Entscheidungsdatum
17.04.2020Norm
AVG §18 Abs3Spruch
L521 2230022-1/7E
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter MMag. Mathias Kopf, LL.M. in der Beschwerdesache des XXXX , vertreten durch Sattlegger Dorninger Steiner & Partner Rechtsanwälte OG in 4020 Linz, Harrachstraße 6, gegen den Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen (Landesstelle Oberösterreich) vom 11.02.2020, Zl. XXXX , betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Feststellung von Schwerarbeitszeiten nach dem gewerblichen Sozialversicherungsgesetz den
BESCHLUSS
gefasst:
A)
Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer beantragte mit Eingabe vom 22.12.2019 die Feststellung von Schwerarbeitszeiten als Landwirt.
2. Mit Note vom 29.01.2020 teilte die Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen dem Beschwerdeführer mit, dass in Ansehung des Beschwerdeführers die Voraussetzungen für die Schwerarbeitspension vor Erreichen des Anfallsalters für die Alterspension nicht erfüllbar wären, weshalb sich die Feststellung eventueller Schwerarbeitszeiten als nicht zielführend darstelle.
3. Der Beschwerdeführer wiederholte mit Eingabe vom 31.01.2020 seinen Antrag auf Feststellung von Schwerarbeitszeiten als Landwirt, ohne auf die Argumentation der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen einzugehen. Begründend führte er vielmehr im Wesentlichen aus, dass sich sowohl rechtliche Rahmenbedingungen als auch persönliche Umstände rasch ändern könnten, was sein Ansuchen rechtfertigen würde.
4. In weiterer Folge erließ die der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen die hier angefochtene Erledigung vom 11.02.2020, womit der Antrag des Beschwerdeführers vom 22.12.2019 zurückgewiesen wurde. Begründend führte die Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe bis zum 01.01.2020 erst 252 Versicherungsmonate erworben und könne daher die Voraussetzung von 540 Versicherungsmonaten für eine Schwerarbeitspension vor dem Regelpensionsalter nicht erfüllen.
5. Gegen die Erledigung der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen vom 11.02.2020 richtet sich die im Zweifel fristgerecht eingebrachte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
In dieser bringt der nunmehr rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, der angefochtene Bescheid sei mangelhaft begründet, da nicht erkennbar sei, weshalb die Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen von 252 Versicherungsmonaten ausgehen würde. Der Beschwerdeführer sei seit dem Jahr 1995 "durchgehend bei der BVA versichert", sodass eine höhere Anzahl an Versicherungsmonaten vorliegen würde und sein Antrag inhaltlich zu behandeln sei.
6. Die Beschwerdevorlage langte am 30.03.2020 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Das Beschwerdeverfahren wurde in der Folge der nun zur Entscheidung berufenen Abteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zur Erledigung zugewiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die im Verwaltungsakt der belangten Sozialversicherungsanstalt erliegende und mittels eines Textverarbeitungsprogrammes erstellte Urschrift der Erledigung vom 11.02.2020 trägt keine Unterschrift des Genehmigenden und wurde auch nicht durch ein Verfahren zum Nachweis der Identität des Organwalters (etwa durch elektronische Genehmigung bzw. Anbringung einer Amtssignatur) genehmigt.
Die dem Beschwerdeführer zugestellte Ausfertigung der Erledigung vom 11.02.2020 trägt ebenfalls keine Unterschrift des Genehmigenden und wurde auch nicht durch ein Verfahren zum Nachweis der Identität des Organwalters (etwa durch elektronische Genehmigung bzw. Anbringung einer Amtssignatur) genehmigt.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die vorstehend getroffenen Feststellungen beruhen auf dem Inhalt der seitens der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen (Landesstelle Oberösterreich) vorgelegten Akten des verwaltungsbehördlichen Verfahrens.
2.2. Die im Verwaltungsakt der belangten Sozialversicherungsanstalt erliegende und mittels eines Textverarbeitungsprogrammes erstellte Urschrift der Erledigung vom 11.02.2020 weist keine Unterschrift im Sinn des § 18 Abs. 3 AVG auf. Hinweise auf den Einsatz eines technischen Verfahrens zum Nachweis der Identität des Genehmigenden und der Authentizität der Erledigung können dem Verwaltungsakt nicht entnommen werden.
Die Urschrift weist - genauso wie die dem Beschwerdeführer zugestellte und von ihm vorgelegten Ausfertigung - an der Stelle der Fertigung das nachstehend dargestellte unleserliche Schriftgebilde auf:
Bild kann nicht dargestellt werden
Das Schriftgebilde kann nicht als Unterschrift im Sinn des § 18 Abs. 3 AVG angesehen werden: Eine Unterschrift ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Gebilde aus Buchstaben einer üblichen Schrift, aus der ein Dritter, der den Namen des Unterzeichneten kennt, diesen Namen aus dem Schriftbild noch herauslesen kann. Eine Unterschrift muss zwar nicht lesbar, aber ein individueller Schriftzug sein, der entsprechend charakteristische Merkmale aufweist (vgl. jüngst VwGH 28.02.2018, Ra 2015/06/0125 mwN).
Fallbezogen entspricht das auf der Urschrift der angefochtenen Erledigung angebrachte (unleserliche) Schriftgebilde diesen Erfordernissen nicht, zumal nicht einmal einzelne Buchstaben des unleserlichen Schriftzuges identifizierbar sind.
Der Mangel wird auch nicht dadurch saniert, dass in der Fertigungsklausel der Name einer Person in Druckschrift angegeben sind, da sich darüber nur das angesprochene Schriftgebilde mit der Beifügung "i.A." findet, woraus eben ersichtlich ist, dass " XXXX " gerade nicht der genehmigende Organwalter war (vgl. hiezu VwGH 19.03.2015, Zl. 2012/06/0145). Die Fertigungsklausel verwirrt damit nur noch mehr, weil (lesbar) der Name einer Person angeführt und damit suggeriert wird, dass diese den angefochtenen Bescheid genehmigt habe, obwohl die (unleserliche) Fertigung selbst von einer anderen, unbekannten Person stammt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Gemäß Art. 1 Abs. 2 Z. 1 des Einführungsgesetzes zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 2008, BGBl. I Nr. 87/2008 idF BGBl. I Nr. 61/2018, ist das AVG auf das behördliche Verfahren der Verwaltungsbehörden anzuwenden. Auf das Verfahren der Sozialversicherungsträger in Verwaltungssachen (§ 354 ASVG; § 194 GSVG) ist demgemäß das AVG in vollem Umfang anzuwenden (vgl. hiezu 2195 BlgNR XXIV. GP, 5).
Zu den Verwaltungssachen gehört unter anderem die verfahrensrechtliche Behandlung von Anträgen in Leistungssachen - wie etwa dem Antrag auf Feststellung von Versicherungs- und Schwerarbeitszeiten nach § 117a GSVG (§ 194 Z. 3 GSVG) - also etwa die Beurteilung ihrer Zulässigkeit oder von Wiedereinsetzungs- und Wiederaufnahmeanträgen in Leistungssachen (Kneihs in Mosler/Müller/Pfeil, SV-Komm § 355 ASVG Rz 3 mit Verweis auf VwSlg 15.719/A).
3.2. Gemäß § 18 Abs. 3 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes, BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl. I Nr. 58/2018, sind schriftliche Erledigungen vom Genehmigungsberechtigten mit seiner Unterschrift zu genehmigen; wurde die Erledigung elektronisch erstellt, kann an die Stelle dieser Unterschrift ein Verfahren zum Nachweis der Identität (§ 2 Z 1 E-GovG) des Genehmigenden und der Authentizität (§ 2 Z 5 E-GovG) der Erledigung treten.
Gemäß § 18 Abs. 4 leg. cit. hat jede schriftliche Ausfertigung die Bezeichnung der Behörde, das Datum der Genehmigung und den Namen des Genehmigenden zu enthalten. Ausfertigungen in Form von elektronischen Dokumenten müssen mit einer Amtssignatur (§ 19 E-GovG) versehen sein; Ausfertigungen in Form von Ausdrucken von mit einer Amtssignatur versehenen elektronischen Dokumenten oder von Kopien solcher Ausdrucke brauchen keine weiteren Voraussetzungen zu erfüllen. Sonstige Ausfertigungen haben die Unterschrift des Genehmigenden zu enthalten; an die Stelle dieser Unterschrift kann die Beglaubigung der Kanzlei treten, dass die Ausfertigung mit der Erledigung übereinstimmt und die Erledigung gemäß Abs. 3 genehmigt worden ist. Das Nähere über die Beglaubigung wird durch Verordnung geregelt.
3.3. § 18 AVG bringt den Grundsatz zum Ausdruck, dass die Identität des Organwalters, der eine Erledigung getroffen und daher zu verantworten hat, für den Betroffenen erkennbar sein muss. Die Urschrift einer Erledigung muss sohin das genehmigende Organ erkennen lassen (VwGH 10.09.2015, Ra 2015/09/0043).
3.4. Unabhängig von der Frage, welchen Voraussetzungen die schriftliche Ausfertigung einer Erledigung zu genügen hat (externe Erledigung), muss daher die - interne - Erledigung selbst von jenem Organwalter, der die Behördenfunktion innehat, oder von einem approbationsbefugten Organwalter genehmigt worden sein. Fehlt es an einer solchen Genehmigung, liegt kein Bescheid vor (VwGH 11.11.2014, Ra 2014/08/0018).
3.5. Im Falle des Fehlens der Genehmigung bzw. der mangelnden Zurechenbarkeit zu einem bestimmten Organwalter kommt eine Erledigung selbst dann nicht zustande, wenn die darauf beruhende Ausfertigung allen Anforderungen des § 18 Abs. 4 AVG genügt (VwGH 24.10.2017, Ra 2016/10/0070; 14.10.2013, Zl. 2013/12/0079).
3.6. Zum gegenständlichen Verfahren:
3.6.1. Die Frage der (eigenen) sachlichen und örtlichen Zuständigkeit hat das Bundesverwaltungsgericht in jeder Lage von Amts wegen wahrzunehmen (Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, § 27 K10 unter Hinweis auf § 6 Abs. 1 AVG iVm § 17 VwGVG).
3.6.2. Einer Erledigung fehlt die Bescheidqualität, wenn die Urschrift nicht mit der Unterschrift des Genehmigenden versehen ist. Gegenteiliges ist nur anzunehmen, wenn die den Parteien zugestellten Ausfertigungen die Originalunterschrift des Genehmigenden tragen und eine nicht unterschriebene Durchschrift im Akt verbleibt (VwGH 16.10.2014, Ra 2014/06/0022).
Fallbezogen fehlt der im Verwaltungsakt der belangten Sozialversicherungsanstalt aufliegende Urschrift die Bescheidqualität, da die Urschrift nicht mit der Unterschrift des Genehmigenden (sondern mit einem unleserlichen Schriftgebilde, welches den Anforderungen an eine Unterschrift nicht genügt) versehen ist. Die Identität des die angefochtene Erledigung (angeblich) genehmigenden Organwalters ist demgemäß nicht erkennbar und liegt keine wirksame Erlassung eines Bescheides vor.
Die im Verwaltungsakt der belangten Sozialversicherungsanstalt aufliegende Urschrift wurde auch nicht durch ein Verfahren zum Nachweis der Identität des Organwalters genehmigt. Auch auf diesem Wege kam sohin keine wirksame Genehmigung der angefochtenen Erledigung zustande.
Für die dem Beschwerdeführer zugestellte Ausfertigung - diese wurde als Beilage zur Beschwerde vorgelegt - gelten dieselben Überlegungen.
3.6.3. Die vom Beschwerdeführer gegenständlich erhobene Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht richtet sich somit gegen einen Nichtbescheid, was entsprechend oben zitierter Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes den Mangel der Zuständigkeit der Beschwerdeinstanz zu einem meritorischen Abspruch über das Rechtsmittel zur Folge hat (vgl. auch VwGH 20.04.2017, Ra 2017/20/0095).
3.6.4. Die Beschwerde ist daher spruchgemäß als unzulässig zurückzuweisen.
3.6.5. Für das weitere Verfahren ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen insoweit im Recht ist, als der angefochtene Bescheid nicht erkennen lässt, woraus sich die festgestellten 252 Versicherungsmonate des Beschwerdeführers ergeben und weshalb das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis zum Bund nicht zum Anfall weiterer Beitragszeiten (Beitragsmonate, vgl. § 115 GSVG) in der Pensionsversicherung führen.
Eine entsprechend ausführliche Darlegung der belangten Sozialversicherungsanstalt enthält erst die Beschwerdevorlage. Es wäre freilich zweckmäßig, diese Argumentation bereits in der Begründung des Bescheides darzulegen und den Bescheid damit einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung zugänglicher zu machen.
Festzuhalten ist freilich auch, dass der Beschwerdeführer in seinem Rechtsmittel ebenfalls nicht genau darlegt, wie viele Versicherungsmonate er als derzeit vorliegend erachtet und weshalb er von ihm bislang zurückgelegte ruhegenußfähige Dienstzeiten als Bundesbeamter als nach dem GSVG relevante Beitragszeit erachtet. Dass für Bundesbeamte ein Pensionskonto zum Zweck der Parallelrechnung (§§ 99 ff Pensionsgesetz 1965) zu führen ist, ist dabei kein entscheidendes Kriterium, zumal der Beschwerdeführer nicht vom Pensionsgesetz 1965 ausgenommen sein dürfte (vgl. § 1 Abs 14 Pensionsgesetz 1965).
Im fortgesetzten Verfahren wird dem Beschwerdeführer zunächst Gehör zum Standpunkt der belangten Sozialversicherungsanstalt wie in der Beschwerdevorlage dargelegt zu gewähren sein und sodann (sofern der Antrag nicht zurückgezogen wird) ein neuerlicher bescheidmäßiger Abspruch zu erfolgen haben.
3.7. Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteienantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.
Im vorliegenden Fall ergibt sich der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt eindeutig aus den Akten des Verwaltungsverfahrens und lässt die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten. Die Notwendigkeit der Durchführung einer Verhandlung ist auch im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 GRC nicht ersichtlich. Auch nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt unbestritten und die Rechtsfrage von keiner besonderen Komplexität ist (VfSlg. 17.597/2005; VfSlg. 17.855/2006; zuletzt etwa VfGH 18.06.2012, B 155/12). Der festgestellte Sachverhalt ist im Beschwerdeverfahren unstrittig und ergibt sich eindeutig aus den Akten des Verwaltungsverfahrens. Strittig sind lediglich Rechtsfragen, weshalb von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG Abstand genommen werden konnte. Darüber hinaus gebietet Art. 6 MRK bei verfahrensrechtlichen Entscheidungen nicht die Durchführung einer mündlichen Verhandlung (vgl. VwGH 30.09.2015, Ra 2015/06/0073, mwN).
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen, vorstehend zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Genehmigung behördlicher Erledigungen ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Bescheidqualität Nichtbescheid Organwalter Unterschrift ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:L521.2230022.1.00Im RIS seit
28.07.2020Zuletzt aktualisiert am
28.07.2020