Entscheidungsdatum
15.04.2020Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W166 2213176-1/19E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Carmen LOIBNER-PERGER als Vorsitzende und die Richterin Dr. Tanja KOENIG-LACKNER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Michael SVOBODA als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch Mag. Dr. Vera M. WELD, Rechtsanwältin, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Oberösterreich, vom XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Gewährung von Hilfeleistungen nach dem Verbrechensopfergesetz in Form von Ersatz des Verdienstentganges, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 21.02.2020, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer brachte am 31.05.2013 den gegenständlichen Antrag auf Hilfeleistungen nach dem Verbrechensopfergesetz in Form vom Ersatz des Verdienstentganges, sowie weiters den Antrag auf Heilfürsorge in Form von psychotherapeutischer Krankenbehandlung und Selbstbehalten, der orthopädischen Versorgung, des Ersatzes von Sachschäden, der Pflegezulage und der Rehabilitation beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Oberösterreich (im Folgenden: belangte Behörde), ein.
Den Akten ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer während seines Internatsaufenthaltes in den Jahren 1963 bis 1969 von einem Pater sexuell missbraucht worden sei. Der Täter wurde mit Urteil des Landesgerichtes XXXX , Zl. XXXX vom 27.04.1970 wegen des Verbrechens der "Verführung zur Unzucht" sowie des Verbrechens "wider die Natur mit Personen desselben Geschlechtes" rechtskräftig verurteilt.
In einem Schreiben vom 23.08.2013 teilte ein Rechtsanwalt mit, dass er nunmehr der bevollmächtigte Vertreter des Beschwerdeführers sei und gab eine ergänzende Stellungnahme zur Antragstellung ab.
Mit der Stellungnahme wurden ein psychologisches Privatgutachten vom 03.05.2013 und ein vom Beschwerdeführer verfasstes Schreiben zur Darlegung seines privaten und beruflichen Lebensverlaufes vorgelegt.
Seitens der belangten Behörde wurden ein Versicherungsdatenauszug und ein ärztliches Gesamtgutachten der Pensionsversicherungsanstalt im Zusammenhang mit einer beantragten Invaliditätspension vom 21.06.2012 angefordert.
Mit Schreiben vom 16.12.2013 teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer im Rahmen des Parteiengehörs zum beantragten Verdienstentgang mit, dass die Ermittlungen des Bundessozialamtes ergeben hätten, dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Hilfeleistungen nach dem Verbrechensopfergesetz erfüllt seien, da mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen sei, dass der Beschwerdeführer durch eine rechtswidrige und vorsätzliche Handlung eine Körperverletzung bzw. Gesundheitsschädigung erlitten habe. Zur Frage, ob ein kausaler Verdienstentgang vorliege sei von der belangten Behörde ein Ermittlungsverfahren durchgeführt worden, und sei den Unterlagen, insbesondere dem ärztlichen Gutachten zur beantragten Invaliditätspension zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer auf Grund der kausalen Leiden erwerbsfähig sei. Es sei sogar festgestellt worden, dass der Beschwerdeführer einer Vollzeitbeschäftigung nachgehen könne und leichte bis mittelschwere Arbeiten im Sitzen, Stehen und Gehen unter durchschnittlichem Leistungsdruck und psychischer Belastbarkeit sowie mäßig schwierigem geistigen Leistungsvermögen erledigen könne. Neben der allenfalls kausalen Gesundheitsschädigung "Depressives Zustandsbild bei Persönlichkeitsproblematik, Depression leicht bis maximal mittelgradig" lägen zusätzlich mehrere nicht kausale Leiden vor.
Der Beschwerdeführer, vertreten durch seinen Rechtsanwalt, teilte mit Stellungnahme vom 03.01.2014 mit, dass der belangten Behörde bekannt sei, dass der im Rahmen des Verbrechensopfergesetzes zu ermittelnde und gegebenenfalls zuzusprechende Ersatz für Verdienstentgang nicht identisch mit einer Invaliditätspension sei.
Aus diesem Grund sei es abwegig, den Ersatz des Verdienstentganges von vornherein auszuschließen, weil der Beschwerdeführer keine Invaliditätspension bekommen habe. Für die Ablehnung einer Invaliditätspension genüge es bis zu einem gewissen Grad noch arbeitsfähig zu sein, während für die Ermittlung eines Verdienstentganges die Arbeitsfähigkeit zu Grunde zu legen sei, die bestehen würde, wären am Beschwerdeführer nicht die Verbrechen begangen worden, die Hilfeleistungen nach dem Verbrechensopfergesetz auslösen würden. Es müsse ein hypothetischer Verlauf der Berufsausbildung und der beruflichen Entwicklungen ohne die Beeinträchtigungen des Beschwerdeführers durch die in den Jahren 1963 bis 1969 begangenen sexuellen Gewalttaten ermittelt werden.
Aus den dargelegten Gründen gehe die belangte Behörde von völlig falschen rechtlichen Voraussetzungen aus, und könne sich auch nicht auf das Pensionsgutachten vom 21.06.2012 berufen, in welchem ausgeführt werde, dass dem Beschwerdeführer leichte bis mittelschwere Arbeiten im Sitzen, Stehen und Gehen unter durchschnittlichem Leistungsdruck und psychischer Belastbarkeit sowie mäßig schwierigem geistigen Leistungsvermögen möglich seien.
Überdies hätte sich die belangte Behörde auch mit dem vom Beschwerdeführer vorgelegten klinisch-psychologischen Sachverständigengutachten vom 03.05.2013 auseinandersetzen müssen.
Der Beschwerdeführer brachte weiters vor, dass derartig fundierte Ermittlungen von der belangten Behörde offenbar nicht zu erwarten seien, und das vorliegende Parteiengehör wohl nur formell dem § 45 AVG genügen solle, um dann den Antrag ablehnen zu können.
Im Zusammenhang mit der beantragten Hilfeleistung nach dem Verbrechensopfergesetz in Form von Ersatz des Verdienstentganges wurde seitens der belangten Behörde ein ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt.
Im Sachverständigengutachten eines Facharztes für Psychiatrie und Neurologie vom 25.03.2014, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers, wird Nachfolgendes ausgeführt:
"Fragestellungen:
- Welche Gesundheitsschädigungen liegen beim Obgenannten vor?
- Welche der festgestellten Gesundheitsschädigungen sind mit Wahrscheinlichkeit auf die Missbrauchsvorfälle im Internat der Klosterhauptschule des Stiftes XXXX vom 1963 bis 1969 zurückzuführen? (Wahrscheinlichkeit des Kausalzusammenhangs bedeutet nach der Judikatur, dass wesentlich mehr für einen Kausalzusammenhang spricht als dagegen.)
- Liegt beim Obgenannten Arbeitsunfähigkeit ab 01.06.2013 vor?
- Wenn ja, aufgrund der kausalen Gesundheitsschädigungen? Oder Wenn ja, aufgrund der akausalen Gesundheitsschädigungen?
- Sind aus medizinischer Sicht die kausalen Gesundheitsschädigungen maßgebli-che/überwiegende Ursache für die Zeiten der Arbeitslosigkeit (18.09.2012- 11.09.2013) und der Krankenstände ab 12.09.2013?
- Hat die kausale Gesundheitsschädigung den beruflichen Werdegang maßgeblich beeinflusst? D.h. wäre aus medizinischer Sicht ohne kausale Gesundheitsschädigungen eine kontinuierliche Beschäftigung (normaler Beschäftigungsverlauf) als z.B. Vertragsbediensteter beim Bund (Sachbearbeiter) möglich gewesen oder hätten schon allein die akausalen Gesundheitsschädigungen dies verhindert.
Hr. XXXX beantragte am 31.5.2013 Hilfeleistungen nach dem VOG in Form von Ersatz des Verdienstentganges.
Er gibt an, von 1963 bis 1969 im Internat der Klosterhauptschule des Stiftes XXXX von " XXXX sexuell missbraucht worden sein. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX wurde Herr XXXX wegen des Verbrechens der Führung zur Unzucht zu 20 Monaten schweren Kerkers verurteilt.
Befunderhebung am 25.03.2014:
Der Klient berichtet, dass er 1963 einen Fahrradunfall hatte - er wurde von einem Porsche angefahren und er erlitt Kopfverletzungen, eine Beckenfraktur und schwere Verletzungen an den unteren Extremitäten. Daher ist er in der Folge in das Internat der Klosterhauptschule des Stiftes XXXX gekommen. Dort kam es zwischen 1963 und 1969 zu dem im Akt gut dokumentierten sexuellen Missbrauch und den Gewalttätigkeiten von Seiten des XXXX . Allerdings ist Herr XXXX ebenfalls 1970 verurteilt worden zu 2 Monaten auf Bewährung - dies hat ihn massiv gekränkt und er geht dagegen auch noch juristisch vor, will eine Rehabilitierung. Die Verurteilung erfolgte nach den damaligen Gesetzten wegen des Verbrechens der Unzucht wider die Natur (mit Personen desselben Geschlechts), da Hr. XXXX 1966 ab dem 14. Lebensjahr strafmündig war.
Über die Jahre hin seien immer Angstzustände vorhanden gewesen, besonders in sozialen Situationen, was auch zu den häufigen Arbeitsplatzwechseln führte. Anfänglich habe er sich ganz wohl gefühlt, habe die Ängste verbergen können. Mit der Zeit sind jedoch an jedem Ort seine Unbeholfenheit, der mangelnde Selbstwert und seine Unterwürfigkeit in den Vordergrund getreten.
Er hatte das Gefühl immer etwas falsch zu machen und fühlte sich dann wieder auf der Flucht, begann sich an einem anderen Ort eine neue Existenz aufzubauen.
Die in den letzten Jahren vorhandene Problematik wurde ausgelöst durch ein Klassentreffen 2002, wo auch der Täter anwesend war. Daraufhin kam es bei dem Klienten zu einem völligen Zusammenbruch. Er hat seine Firmen aufgegeben. Er fühlte sich wie weggetreten, konnte keinen Druck mehr aushalten und nicht mehr vor anderen Menschen sprechen. Es traten Zustände auf, wo er erstarrte, durch andere Leute "hindurchschaute". Die Konzentration war hochgradig eingeschränkt. Es traten Panikattacken und Angstzustände mit Schweißausbrüchen auf. Er hatte soziale Ängste, zog sich sehr zurück. Albträume sind seither immer wieder vorhanden. Er schreit dann auf, sieht Pfarrer neben sich stehen.
Es gibt häufige Schlüsselreize, wo dann Intrusionen und Flashbacks das Trauma betreffend auftreten - dies können bestimmte Menschen sein, aber auch Geräusche oder z.B. kann er sich eigentlich nicht Zähneputzen, da ihn die Zahnpaste an die sexuellen Übergriffe erinnert bzw. diese reaktualisiert. Er habe kein Durchhaltevermögen mehr, fühle sich ständig erschöpft.
Schon seit Jahren treten Migräneattacken rechtsseitig auf, außerdem hat er ein Taubheitsgefühl am linken Oberschenkel, welches organisch nicht erklärt werden konnte. Erfühlt ist im Schultergürtel chronisch verspannt, was auch zu Schmerzen führt.
Seit 2003 konnte er nun keine regelmäßige Arbeitstätigkeit mehr ausführen. Nur 10 Monate versuchte er geringfügig bei der Lebenshilfe mitzuarbeiten, was allerdings auch nicht gut gelang.
Biographie:
Aufgewachsen in XXXX , die Eltern sind schon verstorben, der Vater war XXXX , die Mutter hat im elterlichen Betrieb mitgearbeitet, 3 Schwestern und einen Bruder, zu welchem wenig Kontakt besteht.
Der Klient besuchte die Volksschule, 1963 bis 1969 Internat in XXXX , Hauptschule, war 2 x verheiratet, die letzte Scheidung vor 2 Jahren, keine Kinder.
Beruflicher Werdegang:
Lehre als technischer Zeichner abgebrochen; kaufmännische Lehre abgeschlossen, nach dem Bundesheer Hilfsarbeiter als Auslieferungs- u. Verkaufsfahrer. Hr. XXXX wanderte dann nach XXXX aus, wo er lt. Eigenen Angaben eine erfolgreiche Import-Export-Firma aufbaute. Nach gesundheitlichen Schwierigkeiten ging er zurück nach XXXX . Er absolvierte eine Ausbildung als Organisationsprogrammierer gründete wieder eine eigene Firma und war Geschäftsführer dieser Erwachsenenbildungsfirma (1993). Er machte eine Ausbildung zum selbständigen Immobilienmakler, übte diesen Beruf jedoch nie aus. Später eröffnete er eine Taxifirma, hielt jedoch den Arbeitsdruck nicht lange aus. 2003 gab er das Taxiunternehmen auf und zog mit seiner 2. Frau nach Österreich, war bei der Frau mitversichert, kein eigenes Einkommen.
Status psychicus:
Bewusstsein klar, orientiert, Antrieb vermindert, Affizierbarkeit im positiven Skalenbereich eingeschränkt, die Stimmung depressiv, Ductus kohärent, keine wahnhaften Denkinhalte, Intrusionen und Flashbacks, dissoziative Zustände, wo er erstarrt, vor sich hinblickt und nicht gut ansprechbar ist, sozialphobische Ängste, Panikattacken, Vermeidungsverhalten, immer wieder latente Suizidgedanken vorhanden, Appetit gesteigert, Ein- und Durchschlafstörungen mit Alpträumen.
Medikamente:
Baldrian Tropfen Ibuprofen 600 mg bei Bedarf Cerebokan Voltaren Emulgel
Behandlungen bisher:
- 2 x stationäre Rehabilitation in XXXX (2010 und 2012)
- psychosomatische Behandlung im KH XXXX 2009
- psychiatrische Behandlung im KH XXXX geplant von Juni bis September 2014
- fachärztliche Kontrollen bei Dr. XXXX Derzeit nicht in psychotherapeutischer Behandlung.
Gutachten
Bei Hr. XXXX liegt diagnostisch eine posttraumatische Belastungsstörung vor, wobei anamnestisch ein mehrjähriger sexueller Missbrauch von 1963 - 1969 bekannt ist. Im Längsverlauf traten häufig soziale Ängste mit Vermeidungsverhalten (Umzug an einen weit entfernten Ort), phasenweise Panikattacken auf. Im Jahr 2002 kam es durch eine Täterkonfrontation zu einer Retraumatisierung und in der Folge zu einem psychischen Zusammenbruch mit dissoziativen Zuständen, Konzentrationsminderung und hochgradiger Einschränkung der allgemeinen Leistungsfähigkeit. Er hatte nun Flashbacks, Intrusionen und Albträume.
Chronisch vorhanden sind Migräneattacken, Schmerzen im Schultergürtel und eine Taubheit am li. Oberschenkel, welche organisch nicht erklärt werden konnte.
Die chronische posttraumatische Symptomatik, welche teilweise auch Züge einer andauernden Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung zeigt, ist mit Wahrscheinlichkeit auf die Missbrauchsvorfälle im Internat in der Klosterhauptschule des Stiftes XXXX von 1963 bis 1969 zurückzuführen.
Bei Hr. XXXX liegt seit 1.6.2013 aufgrund der kausalen Gesundheitsschädigung eine Arbeitsunfähigkeit vor.
Aus medizinischer Sicht sind ist die kausale Gesundheitsschädigung maßgebliche Ursache für die Zeiten der Arbeitslosigkeit (18.9.2012-11.9.2013) und der Krankenstände ab 12.9.2013. Wie aus dem beruflichen Werdegang ersichtlich, kam es zu häufigen Wechseln der Arbeit und Hr. XXXX absolvierte mehrere Ausbildungen. Nach anfänglichen Erfolgen kam es meist zu Schwierigkeiten durch die ständig vorhandenen Ängste, besonders in sozialen Situationen. Mangelnder Selbstwert; Gefühle, etwas falsch gemacht zu haben und Vermeidungsverhalten führten zu Abbrüchen der Arbeit und nachfolgend einem Fluchtverhalten.
Diese wiederkehrende Problematik stand mit Wahrscheinlichkeit in kausalem Zusammenhang mit der Traumatisierung und somit wäre aus medizinischer Sicht ohne kausale Gesundheitsschädigung eine kontinuierliche Beschäftigung möglich gewesen."
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 05.01.2015 wurde der Antrag auf Ersatz des Verdienstentganges gemäß § 1 Abs. 1 und 3, § 3, sowie § 10 Abs. 1 des Verbrechensopfergesetzes (VOG) abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht vom Beschwerdeführer, vertreten durch seine Rechtsanwältin, Beschwerde erhoben, und der Bescheid seinem gesamten Inhalt nach wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens angefochten.
Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.08.2016, Zl. 2101832-1/9E wurde In Erledigung der Beschwerde der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen zurückverwiesen.
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass es für das Bundesverwaltungsgericht nicht nachvollziehbar sei, von welchen psychischen Gesundheitsschädigungen bzw. Traumatisierungen die belangte Behörde konkret ausgehe, da diesbezügliche Feststellungen im angefochtenen Bescheid fehlten. Die belangte Behörde hätte weiters ermitteln und feststellen müssen, welche psychischen Gesundheitsschädigungen vorliegen und welche davon als kausal bzw. akausal angesehen werden. Es werde auf Grundlage von fachärztlichen Sachverständigengutachten zu klären sein, ob sich die allenfalls zugrunde gelegten, kausal auf die Verbrechen iSd § 1 Abs. 1 VOG zurückgeführten, Gesundheitsschädigungen derart ausgewirkt hätten, dass diese wahrscheinlich dazu beigetragen hätten, dass der Beschwerdeführer einen Verdienstentgang erlitten habe.
Im fortgesetzten Ermittlungsverfahren wurde von der belangten Behörde ein weiteres Sachverständigengutachten des bereits im Verfahren befassten Gutachter aus dem Fachbereich der Psychiatrie/Neurologie XXXX vom 20.12.2016 eingeholt, in welchem Nachfolgendes ausgeführt wurde:
"Festgestellter Sachverhalt im Akt:
1962 hat sich der Vater durch Erhängen suizidiert. Dieser habe massive Alkoholprobleme und finanzielle Sorgen gehabt, habe seine Mutter häufig geschlagen. Obg. ist beim Suizid des Vaters 9,5 Jahre alt gewesen und hat den Vater als erster gefunden. Nach dem Tod des Vaters ist seine Mutter überfordert gewesen, habe ihn häufig geschlagen.
1963 erlitt der o.g. einen schweren Fahrradunfall, habe 6 Wochen im Krankenhaus gelegen, hatte einen Beckenbruch, schwere Verletzungen des rechten Beines und eine Narbe auf der Stirn erlitten. Aufgrund der erlittenen Verletzungen, Lähmungen bzw. Gefühlslosigkeit im linken Oberschenkel war er nicht fähig alleine zur Schule zu gehen oder Radzufahren.
Von 1963 bis 1967 besuchte er die Internatsschule im Stift XXXX , in dieser Zeit sei es zum sexuellen Missbrauch gekommen. Mit Urteil des Landesgerichts XXXX , Zl. XXXX wurde XXXX wegen des Verbrechens der Fortführung zur Unzucht zu 20 Monaten schweren Kerkers verurteilt. Die detaillierten Missbrauchserlebnisse des Klienten sind im Akt gut dokumentiert.
Beruflicher Werdegang lt. Akt:
Der Klient besuchte die Volksschule, Hauptschule, 1 Jahr Handelsschule, Lehre als technischer Zeichner bei einem Geometer wurde abgebrochen aufgrund von Stress. Die Lehre als Einzelhandelskaufmann wurde vorerst abgebrochen und später in XXXX abgeschlossen.
Nach dem Bundesheer hat er einen Hilfsjob aus Auslieferungs- und Verkaufsfahrer absolviert. Er wanderte zwischen 1978 und 1995 nach XXXX aus, dort hat er bei Import und Export Firma im Management gearbeitet. Die Aufgabe der Firma erfolgte seinen Angaben zufolge aus gesundheitlichen Gründen und er kam zurück nach XXXX , dort fand er bei einem alten Arbeitgeber eine Beschäftigung im Außendienst.
Von 1989 bis 1991 Ausbildung aus Organisationsprogrammierer, gründete 1993 eine eigene Erwachsenenbildungsfirma, war Geschäftsführer und Dozent für EDV-Schulungen. Er habe sehr viel gearbeitet, sich zunehmend überfordert, konnte den Stress beim Unterrichten und die anderen vielfältigen Aufgaben nicht bewältigen.
Nachdem er zusätzlich ein Taxiunternehmen gegründet habe (1996) seien die Überforderungen, Konzentrationsschwierigkeiten und depressiven Zustände stärker geworden. Er gab seine Firmenanteile an der Firma ab und absolvierte eine Ausbildung zum Immobilienmakler, übte diesen Beruf allerdings nie aus. Zurück in XXXX war er wieder selbstständiger Unternehmer. 2003 gab er den Betrieb in XXXX auf und zog zurück nach Österreich, war bei seiner Frau mitversichert, hatte kein selbstständiges Einkommen. Seit 2009 war ein Pensionsverfahren bei der PVA anhängig. Seit 01.10.2014 bezieht der o.g. laufend eine -Pension der PVA.
Um das Vorliegen der Voraussetzung für die Zuerkennung eines Verdienstentganges nach dem VOG zu ermitteln, ist die Kausalität zu beurteilen und festzustellen, wie sich allenfalls vorliegende verbrechenskausale Leiden auf den Berufsverlauf ausgewirkt bzw. den Beschwerdeführer an einer besseren Ausbildung gehindert haben.
Es wird aufgrund eines fachärztlichen Sachverständigengutachtens zu klären sein, ob sich die allenfalls zugrunde gelegten kausal auf die Verbrechen iSd SI Abs. 1 VOG zurückgeführten Gesundheitsschädigungen derart ausgewirkt haben, dass diese wahrscheinlich dazu beigetragen haben, dass der Beschwerdeführende Verdienstentgang erlitten hat, wobei auf die Theorie der wesentlichen Bedingungen Bedacht zu nehmen sein wird.
Fragestellungen:
1. Welcher dieser festgestellten Gesundheitsschädigungen sind mit Wahrscheinlichkeit kausal auf das Verbrechen - sexueller Missbrauch vom 11. bis 17. Lebensjahr - zurückzuführen?
2. Welche der festgestellten Gesundheitsschädigungen sind akausal und somit nicht auf die angeführten Verbrechen zurückzuführen?
3. Warum werden diese Gesundheitsschädigungen als akausal bzw. kausal bewertet?
Befunderhebung am 20.12.2016:
Der Klient wird darauf hingewiesen, dass es nun hauptsächlich um den Zeitraum von 2013 bis 2016 in Bezug auf seine psychische Problematik geht. Er holt trotzdem etwas weiter aus und berichtet wieder davon, dass er eben 2002 bei einem Klassentreffen den damaligen Täter wieder getroffen hat. Er musste dieses Treffen dann vorzeitig verlassen, ging wieder zurück nach XXXX .
In der darauffolgenden Zeit konnte er allerdings nicht mehr arbeiten. Er sei ständig zu Hause gesessen, war immer erschöpft, konnte sich nicht mehr konzentrieren und die Merkfähigkeit war hochgradig eingeschränkt. Er habe immer wieder z.B. zu schreiben begonnen, jedoch nicht zu Ende geführt. Es traten zunehmend Angstzustände mit extremem Schwitzen auf.
2009 war er dann in der Psychosomatik im KH XXXX in Behandlung. Dort sei eine Posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert worden. 2009 und 2012 war er jeweils zur Rehabilitation in XXXX , vor 2,5 Jahren war er im psychosomatischen Zentrum XXXX , nun ist er seit 02.12.2016 wieder laufend dort in Behandlung.
Seit 2013 sei es so, dass er immer wieder in eine gewisse Untätigkeit hineinfalle. Er halte es unter anderen Menschen nicht mehr aus, es besteht ein extremer sozialer Rückzug. Es treten nachts Alpträume auf, er sieht Mönche und Pfarrer in der Wohnung, wache dann auf und meint, dass dies Realität ist. Unter Zeitdruck sei er nervös und schusselig.
Er habe vor 2013 noch einmal versucht bei der Lebenshilfe in der Personenbeförderung zu arbeiten, der Verantwortung und dem Zeitdruck sei er allerdings nicht gewachsen gewesen.
In Bezug auf die Auswirkungen des damaligen vormaligen Missbrauchs sind nach wie vor Angstzustände sowie große Unsicherheiten vorhanden. Er fühlt sich ständig unterdrückt, teilweise verfolgt, hat den Eindruck, dass er alles falsch mache, dass er nichts für sich tun kann. Er verfällt oft in eine Starre, kann nichts mehr erledigen.
Der Klient ist in sehr langen Abständen seinen Angaben nach bei XXXX in Kontrolle - 1 x pro Jahr; die psychotherapeutische Behandlung erfolgt über PGA seit 2009 mit Unterbrechungen; bei der letzten Therapeutin ist er nun seit 2 Jahren durchgehend 1 x pro Woche in Behandlung, er weiß allerdings den Namen der Therapeutin nicht.
Medikamente nehme er keine ein. Antidepressiva habe er nie vertragen, diese würden seine latent vorhandenen Suizidgedanken nur verstärken - diese Gedanken sind eigentlich immer vorhanden
Status psychicus:
Bewusstsein klar, orientiert, Antrieb vermindert, Affizierbarkeit im positiven Skalenbereich eingeschränkt, Stimmung depressiv, Duktus kohärent, latent manchmal das Gefühl, dass er verfolgt wird, keine eindeutig wahnhaften Denkinhalte, keine Halluzinationen, gelegentlich Identitätsdiffusion, Intrusionen oder Flashbacks, Alpträume, latent immer wieder Suizidgedanken vorhanden, Appetit gesteigert, phasenweise Essattacken.
Gutachten:
Bei dem Klienten liegt infolge der Missbrauchserlebnisse zwischen 1963 und 1967 eine Posttraumatische Belastungsstörung vor, wobei aufgrund des langen Verlaufs und der Komplexheit der Symptomatik von einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung gesprochen werden muss, welche im ICDIO als andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung bezeichnet wird. Diese zeigt sich bei Hr. XXXX durch eine misstrauische Haltung, sozialen Rückzug, andauerndes Gefühl von Leere und Hoffnungslosigkeit, andauerndes Gefühl von Nervosität oder von Bedrohung ohne äußere Ursache, Gefühl der Entfremdung.
Insbesondere kam es 2002 bei einem Klassentreffen und dem abermaligen Aufeinandertreffen mit dem Täter zu einer ausgeprägten Retraumatisierung und nachfolgend fortdauernden Destabilisierung des Klienten - daher erfolgte dann auch eine psychosomatische Behandlung in XXXX , 2 x Rehabilitation in XXXX und nun auch 2 x Behandlung in XXXX mit Schwerpunkt in Bezug auf Posttraumatische Störungen und Persönlichkeitsstörungen.
An akausalen Ereignissen liegen der Suizid des Vaters, der Verkehrsunfall 1962 sowie allgemein die Unterbringung im Internat und 2 Scheidungen. Grundsätzlich muss davon ausgegangen werden, dass der Suizid des Vaters und die nachfolgende Überforderung der Mutter bei der Erziehung sowie die Unterbringung in einem Internat mit 10 Jahren dazu weiter beigetragen haben; dass der Klient eine psychische - Strukturierung entwickelt hat, diese Faktoren waren Vulnerabilitätsfaktoren für die Anfälligkeit in Bezug auf die Übergriffe des Paters, somit kann den akausalen Faktoren auch eine gewisse Kausalität zugeordnet werden.
Bzgl. der geminderten Erwerbsfähigkeit ist zu sagen, dass diese hauptsächlich durch die kausale Gesundheitsschädigung bedingt ist. Es gibt eine klare chronologische Zuordnung der Symptomatik zu der Retraumatisierung während des Klassentreffens 2002 und der nachfolgenden andauernden psychischen Problematik, welche trotz der vielfältigen stationären Behandlungen bisher zu keiner Remission geführt hat."
Aufgrund der unzureichenden Beantwortung der Fragen und der Unschlüssigkeit des Gutachtens, wurde von der belangten Behörde nachfolgendes Sachverständigengutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie XXXX vom 05.05.2018, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers, eingeholt:
"Wohnsituation: Mietwohnung ca. 64m 2 - inkl. Balkon. Lebt zusammen mit: Lebt Alleine;
Erlernter Beruf: Gibt an, 10 Berufe erlernt zu haben u.a. Einzelhandelskaufmann, Bürokaufmann, Industriebuchführer, habe Organisationsprogrammierung gelernt, sei Dozent an der XXXX gewesen, EDV Trainer sowie Immobilienkaufmann - selbständig, sei dann Spezialist für Häute und Felle in XXXX gewesen, habe zuletzt als Taxiunternehmer gearbeitet.
Pension: seit dem 64. LJ beziehe er eine Berufsunfähigkeitspension.
Familienstand/Kinder: 2 x geschieden, keine Kinder - er sei seit den Misshandlungen in der Heimzeit zeugungsunfähig;
Führerschein: B und A;
Bundesheer: Normal gedient.
Monatliches Einkommen: Mindestrente aus XXXX : ? 360,--, aus Österreich beziehe er ? 125,-- das würde bis zu dem Betrag der Mindestsicherung erhöht werden von ca. ? 900,-Schulden: verneint;
Vorstrafen: Verurteilung aufgrund des Homosexualitätsparagraphen 1970, da sei er fälschlich angeklagt worden;
Nervenfachärztliche Behandlung: Er sei in Behandlung bei Hr. Dr. XXXX aufgrund der Migräne, sowie bei einer nicht näher genannten Psychiaterin in XXXX .
Psychotherapie: seit 2009 wöchentlich bei PT Frau XXXX , nach eigenen Angaben würde er sehr von der Therapie profitieren.
Medikamentöse Therapie: Neurobion Dragees, homöopathische Medikamente sowie Bio Hanftropfen, lbuprofen, Zolmitriptan und Cerebokan.
KG/KGW: 178 cm, 124 kg;
Alkohol: Verneint.
Nikotin: Verneint.
An Hobbies werden angegeben: Er könne keine ausführen, was immer er anpacke sei überfordert.
Auf die Frage "Was beeinträchtigt Sie am meisten? " wird sinngemäß geantwortet: "Die Ängste, die belasten mich! Die Leute spucken aus, wenn ich auf der Straße bin, ich werde angesprochen, was für ein schlechter Christ ich bin!" weiters die Vorgänge im Kloster wären so nie passiert, der Vizebürgermeister habe ihm ein Sprechverbot erteilt.
Auf die Frage "Was war die beste Zeit in ihrem Leben?" wird angegeben: Bis zum Verkehrsunfall im 8. oder 9. LJ sei es ihm gut gegangen, da sei er ins Kloster gekommen.
Gesamteindruck:
Herr XXXX erscheint pünktlich, der Witterung entsprechend, etwas nachlässig gekleidet, ohne Zuhilfenahme von Stock oder Krücke zur Untersuchung, 66-jähriger Pat. in gutem AZ und deutlich adipösem EZ, die Auskunftsbereitschaft gegeben wiederholt auf seine jetzigen psychischen Einschränkungen verweisend ("Wenn ich in einen Copyshop gehe, müssen sie nach mir die Putzfrau rufen, weil sich unter mir eine Schweißlacke gebildet hat!"), befragt, wann das Leiden begonnen habe, wird angegeben, bei einem Schülertreffen habe er den Täter wiedergetroffen, der seinerzeit aufgrund des Homosexualitätsparagraphen verurteilt worden sei, da sei für ihn eine Welt zusammengebrochen und er habe seine bisherige Tätigkeit nicht mehr ausüben können, er sei zweimal in XXXX und zweimal in XXXX behandelt worden; Sprache und Ausdrucksweise gewählt, Aggravationstendenz
Psychiatrischer Status:
Bewusstsein: wach, gut kontaktierbar, allseits orientiert; Im Duktus kohärent und zielgerichtet, keine formale oder inhaltliche Denkstörung; Merkfähigkeit, Konzentration und Gedächtnisleistung: unbeeinträchtigt; Stimmungslage: subdepressiv; Affekt: flach, die Affizierbarkeit in allen Skalenbereichen etwas eingeschränkt; die Psychomotorik; angepasst; Biorhythmus: keine Einschlaf- oder Durchschlafstörung; Wahn: kein Hinweis auf produktive Symptomatik; keine suizidale Einengung.
Diagnose: Dysthymie;
Stellungnahme:
1. Welche Gesundheitsschädigungen liegen beim Antragsteller vor?
Herr XXXX wurde am 13.4.2018 untersucht und dabei die Diagnose Dysthymie (F32.1) gestellt: Laut ICD 10 handelt es sich hierbei um eine chronische, wenigstens mehrere Jahre andauernde depressive Verstimmung, die weder schwer noch hinsichtlich einzelner Episoden anhaltend genug ist, um die Kriterien einer schweren, mittelgradigen oder leichten rezidivierenden depressiven Störung (F33.-) zu erfüllen.
In den vorgelegten Unterlagen wird in diversen Gutachten die Diagnose F43.1 Posttraumatische Belastungsstörung, F60 und F62.0 "Andauernde Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung" gestellt, diesbezüglich einige Anmerkungen:
Posttraumatische Belastungsreaktion (ICD 10 F43.1): Diese entsteht als eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Prädisponierende Faktoren wie bestimmte, z.B. zwanghafte oder asthenische Persönlichkeitszüge oder neurotische Krankheiten in der Vorgeschichte können die Schwelle für die Entwicklung dieses Syndroms senken und seinen Verlauf erschweren, aber die letztgenannten Faktoren sind weder notwendig noch ausreichend, um das Auftreten der Störung zu erklären. Typische Merkmale sind das wiederholte Erleben des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen (Nachhallerinnerungen, Flashbacks), Träumen oder Albträumen, die vor dem Hintergrund eines andauernden Gefühls von Betäubtsein und emotionaler Stumpfheit auftreten. Ferner finden sich Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschen, Teilnahmslosigkeit der Umgebung gegenüber, Freudlosigkeit sowie Vermeidung von Aktivitäten und Situationen, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen könnten. Meist tritt ein Zustand von vegetativer Übererregtheit mit Vigilanzsteigerung, einer übermäßigen Schreckhaftigkeit und Schlafstörung auf. Angst und Depression sind häufig mit den genannten Symptomen und Merkmalen assoziiert und Suizidgedanken sind nicht selten. Der Beginn folgt dem Trauma mit einer Latenz, die wenige Wochen bis Monate dauern kann. Der Verlauf ist wechselhaft, in der Mehrzahl der Fälle kann jedoch eine Heilung erwartet werden. In wenigen Fällen nimmt die Störung über viele Jahre einen chronischen Verlauf und geht dann in eine andauernde Persönlichkeitsänderung F62.0 über. (Hervorhebung durch den Gutachter)
Anmerkung: Die Diagnose "posttraumatische Belastungsstörung" kann somit bei jahrzehntelangen Verlauf nicht gestellt werden. Auch sei erwähnt, dass sich die Angabe von Albträumen/Flashbacks etc. der Objektivierbarkeit entzieht.
Die Kategorie Andauernde Persönlichkeitsänderungen, nicht Folge einer Schädigung oder Krankheit des Gehirns ICD 10: F62 wird wie folgt beschrieben:
Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen ohne vorbestehende Persönlichkeitsstörung nach extremer oder übermäßiger, anhaltender Belastung oder schweren psychiatrischen Krankheiten. Diese Diagnosen so/Iten nur dann gestellt werden, wenn Hinweise auf eine eindeutige und andauernde Veränderung in der Wahrnehmung sowie im Verhalten und Denken bezüglich der Umwelt und der eigenen Person vorliegen. Die Persönlichkeitsänderung sollte deutlich ausgeprägt sein und mit einem unflexiblen und fehlangepassten Verhalten verbunden sein, das vor der pathogenen Erfahrung nicht bestanden hat. Die Änderung sollte nicht Ausdruck einer anderen psychischen Störung oder Residualsymptom einer vorangegangenen psychischen Störung sein. (Hervorhebung durch den Gutachter).
Anmerkung: Die "pathogene Erfahrung" wäre im gegenständlichen Fall unmöglich zu werten: Problematische Familienverhältnisse, Verkehrsunfall mit mehrwöchigem Krankenhausaufenthalt, die Internatsaufnahme an sich mit der Trennung von Familie und Freunden, die Missbrauchserfahrungen oder die Verurteilungen als Jugendlicher, was eine Differenzierung nicht möglich macht!
Die Diagnose - Andauernde Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung F62.0 wird in der ICD 10 wie folgt definiert:
Eine andauernde, wenigstens über zwei Jahre bestehende Persönlichkeitsänderung kann ei ner Belastung katastrophalen Ausmaßes folgen. Die Belastung muss extrem sein, dass die Vulnerabilität der betreffenden Person als Erklärung für die tief greifende Auswirkung auf die Persönlichkeit nicht in Erwägung gezogen werden muss. Die Störung ist durch eine feindliche oder misstrauische Haltung gegenüber der Welt, durch sozialen Rückzug, Gefühle der Leere oder Hoffnungslosigkeit, ein chronisches Gefühl der Anspannung wie bei ständigem Bedrohtsein und Entfremdungsgefühl, gekennzeichnet. Eine posttraumatische Belastungsstörung (F43.1 kann dieser Form der Persönlichkeitsänderung vorausgegangen sein.
Inklusive: Persönlichkeitsänderungen nach: andauerndem Ausgesetztsein lebensbedrohlicher Situationen, etwa als Opfer von Terrorismus
Persönlichkeitsänderungen nach: andauernder Gefangenschaft mit unmittelbarer Todesgefahr
Persönlichkeitsänderungen nach: Folter
Persönlichkeitsänderungen nach: Katastrophen
Persönlichkeitsänderungen nach: Konzentrationslagererfahrungen
Exklusive: Posttraumatische Belastungsstörung F43.1
Anmerkung: Ohne Kenntnis eines Traumas oder Belastung katastrophalen Ausmaßes treten die beschriebenen Symptome auch im Rahmen einer affektiven Störung auf, wie z.B. Depressio. Weiters ist die gleichzeitige Vergabe der Diagnose F62.O - Andauernde Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung und F43.1 - Posttraumatische Belastungsstörung ist nicht möglich!
Vorgelegte Gutachten und Entlassungsbriefe: (Hervorhebungen durch den Gutachter)
- Klinikum XXXX - mehrfache stationäre Aufenthalte (5x) Mai 2009, (Abl. 12-18/HF), Entlassungsdiagnose: Rezidivierend depressive Störung, mittelgradige Episode;
- Entlassungsbrief XXXX September 2009 (Abl. 291-296/HF02; Entlassungsdiagnose: Rezidivierende depressive Störung, derzeit leichte Episode, ohne somatisches Syndrom;
- PVA Gutachten 2009 (Abl. 150-152/RT02), Diagnose: Rezidivierende dep. Störung, derzeit leichte Episode;
- Neurologisch psychiatrisches Gutachten Dr. XXXX , März 2010 (Abl. 336347/HF02):
"1. Depressives Zustandsbild bei Persönlichkeitsproblematik: die Persönlichkeit zeigt offenbar narzisstische Züge und ist in erhöhtem Maße sensibilisiert gegenüber Kränkungen. Dass er nach seiner Rückübersiedlung von XXXX dann in Österreich beruflich nicht Fuß fassen konnte, hat ihn offenbar besonders betroffen. Dazu ist die Aktivierung kindlicher Traumata gekommen (Missbrauchsproblematik in Stiftsinternat). Da hat dann schließlich zur Ausbildung einer depressiven Symptomatik geführt, die - bei wechselhaftem Verlauf - derzeit leicht bis maximal mäßiggradig einzuschätzen ist. In den Selbstbeurteilungsfragebögen wird die Symptomatik durch ihn massiv überzeichnet und entspricht sicherlich nicht dem klinischen Gesamtbild. Testpsychologisch: zeigt sich eine Konzentrationsstörung bei normalen Gedächtnisstatus. Die Ereignisse der Selbstbeurteilungsfragebögen sind aufgrund der Aggravation nicht verwertbar. " Dem Gutachten kann gefolgt werden.
-Zusammenfassungsgutachten/orthopädisch-unfallchirurgisches Gutachten Dr. XXXX , April 2010, (Abl. 321-335/HF02): Diagnosen 1. Depressives Zustandsbild bei Persönlichkeitsproblematik, Depression derzeit leicht bis maximal mittelgradig. 2. Attackenkopfschmerz, am ehesten als Migräne zu klassifizieren, diesbezüglich keine spezielle Behandlung
- PVA Gutachten Juni 2012 (Abl. 59-61/RT01) Diagnose: Rezidivierende depressive Störung, derzeit leichte Episode;
- Gutachten XXXX , datiert Dez. 2012 (Abl. 166-179 RTOI), Diagnose:
Rez. depr. Störung; Anpassungsstörung; Dem Gutachten kann gefolgt werden.
- Stellungnahme XXXX , datiert Mai 2013 (Abl. 159-160 RTOI). Der Stellungnahme kann gefolgt werden.
- Klinisch-psychologisches Sachverständigengutachten Privatgutachten Dr. XXXX , datiert Mai 2013 (Abi 18-45 RT01):
Zusammengefasst liegt aus klinisch-psychologischer Sicht beim Untersuchten ein Zustand nach einer traumatisch und dramatisch verlaufenden Kindheit und Jugend vor; die derzeit beobachteten Störungen und Krankheiten sind aus gutachterlicher Sicht kausal mit vergangenen Traumata in Verbindung zu bringen bzw. durch diese Traumata und Missentwicklungen kausal ausgelöst.
Zusammengefasst liegen beim Untersuchten folgende Störungen vor:
ICD 10 F41.1. bzw. F41.3 - generalisierte Angststörung bzw. gemischte Angststörung. (...)
ICD 10 F43.1 Posttraumatische Belastungsstörung - posttraumatische Belastungsstörung (...)
"Speziell auch in Bewertung der Historie und der offensichtlich jahrelang andauernden Qual des Untersuchten (Anm.: siehe Unterlagen und Vorgutachten) und auch vor dem Hintergrund der aktuellen Befundergebnisse ist es beim Untersuchten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bereits zu einer lang anhaltenden Änderung der Persönlichkeit nach jahrelangen extremen Belastungen gekommen." Dem Gutachten kann mit dem Verweis die traumatisch und dramatisch verlaufende Kindheit gefolgt werden, eine "Bewertung der Historie" ist jedoch nur bedingt möglich.
- Psychiatrisches Sachverständigengutachten Dr. XXXX , datiert März 2014 (Abl. 95-98/RT01):
Die chronische posttraumatische Symptomatik, welche teilweise auch Züge einer andauernden Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung zeigt, ist mit Wahrscheinlichkeit auf die Missbrauchsfälle im Internat in der Klosterhauptschule des Stiftes XXXX von 1963 bis 1969 zurückzuführen.
- Entlassungsbericht Psychosomatisches Zentrum XXXX , datiert Sept. 2014 (Abl. 210213), Diagnose PTBS; Rez. Depressive Störung, ggw. mittelgradige depressive Episode. Dem Entlassungsbericht kann nicht gefolgt werden, siehe oben. Aus fachärztlicher Sicht ist es unmöglich PTBS mit Sicherheit von einer depressiven Störung abzugrenzen.
- Neurologisch/psychiatrisches Sachverständigengutachten Dr. XXXX , datiert Mai 2015, (Abl. 286-301/RT02) psychiatrische Diagnose: 1.) Andauernde Persönlichkeitsänderung nach traumat. Ereignis; 2. Rez. Depressive Störung ggw. Mittelgradig ausgeprägte Episode.
Dem Gutachten kann nicht gefolgt werden, siehe auch die im Gutachten erwähnten diagnostischen Kriterien (Abl. 299/RT02).
- Psychiatrisches Sachverständigengutachten Dr. XXXX , datiert Dezember 2016 (Abl. 395-400/RT02): "Bei dem Klienten liegt infolge der Missbrauchserlebnisse zwischen 1963 und 1967 eine posttraumatische Belastungsstörung vor, wobei aufgrund des langen Verlaufes und der Komplexität der Symptomatik von einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung gesprochen werden muss, welche im ICD 10 als andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung bezeichnet wird. Die zeigt sich bei Herrn XXXX durch eine misstrauische Haltung, sozialen Rückzug, andauerndes Gefühl von Leere und Hoffnungslosigkeit, andauerndes Gefühl von Nervosität oder von Bedrohung ohne äußere Ursache, Gefühl der Entfremdung." Grundsätzlich muss davon ausgegangen werden, dass der Suizid des Vaters und nachfolgende Überforderung der Mutter bei der Erziehung sowie die Unterbringung in einem Internat mit 10 Jahren dazu beigetragen haben, dass der Klient eine instabile psychische Strukturierung entwickelt hat - diese Faktoren waren Vulnerabilitätsfaktoren für die Anfälligkeit in Bezug auf die Übergriffe des Paters, somit kann den grundsätzlich akausalen Faktoren auch eine gewisse Kausalität zugeordnet werden. Bezüglich der geminderten Erwerbsfähigkeit ist zu sagen, dass diese hauptsächlich durch die kausale Gesundheitsschädigung bedingt ist. Es gibt eine klare chronologische Zuordnung der Symptomatik zu der Retraumatisierung während des Klassentreffens 2002 und der nachfolgenden andauernden psychischen Problematik, welche trotz der vielfältigen stationären Behandlungen bisher zu keiner Remission geführt hat." Dem Gutachten kann mit seinen Schlussfolgerungen nicht gefolgt werden, bezüglich der Retraumatisierung siehe Stellungnahme XXXX vom Mai 2013 (Abl. 159-160 RTOI), 3. Absatz.
- Entlassungsbericht Psychosomatisches Zentrum XXXX , datiert März 2017 (Abl. lose Blätter vom Antragsteller vorgelegt), Diagnose: Komplexe posttraumatische Belastungsstörung (F43.1); Rez. Depressive Störung, ggw. mittelgradige depressive Episode.
Dem Entlassungsbericht kann nicht gefolgt werden, siehe oben. Aus fachärztlicher Sicht ist es unmöglich P TBS mit Sicherheit von einer depressiven Störung abzugrenzen.
2. Sind verbrechensfremde Faktoren (wie das Auffinden des erhängten Vaters, die Misshandlungen der Mutter an ihm, schwerer Unfall, die Unterbringung im Internat, Stress aufgrund von Überforderung im beruflichen Bereich, die ihm widerfahrene "ungerechtfertigte Verurteilung", Scheidungen) für die Entstehung einer Gesundheitsschädigung verantwortlich?
Aus fachärztlicher Sicht ist anzunehmen, dass die Summe der sogenannten Sozialisierungsbedingungen und weitere späte negative Lebenserfahrungen unabhängig vom Verbrechen maßgeblich zu der Entwicklung des psychischen Zustandsbildes beigetragen haben. Siehe auch Beantwortung der Frage 4.
3. Welche der festgestellten Gesundheitsschädigungen sind mit Wahrscheinlichkeit kausal auf das Verbrechen - sexueller Missbrauch vom 11. - 17. Lebensjahr - zurückzuführen?
Ein Kausalzusammenhang mit dem Verbrechen ist nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen. In der Biographie sind mehrere belastende Lebensereignisse zu erheben, es ist nicht mit Sicherheit oder hoher Wahrscheinlichkeit abzugrenzen, welches für das gegenwärtige psychische Zustandsbild überwiegend zu verantworten ist.
4. Welche der festgestellten Gesundheitsschädigungen sind akausal?
Wie aus den zur Verfügung gestellten Unterlagen hervorgeht entstammt Herr XXXX problematischen Familienverhältnissen, die Umstände die zur Internatsunterbringung geführt haben, waren u.a. Überforderung der nach dem Suizid des Vaters alleinerziehenden Mutter, wobei nicht unerwähnt bleiben soll, dass der 9-jährige Bub den erhängten Vater auffindet. Schon vor dem Internat erfolgte durch den Verkehrsunfall 1963 nicht nur ein körperliches, sondern auch ein psychisches Trauma. Nach Entlassung aus dem Stift Verurteilung aufgrund homosexueller Handlungen 1970 (Abl. 313-315/HF02). Trotz dieser Belastungen ist es Hr. XXXX gelungen, über längere Zeit für seinen Unterhalt zu sorgen. An weiteren Belastungen sind Scheidungen, Berufswechsel, langjährige Arbeitslosigkeit und prekäre finanzielle Verhältnisse zu nennen. Es ist somit aus fachärztlicher Sicht unmöglich, einzelne Traumata in ihrer Auswirkung auf die Psyche abzugrenzen und zu gewichten, zumal auch die Ereignisse teilweise 50 bis 60 Jahre zurückliegen.
5. Falls das Verbrechen nicht alleinige Ursache ist, wird um Beurteilung ersucht, ob das Verbrechen als wesentliche Ursache zum derzeitigen Leidenszustand beigetragen hat.
(Bei der Verursachung des Schadens durch mehrere Ereignisse ist Kausalität zu bejahen, wenn eines davon den Kausalverlauf wesentlich mitbeeinflusst hat und der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist. Tritt eine Ursache gegenüber den anderen erheblich in den Hintergrund, fehlt die Kausalität. Sie fehlt auch dann, wenn der Schaden auf eine innere Ursache zurückzuführen ist. Das Schadensereignis trifft dann mit einer beim Geschädigten bereits vorhandenen Krankheitsanlage zusammen und führt den Körperschaden herbei. Eine innere Ursache liegt vor, wenn ein anlagebedingtes Leiden des Geschädigten so leicht ansprechbar ist, dass es zur Auslösung akuter Erscheinungen nicht besonderer äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern jedes andere al/täglich vorkommende Ereignis zur selben Zeit die Erscheinungen ausgelöst hätte. Hier tritt der Schaden zufällig während, aber nicht infolge der Tathandlung ein, so dass die Tathandlung nicht die wesentliche Ursache bildet)
Aus fachärztlich-psychiatrischer Sicht haben die Misshandlungen zwar möglicherweise einen Einfluss auf den derzeitigen psychischen Leidenszustand sind jedoch nicht als wesentliche Ursache anzusehen.
6. Falls die festgestellten Gesundheitsschäden durch kausale und akausale Ursachen herbeigeführt worden sind, wir ersucht zu folgendem Stellung zu nehmen:
a) haben die Missbrauchshandlungen die festgestellten Gesundheitsschädigungen mit Wahrscheinlichkeit vorzeitig (erheblich früherer Zeitpunkt) ausgelöst
Es gibt keinen Hinweis, dass das erlittene Trauma die festgestellte Gesundheitsschädigung vorzeitig ausgelöst hätte.
b) wären diese auch ohne die angeschuldigten Ereignisse im annähernd selben Zeitraum entstanden?
Es ist davon auszugehen, dass die festgestellte Gesundheitsschädigung im selben Zeitraum entstanden wäre.
7. Haben die Missbrauchshandlungen die festgestellten Gesundheitsschädigungen mit Wahrscheinlichkeit verschlimmert?
Wenn ja, in welchem Ausmaß?
Es gibt keinen Hinweis auf Verschlimmerung bzw. lässt sich eine solche Verschlimmerung nicht abgrenzen!
8. Zur Arbeitsfähigkeit:
Welche Gesundheitsschäden kausal und akausal bewirken eine Erwerbseinbuße bzw. Arbeitsunfähigkeit bei dem Antragsteller?
a) Welche kausalen Gesundheitsschädigungen wirken sich auf die Erwerbsfähigkeit aus und in welchem Ausmaß?
Ein kausaler Gesundheitsschaden zur Minderung der Erwerbsfähigkeit lässt sich weder in der Untersuchung noch in den zur Verfügung gestellten Unterlagen zweifelsfrei nachweisen.
b) Welche akausalen Gesundheitsschädigungen wirken sich auf die Erwerbsfähigkeit aus und in welchem Ausmaß?
Laut den PVA Gutachten 2009 (Abl. 150-152/RT02) und 2012 (Abl. 59-61/RT01) sind dies eine rezidivierende depressive Störung, derzeit leichte Episode;
c) Falls kausale und akausale Gesundheitsschädigungen annähernd gleichwertig sind wird um Beurteilung ersucht welche Gesundheitsschädigungen kausale/akausale wesentlich an der Verursachung der Erwerbsunfähigkeit beigetragen haben?
Entfällt, siehe a.)
d) Welche Gesundheitsschädigungen haben den beruflichen Werdegang maßgeblich beeinflusst?
Aus fachärztlicher Sicht ist anzunehmen, dass die beschriebenen rezidivierenden depressiven Episoden den beruflichen Werdegang maßgeblich beeinflusst haben.
e) Wäre ohne die Missbrauchserlebnisse eine kontinuierliche Beschäftigung (normaler Beschäftigungsverlauf) möglich gewesen oder hätten schon allein die akausalen Gesundheitsschädigungen dies verhindert?
Entfällt, siehe Beantwortung Frage 3)
f) Für eine Dauerleistung nach dem VOG (im Sinne eines lebenslangen Verdienstentganges) muss objektiviert werden, inwieweit sich das gesamte Berufsleben des Antragstellers anders gestaltet hätte, wenn die schädigenden Ereignisse während des Internatsaufenthaltes nicht stattgefunden hätten.
Es ist also aus medizinischer Sicht zu beurteilen inwieweit sich der Missbrauch auf den Berufsverlauf ausgewirkt hat und inwieweit noch heute ein verbrechenskausaler Verdienstentgang objektiviert werden kann.
Entfällt, siehe a.)
g) Welche Gesundheitsschädigungen kausale akausale hinderten den Antragsteller an einem kontinuierlichen Berufsverlauf bzw. an einer - besseren -Ausbildung ?
Entfällt, siehe Beantwortung Frage 8 d)
h) Welche Gesundheitsschädigung (kausale/akausale) sind maßgebliche/überwiegende Ursache für die Zuerkennung der Berufsunfähigkeitsspension?
Entsprechend dem Zusammenfassungsgutachten (unter Einbeziehung des neurologisch-psychiatrischen Gutachtens Dr. XXXX - siehe oben), datiert Juni 2015 (Abl. 276285 /RT02) werden in der folgenden Reihenfolge genannt: 1. Migräne mit Aura, 2. Meralgia parästhetica links (Läsion des N. cutaneus femoris lateralis), 3. Flache links mediolaterale Bandscheibenvorwölbung L5/S1, ohne neurologisches Defizit, 4. Andauernde Persönlichkeitsänderung nach traumatischem Ereignis, 5. Rezidivierende depressive Störung, ggw. mittelgradig ausgeprägte Episode. 6. Binge-eating disorder (ggw. Remittiert), 7. chronisch vertebragene Beschwerden sämtliche Wirbelsäulenabschnitte betreffend, 8. Berichtete Schmerzausstrahlung von der Lenden-Becken-Hüft Region in beide untere Extremitäten, links stärker, als rechts, 9. Z. n. alter knöcherner Beckenverletzung im Kindesalter, 10. Subjektiv berichtete belastungs- und bewegungsabhängige Schmerzen an beiden Hüften, 11. Beginnende medial betonte Arthrosen an beiden Kniegelenken, 12. Vermehrter Rundrücken und geringe seitliche Verkrümmung, 13. Z. n. operativen Behandlungen Dupuytren'scher Kontrakturen beidseits (rechts gutes Behandlungsergebnis, links Rezidiv mit Bewegungseinschränkung. Aus gutachterlicher Sicht ist hinzuweisen, dass die Diagnose "Andauernde Persönlichkeitsänderung nach traumatischen Ereignis" so nicht in der ICD 10 aufscheint und, wie bereits oben diskutiert, nur bedingt von einer depressiven Störung abzugrenzen ist."
Im Rahmen des dazu eingeräumten Parteiengehörs, wurden vom Beschwerdeführer bereits bekannte und der gutachterlichen Beurteilung zu Grunde gelegte medizinische Beweismittel (Ärztlicher Entlassungsbrief vom XXXX vom 13.3.2017, Operationalisierte Psychologische Diagnose vom XXXX vom 18.06.2014, vom 24.06.2014 und vom 21.12.2016) vorgelegt.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 28.11.2018 hat die belangte Behörde den Antrag vom 31.05.2013 auf Leistungen nach dem VOG in Form von Ersatz des Verdienstentganges abgewiesen.
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer Opfer eines sexuellen Missbrauchs durch einen Pater während seines Internatsaufenthaltes geworden sei. Unter Zugrundelegung eines nervenfachärztlichen Gutachtens liege als psychische Gesundheitsschädigung beim Beschwerdeführer eine Dysthymie vor, wobei das psychische Leiden nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf die genannten Misshandlungen zurückzuführen sei. Daher sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Gegen den angefochtenen Bescheid wurde vom Beschwerdeführer, vertreten durch seine Rechtsanwältin, fristgerecht Beschwerde erhoben und im Wesentlichen vorgebracht, die belangte Behörde hätte eine mündliche Verhandlung durchführen, Zeugen und behandelnde Ärzte des " XXXX " einvernehmen müssen. Im angefochtenen Bescheid finde sich keine Auseinandersetzung mit den Diagnosen des Psychosomatischen Zentrums, welche sowohl von einer zentralen Ursache des sexuellen Missbrauchs auf die Berufslaufbahn ausgehen. Daher wären auch ehemalige Mitschüler, welche bereits im Strafverfahren vernommen worden seien, im Verfahren als Zeugen zu befragen. Es werde daher der Antrag gestellt, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, den angefochtenen Bescheid aufzuheben bzw. abzuändern und der Beschwerde stattzugeben.
Mit Schreiben vom 25.10.2018 teilte die Rechtsanwältin des Beschwerdeführers mit, eine Diagnose des "Psychosomatischen Zentrums" nachzureichen (Anm: Der Befundbericht des Psychosomatischen Zentrums war nicht im Verwaltungsakt aufliegend).
Die Beschwerde samt dem Verwaltungsakt wurde dem ho. Gericht von der belangten Behörde am 17.01.2019 vorgelegt.
Mit Schriftsatz vom 25.09.2019 brachte der Beschwerdeführer, vertreten durch seine Rechtsanwältin, einen Fristsetzungsantrag samt Verfahrenshilfeantrag zur Einbringung des Fristsetzungsantrages ein.
Da der Fristsetzungsantrag mit einem Mangel (Einbringung mittels ERV) behaftet war, wurde er dem Beschwerdeführer mit Verfügung vom 01.10.2019 zur Behebung des Mangels zurückgestellt.
Nach erfolgter Mängelbehebung, wurde der Fristsetzungsantrag samt Vorlagebericht dem VwGH vom Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 07.10.2019 vorgelegt.
Mit verfahrensanleitender Anordnung des VwGH vom 10.10.2019 wurde dem BVwG aufgetragen, eine Entscheidung binnen drei Monaten (Fristende 20.01.2020) zu erlassen.
Der Beschwerdeführer, vertreten durch seine Rechtsanwältin, die belangte Behörde, sowie der im Verfahren beigezogene Facharzt für Neurologie und Psychiatrie - welcher den Beschwerdeführer auch persönlich untersucht hat - als Sachverständiger, wurden mit Schriftsatz vom 17.12.2020 zu einer öffentlichen mündlichen Verhandlung geladen. Dem Sachverständigen wurden alle bis zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Gutachten und medizinischen Beweismittel zur Einsichtnahme und Vorbereitung für die mündliche Verhandlung übermittelt.
Am 15.01.2020 wurde seitens des ho. Gerichtes ein Antrag auf Verlängerung der Frist gem. § 38 Abs. 4 VwGG beim VwGH eingebracht.
Mit verfahrensanleitender Anordnung des VwGH vom 20.01.2020 wurde die Frist zur Erlassung einer Entscheidung gem. § 38 Abs. 4 dritter Satz VwGG um sechs Monate verlängert.
Gleichzeitig wurde ein Beschluss des VwGH vom 20.01.2020 übermittelt, mit welchem dem Antrag des Beschwerdeführers auf Verfahrenshilfe nicht stattgegeben wurde.
Mit Schreiben vom 08.01.2020 wurde dem Beschwerdeführer, vertreten durch seine Rechtsanwältin aufgetragen, die im Schreiben vom 25.10.2018 angeführte "Diagnose des Psychosomatischen Zentrums XXXX " - welche dem Schreiben nicht beilag - zu übermitteln.
Am 23.01.2020 langte eine Operationalisierte Psychologische Diagnose vom 21.12.2016 samt psychologischer Diagnostik vom 18.06.2014 des Psychosomatischen Zentrums XXXX ein.
Diese Unterlagen wurden dem fachärztlichen SV ergänzend - zur Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung - übermittelt.
Die Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht fand am 21.02.2020 im Beisein des Beschwerdeführers, seiner Rechtsanwältin, einer Vertreterin der belangten Behörde sowie des fachärztlichen Sachverständigen statt.
Der Beschwerdeführer wurde im Zuge der Verhandlung umfassend zum Sachverhalt befragt und wurde ihm bzw. seiner Rechtsanwältin Gelegenheit gegeben, sich zu äußern bzw. Stellung zu nehmen, und das Gutachten mit dem fachärztlichen Sachverständigen zu erörtern. Ebenso hatte die Vertreterin der belangten Behörde ausreichend die Möglichkeit zur Fragestellung an den Beschwerdeführer und zur Stellungnahme.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
Der Beschwerdeführer ist österreichischer Staatsbürger, und stellte am 31.05.2013 einen Antrag auf Gewährung von Hilfeleistungen nach dem Verbrechensopfergesetz in Form von Ersatz des Verdienstentganges beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen.
Der Beschwerdeführer war in den Jahren 1963 bis 1969 in einem Stiftsinternat untergebracht. Die Wochenenden hat der Beschwerdeführer in regelmäßigen Abständen zu Hause verbracht, in den Ferien war er teilweise zu Hause oder mit den am Stift ansässigen XXXX unterwegs.
Der Vater des Beschwerdeführers war XXXX , und beging Suizid als der Beschwerdeführer neun Jahre alt war. Der Beschwerdeführer hat den erhängten Vater aufgefunden.
Die Mutter des Beschwerdeführers war alleine mit fünf Kindern überfordert und hat den Beschwerdeführer auch geschlagen.
Im Jahr 1962 erlitt der Beschwerdeführer einen schweren Verkehrsunfall, bei dem er als Radfahrer von einem Auto niedergestoßen wurde.
Der Beschwerdeführer wurde während seines Aufenthaltes im Stiftsinternat Opfer von sexuellem Missbrauch durch einen Pater und Opfer von physischer Gewalt, welche er in Form von Schlägen und Ohrfeigen erlebt hat.
Der Täter wurde wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt.
Der Beschwerdeführer wurde nach der damaligen Rechtslage StGB aF wegen gleichgeschlechtlicher Handlungen verurteilt.
Der Beschwerdeführer leidet an einer Dysthymie F 32.1 laut Internationaler statistischer Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitszustände (=ICD 10).
Die beim Beschwerdeführer vorliegende psychische Gesundheitsschädigung ist nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit auf den sexuellen Missbrauch im Internat zurückzuführen. Die festgestellte psychische Gesundheitsschädigung ist akausal. Der sexuelle Missbrauch im Internat ist nicht als wesentliche Ursache zum jetzigen psychischen Leidenszustand anzusehen.
Der Beschwerdeführer erhielt von der Stiftung Opferschutz eine Opferentschädigung im Ausmaß von Euro 15.000-, und er bezieht eine Heimopferrente.
Der Beschwerdeführer hat als technischer Zeichner gearbeitet, eine kaufmännische Lehre erfolgreich abgeschlossen und ein Kurzstudium für Organisationsprogrammierung erfolgreich absolviert, war viele Jahre im Ausland in führender Position im Management in einer Firma im Ex- und Import tätig, hat in der Erwachsenenbildung gearbeitet und eine Schule für Erwachsenenbildung selbst aufgebaut, hat als Trainer und Dozent gearbeitet, sowie eine Firma für öffentlichen Gelegenheitsverkehr betrieben.
Der Beschwerdeführer ist seit dem Jahr 2014 und somit etwa seit dem 62. Lebensjahr - neben anderen akausalen Gesundheitsschädigungen - aufgrund der akausalen psychischen Gesundheitsschädigung "Rezidivierende depressive Störung" in dauernder Berufsunfähigkeitspension.
2. Beweiswürdigung
Die Feststellu