TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/14 W277 2192886-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.04.2020
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Entscheidungsdatum

14.04.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
FPG §54
FPG §55
FPG §58 Abs2

Spruch

W277 2192886-1/17E

W277 2192884-1/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. ESCHLBÖCK, MBA, über die Beschwerden von 1.) XXXX alias XXXX , geb. XXXX , und 2.) XXXX , geb. XXXX , beide StA. der Russischen Föderation, vertreten durch XXXX , gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zlen. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX , zu Recht:

A)

I. Die Beschwerden hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II der angefochtenen Bescheide werden als unbegründet abgewiesen.

II. Im Übrigen wird den Beschwerden stattgegeben und festgestellt, dass die Rückkehrentscheidungen gegen XXXX alias XXXX und XXXX auf Dauer unzulässig sind.

Gemäß §§ 54 iVm 55 und 58 Abs. 2 werden XXXX alias XXXX und XXXX der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" jeweils für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

I. Verfahrensgang

1. Die Erstbeschwerdeführerin (in der Folge: BF1) ist die Mutter der minderjährigen Zweitbeschwerdeführerin (in der Folge: BF2). Die Beschwerdeführer (in der Folge: BF) sind Staatsangehörige der Russischen Föderation.

2. Am XXXX stellten die BF - zusammen mit dem Ehemann und der zweitgeborenen Tochter der BF1 - nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet Anträge auf internationalen Schutz.

2.1. Die BF1 wurde am XXXX von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Zu den Fluchtgründen befragt, gab die BF1 an, dass die allgemeine Sicherheitslage in ihrer Heimat sehr gefährlich sei. Es würden ständig Attentate verübt werden und täglich Menschen sterben. Die BF1 habe Angst um ihr Leben und das ihrer Familie gehabt. Es sei ihnen wirtschaftlich nicht schlecht gegangen, da ihr Mann und sie gearbeitet hätten. Sie seien nicht aus wirtschaftlichen Gründen nach Österreich gekommen, sondern aufgrund der in ihrem Land herrschenden Sicherheitslage.

2.2. Mit Bescheiden des Bundesasylamtes vom XXXX , wurden die Anträge der BF auf internationalen Schutz aufgrund einer Zuständigkeit XXXX zurückgewiesen (Spruchpunkt I.) und die BF aus dem Bundesgebiet nach XXXX ausgewiesen (Spruchpunkt II.).

2.3. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom XXXX wurden die gegen diese Bescheide gerichteten Beschwerden rechtskräftig abgewiesen.

2.4. Am XXXX reisten die BF unter Gewährung von Rückkehrhilfe freiwillig in die Russische Föderation aus.

3. Am XXXX stellten die BF nach Einreise mittels eines XXXX Schengenvisums die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz. Die BF1 wurde hierzu am selben Tag von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Zu den Fluchtgründen brachte sie vor, dass in ihrem Land Chaos herrsche. Es sei dort für sie selbst und vor allem für ihre Tochter (BF2) sehr gefährlich. Bei ihnen würden die Mädchen zwangsverheiratet werden. Die BF1 habe große Angst gehabt, dass ihre Tochter auch Opfer dieses Brauches werde. Mädchen würden in ihrem Herkunftsstaat auch entführt werden. Um die BF2 zu schützen, seien sie geflüchtet. "Unsere Männer", die in Syrien gekämpft hätten und dann zurückgekehrt seien, seien sehr gefährlich. Man dürfe als Frau nicht mit Jeans oder ohne Kopftuch auf der Straße gehen und telefonieren. Im Falle einer Rückkehr befürchte die BF1, dass ihre Tochter in Gefahr geraten könnte oder sogar umgebracht werde. Die BF1 habe auch Angst um ihr eigenes Leben.

3.1. Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) vom XXXX , wurden die Anträge der BF auf internationalen Schutz aufgrund einer Zuständigkeit XXXX zurückgewiesen (Spruchpunkt I.) und die Außerlandesbringung der BF nach XXXX angeordnet (Spruchpunkt II.).

3.2. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (in der Folge: BVwG) vom XXXX , wurde den gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden rechtskräftig stattgegeben und die Bescheide behoben.

4. Am XXXX wurden die BF vor dem BFA niederschriftlich einvernommen.

Die BF1 brachte zu den Fluchtgründen im Wesentlichen vor, dass es sein könnte, dass die BF2 "einen Burschen" aus der Verwandtschaft heiraten solle. Konkrete Daten könne die BF1 nicht angeben. Es handle sich um eine Vermutung ihrerseits, denn XXXX würden häufig im Verwandtenkreis heiraten. Sie könne den Namen eines Verwandten, den die BF2 heiraten könnte oder sollte, nicht angeben. Es gebe noch keinen konkreten Hinweis darauf. Es habe vor der Ausreise keine Verlobung der BF2 mit einem Verwandten gegeben und ebenso keinen Eheschließungstermin. Die Schwiegereltern der BF1 hätten gesagt, dass die BF1 "ein Niemand" wäre. Aus diesem Grunde hätten sie gestritten. Deshalb sei sie auch im XXXX ausgereist. Damals sei es ihr nicht gelungen, im Bundesgebiet zu bleiben. Sie hätte nach XXXX zurückkehren müssen und sei dann "lieber" doch wieder in ihre Heimat zurückgekehrt. Dort sei sie dann bis zur neuerlichen Ausreise im Jahre XXXX bei ihrer Familie geblieben.

Die BF2 gab zu den Fluchtgründen im Wesentlichen an, dass sie in ihrer Heimat nicht jung heiraten habe wollen, so wie sich ihr Vater dies vorgestellt habe. Sie sei nach Österreich gekommen, um hier eine gute Ausbildung zu erhalten und ihre Berufsvorstellungen zu verwirklichen.

Vorgelegt wurde ein Konvolut an Integrations- und medizinischen Unterlagen.

4.1. Mit den angefochtenen Bescheiden des BFA vom XXXX wurden die Anträge der BF auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG wurde den BF nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt III.). Weiters wurde ein dreijähriges Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.) und einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V).

4.2. Das BFA stellte amtswegig einen Rechtsberater zur Seite.

4.3. Mit Schriftsatz vom XXXX erhoben die BF durch ihren Rechtsvertreter binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde und brachten nach Wiederholung der Fluchtgründe im Wesentlichen vor, dass die BF aufgrund ihrer Verfolgung im Herkunftsstaat keine Existenzgrundlage aufbauen könnten. Hingewiesen wurde auf einen Bericht über die Situation der Frauen in XXXX . Die Beschwerdeführer seien gut im Bundesgebiet integriert. Aus genannten Gründen sei die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde unrichtig. Beantragt wurde neben der Durchführung einer mündlichen Verhandlung insbesondere auch die Behebung der Bescheide hinsichtlich der Spruchpunkte IV. und V. Vorgelegt wurde ein Konvolut an Integrations- und medizinischen Unterlagen, sowie Kopien russischer Dokumente.

4.4. Mit rechtskräftigem Teilerkenntnis des BVwG vom XXXX wurden die angefochtenen Bescheide im Umfang der Spruchpunkte IV. und V. behoben.

4.5. Das BVwG führte am XXXX eine öffentliche, mündliche Verhandlung unter Beiziehung einer geeigneten Dolmetscherin für die Sprache Russisch durch, an welcher die BF und ihre rechtsfreundliche Vertretung teilnahmen. Die BF wurden ausführlich zu ihrer Person und den Fluchtgründen befragt, es wurde ihnen Gelegenheit gegeben, die Fluchtgründe umfassend darzulegen sowie zu den im Rahmen der Verhandlung in das Verfahren eingeführten und ihnen mit der Ladung zugestellten Länderberichten Stellung zu nehmen.

Die BF1 legte folgende Unterlagen vor: Ein Zeugnis zur bestandenen Integrationsprüfung auf dem Niveau B1 vom XXXX (Beilagen ./A und ./C), eine Teilnahmebestätigung am Werte- und Orientierungskurs vom XXXX (Beilage ./B), Kursbesuchsbestätigungen über Deutschkurse auf dem Niveau B1 (Teil 1 und Teil 2) sowie B2 (Beilagen ./D und ./E), Stundenaufzeichnungen vom XXXX über die Arbeitstätigkeit der BF1 im Seniorenheim der XXXX zu je 20 Stunden/Monat à XXXX Euro (Beilage ./F), Vereinbarungen zwischen der XXXX und der BF1 über ihre gemeinnützige Beschäftigung in den Jahren XXXX (Beilage ./G), eine Arbeitsbestätigung des XXXX über die gemeinnützige Beschäftigung der BF1 vom XXXX (Beilage ./H), ein Foto der BF1 bei der Arbeit (Beilage ./I), ein Empfehlungsschreiben von " XXXX (Beilage ./J), ein Bestätigungsschreiben des XXXX über den Erhalt einer Zutrittskarte (Beilage ./K), diverse Fotos der BF (Beilage ./L), acht Unterstützungsschreiben aus dem Jahr XXXX (Beilage ./M) und eine Wohnungsanzeige (Beilage ./N).

Die BF2 legte folgende Unterlagen vor: Eine Schulbesuchsbestätigung der XXXX (Beilage ./O), eine Schulnachricht der XXXX (Beilage ./P), aktuelle Beurteilungen von Lehrkräften (Beilage ./Q), eine Schulnachricht und ein Jahreszeugnis der XXXX (Beilage ./R), ein Zeugnis zur bestandenen Integrationsprüfung auf dem Niveau B1 vom XXXX (Beilage ./S), sowie ein Bewerbungsschreiben für ein Praktikum im XXXX und einen Lebenslauf (Beilage ./T).

5. Das Bundesverwaltungsgericht führte eine Strafregisterabfrage durch. Es scheint keine Verurteilung auf.

II. Für das Bundesverwaltungsgericht ergibt sich daraus wie folgt:

1. Feststellungen

1.1. Zur Person der BF

1.1.1. Die BF1 ist eine russische Staatsangehörige und gehört der Volksgruppe der XXXX an. Sie ist in XXXX , geboren und hat dort - neben Aufenthalten in XXXX - den Großteil ihres Lebens verbracht. Sie ist muslimisch-sunnitischen Glaubens.

Die BF1 ist volljährig, im erwerbsfähigen Alter und spricht Russisch und XXXX . Sie hat im Herkunftsstaat XXXX Jahre lang die Grundschule und XXXX Jahre ein College besucht. Sie hat eine Ausbildung als Buchhalterin und als Krankenschwester genossen, im Herkunftsstaat in beiden Erwerbszweigen gearbeitet und so zum Unterhalt der Familie beigetragen.

Die Eltern, eine Schwester, eine Tante und zwei Onkel väterlicherseits, sowie zwei Onkel und vier Tanten mütterlicherseits der BF1 leben in der Stadt bzw. im Bezirk XXXX . Der Bruder der BF1 ist XXXX . Die Eltern der BF1 beziehen beide Alterspension, ihre Schwester ist karenzierte XXXX . Von den Verwandten XXXX ist die XXXX Pensionistin; ein Onkel geht einer ihr nicht näher bekannten Berufstätigkeit nach, der andere ist Pensionist. Von den Verwandten XXXX arbeitet XXXX , eine ist XXXX und eine ist XXXX sind Pensionisten. Darüber hinaus hat die BF1 XXXX Cousins und Cousinen im Herkunftsstaat, die teils erwerbstätig sind. Eine Schwester der BF1 lebt in Österreich und ist aufenthaltsberechtigt. Die BF1 hat Kontakt zu ihren Eltern und Geschwistern.

Die BF1 hat drei Töchter, ist verheiratet und lebt in Trennung zu ihrem Ehemann, welcher mit XXXX ihrer Töchter in XXXX lebt. Die BF1 hat zu einer dieser Töchter Kontakt.

1.1.2. Die BF2 ist die minderjährige Tochter der BF1 und ihres Ehemannes. Sie ist der Volksgruppe der XXXX zugehörig. Sie hat keinen Kontakt zu ihrem Vater.

1.1.3. Die BF leiden an keiner schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Erkrankung und sind strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zum Fluchtvorbringen der BF

Der BF2 droht in der Russischen Föderation keine Zwangsverheiratung. Die BF sind keiner konkreten, asylrelevanten Verfolgung bzw. Bedrohung im Herkunftsstaat Russische Föderation ausgesetzt.

1.3. Zur maßgeblichen Situation in der Russischen Föderation

Aus dem ins Verfahren eingeführten, mit der Ladung zugestellten und im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 27.03.2020 (in der Folge: LIB) zitierten Länderberichten zur Lage in der Russischen Föderation ergibt sich Folgendes:

1.3.1. Politische Lage - XXXX

XXXX ist hinsichtlich persönlicher Freiheiten besser gestellt als XXXX , bleibt allerdings eine der ärmsten Regionen Russlands, in der die Sicherheitslage zwar angespannt ist, sich in jüngerer Zeit aber verbessert hat (AA - Auswärtiges Amt (13.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation). Gründe für den Rückgang der Gewalt sind die konsequente Politik der Repression radikaler Elemente und das rigide Vorgehen der Sicherheitskräfte, aber auch die Abwanderung islamistischer Kämpfer in die Kampfgebiete in Syrien und in den Irak (ÖB Moskau (12.2018): Asylländerbericht Russische Föderation, vgl. AA 13.2.2019).

Was das politische Klima betrifft, gilt die Republik XXXX im Vergleich zu XXXX noch als relativ liberal. Die Zivilgesellschaft ist hier stärker vertreten als in XXXX (SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (4.2015): XXXX : Russlands schwierigste Teilrepublik).

Das Republiksoberhaupt XXXX ist ein altgedienter Funktionär und einer, der durch den Zugriff Moskaus auf XXXX - und nicht in Abgrenzung von der Zentralmacht - Ordnung, Sicherheit und wirtschaftliche Prosperität herstellen soll. Er gilt als Gegenmodell zu Kadyrows ungestümer Selbstherrlichkeit. Mit XXXX tritt jemand mit wirklich direktem Draht zur Zentralmacht XXXX auf (NZZ - Neue Zürcher Zeitung (12.2.2018): Durchgreifen in XXXX : Moskau räumt im XXXX auf).

1.3.2. Rechtsschutz / Justizwesen - XXXX

Das russische föderale Recht gilt für die gesamte Russische Föderation, einschließlich XXXX (EASO - European Asylum Support Office (3.2017): COI-Report Russian Federation - State Actors of Protection).

In XXXX hat sich der Rechtspluralismus - das Nebeneinander von russischem Recht, Gewohnheitsrecht (Adat) und Scharia-Recht - bis heute erhalten. Mit der Ausbreitung des Salafismus im traditionell sufistisch geprägten Dagestan in den 90er Jahren nahm auch die Einrichtung von Scharia-Gerichten zu. Grund für die zunehmende und inzwischen weit verbreitete Akzeptanz des Scharia-Rechts war bzw. ist u.a. das dysfunktionale und korrupte staatliche Justizwesen, das in hohem Maße durch Ämterkauf und Bestechung geprägt ist. Die verschiedenen Rechtssphären durchdringen sich durchaus: Staatliche Rechtsschutzorgane und Scharia-Gerichte agieren nicht losgelöst voneinander, sondern nehmen aufeinander Bezug. Auch die Blutrache wird im von traditionellen Clan-Strukturen geprägten XXXX angewendet. Zwar geht die Regionalregierung dagegen vor, doch sind nicht alle Clans bereit, auf die Institution der Blutrache zu verzichten (AA 13.2.2019).

1.3.3. Sicherheitsbehörden

Die nationale Polizei untersteht dem Innenministerium und ist in föderale, regionale und lokale Einheiten geteilt. Zivile Behörden halten eine wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte aufrecht. Obwohl es Mechanismen zur Untersuchung von Misshandlungen gibt, werden Misshandlungsvorwürfe gegen Polizeibeamte nur selten untersucht und bestraft. Straffreiheit ist weit verbreitet (US DOS - United States Department of State (13.3.2018): Jahresbericht zur Menschenrechtslage im Jahr 2018 - Russland).

Die regionalen Strafverfolgungsbehörden können Menschen auf der Grundlage von in ihrer Heimatregion erlassenen Rechtsakten auch in anderen Gebieten der Russischen Föderation in Gewahrsam nehmen und in ihre Heimatregion verbringen (AA 13.2.2019).

1.3.4. Relevante Bevölkerungsgruppen - Frauen im XXXX

Die Situation von Frauen im XXXX unterscheidet sich zum Teil von der in anderen Regionen Russlands (ÖB Moskau 12.2018). Verlässliche Statistiken gibt es kaum. Die Gewalt gegen Frauen bleibt in der Region ein Thema, dem von Seiten der Regional- und Zentralbehörden zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird. Erschwert wird die Situation durch die Ko-Existenz dreier Rechtssysteme in der Region - dem russischen Recht, dem Gewohnheitsrecht ("Adat") und der Scharia. Gerichtsentscheidungen werden häufig nicht umgesetzt, lokale Behörden richten sich mehr nach "Traditionen" als nach den russischen Rechtsvorschriften. Das Komitee zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau sprach im Rahmen seiner Empfehlungen an die Russische Föderation von einer "Kultur des Schweigens und der Straflosigkeit" (ÖB Moskau 12.2018). Außerdem weist sie auf eine Form der Polygamie hin, die zwar offiziell nicht zulässig, aber durch die Parallelität von staatlich anerkannter und inoffizieller islamischer Ehe faktisch möglich ist (AA 13.2.2019).

Gleichberechtigung ist in den islamisch geprägten Republiken ein kaum diskutiertes Thema. Frauenrechtsorganisationen engagieren sich, um dies zu ändern, doch es fehlt die Unterstützung durch Behörden. Die traditionellen XXXX Werte und Normen führen dennoch dazu, dass Frauenrechte im XXXX öfter verletzt würden als in anderen Regionen Russlands. XXXX sind starke Traditionen durchaus charakteristisch. Auch übt die Religion ihren Einfluss aus, denn die Rechte der Frau im Islam sind anders definiert als die Frauenrechte in der russischen Verfassung (RBTH - Russia beyond the headlines (22.6.2015): Frauenrechte im XXXX : Zwangsverheiratung und Ehrenmord).

Häusliche Gewalt, die überall in Russland ein großes Problem darstellt, gehört in den XXXX Republiken zum Alltag (Welt.de 14.2.2017). Zivilgesellschaftliche Initiativen widmen sich jedoch der Unterstützung XXXX Frauen (ÖB Moskau 12.2018).

Da die Registrierung mühsam ist und auch eine Scheidung verkompliziert, sind viele Ehen im XXXX nicht registriert. Eine Registrierung wird oft nur aus praktischen Gründen vorgenommen, beispielsweise in Verbindung mit dem ersten Kind. Der Imam kann eine muslimische Hochzeit auch ohne Anwesenheit des Bräutigams schließen, jedoch ist laut Scharia die Anwesenheit der Frau nötig (EASO - European Asylum Support Office (9.2014): Bericht zu Frauen, Ehe, Scheidung und Sorgerecht in XXXX (Islamisierung; häusliche Gewalt; Vergewaltigung; Brautentführung; Waisenhäuser).

1.3.5. Bewegungsfreiheit

In der Russischen Föderation herrscht Bewegungsfreiheit sowohl innerhalb des Landes als auch bei Auslandsreisen, ebenso bei Emigration und Repatriierung (US DOS 13.3.2019).

1.3.6. Grundversorgung - XXXX

Die XXXX Republiken stechen unter den Föderationssubjekten Russlands durch einen überdurchschnittlichen Grad der Verarmung und der Abhängigkeit vom föderalen Haushalt hervor. Die Haushalte XXXX werden noch immer zu über 80% von Moskau finanziert (GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (5.2019a): Russland, Geschichte und Staat; vgl. ÖB Moskau 12.2018), obwohl die föderalen Zielprogramme für die Region mittlerweile ausgelaufen sind. Dennoch hat sich die Lage im XXXX verbessert, wenngleich es verfrüht erscheint, von einer nachhaltigen Stabilisierung zu sprechen. Wenngleich die föderalen Transferzahlungen wichtig bleiben, konnten in den vergangenen Jahren dank des massiven Engagements der Föderalen Behörden, insbesondere des XXXX -Ministeriums, signifikante Fortschritte bei der sozio-ökonomischen Entwicklung der Region erzielt werden (ÖB Moskau 12.2018).

1.3.7. Sozialbeihilfen

Die Russische Föderation hat ein reguläres Sozialversicherungs-, Wohlfahrts- und Rentensystem. Leistungen hängen von der spezifischen Situation der Personen ab; eine finanzielle Beteiligung der Profitierenden ist nicht notwendig. Alle Leistungen stehen auch Rückkehrern offen (IOM - International Organisation of Migration (2018): Länderinformationsblatt Russische Föderation).

1.3.8. Medizinische Versorgung

Medizinische Versorgung wird von staatlichen und privaten Einrichtungen zu Verfügung gestellt. StaatsbürgerInnen haben im Rahmen der staatlich finanzierten, obligatorischen Krankenversicherung (OMS) Zugang zu einer kostenlosen medizinischen Versorgung (IOM 2018, vgl. ÖB Moskau 12.2018). Jede/r russische Staatsbürger/in, egal ob er einer Arbeit nachgeht oder nicht, ist von der Pflichtversicherung erfasst (ÖB Moskau 12.2018).

Wie jedes Subjekt der Russischen Föderation hat auch XXXX eine eigene Gesundheitsverwaltung, die die regionalen Gesundheitseinrichtungen (spezialisierte und zentrale Krankenhäuser, Tageseinrichtungen, diagnostische Zentren und spezialisierte Notfallambulanzen, etc.) managt. Auch in XXXX gibt es sowohl öffentliche als auch private Gesundheitseinrichtungen. Öffentliche Einrichtungen haben keine offiziellen Preislisten ihrer Behandlungen, da prinzipiell Untersuchungen, Behandlungen und Konsultationen gratis sind. Jedoch muss auf die informelle Zuzahlung hingewiesen werden (beispielsweise, um die Wartezeit zu verkürzen). Die Zahlungen sind jedoch geringer als in privaten Institutionen. Die Qualität der Behandlung ist in öffentlichen Einrichtungen nicht schlechter - viele Fachärzte arbeiten sowohl in öffentlichen als auch privaten Einrichtungen. Die Ausstattung und die Geräte sind meist in privaten Einrichtungen besser (BDA - Belgium Desk on Accessibility (25.3.2016): Accessibility of healthcare: Dagestan, Country Fact Sheet via MedCOI).

Wenn eine Behandlung in einer Region nicht verfügbar ist, gibt es die Möglichkeit, dass der Patient in eine andere Region, wo die Behandlung verfügbar ist, überwiesen wird (BDA - Belgium Desk on Accessibility (31.3.2015): Accessibility of healthcare: Dagestan, Country Fact Sheet via MedCOI).

1.3.9. Rückkehr

Zur allgemeinen Situation von Rückkehrern, insbesondere im XXXX , kann festgestellt werden, dass sie vor allem vor wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen stehen. Dies betrifft vor allem die im Vergleich zum Rest Russlands großen wirtschaftlichen Probleme sowie die damit einhergehende Arbeitslosigkeit im XXXX . Hinzu kommen bürokratische Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Dokumenten, die oft nur mit Hilfe von Schmiergeldzahlungen überwunden werden können. Die wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen betreffen weite Teile der russischen Bevölkerung und können somit nicht als spezifisches Problem von Rückkehrern bezeichnet werden. Besondere Herausforderungen ergeben sich für Frauen aus dem XXXX , zu deren Bewältigung zivilgesellschaftliche Initiativen unterstützend tätig sind. Eine allgemeine Aussage über die Gefährdungslage von Rückkehrern in Bezug auf mögliche politische Verfolgung durch die russischen bzw. die XXXX Behörden kann nicht getroffen werden, da dies stark vom Einzelfall abhängt. Aus informierten Kreisen mit direktem Praxisbezug war zu erfahren, dass Rückkehrer gewöhnlich nicht mit Diskriminierung seitens der Behörden konfrontiert sind (ÖB Moskau 12.2018).

Es besteht keine allgemeine Gefährdung für die körperliche Unversehrtheit von Rückkehrern in den XXXX (ÖB Moskau 12.2018). Der Kontrolldruck gegenüber XXXX aussehenden Personen ist aus Angst vor Terroranschlägen und anderen extremistischen Straftaten erheblich. Russische Menschenrechtsorganisationen berichten von häufig willkürlichem Vorgehen der Polizei gegen XXXX allein wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit. XXXX aussehende Personen stünden unter einer Art Generalverdacht. Personenkontrollen und Hausdurchsuchungen (häufig ohne Durchsuchungsbefehle) finden weiterhin statt (AA 13.2.2019).

1.4. Zur Situation der BF im Falle einer Rückkehr

1.4.1. Den BF ist eine Rückkehr in die Russische Föderation - etwa in den Herkunftsort XXXX - zumutbar, zumal sie ebendort über zahlreiche familiäre Anknüpfungspunkte verfügen und von einer Unterstützung durch die Familie auszugehen ist.

1.4.2. Im Falle einer Rückkehr würden sie in keine existenzgefährdende Notlage geraten bzw. es würde ihnen nicht die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen werden. Sie laufen folglich nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose Situation zu geraten. Es ist davon auszugehen, dass die BF Unterstützung durch ihre Familie und Verwandten in der Russischen Föderation erhalten werden.

1.4.3. Im Falle einer Abschiebung in den Herkunftsstaat sind die BF nicht in ihrem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht.

1.4.4. Außergewöhnliche Gründe, die eine Rückkehr ausschließen, konnten nicht festgestellt werden.

1.5. Zur Situation der BF in Österreich

1.5.1. Die BF reisten erstmals im XXXX illegal in das Bundesgebiet ein und kehrten XXXX wieder freiwillig nach XXXX zurück. Im XXXX reisten die BF erneut mithilfe eines XXXX Visums in Österreich ein und leben seither im Familienverband in einem gemeinsamen Haushalt. Eine Schwester der BF1 lebt im Bundesgebiet und es besteht regelmäßiger Kontakt mit dieser.

1.5.2. Die BF1 trägt seit ihrer Einreise dafür Sorge, dass sie selbst und ihre Tochter, die BF2, sich in die österreichische Gesellschaft eingliedern. Sie hat sehr gute Deutschkenntnisse und zuletzt eine Integrationsprüfung auf dem Niveau B1 absolviert. Sie kann mühelos eine Konversation in deutschen Sprache auf höherem Niveau führen. Die BF1 ist in ihrer Gemeinschaft sozial integriert und seit XXXX Jahren auf gemeinnütziger Basis im örtlichen Seniorenheim tätig. Die BF1 beschäftigt sich mit zukünftigen Erwerbs- und Wohnmöglichkeiten in Österreich. Für den Fall eines Verbleibes im Bundesgebiet wird sie auch selbstständig für den Lebensunterhalt der BF sorgen können. Sieverfügt über eine mündliche Anstellungszusage für die Vollzeitanstellung als Reinigungskraft in jenem Seniorenheim mit einem XXXX . Die BF1 hat einen breiten Freundes- und Bekanntenkreis, der sich - aufgrund ihres hohen Engagements in der Gemeinschaft - für ihren Verbleib im Bundesgebiet einsetzt und sie als unverzichtbares Mitglied ansieht.

1.5.3. Die BF2 ist die minderjährige Tochter der BF1, die auch im Familienverband und im gemeinsamen Haushalt mit der BF1 lebt. Sie spricht mühelos und flüssig Deutsch und hat ebenso die Integrationsprüfung auf dem Niveau B1 bestanden. Sie besuchte eine XXXX und befindet sich nun in der XXXX . Die BF2 hat einen Freundeskreis im Bundesgebiet, mit dem sie ihre Freizeit verbringt, geht hier ihren Hobbies und Interessen nach und ist in ihrer Gemeinschaft aktiv. Sie hat Aussicht auf die Absolvierung eines Arbeitspraktikums im XXXX .

1.5.4. Bei den BF liegt eine außerordentliche Integration mit hohem Steigerungspotenzial vor.

2. Beweiswürdigung

2.1. Zur Person der BF

2.1.1. Die Identität der BF steht aufgrund der Vorlage entsprechender Dokumente im Erstverfahren und dem ausgestellten XXXX Schengenvisum fest.

2.1.2. Die Feststellungen zur Staats-, Volkgruppen- und Religionszugehörigkeit der BF gründen sich im Übrigen auf die insoweit glaubhaften Angaben in den bisherigen Befragungen sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG bzw. den Kenntnissen der russischen und XXXX Sprachen der BF.

2.1.3. Die Feststellungen über den Geburts- und die Aufenthaltsorte der BF1 (Niederschrift der mündlichen Verhandlung (in der Folge: NSV) S. 10f), ihre schulische und berufliche Ausbildung sowie ihre Erwerbstätigkeit als XXXX (AS 1 und 173; NSV S. 11 und 15) ergeben sich ebenso aus ihren glaubhaften Angaben.

2.1.4. Die Feststellungen über den Aufenthalt und die Erwerbstätigkeit bzw. den Alterspensionsbezug der Eltern, der Schwester und der weiteren Verwandtschaft der BF1 sowie zum Ableben ihres Bruders folgen ihren glaubhaften Angaben (AS 174; NSV S. 13f). Die Feststellung zum Aufenthalt der zweiten Schwester in Österreich, gründet sich ebenso auf den Angaben der BF1 (NSV S. 20) und einem aktuellen Melderegisterauszug. Dass die BF1 mit ihren Eltern und Geschwistern in Kontakt steht, ist gleichfalls Folge ihrer Angaben (NSV S. 14).

2.1.5. Dass die BF1 verheiratet ist, aber getrennt von ihrem Ehemann lebt, ist Folge ihrer insoweit glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung (NSV S. 11f).

Die Behauptung der BF1 in der Einvernahme durch das BFA, wonach ihr Ehemann eine andere Frau geheiratet habe und im XXXX ohne die gemeinsamen Töchter nach XXXX gezogen sei (AS 177), ist hingegen nicht glaubhaft. Zum einen konnte die BF2 in ihrer Einvernahme beim BFA beides nicht bestätigen (AS 82), zum anderen revidierte die BF1 in der mündlichen Verhandlung selbst ihre vormalige Aussage und gab nun an, dass ihr Ehemann - zusammen mit den XXXX in der Russischen Föderation aufhältigen gemeinsamen Töchtern - in XXXX lebe (NSV S. 12). Die weiteren Ausführungen der BF1, wonach sie nach ihrer Ausreise nach Österreich von letztlich unbekannten Personen erfahren habe, dass ihr Mann eine andere Frau geheiratet hätte und gemeinsam mit ihr und den XXXX Töchtern der BF1 nach XXXX ausgereist sei (NSV S. 12f), konnten diesen Widerspruch einerseits nicht erklären, und erzeugten andererseits zusätzliche Widersprüche, gab die BF1 doch in der Einvernahme durch das BFA noch an, dass ihr Mann mit seiner "neuen" Frau, aber ohne die Töchter der BF1, bereits im XXXX - also vor der Ausreise der BF1 - nach XXXX gezogen sei. Folglich war festzustellen, dass der Ehemann der BF1 mit XXXX gemeinsamen Töchtern weiterhin in XXXX lebt.

Dass ihr Ehemann inzwischen mit einer anderen Frau verheiratet sei, konnte dementsprechend nicht festgestellt werden.

Dass die BF1 zumindest mit einer ihrer bei ihrem Ehemann lebenden Töchter Kontakt hat, ergibt sich aus ihren glaubhaften und detaillierten Angaben in der mündlichen Verhandlung (NSV S. 13) und finden Deckung in den Angaben der BF2 in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG (NSV S. 27).

2.1.6. Die Feststellungen zur BF2 ergeben sich aus dem unbestrittenen Akteninhalt.

2.1.7. Dass die BF an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten leiden, stützt sich auf die glaubhaften Angaben der BF1 und der BF2 im Rahmen der mündlichen Verhandlung (NSV S. 8f, 23 und 26). Es hat sich aufgrund des Gesamteindruckes der BF in der mündlichen Verhandlung auch kein Hinweis ergeben daran zu zweifeln, weshalb keine Veranlassung bestand von Amts wegen eine Begutachtung des Gesundheitszustands vorzunehmen.

2.1.8. Dass die BF strafgerichtlich unbescholten sind, ergibt sich aus einem Auszug aus dem österreichischen Strafregister.

2.2. Zum Fluchtvorbringen

2.2.1. Die Feststellung, dass die BF keiner konkreten, asylrelevanten Verfolgung bzw. Bedrohung im Herkunftsstaat Russische Föderation ausgesetzt sind, ergibt sich daraus, dass das Fluchtvorbringen der BF nicht glaubhaft ist.

2.2.2. So gründet sich das gesamte Vorbringen der BF über eine drohende Zwangsverheiratung der BF2 auf bloße Vermutungen und war dementsprechend vage, widersprüchlich und nicht nachvollziehbar. Darüber hinaus steigerte die BF1 im Laufe des Verfahrens ihr Vorbringen.

2.2.2.1. Im Rahmen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, brachte die BF1 lediglich sehr allgemein gehalten vor, dass bei "ihnen" Mädchen zwangsverheiratet werden würden und die BF1 Angst habe, dass ihre Tochter, die BF2, Opfer dieses Brauchs werden würde (AS 11).

Ebenso vage blieb die BF1 in der Einvernahme durch das BFA, wo sie ausführte: "Es könnte sein, dass meine Tochter einen Burschen aus der Verwandtschaft heiraten sollte. Konkrete Daten kann ich leider nicht angeben. Es handelt sich um eine Vermutung meinerseits, denn XXXX heiraten häufig im Verwandtenkreis. Ich kann den Namen eines Verwandten, den meine Tochter heiraten könnte oder sollte, leider nicht angeben, es gibt noch keinen konkreten Hinweis darauf. Es gab vor der Ausreise keine Verlobung meiner Tochter (mit einem Verwandten) und auch keinen Eheschließungstermin. Meine Schwiegereltern sagten, dass meine Tochter heiraten sollte, wenn sie XXXX Jahre alt ist." (AS 176). Die BF1 und die BF2 seien nie persönlich bedroht worden (AS 176f). Im weiteren Verlauf der Einvernahme gab die BF1 weiters an, dass sie befürchte, von ihrem Ehemann umgebracht zu werden, da sie gemeinsam mit der Tochter die Heimat verlassen habe (AS 177).

Die BF2 wiederum gab in der Einvernahme zunächst an, nichts von einer Zwangsverheiratung zu wissen. Sie habe mit ihren Schwestern und ihrer Mutter gemeinsam bei den Eltern der BF1 gelebt (AS 81). Sodann brachte die BF2 hierzu widersprüchlich vor, dass ihr Vater gewollt habe, dass sie heirate, es aber keinen konkreten Heiratspartner gäbe (AS 81f). Die BF2 habe nicht jung heiraten wollen, sie sei jedoch nie bedroht worden (AS 83).

Auch in der mündlichen Verhandlung konnten die BF keine Details dem Vorbringen einer Zwangsverehelichung nennen.

2.2.2.2. Die BF1 hingegen steigerte in der mündlichen Verhandlung ihr Fluchtvorbringen und widersprach dadurch ihren Angaben beim BFA.

So brachte sie in dieser vor, dass sie "wusste", dass man die BF2 verheiraten werde. Die BF2 hätte eine Zweitfrau werden sollen. Die BF1 habe aber nicht gewusst, wer der Ehemann werden solle (NSV S. 16). Konkrete Details für diese Behauptung konnte die BF1 aber neuerlich nicht dartun, die diesbezüglichen Angaben waren insgesamt vage.

Weiters führte die BF1 erstmals aus, dass Verwandte ihres Ehemannes bei der Polizei im Herkunftsstaat Positionen innehaben würden. So sei der Mann der Schwester ihres Ehemannes etwa " XXXX " . "Sie" hätten der BF1 gedroht, dass sie nirgends mit ihren Kindern Unterkunft finden könne (NSV S. 17). Letztlich gab die BF1 in einer gesteigerten Variante an, dass sie wisse, dass man sie umbringen werde oder sie ins Gefängnis komme. "Man" habe ihr gesagt, dass sie der Familie Schande gebracht habe, weil sie ihretwegen ihr Wort nicht halten hätten können. Ihre Schwiegermutter habe ihr gedroht, dass man sie umbringen werde bzw. sie ins Gefängnis bringen werde. "Alle" hätten sich versammelt. Die BF1 sei "in der Mitte" gesessen. "Sie" hätten der BF1 gesagt, dass sie umgebracht werde oder im Gefängnis lande, wenn sie versuche, die Kinder mit sich zu nehmen oder sie zu entführen (NSV S. 18).

Weshalb all dies nicht schon zuvor - sei es in der Einvernahme durch das BFA, sei es im Beschwerdeschriftsatz oder zumindest einer Stellungnahme - vorgebracht wurde, ist nicht nachvollziehbar. Diese gesteigerten Behauptungen sind zudem nicht nur sehr vage, sondern stehen auch im Widerspruch zum bisherigen Vorbringen der BF1. So ergab sich zum einen ein offenkundiger und gravierender Widerspruch zum Vorbringen der BF1 in der Einvernahme durch das BFA, nie persönlich bedroht worden zu sein. Zum anderen ist die in der Vergangenheit gehaltene Formulierung der BF1, wonach man ihr gesagt habe, dass sie (bereits) der Familie Schande gebracht habe, weil sie ihr Wort nicht halten hätten können, nicht nachvollziehbar, wenn die BF doch erst nach dieser behaupteten Drohung ausgereist seien und sich diese "Schande" erst dadurch realisiert hätte, zumal darüber hinaus nach dem Vorbringen der BF1 kein konkreter Ehemann festgestanden sei und somit auch kein diesbezügliches Versprechen gebrochen hätte werden können.

2.2.2.3. Das weitere Vorbringen der BF war ebenfalls weder glaubhaft noch nachvollziehbar.

Zunächst ist das Vorbringen der BF1 in der Einvernahme durch das BFA, aus dem Grund der drohenden Zwangsverheiratung der BF2 schon XXXX nach Österreich gekommen zu sein (AS 176), nicht schlüssig. Unabhängig davon, dass die BF1 damals zusammen mit ihrem Ehemann, von welchem die Bedrohung (auch) ausgehe, nach Österreich einreiste und bei einem Vergleich mit dem Akt zum Erstverfahren eindeutig einen anderen Fluchtgrund angab, spricht die unvermittelte freiwillige Rückkehr in die Heimat noch im selben Jahr aufgrund einer damals festgestellten Unzuständigkeit Österreichs im Rahmen der Dublin-VO und das anschließende Verbleiben der BF in ihrer Heimat für weitere XXXX nicht für das Bestehen einer tatsächlichen Bedrohungslage.

So wurde die BF1 auch in der mündlichen Verhandlung dreimal gefragt, weshalb ihre Tochter nicht bei den Eltern der BF1 sicher gewesen wäre. Neben jenen, den Fragen ausweichenden Antworten der BF1 ("Sie sind gekommen und ich war dort. Sie hätten jede Zeit rein kommen können."), begründete sie dies äußerst vage damit, dass es bei ihren Eltern "nicht ungefährlich" sei (NSV S. 16f). Mangels weitergehender Ausführungen war aber nicht nachzuvollziehen, worin diese Gefahr liege, zumal die BF bereits dort gelebt hätten, bis dahin im Verfahren keine konkreten Bedrohungen vorbrachten und die BF2 auch bis zur Ausreise unbeschwert die Schule in XXXX besuchte habe (AS 81 der BF2).

Hätte tatsächlich die Gefahr einer Entführung und Zwangsverheiratung der BF2 spätestens ab dem Alter von XXXX Jahren bestanden (NSV S. 16), ist auch nicht nachvollziehbar, weshalb die BF bis XXXX offenkundig ihr Leben uneingeschränkt weiterführen konnten, obwohl die BF2 zu jenem Zeitpunkt schon über XXXX Jahre alt war.

In einer Gesamtbetrachtung sind auch die Angaben der- wenngleich minderjährigen - BF2 in der Einvernahme durch das BFA nicht nachvollziehbar, vor der Ausreise gemeinsam mit ihren Schwestern, ihrer Mutter und ihren Großeltern in einem Haus gelebt zu haben (AS 81). Dies widerspricht dem Vorbringen, dass die beiden anderen Töchter der BF1 bei ihrem Ehemann leben würden. Es ist somit nicht schlüssig, weshalb die BF1 nur mit ihrer ältesten Tochter, der BF2, ausreiste.

2.2.3. Die BF konnten somit keine konkreten Ereignisse bzw. Verfolgungshandlungen, keine zeitliche Einordnung und auch keine konkreten Verfolger nennen, zumal die behauptete Gefahr vom Ehemann, dessen Verwandtschaft, den Schwiegereltern der BF1 oder auch den Ältesten ausgegangen sei. Vielmehr gaben beide BF in einer Gesamtbetrachtung aller Angaben im Verfahren gleichlautend an, nie bedroht worden zu sein. Die BF waren somit nicht in der Lage, die vorgebrachten Mutmaßungen durch nähere Details glaubhaft zu machen. Auch vor dem Hintergrund der obzitierten Länderberichte, denen nicht substantiiert entgegengetreten wurde, war das Vorbringen der BF nicht objektivierbar.

2.2.4. Insgesamt waren die BF daher nicht in der Lage, den Eindruck zu vermitteln, über tatsächlich erlebte Geschehnisse zu schildern, zumal auch den Ausführungen der BF1 über ihren Ehemann in weiten Teilen kein Glauben geschenkt werden konnte (s. Punkt 2.1.5.). Die BF1 gab selbst in der mündlichen Verhandlung an, keine anderen Fluchtgründe zu haben (NSV S. 16) und es sind auch vor dem Hintergrund der ins Verfahren eingebrachten Länderberichte solche für die BF nicht hervorgekommen.

2.3. Zu den Feststellungen der maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat

Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat ergeben sich aus dem im LIB wiedergegebenen und zitierten Länderberichten. Diese gründen sich auf den jeweils angeführten Berichten angesehener staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen. Angesichts der Seriosität der Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht für das BVwG kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, zumal ihnen nicht substantiiert entgegengetreten wurde. Die konkret den Feststellungen zugrundeliegenden Quellen wurden unter II.1.3. zitiert.

2.4. Zur Rückkehrsituation der BF

2.4.1. Die BF1 verfügt in der Stadt und im gleichnamigen Bezirk XXXX über ihre Familie und Verwandtschaft. Ihre Eltern leben in einem eigenen Haus und beziehen Alterspension (NSV S. 13f), ihre Schwester ist XXXX (NSV S. 14). Von den Verwandten väterlicherseits ist die Tante Pensionistin; ein Onkel geht einer ihr nicht näher bekannten beruflichen Tätigkeit nach, der andere ist Pensionist. Von den Verwandten mütterlicherseits arbeitet eine Tante beim Magistrat der Stadt XXXX , eine Tante ist Pensionistin und eine weitere Bibliothekarin; beide Onkel sind Pensionisten. Darüber hinaus hat die BF1 XXXX Cousins und Cousinen, die teils erwerbstätig sind (AS 174). Es ist daher zweifelsohne von einer hinreichenden Möglichkeit der Unterstützung im Falle der Rückkehr der BF auszugehen, zumal die BF wieder bei den Eltern der BF1 Unterkunft finden könnten. Darüber hinaus verfügt die BF1 über eine schulische und eine Berufsausbildung und war bereits erwerbstätig (AS 1 und 173; NSV S. 11 und 15) und konnte so bereits zuvor zum Unterhalt der Familie beitragen. Zusätzlich ist auch die BF2 mittlerweile im erwerbsfähigen Alter und kein Grund ersichtlich, weshalb sie nicht zum Erhalt der BF beitragen könnte, zumal sie über eine schulische bzw. berufsbildende Ausbildung verfügt.

2.4.2. Dass im Falle einer Abschiebung in den Herkunftsstaat die BF in ihrem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht wären, ist - zumal aufgrund der Unglaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens - vor dem Hintergrund der Länderberichte nicht objektivierbar.

2.4.3. Sonstige außergewöhnliche Gründe, die einer Rückkehr entgegenstehen, haben die BF nicht angegeben und sind auch vor dem Hintergrund der zitierten Länderberichte nicht hervorgekommen.

2.5. Zur Situation der BF in Österreich

2.5.1. Die Feststellung über den Einreisezeitpunkt der BF ergibt sich aus den Angaben der BF1 in der Erstbefragung (AS 1ff). Dass diese Einreise legal mittels eines XXXX Schengenvisums erfolgte, wurde zwar von der BF1 zunächst bestritten (AS 9), steht allerdings aufgrund der entsprechenden Mitteilung der XXXX Behörden (AS 4) fest. Dass die BF im gemeinsamen Haushalt leben, ergibt sich aus ihren Angaben im Verfahren und einem aktuellen Melderegisterauszug. Dass die Schwester der BF1 ebenfalls im Bundesgebiet lebt und regelmäßiger Kontakt zu ihr besteht, folgt aus den Angaben der BF1 in der mündlichen Verhandlung (NSV S. 20) und einem aktuellen Melderegisterauszug.

2.5.2. Die Feststellungen zur gefestigten Integration der BF ergeben sich aus den zahlreichen in Vorlage gebrachten Unterlagen.

Hinsichtlich der BF1 waren dies insbesondere folgende Unterlagen: Zeugnisse über die bestandenen Deutschprüfungen auf dem Niveau A1 vom XXXX und dem Niveau A2 vom XXXX (AS 183 und 203), ein Zeugnis zur bestandenen Integrationsprüfung auf dem Niveau B1 vom XXXX (Beilagen ./A und ./C), Stundenaufzeichnungen vom XXXX über die Arbeitstätigkeit der BF1 im Seniorenheim der XXXX zu je 20 Stunden/Monat à XXXX Euro (Beilage ./F), Vereinbarungen zwischen der Marktgemeinde XXXX und der BF1 über ihre gemeinnützige Beschäftigung in den XXXX (Beilage ./G), eine Arbeitsbestätigung des Seniorenheims der Marktgemeinde XXXX über die gemeinnützige Beschäftigung der BF1 vom XXXX (Beilage ./H), ein Bestätigungsschreiben des XXXX vom XXXX über den Erhalt einer Zutrittskarte (Beilage ./K), diverse Fotos der BF (Beilage ./L) und eine Wohnungsanzeige (Beilage ./N).

Hinsichtlich der BF2 waren dies insbesondere folgende Unterlagen: Schulnachrichten und ein Jahreszeugnis der XXXX (AS 93ff), Schulnachrichten und ein Jahreszeugnis der XXXX zu den XXXX sowie eine Schulbesuchsbestätigung vom XXXX (Beilagen ./P, ./R und ./O), ein informelles Beurteilungsschreiben der XXXX (AS 213), ein "Kompetenz-Profil" der XXXX (AS 339f), eine aktuelle Beurteilungen von Lehrkräften der XXXX (Beilage ./Q), ein Zeugnis zur bestandenen Integrationsprüfung auf dem Niveau B1 vom XXXX (Beilage ./S), sowie ein Bewerbungsschreiben für ein Praktikum im XXXX und ein Lebenslauf (Beilage ./T).

Schließlich waren noch die zahlreichen Empfehlungsschreiben für die BF zu würdigen (AS 209, 215f, 609, 611, Beilage ./J, Beilage ./M).

Auch konnte sich das Gericht in der mündlichen Verhandlung von den Deutschkenntnissen der BF1 (NSV S. 19f) und der BF2 (NSV S. 28f) selbst überzeugen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zum Spruchteil A)

3.1.1. Zu den Beschwerden gegen Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide

3.1.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

3.1.1.2. Flüchtling iSd. Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist demnach, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen."

Der zentrale Aspekt des Flüchtlingsbegriffs der GFK somit die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Zu fragen ist daher nicht danach, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074).

3.1.1.3. Das individuelle Vorbringen eines Asylwerbers ist ganzheitlich unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens zu würdigen (vgl. VwGH 26.11.2003, Ra 2003/20/0389).

3.1.1.4. Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an (vgl. VwGH 30.09.2015, Ra 2015/19/0066). Es ist demnach für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass der BF bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung ("Vorverfolgung") für sich genommen nicht hinreichend. Selbst wenn daher BF im Herkunftsstaat bereits asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war, ist entscheidend, dass sie im Zeitpunkt der Entscheidung (der Behörde bzw. des VwG) weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (vgl. VwGH 13.12.2016, Ro 2016/20/0005); die entfernte Gefahr einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074).

3.1.1.5. Auch wenn in einem Staat allgemein schlechte Verhältnisse bzw. sogar bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen sollten, so liegt in diesem Umstand für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr iSd Genfer Flüchtlingskonvention. Um asylrelevante Verfolgung erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (vgl. VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).

3.1.1.6. Umgelegt auf den gegenständlichen Fall folgt hieraus, dass, wie bereits in der Beweiswürdigung ausführlich dargelegt wurde, die BF in Bezug auf ihren vorgebrachten Fluchtgrund persönlich unglaubwürdig waren.

Da die Glaubhaftmachung ein wesentliches Tatbestandsmerkmal für die Gewährung von Asyl ist, ist es den BF nicht gelungen, einen aus dem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Grund einer aktuell drohenden Verfolgung maßgeblicher Intensität schlüssig darzulegen. Die Angaben im Zuge des gesamten Verfahrens sind nicht hinreichend konsistent, sondern vielmehr überwiegend vage und widersprüchlich. Es ist nicht nachvollziehbar, warum sie einer ernstlichen Bedrohung ausgesetzt seien bzw. Gefahr liefen, Übergriffe zu erleiden.

Die BF konnten weiters auch nicht substantiiert angeben, dass eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung im Herkunftsstaat gegeben ist bzw. diese mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht. Die durch die BF konkret ins Treffen geführten Gründe beziehen sich im Wesentlichen pauschal darauf, dass die BF2 möglicherweise zwangsverheiratet werden könnte und aufgrund der Flucht der BF XXXX diese jetzt verfolgt werden würden. Wie bereits in der Beweiswürdigung dargelegt, ist dieses Fluchtvorbringen zur Gänze nicht glaubhaft. Die BF konnten auch nicht hinreichend darlegen, worauf sich die Furcht - so viele Jahre nach der Ausreise aus der Russischen Föderation - konkret begründen könnte, zumal die BF selbst keine aktuelle Bedrohung ins Treffen führten.

Es sind auch keine Hinweise vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen hervorgekommen, dass die BF in der Russischen Föderation nach objektiver Wahrscheinlichkeit sonstigen ernstlichen Bedrohungen ausgesetzt wäre, die als asylrelevant zu qualifizieren sind.

Die Abweisung der Anträge auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten durch das BFA ist daher im Ergebnis nicht zu beanstanden.

3.1.2. Zu den Beschwerden gegen Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide

3.1.2.1. Wird ein Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten abgewiesen, so ist dem Fremden gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß Art. 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

Unter realer Gefahr ist eine ausreichend echte, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr ("a sufficiently real risk") möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. VwGH vom 19.02.2004, 99/20/0573). Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre. Weiters müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus.

Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen, die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu gelangen.

Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können nur besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaats im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen (VwGH 25.04.2017, Ra 2017/01/0016).

Abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde, obliegt es grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. VwGH vom 23.02.2016, Ra 2015/01/0134 - mit Verweis auf EGMR vom 5.09.2013, I. vs. Schweden, Nr. 61204/09).

Es sind keine Umstände amtsbekannt, dass in der Russischen Föderation und im Speziellen in XXXX aktuell eine solche extreme Gefährdungslage bestünde, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung iSd Art. 2 und 3 EMRK ausgesetzt wäre. Die Situation im Herkunftsstaat ist auch nicht dergestalt, dass eine Rückkehr für die BF als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde. Geeignete Hinweise eines individuellen Risikos konnten durch die BF nicht dargelegt werden.

3.1.2.2. Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände ("exceptional circumstances") vorliegen (vgl. EGMR vom 06.02.2001, Nr. 44599/98, Bensaid v United Kingdom; VwGH vom 21.08.2001, 2000/01/0443). Außergewöhnlicher Umstände liegen vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben. Sie liegen aber auch dann vor, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes ausgesetzt zu sein, die zu intensiven Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat aber kein Fremder das Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich. Allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind. (VwGH vom 23.3.2017, Ra 2017/20/0038- mit Verweis auf EGMR vom 13.12.2016, Paposhvili gg Belgien, Nr. Nr. 41738/10).

Im gegenständlichen Fall haben sich ausgehend von der Feststellung, dass die BF an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung leiden, sondern gesund sind, keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend ergeben, wonach sie unmittelbar nach erfolgter Rückkehr allenfalls drohenden Gefahren nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht ausgesetzt wären. Sie brachten auch keinerlei substantiellen Rückkehrbefürchtungen in Zusammenhang mit gesundheitlichen Beschwerden vor. Das BVwG sah sich aufgrund der Angaben der BF in der mündlichen Verhandlung auch vor dem Hintergrund der vorgelegten Befunde nicht veranlasst, von Amts wegen eine Begutachtung des Gesundheitszustands der BF vorzunehmen (vgl. VwGH jüngst vom 01.07.2019, Ra 2019/14/0274).

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich bei objektiver Gesamtbetrachtung für die BF mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit das reale Risiko einer derart extremen Gefahrenlage ergeben würde, die im Lichte der oben angeführten Rechtsprechung einen außergewöhnlichen Umstand darstellen und somit einer Rückführung in den Herkunftsstaat entgegenstehen würde. Die bloße Möglichkeit, dass sich eine Krankheit in der Zukunft ergeben könnte, ist hierbei nicht ausreichend.

3.1.2.3. Den BF droht im Herkunftsstaat weder durch direkte Einwirkung, noch durch Folgen einer substanziell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der nach Art. 2 und 3 EMRK gewährleisteten Rechte. Auch sind keinerlei Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für die BF als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, hervorgekommen.

Die BF1 verfügt über eine schulische Bildung, eine Berufsausbildung als XXXX sowie Arbeitserfahrung in diesen Bereichen und war bereits vor der Ausreise in der Lage, zum Lebensunterhalt der Familie beizutragen. Die XXXX volljährige BF2 verfügt ebenfalls über Schulbildung, die sie zum Teil auch in der Russischen Föderation absolvierte. Die BF sind mit den Lebensgewohnheiten des Herkunftsstaates vertraut. Die BF haben zudem familiäre Anknüpfungspunkte durch die Eltern und die Schwester der BF1 sowie ihre breite Verwandtschaft. Auch konnte nicht festgestellt werden, dass im Herkunftsstaat eine dermaßen schlechte, wirtschaftliche oder allgemeine (politische) Situation herrschen würde, die für sich genommen bereits die Zulässigkeit der Abschiebung als unrechtmäßig erscheinen ließe.

Vor diesem Hintergrund kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass ihnen im Falle einer Rückführung in den Herkunftsstaat jegliche Existenzgrundlage fehlen würde (vgl. VwGH 16.7.2003, 2003/01/0059) und die BF daher in Ansehung existenzieller Grundbedürfnisse mit entscheidungsmaßgeblicher Wahrscheinlichkeit in eine lebensbedrohliche bzw. die hohe Schwelle des Art. 3 EMRK überschreitende Notlage geraten würden.

Im vorliegenden Fall liegen im Ergebnis somit keine exzeptionellen Umstände vor, welche einer Außerlandesbringung gemäß den Vorgaben des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 widersprechen würden. Aus diesem Grund ist die Abweisung der Anträge auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten durch das BFA nicht zu beanstanden.

3.1.3. Zu den Beschwerden gegen den Spruchpunkt III. der angefochtenen Bescheide

3.1.3.1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird.

Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen, wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt (Z 1), wenn dies zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel notwendig ist (Z 2) oder wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist (Z 3).

Die BF befinden sich seit XXXX im Bundesgebiet und ihr Aufenthalt ist nicht geduldet. Sie sind nicht Zeugen oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch keine Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor, wobei dies weder im Verfahren noch in der Beschwerde auch nur behauptet wurde.

3.1.3.2. Gemäß §

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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