TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/15 W186 2170109-1

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Veröffentlicht am 15.04.2020
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Entscheidungsdatum

15.04.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs1 Z1
BFA-VG §34 Abs3
BFA-VG §40 Abs1
BFA-VG §7 Abs1 Z3
B-VG Art133 Abs4
FPG §46 Abs1
VwGVG §35

Spruch

W186 2170096-1/6E

W186 2170094-1/4E

W186 2170099-1/4E

W186 2170106-1/4E

W186 2170104-1/4E

W186 2170109-1/4E

W186 2170112-1/3E

W186 2170114-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Judith PUTZER als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1.) XXXX , am XXXX geboren, 2.) XXXX , am XXXX geboren, 3.) XXXX , am XXXX geboren, 4.) XXXX , am XXXX geboren, 5.) mj. XXXX , am XXXX geboren, 6.) mj. XXXX , am XXXX geboren, 7.) mj. XXXX , am XXXX geboren und 8.) mj. XXXX , am XXXX geboren, alle StA. Russische Föderation, alle vertreten durch Asyl in Not, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in Form der Festnahme am 24.07.2017, der darauf gestützten Anhaltung von 24.07.2017 bis 26.07.2017, sowie gegen die Abschiebung am 26.07.2017 zu Recht erkannt:

A)

I. Den Beschwerden wird stattgegeben, und die erfolgte Festnahme und Anhaltung gemäß § 22a Abs. 1 Z 1 und 2 iVm § 34 Abs. 3 iVm § 40 Abs. 1 BFA-VG für rechtswidrig erklärt.

II. Der Beschwerde gegen die Abschiebung am 26.07.2017 wird gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 BFA-VG iVm § 46 Abs. 1 FPG stattgegeben und die Abschiebung für rechtswidrig erklärt.

III. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat der Bund (Bundesminister für Inneres) den Beschwerdeführern zu Handen ihres ausgewiesenen Vertreters die Aufwendungen in Höhe von ? 737,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

I. Verfahrensgang

1.1. Im Rahmen einer fremdenrechtlichen Überprüfung am 28.09.2016, um 21.00 Uhr, durch Organe der Landespolizeidirektion Wien, Abteilung Fremdenpolizei und Anhaltevollzug, wurden die Beschwerdeführer (BF 1 bis BF 7) an der Adresse XXXX , angetroffen. Im Zuge dieser polizeilichen Amtshandlung stellten der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz. Unter einem stellte die Zweitbeschwerdeführerin als gesetzliche Vertreterin der Dritt-, der Viert-, der Fünft-, des Sechst- und der Siebentbeschwerdeführerin ebenso Anträge auf internationalen Schutz.

Am 29.09.2016 erfolgte die Erstbefragung des Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Landespolizeidirektion Wien zu ihrer Identität und ihrer Reiseroute bzw. den Gründe des Verlassens ihres Herkunftsstaates. In der darüber aufgenommenen Niederschrift ist als Anschrift der Beschwerdeführer (BF 1 bis BF 7) in Österreich die Adresse XXXX , mit dem Vermerk "Verfahrensadresse" angeführt (vgl. AS 19 BF 1 bzw. AS 13 BF 2).

Laut dem im Akt einliegenden EURODAC Abgleichbericht haben der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin jeweils am 22.07.2016 in Polen einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) richtete sodann am 11.10.2016 ein die Beschwerdeführer (BF1 bis BF 7) betreffende auf Art. 18 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) gestützte Wiederaufnahmeersuchen an Polen. Polen stimmte mit Schreiben vom 13.10.2016 (den Erstbeschwerdeführer betreffend) und vom 14.10.2016 (die übrigen Beschwerdeführer - BF 2 bis BF 7 - betreffend) diesem Wiederaufnahmeersuchen gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. c Dublin III-VO ausdrücklich zu.

1.2. Die Achtbeschwerdeführerin wurde am 21.11.2016 im Bundesgebiet geboren und stellte für diese ihre gesetzliche Vertretung am 04.04.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Schriftsatz vom 13.04.2017 teilte das Bundesamt der polnischen Dublin Behörde im Sinne von Art. 20 Abs. 3 der Dublin III-VO mit, dass sich die Zuständigkeit zur Prüfung des Asylantrages der neugeborenen Achtbeschwerdeführerin nach der Zuständigkeit ihrer Mutter, der Zweitbeschwerdeführerin, richte, deren Wiederaufnahme Polen bereits mit Schreiben vom 14.10.2016 zugestimmt habe.

1.4. Mit den als "Bescheid" bezeichneten Ausfertigungen vom 06.11.2016 wies das Bundesamt die Anträge auf internationalen Schutz der Beschwerdeführer (BF 1 bis BF 7) ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurück und sprach aus, dass Polen für die Prüfung der jeweiligen Anträge gemäß Art. 18 Abs. 1 lit c der Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkte I.). Die Außerlandesbringung der Beschwerdeführer (BF 1 bis BF 7) wurde gemäß § 61 Abs. 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge ihre Abschiebung nach Polen gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkte II.).

Diese jeweils als "Bescheid" bezeichneten Ausfertigungen der belangten Behörde wurden laut im Akt des BF 1 und der BF 2 einliegender Information (AS 143 - 145 BF 1 und AS 101 - 103 BF 2) am 15.11.2016 gem. § 8 Abs. 3 (sic) i.V.m. § 23 Zustellgesetz ohne vorherigen Zustellversuch bei der Behörde hinterlegt.

1.5. Mit Bescheid vom 06.06.2017 wurde der Antrag der Achtbeschwerdeführerin auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Polen für die Prüfung des Antrages gemäß Art. 20 Abs. 3 Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen die Beschwerdeführerin gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge ihre Abschiebung nach Polen gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Der Bescheid der Achtbeschwerdeführerin wurde dieser durch persönliche Ausfolgung an ihre gesetzliche Vertreterin, der Zweitbeschwerdeführerin, am 09.06.2017, zugestellt.

Eine gegen die zurückweisenden Bescheide erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 28.09.2017 hinsichtlich der BF 1-7 gem. § 28 Abs. 1, § 31 Abs. 1 VwGVG, in Verbindung mit §§ 8 Abs. 2 und 23 ZustellG als unzulässig zurück. Unter einem gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde der BF 8 gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG statt und behob den bekämpfte Bescheid.

1.6. Die Beschwerdeführer wurden am 24.07.2017 um 06.30 Uhr gemäß § 40 BFA-VG an ihrer Wohnadresse festgenommen und in die Familienunterkunft XXXX verbracht, wo sie bis 26.07.2017, 08:00 Uhr, in Verwaltungsverwahrungshaft blieben. Die Beschwerdeführer wurden am 26.07.2017, 08:00 Uhr, auf dem Landweg abgeschoben.

Mit Schriftsatz vom 01.09.2017, erhoben die BF durch ihre im Spruch angeführten rechtsfreundliche Vertretung Beschwerde gegen die Festnahme am 24.07.2017, die darauf gestützte Anhaltung, sowie gegen die Abschiebung am 26.07.2017. Neben der Durchführung einer mündlichen Verhandlung und dem Ersatz der Aufwendungen gemäß § 35 VwG-Aufwandersatzverordnung wurde beantragt, das BVwG möge die angefochtenen Verwaltungsakte für rechtswidrig erklären.

Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, die Abschiebung der Beschwerdeführer sei trotz aufrechtem faktischen Abschiebeschutz erfolgt, zumal zum Zeitpunkt der Abschiebung keine durchsetzbare Anordnung zur Außerlandesbringung vorgelegen habe. Die belangte Behörde habe es unterlassen, einen Zustellversuch zu unternehmen und erweise sich die stattdessen erfolgte Aushängung bei der Behörde iSd § 25 ZustellG als rechtswidrig, da die Zustelladresse der Beschwerdeführer amtsbekannt gewesen sei und durch Einsicht in den Verwaltungsakt rasch feststellbar gewesen sei.

Das Bundesverwaltungsgericht forderte sowohl am 11.09.2017, am 29.07.2019, als auch am 04.03.2020 die den Beschwerden zugrundeliegenden Verwaltungsakte bei der belangten Behörde an.

Die belangte Behörde legte zum Entscheidungszeitpunkt keine Verwaltungsakte vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführer sind russische Staatsangehörige.

Sie stellten am 28.09.2016 (BF 1- 7) bzw. am 04.04.2017 (BF 8) einen Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet.

Das Bundesamt wies die Asylanträge hinsichtlich der BF (1 - 7) mit Bescheid vom 06.11.2016 ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurück und sprach aus, dass Polen für die Prüfung der jeweiligen Anträge gemäß Art. 18 Abs. 1 lit c der Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkte I.). Die Außerlandesbringung der Beschwerdeführer (BF 1 bis BF 7) wurde gemäß § 61 Abs. 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge ihre Abschiebung nach Polen gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkte II.).

Diese als "Bescheid" bezeichneten Ausfertigungen der belangten Behörde hinsichtlich der Asylanträge der BF 1 - 7 wurden am 15.11.2016 gem. § 8 Abs. 3 (sic) i.V.m. § 23 Zustellgesetz ohne vorherigen Zustellversuch bei der Behörde hinterlegt.

Mit Bescheid vom 06.06.2017 wurde der Antrag der Achtbeschwerdeführerin auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Polen für die Prüfung des Antrages gemäß Art. 20 Abs. 3 Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen die Beschwerdeführerin gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge ihre Abschiebung nach Polen gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Der Bescheid der Achtbeschwerdeführerin wurde dieser durch persönliche Ausfolgung an ihre gesetzliche Vertreterin, der Zweitbeschwerdeführerin, am 09.06.2017, zugestellt.

Die Beschwerdeführer wurden am 24.07.2017 um 06.30 Uhr gemäß § 40 BFA-VG an ihrer Wohnadresse festgenommen und in die Familienunterkunft XXXX verbracht, wo sie bis 26.07.2017, 08:00 Uhr, in Verwaltungsverwahrungshaft blieben. Die Beschwerdeführer wurden am 26.07.2017, 08:00 Uhr, auf dem Landweg abgeschoben.

Zum Zeitpunkt der Festnahme, Anhaltung und Abschiebung lagen keine durchführbaren und durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gegen die Beschwerdeführer vor.

Die Zustelladresse der Beschwerdeführer war amtsbekannt.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes und der hg. Akten des Bundesverwaltungsgerichtes (zu den Asylverfahren, insbesondere aus dem Beschluss vom 28.09.2017 zu den Zlen. W233 2171093-1/2E, W233 2171087-1/2E, W233 2171108-1/2E, W233 2171104-1/2E, W233 2171101-1/2E, W233 2171090-1/2E, W233 2171095-1/2E und W233 2162881-1/6E).

Die Festnahme, Anhaltung und Abschiebung der BF zu den im Spruch genannten Datumsangaben ergibt sich aus der Anhaltedatei.

Dass die Wohnadresse der Beschwerdeführer der belangten Behörde amtsbekannt gewesen ist, resultiert aus der Niederschrift der Erstbefragung zur Asylantragsstellung der BF 1 -7, wonach dort die Anschrift der BF notiert wurde (vgl. AS 19 bezüglich BF 1 in den im Verfahren zu W233 2171093-1 bzw. AS 13 BF 2 im Verfahren zu W233 2171087-1 vorgelegten Verwaltungsakten).

3. Rechtliche Beurteilung

Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, lautet:

"§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig."

Der mit "Bundesverwaltungsgericht" betitelte § 7 Abs. 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, lautet:

"§ 7. (1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet über

1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes,

2. Beschwerden gegen Bescheide der Vertretungsbehörden gemäß dem 11. Hauptstück des FPG,

3. Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG,

4. Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesamtes und

5. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesministers für Inneres in Verfahren gemäß §§ 3 Abs. 2 Z 1 bis 6 und 4 Abs. 1 Z 1 und 2."

Das Bundesverwaltungsgericht ist somit gemäß § 22a Abs. 1 iVm § 7 Abs. 1 BFA-VG für die Entscheidung der gegenständlichen Beschwerden zuständig.

Zu Spruchteil A)

3.1. Spruchpunkt I. - Beschwerde gegen die Festnahme und Anhaltung von 24.07.2017 bis 26.07.2017

3.1.1 Absatz 1 des mit "Festnahme" betitelten § 40 BFA-VG idgF lautet:

"(1) Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind nach § 40 Abs. 1 BFA-VG ermächtigt, einen Fremden zum Zweck der Vorführung vor das Bundesamt festzunehmen,

1. gegen den ein Festnahmeauftrag (§ 34) besteht,

2. wenn dieser Auflagen gemäß §§ 56 Abs. 2 oder 71 Abs. 2 FPG verletzt oder

3. der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

Der mit "Festnahmeauftrag" betitelte § 34 Abs. 1 BFA-VG idgF lautet:

"§ 34. (1) Das Bundesamt kann die Festnahme eines Fremden anordnen (Festnahmeauftrag), wenn dieser

1. Auflagen gemäß §§ 56 Abs. 2 oder 71 Abs. 2 FPG verletzt, oder

2. sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt."

Abs. 3 leg. cit lautet:

"Ein Festnahmeauftrag kann gegen einen Fremden auch dann erlassen werden,

1. wenn die Voraussetzungen zur Verhängung der Schubhaft nach § 76 FPG oder zur Anordnung gelinderer Mittel gemäß § 77 Abs. 1 FPG vorliegen und nicht aus anderen Gründen die Vorführung vor das Bundesamt erfolgt;

2. wenn er seiner Verpflichtung zur Ausreise (§§ 52 Abs. 8 und 70 Abs. 1 FPG) nicht nachgekommen ist;

3. wenn gegen den Fremden ein Auftrag zur Abschiebung (§ 46 FPG) erlassen werden soll oder

4. wenn eine aufgrund eines Bescheides gemäß § 46 Abs. 2b FPG erlassene Vollstreckungsverfügung nicht vollzogen werden konnte oder der Fremde ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zu eigenen Handen zugestellten Ladung gemäß § 46 Abs. 2b FPG, in der dieses Zwangsmittel angedroht war, zur Befragung zur Klärung seiner Identität und Herkunft, insbesondere zum Zweck der Einholung einer Bewilligung gemäß § 46 Abs. 2a FPG bei der zuständigen ausländischen Behörde durch die Behörde, nicht Folge geleistet hat."

Die BF befanden sich zum Zeitpunkt der Festnahme entgegen den Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 Z 2 bzw. § 40 Abs. 1 Z 3 BFA-VG rechtmäßig im Bundesgebiet - ihnen kam der faktische Abschiebeschutz des § 12 Abs. 1 AsylG 2005 zu:

"§ 12 (1) Ein Fremder, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, kann, außer in den Fällen des § 12a, bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung, bis zur Gegenstandslosigkeit des Verfahrens oder nach einer Einstellung bis zu dem Zeitpunkt, an dem eine Fortsetzung des Verfahrens gemäß § 24 Abs. 2 nicht mehr zulässig ist, weder zurückgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben werden (faktischer Abschiebeschutz); § 32 bleibt unberührt. Sein Aufenthalt im Bundesgebiet ist zulässig. Ein auf Grund anderer Bundesgesetze bestehendes Aufenthaltsrecht bleibt unberührt. § 16 Abs. 4 BFA-VG gilt."

Da wie im Beschluss des BVwG vom 28.09.2017 zu den Zlen. W233 2171093-1/2E, W233 2171087-1/2E, W233 2171108-1/2E, W233 2171104-1/2E, W233 2171101-1/2E, W233 2171090-1/2E, W233 2171095-1/2E und W233 2162881-1/6E) beizupflichtender weise festgestellt wurde, dass die Bescheide der BF 1-7, mit denen gegen diese eine Anordnung zur Außerlandesbringung erlassen wurden, nicht rechtswirksam zugestellt worden waren, lag für die BF 1-7 zum Zeitpunkt der Festnahme, Anhaltung und Abschiebung somit keine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor respektive kam ihnen faktischer Abschiebeschutz iSd § 12 Abs. 1 AsylG 2005 zu:

Voraussetzung für das rechtliche Zustandekommen eines Bescheides ist dessen Erlassung. Erlassen wird ein schriftlicher Bescheid durch rechtswirksame Zustellung oder durch Ausfolgung (§ 24 des ZustG; vgl. zB VwGH 18. 5. 1994, 93/09/0115). Ist der erstbehördliche Bescheid nicht rechtswirksam erlassen worden, so ist es der Berufungsbehörde verwehrt, meritorisch über die Berufung abzusprechen. Ihre Zuständigkeit reicht in solchen Fällen nur so weit, das Rechtsmittel wegen Unzulässigkeit mangels tauglichen Anfechtungsgegenstandes zurückzuweisen (vgl. VwGH 09.03.1982, Zl. 81/07/0212; VwGH 30.05.2006, Zl. 2005/12/0098). Dies hat auch für das Bundesverwaltungsgericht als Rechtsmittelgericht in Anwendung des § 28 VwGVG zu gelten.

Gemäß § 21 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz - AVG und § 1 Zustellgesetz - ZustG, sind Zustellungen nach dem ZustG vorzunehmen.

Gemäß § 8 Abs. 1 ZustG hat eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen hat. § 8 Abs. 2 ZustG bestimmt, dass soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen ist, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Eine Änderung iSd § 8 Abs. 2 ZustG liegt auch dann vor, wenn keine neue Abgabestelle besteht (vgl. VwGH 23.11.2009, 2008/05/0272).

Die Beschwerdeführer (BF 1 bis BF 7) wurden am 28.09.2016, um 21:00 Uhr, an der Adresse XXXX , nach den Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes festgenommen und in die "Familienunterkunft XXXX " verbracht (vgl. AS 3 BF 2). In der Folge wurden der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin am 29.09.2016, am Sitz der Abteilung Fremdenpolizei und Anhaltevollzug, in 1110 Wien, XXXX 29a ihren jeweiligen Erstbefragungen durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen, wobei in den jeweiligen Niederschriften die Adresse XXXX , als "Verfahrensadresse" festgehalten ist.

Den Verwaltungsakten des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin ist einer dort einliegenden "Prognoseentscheidung" des BFA, Regionaldirektion Graz, vom 29.09.2016 zu entnehmen, dass die Asylwerber nach den Bestimmungen des Meldegesetzes belehrt werden mögen bzw. scheint dort der Vermerk "Privatgeher Dublin (Dublin Relevant) XXXX " auf (vgl. AS 1 - 3 BF 1 und AS 43 BF 2). Darüber hinaus findet sich im Akt der Zweitbeschwerdeführerin auf AS 32 eine "Bestätigung / Information Verteilungsquartier" vom 29.09.2016, wo ebenso der Hinweis "Privatgeher Dublin: 1 XXXX " aufscheint.

Ein Hinweis darauf, dass die Beschwerdeführer (BF 1 und BF 2) nach den Bestimmungen des Meldegesetzes belehrt worden wären findet sich hingegen weder im Akt des Erstbeschwerdeführers noch der Zweitbeschwerdeführerin und auch nicht in einem Akt der BF 3 bis BF 7.

Den vom BFA dem BVwG in den Verfahren zu den Zlen. W233 2171093-1/2E, W233 2171087-1/2E, W233 2171108-1/2E, W233 2171104-1/2E, W233 2171101-1/2E, W233 2171090-1/2E, W233 2171095-1/2E und W233 2162881-1/6E vorgelegten Akten der Beschwerdeführer (BF 1 bis BF 7) lässt sich auch nicht entnehmen, dass diesen rechtswirksam einer Meldeverpflichtung nach § 15 a AsylG 2005 auferlegt worden wäre. Diesbezüglich finden sich in den Akten des BF 1 und der BF 2 bloß Entwürfe der entsprechenden Verfahrensanordnungen vom 14.10.2016, die den Beschwerdeführern jedoch offensichtlich nicht zur Kenntnis gebracht bzw. ausgehändigt worden sind.

In der Folge hat das BFA - wie bereits oben im Sachverhalt dargestellt - die "Bescheide" der BF 1 bis BF 7 durch Hinterlegung ohne Zustellversuch bei ihr zur Abholung bereitgehalten.

Im vorliegenden Fall hat das Bundesamt allerdings nicht einmal den Versuch unternommen, den Beschwerdeführern ihre jeweiligen Bescheide vom 06.11.2016 an die vom Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin der Behörde bekanntgegebenen und nach der vorliegenden Aktenlage auch von der Behörde zur Kenntnis genommenen Adresse und somit an ihrer Abgabestelle zuzustellen. Sie nahm vielmehr angesichts der von ihr veranlassten negativen Meldeauskunft im Sinne von § 8 Abs. 2 ZustG an, keine weiteren Feststellungen über die Abgabestelle der Parteien treffen zu müssen. Dabei hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl jedoch außer Acht gelassen, dass der Meldeauskunft betreffend die Beschwerdeführer im Hinblick darauf nur beschränkte Aussagekraft zukam, als sie ganz augenscheinlich davon ausgegangen ist, dass die Beschwerdeführer als sogenannte "Dublin-Privatgeher" in der Wohnung an der Adresse XXXX über eine Abgabestelle verfügen. Bei dieser Sachlage durfte die Behörde, ohne zumindest einen Zustellversuch an der ihr bekannten Adresse vorgenommen zu haben, nicht von einer Änderung der Abgabestelle iSd § 8 Abs. 1 ZustG ausgehen. Durfte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aber von einer Änderung der Abgabestelle im Sinne des § 8 Abs. 1 ZustG nicht ausgehen, dann kam keine wirksame Zustellung der Bescheide vom 06.11.2016 an die Beschwerdeführer (BF 1 bis BF 7) gemäß § 8 Abs. 2 ZustG zustande (vgl. in einem ähnlich gelagerten Sachverhalt: VwGH 2004/09/0164, vom 24.05.2007). Dass die Beschwerdeführer in der Wohnung an der oben genannten Adresse nicht polizeilich gemeldet waren, ist für die Beurteilung einer Abgabestelle im Sinne des Zustellgesetztes, irrelevant (vgl. Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10, Rz 205/2).

Eine ordnungsgemäße Zustellung fand somit nicht statt und wurden die "Bescheide" der Beschwerdeführer (BF 1 bis BF 7) folglich nicht erlassen. Wird ein Bescheid nicht ordnungsgemäß erlassen, dann wird er als Rechtsnorm nicht existent und ist daher auch nicht anfechtbar (Hengstschläger/Leeb, Kommentar zum AVG, 2. Teilband, RZ 8 zu § 62, S 781).

Bezüglich der BF 8 wurde deren Asylantrag aufgrund der Annahme der Zuständigkeit Polens gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. c iVm Art. 20 Abs. 3 Dublin III-VO im Sinne von § 5 Abs. 1 AsylG 2005 ebenfalls als unzulässig zurückgewiesen und sie aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen. Unter einem wurde ihre Abschiebung gemäß § 61 Abs. 2 FPG nach Polen als zulässig erklärt.

§34 Abs. 4 AsylG normiert, dass Verfahren von Familienangehörigen unter einem zu führen sind. Das Verfahren des Erst-, der Zweit-, der Dritt-, der Viert-, der Fünft- des Sechst- und der Siebentbeschwerdeführerin sind aufgrund, der - wie oben ausgeführt - fehlerhaft erfolgten Zustellungen noch beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl anhängig.

Aus diesem Grund wurde das Verfahren der Achtbeschwerdeführerin durch Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.09.2017, Zl. W233 2162881-1/6E, behoben und zur neuerlichen Behandlung an das BFA zurückzuverweisen.

Dass die Behebung und Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 VwGVG ex tunc wirkt, ist unbestritten und gilt insbesondere nicht nur für die ersatzlose Behebung, sondern auch für Behebungen nach § 28 Abs. 3 VwGVG (vgl. Fister/Furchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, VwGVG § 28 Rz 14 und 17).

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG wird die Sache durch den kassatorischen Beschluss des VwG in den Stand vor dem Ergehen der bekämpften Entscheidung rückversetzt (vgl. VwGH 29. 7. 2015, Ra 2015/07/0034, sowie Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG §28 VwGVG Rz 133).

Zum Zeitpunkt der Festnahme und der daran anschließenden Anhaltung lag auf Grund der ex tunc Wirkung der Behebung sohin keine Anordnung zur Außerlandesbringung bezüglich der BF 8 mehr vor, weshalb sich die Festnahme und die darauf gestützte Anhaltung der BF 8 für rechtswidrig zu erklären waren, da sich die BF 8 rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielt.

Es ist daher abschließend festzuhalten, dass die "Bescheide" über die Anordnung der Außerlandesbringung hinsichtlich der BF 1-7 bislang nicht rechtswirksam erlassen wurden. Da über ihre Asylanträge daher noch nicht entschieden wurden, hielten sich die BF 1- 7 zum Zeitpunkt der Festnahme, der Anhaltung und auch der Abschiebung ebenfalls rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Nichts anderes hat für die BF 8 zu gelten, deren Bescheid vom Bundesverwaltungsgericht mangels gemeinsamer Verfahrensführung nach § 34 Abs. 4 AsylG 2005 behoben und zurückverwiesen wurden.

Aus diesem Grund erweisen sich sowohl die Festnahme, als auch die Anhaltung der BF als rechtswidrig.

3.2. Spruchpunkt II. - Beschwerde gegen die Abschiebung am 26.07.2017

Gemäß § 46 Abs. 1 FPG idgF können Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise verhalten werden (Abschiebung), wenn

1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,

2. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,

3. aufgrund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder

4. sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.

Bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Abschiebung ist auf den Zeitpunkt ihres Vollzugs abzustellen (VwGH 29.06.2017, Ra 2017/21/0089; vgl. VwGH 20.12.2013, 2012/21/0118).

Gegen die Beschwerdeführer lag zum Zeitpunkt der Abschiebung keine durchsetzbare Anordnung zur Außerlandesbringung vor (siehe Begründung zur Rechtswidrigkeit der Festnahme und der Anhaltung im Rahmen der Festnahme), weshalb sich die durchgeführte Abschiebung als rechtswidrig erweist.

Somit war spruchgemäß zu entscheiden.

3.3. Spruchteil III. - Kostenersatz:

3.2.1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

Der mit "Kosten" betitelte § 35 VwGVG lautet:

"§ 35. (1) Die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG) obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.

(2) Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei.

(3) Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.

(4) Als Aufwendungen gemäß Abs. 1 gelten:

1. die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat,

2. die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren, sowie

3. die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.

(5) Die Höhe des Schriftsatz- und des Verhandlungsaufwands hat den durchschnittlichen Kosten der Vertretung bzw. der Einbringung des Schriftsatzes durch einen Rechtsanwalt zu entsprechen. Für den Ersatz der den Behörden erwachsenden Kosten ist ein Pauschalbetrag festzusetzen, der dem durchschnittlichen Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand der Behörden entspricht.

(6) Die §§ 52 bis 54 VwGG sind auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

(7) Aufwandersatz ist auf Antrag der Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden."

Die Höhe der im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG und Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG als Aufwandersatz zu leistenden Pauschalbeträge wird in § 1 der VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV), BGBl. II Nr. 517/2013, wie folgt festgesetzt:

"1. Ersatz des Schriftsatzaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 737,60 Euro

2. Ersatz des Verhandlungsaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 922,00 Euro

3. Ersatz des Vorlageaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 57,40 Euro

4. Ersatz des Schriftsatzaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 368,80 Euro

5. Ersatz des Verhandlungsaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 461,00 Euro

6. Ersatz des Aufwands, der für den Beschwerdeführer mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 553,20 Euro

7. Ersatz des Aufwands, der für die belangte Behörde mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 276,60 Euro."

3.2.2. Im gegenständlichen Verfahren wurde gegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG (Abschiebung) bzw. § 22a BFA-VG (Festnahme und Anhaltung) und § 7 Abs. 1 Z 3 BFA-VG (Abschiebung) Beschwerde erhoben. Lediglich die Beschwerdeführer stellte einen Antrag auf Kostenersatz gemäß § 35 VwGVG.

Richtet sich die Beschwerde gegen mehre, trennbare Verwaltungsakte, so steht für jeden dieser Verwaltungsakte Kostenersatz zu.

Hierzu führte der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 31.08.2017, Ro 2016/21/0014 aus, dass ein Anspruch auf Kostenersatz im Verfahren vor dem VwG unter anderem dann besteht, wenn sich eine Maßnahmenbeschwerde gegen mehrere Verwaltungsakte richtet und mit der Bekämpfung eines davon erfolgreich ist. Nach der - zu § 79a Abs. 7 AVG iVm § 52 Abs. 1 (und § 53 Abs. 1) VwGG idF vor Inkrafttreten des BGBl. I Nr. 33/2013 ergangenen - hg. Judikatur (vgl. E 12. April 2005, 2004/01/0277) kommt es für den Ersatzanspruch des Beschwerdeführers darauf an, wie viele Verwaltungsakte er mit einer Maßnahmenbeschwerde erfolgreich angefochten hat. Bei der Ermittlung der Anzahl der Verwaltungsakte kann allerdings nicht allein darauf abgestellt werden, wie die zu Grunde liegende Beschwerde strukturiert ist und wie viele Einzelakte sie im Rahmen des bekämpften Amtshandelns zu erkennen vermeint. Wesentlich sind vielmehr die behördlichen Feststellungen über das angefochtene Verwaltungsgeschehen, anhand derer zu beurteilen ist, wie viele sachlich und zeitlich trenn- und unterscheidbare Akte, die einer isolierten Betrachtung zugänglich sind, vorliegen, wobei für diese Beurteilung auch der jeweils verfolgte Zweck der Amtshandlung(en) und die in Frage kommenden Rechtsverletzungen eine Rolle spielen. Diese Judikatur wurde auf den Anwendungsbereich des § 35 VwGVG 2014 übertragen (vgl. B 4. Mai 2015, Ra 2015/02/0070; E 16. März 2016, Ra 2015/05/0090).

Folglich ist zwischen den Verwaltungsakt Festnahme und Anhaltung auf der einen Seite, sowie der Abschiebung auf der anderen Seite als jeweils eigene Verwaltungsakte zu unterscheiden, da einer Abschiebung nicht zwangsweise eine Festnahme zur Verhängung der Verwaltungsverwahrungshaft in der Dauer von knapp 72 Stunden vorangeht.

Da die Beschwerdeführer mit ihrer Beschwerde sowohl gegen die Festnahme und Anhaltung, als auch gegen die Abschiebung jeweils obsiegten, steht ihnen hierfür der im Spruch angeführte Kostenersatz zu.

Die belangte Behörde stellte keinen Antrag auf Kostenersatz.

3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Der Verfassungsgerichtshof hat in Bezug auf § 41 Abs. 7 AsylG 2005 in der bis 31.12.2013 geltenden Fassung unter Berücksichtigung des Art. 47 iVm. Art. 52 GRC ausgesprochen, dass das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde erklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC steht, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde. Hat die beschwerdeführende Partei hingegen bestimmte Umstände oder Fragen bereits vor der belangten Behörde releviert oder sind solche erst nachträglich bekannt geworden, ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderlich, wenn die von der beschwerdeführenden Partei bereits im Verwaltungsverfahren oder in der Beschwerde aufgeworfenen Fragen - allenfalls mit ergänzenden Erhebungen - nicht aus den Verwaltungsakten beantwortet werden können, und insbesondere, wenn der Sachverhalt zu ergänzen oder die Beweiswürdigung mangelhaft ist (VfGH 14.03.2012, U 466/11 ua.).

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018, für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12.03.2012, U 466/11 ua., festgehalten, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen muss. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstanziiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Schließlich ist auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

Da im gegenständlichen Fall der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen, konnte auf die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG verzichtet werden.

Zu Spruchteil B) - Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen. Dies ist im gegenständlichen Fall nicht gegeben.

Wie zu Spruchpunkt I. ausgeführt sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher in Bezug auf diesen Spruchpunkt nicht zuzulassen. Im Hinblick auf die eindeutige Rechtslage zu den Verfahrenskosten (Spruchpunkte II. und III.) war die Revision gleichfalls nicht zuzulassen.

Schlagworte

Abgabestelle Abschiebung Anhaltung Außerlandesbringung Festnahme Rechtswidrigkeit rechtswirksame Zustellung Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W186.2170109.1.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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