter um Ausstellung eines Fremdenpasses. Dem Schreiben beigelegt war die Kopie eines von der VR China für den BF am XXXX ausgestellten "Travel document", aus dem auch hervorgeht, dass dieses Dokument nur zwei Jahre gültig ist.
Eine Referentin der für den BF zuständigen Regionaldirektion des Bundesamtes versuchte daraufhin - wie sich auch aus der im Akt befindlichen E-Mail Korrespondenz ergibt - unter Schilderung der Faktenlage und des Vorbringens des BF intern abzuklären, ob eine Prüfung möglich sei, ob der BF trotz Besitz von entsprechenden Dokumenten von seiner Vertretungsbehörde weder einen Reisepass noch eine Bestätigung über die Verweigerung erhalte. Hinsichtlich einer diesbezüglich weitergeleiteten Anfrage an die beim Bundesamt zuständige Stelle für Heimreisezertifikate findet sich trotz Urgenz im Akt kein korrespondierendes Antwortschreiben. Im Akt findet sich allerdings eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation des Bundesamtes vom 09.02.2018 zum Thema, ob chinesische Staatsbürger, die schon länger im Ausland leben, keine Bestätigung bekommen würden, dass ihnen kein nationaler Reisepass ausgestellt werde. Aus der Anfrage geht im Wesentlichen hervor, dass in öffentlich zugänglichen Quellen im Rahmen der zeitlich begrenzten Recherche auf Deutsch und Englisch keine Informationen zur Verweigerung der Ausstellung einer Bestätigung gefunden worden seien. Es haben jedoch Informationen über die gesetzlichen Bestimmungen des chinesischen Passgesetzes von 2006 gefunden werden können. Diesen sei zu entnehmen, dass ein chinesischer Reisepass auch außerhalb der VR China in Botschaften, Konsulaten oder in anderen vom Ministerium für auswärtige Angelegenheiten autorisierten Missionen im Ausland beantragt werden könne. Weiters gehe aus den gesetzlichen Bestimmungen hervor, dass der Antragsteller diesen Antrag persönlich bei den jeweils genannten Stellen einzureichen habe und die jeweilige Behörde bei Ablehnung des Antrages dies schriftlich begründen müsse und der Antragsteller das Recht habe, den Antrag auf Überprüfung zu stellen oder eine Verwaltungsklage einzureichen.
Mit Schreiben vom 22.01.2019 einer Mitarbeiterin des " XXXX " wurde dem Bundesamt mitgeteilt, dass der BF bei ihr vorgesprochen und geschildert habe, dass es ihm nicht möglich sei, einen Reisepass oder eine Bestätigung der chinesischen Botschaft vorzulegen, da diese den Kontakt mit AsylwerberInnen bzw. subsidiär Schutzberechtigten kategorisch ablehnen würde.
2.2. Mit dem nunmehr angefochtenen oben angeführten Bescheid des Bundesamtes wurde der Antrag des BF auf Ausstellung eines Fremdenpasses gemäß § 88 Absatz 2 und 2a FPG idgF abgewiesen. Festgestellt wurde im Wesentlichen lediglich, dass der BF chinesischer Staatsangehöriger sei, im Besitz eines XXXX ausgestellten chinesischen Reisepasses sowie einer chinesischen Geburtsurkunde und einer chinesischen Heiratsurkunde sei. Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass der belangten Behörde von der Staatendokumentation am 09.02.2018 mitgeteilt worden sei, dass ein chinesischer Reisepass auch außerhalb der VR China in Botschaften, Konsulaten oder in anderen vom Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten autorisierten Missionen im Ausland beantragt werden könne. Es sei auch angeführt, dass ein Passinhaber um die Erneuerung oder Neuausstellung seines Passes im Ausland ansuchen könne, etwa wenn dessen Gültigkeit abgelaufen sei. Der diesbezügliche Antrag sei persönlich bei einer Botschaft oder einem Konsulat der Volksrepublik China oder einer vom Außenministerium autorisierten Auslandsvertretung einzureichen. Dem BF sei daher aus Sicht der belangten Behörde eine Vorsprache bei der chinesischen Botschaft in Wien zumutbar, um einen nationalen Reisepass zu beantragen, zumal er im Besitz eines chinesischen Reisepasses sei, welcher in Österreich ausgestellt worden sei.
Mit Verfahrensordnung vom 04.12.2019 wurde dem BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG ein Rechtsberater zur Seite gestellt.
5. Binnen offener Frist wurde gegen den Bescheid des Bundesamtes Beschwerde wegen eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens, mangelhafter Beweiswürdigung, unrichtiger Feststellungen und inhaltlicher Rechtswidrigkeit erhoben. Dazu wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das Bundesamt nicht hinreichend ermittelt habe, ob es sich bei dem vom BF in Kopie vorgelegten "Travel document" um ein gültiges Reisedokument iSd § 2 Abs. 4 Z 5 FPG handle. Bei diesem Dokument handle es sich um eine Reisegenehmigung, welche lediglich zur einmaligen Reise in die VR China ermächtige. Dort angekommen würde die Reisegenehmigung von den Behörden abgenommen werden. Zu dieser Art von Reisegenehmigung wurde auch auf einem Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe: China: Situation von Uighur_innen, vom 04.10.2019 verwiesen. Aus diesem geht u.a. hervor, dass in einem von USDOS zitierten Artikel des Wall Street Journal vom August 2018 berichtet werde, dass mehrere im Ausland lebende Uighur_innen ihre Reisepässe nicht verlängern hätten können. Ihnen sei stattdessen ein Reisedokument für die einmalige Rückreise nach China ohne Möglichkeit zur nachfolgenden Wiederausreise angeboten worden. Weiters wurde in der Beschwerde darauf hingewiesen, dass das Bundesamt die getätigten Aussagen des BF im Rahmen der Stellungnahme gänzlich missachtet habe und so eine mangelhafte Beweiswürdigung durchgeführt habe, weshalb falsche Feststellungen getroffen worden seien. Weiters wurde angemerkt, dass die mit Namen, Geburtsdatum und IFA-Zahl genannte Gattin des BF bereits vor dem BF einen Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses gestellt habe, welchen auf Basis eines nahezu identen Sachverhaltes von der belangten Behörde stattgegeben worden sei. Es wurde unter anderem die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und in eventu die Behebung des gegenständlichen Bescheides und Zurückverweisung an die erstinstanzliche Behörde beantragt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu Spruchteil A):
2.1. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat. Zur Anwendung des § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG durch die Verwaltungsgerichte hat der Verwaltungsgerichtshof ausgehend von einem prinzipiellen Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht durch das Verwaltungsgericht präzisierend wie folgt festgehalten (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063):
"Das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, verlangt, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht, vgl Holoubek, Kognitionsbefugnis, Beschwerdelegitimation und Beschwerdegegenstand, in: Holoubek/Lang (Hrsg), Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, erster Instanz, 2013, Seite 127, Seite 137; siehe schon Merli, Die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte erster Instanz, in: Holoubek/Lang (Hrsg), Die Schaffung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, 2008, Seite 65, Seite 73 f)."
2.2. Gemäß § 88 Abs. 2a FPG idgF sind Fremdenpässe Fremden, denen in Österreich der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommt und die nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen, auf Antrag auszustellen, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen.
3. Im gegenständlichen Fall liegt eine Mangelhaftigkeit im Sinne des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG vor.
Der BF, dem in Österreich der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zukommt, hat den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses konkret damit begründet, nicht mehr in der Lage zu sein, sich ein gültiges Reisedokument seines Heimatstaates zu beschaffen, da die Vertretungsbehörde seines Heimatlandes in Österreich es - trotz wiederholter Versuche - faktisch verweigere, ihm ein Reisedokument oder eine Bestätigung über diese Verweigerung auszustellen. Er begründete dies mit einer geänderten Handhabung der Vertretungsbehörden gegenüber Staatsbürgern, die im Ausland einen subsidiären Schutzstatus hätten. Er sei angeblich trotz wiederholter Versuche bereits am Eingangstor der chinesischen Vertretungsbehörde ohne weitere Erklärung abgewiesen worden. Das ihm XXXX - angeblich mit Hilfe eines besonderen Kontaktes zu einem Konsulatsbediensteten - ausgestellte "travel document" sei seit XXXX nicht mehr gültig.
Das Bundesamt hat dieses konkrete Vorbringen des BF im Ergebnis gänzlich ignoriert. Zwar wurden seine diesbezüglichen Behauptungen in der Beweiswürdigung des bekämpften Bescheides (unkommentiert) wiedergegeben, doch hat das Bundesamt weder Feststellungen dazu getroffen, ob diese Behauptungen zutreffen oder nicht, noch sich in der Beweiswürdigung in erkennbarer Weise mit der Glaubhaftigkeit des Vorbringens auseinandergesetzt. Die Begründung des Bundesamtes, wonach dem chinesischen Passgesetz aus dem Jahr 2006 zufolge Reisedokumente auch im Ausland bei den ermächtigten Vertretungsbehörden der VR China beantragt werden können, wobei eine persönliche Antragstellung erforderlich sei, wurde vom BF nicht bestritten, zumal ihm ja bereits einmal ein "travel document" ausgestellt wurde. Der bloße Verweis auf die Gesetzeslage enthält jedoch keine spezifische Information über die tatsächliche Praxis der Vertretungsbehörden insbesondere gegenüber besonderen, allenfalls stigmatisierten Personengruppen, wie dies jedoch vom BF behauptet wurde. Die im Akt enthaltene E-Mail Korrespondenz belegt, dass das Bundesamt die für die Entscheidung des Antrages relevante Fragestellung, nämlich ob die Behauptung des BF, dass ihm die Ausstellung eines Reisedokuments seitens der chinesischen Vertretungsbehörde tatsächlich "faktisch" wiederholt verweigert wurde bzw. werde, durchaus erkannt hat. Dem Bundesamt musste als Spezialbehörde unter Zugrundelegung des Länderinformationsblattes der eigenen Staatendokumentation auch bekannt sein, dass der Einhaltung des Rechtsstaatlichkeitsprinzips in der Praxis von chinesischen Staatsorganen nicht immer das gleiche Gewicht beigemessen wird, wie dies in der inländischen Verwaltungs- und Gerichtspraxis der Fall ist. Für letzteres spricht grundsätzlich auch der in der Beschwerde zitierte Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe im Hinblick auf den darin angeführten Artikel des Wall Street Journal vom August 2018, wenngleich der Kausalzusammenhang ein gänzlich anderer ist als in der vorliegenden Konstellation. Ungeachtet dessen hat das Bundesamt diesbezüglich nicht nur keine hinreichend aussagekräftigen Erhebungen angestellt, sondern dem BF auch erst gar nicht zu seinen diesbezüglichen Behauptungen in einer Einvernahme detailliert befragt, um sich einen Eindruck von der Glaubhaftigkeit seines Vorbringens verschaffen zu können. Auch dem Beschwerdevorbringen, wonach der Gattin des BF, von der dieser seinen Status als subsidiär Schutzberechtigter ableitet, in einer vergleichbaren Konstellation vom Bundesamt die Ausstellung eines Fremdenpasses gewährt worden sei, könnte bei Zutreffen allenfalls Gewicht zukommen.
2.3. Im gegenständlichen Fall erweist sich daher der angefochtene Bescheid des Bundesamtes und das diesem zugrundeliegende Verfahren in besonders gravierender Weise als mangelhaft. Der maßgebliche Sachverhalt stellt sich mangels entsprechender Ermittlungen - auch in Verbindung mit der Beschwerde - als ungeklärt dar. Die entscheidenden Ermittlungshandlungen, welche grundsätzlich von der belangten Behörde durchzuführen sind, wären demnach nahezu zur Gänze erstmals durch das Verwaltungsgericht zu tätigen. Indem das Bundesamt weder den BF selbst einvernommen hat noch entsprechend aussagekräftige Erhebungen durchgeführt hat, erweist sich das Ermittlungsverfahren im Ergebnis als völlig unzureichend, um die Beweiswürdigung des Bundesamtes zu stützen. Die dargetanen Mängel lassen sohin im Ergebnis nur die Feststellung zu, dass das Bundesamt bloß ansatzweise ermittelt hat, sodass vom Vorliegen besonders gravierender Ermittlungslücken auszugehen ist. Unter Zugrundelegung des bisher Ausgeführten kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass zur Behebung der Mängel (lediglich) "ergänzende" Ermittlungen durch das Bundesverwaltungsgericht vorzunehmen wären (vgl. etwa VwGH 15.11.2018, Zl. Ra 2018/19/0268-9).
Besondere Gesichtspunkte, die aus der Sicht des Verwaltungsgerichtes gegen eine Kassation des angefochtenen Bescheides sprechen würden, sind im vorliegenden Fall nicht erkennbar. So können keine Anhaltspunkte dafür erkannt werden, dass eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtes in der Sache im Interesse der Raschheit gelegen wäre. Das Verfahren würde durch eine Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht keine Beschleunigung erfahren. Aus der Aktenlage ergeben sich weiters auch keine Hinweise, wonach die Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre. Vielmehr ist angesichts der Einrichtung und Ausstattung des Bundesamtes als asyl- und fremdenrechtliche Spezialbehörde vom Gegenteil auszugehen. Im Übrigen bietet es sich in der vorliegenden Konstellation an, den in Kürze zu erwartenden Verlängerungsantrag des BF, zumal sein aktueller Aufenthaltstitel in Kürze abläuft, mit dem gegenständlichen Antrag zusammen zu erledigen.
Auch vor dem Hintergrund verwaltungsökonomischer Überlegungen und den Effizienzkriterien des § 39 Abs. 2 AVG macht das Bundesverwaltungsgericht daher von dem ihm in § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG eingeräumten Ermessen Gebrauch.
Der angefochtene Bescheid ist daher gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit an das Bundesamt zurückzuverweisen.
Das Bundesamt wird dabei entsprechend aussagekräftige Erhebung zur Evidenz der Behauptungen des BF durch seine persönliche Einvernahme und aktuelle landeskundliche Ermittlungen anzustellen haben. Vorweg wird abzuklären sein, ob und - bei Zutreffen -aus welchen Gründen der Gattin des BF ein Fremdenpass ausgestellt wurde. Allenfalls wäre es auch erwägenswert, in einer pragmatischen Herangehensweise dem BF, der laut eigenen Angaben schon am Eingangstor der Vertretungsbehörde abgewiesen worden wäre, unter Voraussetzung seiner Zustimmung eine Beweiserbringung im Wege einer Begleitung des BF durch eine Chinesisch-sprachkundige, neutrale Vertrauensperson des Bundesamtes zur Vertretungsbehörde zu ermöglichen.
3.4. Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 leg. cit. kann eine Verhandlung entfallen, wenn u.a. bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu Spruchteil B):
3.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
3.2. Unter den Punkten II.2. und II.3. wurde ausführlich unter Bezugnahme auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ausgeführt, dass im Verfahren vor dem Bundesamt notwendige Ermittlungen unterlassen wurden. Betreffend die Anwendbarkeit des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG im gegenständlichen Fall liegt keine grundsätzliche Rechtsfrage vor, weil mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, bereits Judikatur vorliegt, und vor diesem Hintergrund auch das gegenständliche Verfahren zu entscheiden war.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung Ermittlungspflicht individuelle Verhältnisse Kassation mangelnde SachverhaltsfeststellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W182.2230151.1.00Im RIS seit
28.07.2020Zuletzt aktualisiert am
28.07.2020