TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/17 L517 2221013-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.04.2020
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Entscheidungsdatum

17.04.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §42
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

L517 2221013-1/4E

L517 2221013-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. NIEDERWIMMER als Vorsitzenden und den Richter Mag. Dr. STEININGER und den fachkundigen Laienrichter Mag. SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle XXXX , vom XXXX , OB: XXXX , und den am XXXX ausgestellten Behindertenpass in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

1) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, iVm § 40 Abs. 1, § 41 Abs. 1, § 42 Abs. 2 Bundesbehindertengesetz (BBG), BGBl. Nr. 283/1990 idgF, als unbegründet abgewiesen und darüber hinaus festgestellt, dass der Gesamtgrad der Behinderung 50 vH beträgt.

2) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF iVm § 1 Abs 2, § 40 Abs 1, § 41 Abs 1, § 42 Abs 1 und 2, § 45 Abs 1, 2 und 3 Bundesbehindertengesetz (BBG), BGBl. Nr. 283/1990 idgF, als unbegründet abgewiesen und festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung der "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" nicht vorliegen.

3) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 idgF, nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

08.04.2019-Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Ausstellung eines Behindertenpasses und auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" beim Sozialministeriumservice , Landesstelle XXXX

11.05.2019-Erstellung eines neurologischen Sachverständigengutachtens; GdB 50 vH; Dauerzustand; Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel

13.05.2019-Parteiengehör

11.06.2019-Stellungnahme der bP

16.06.2019-Erstellung eines ergänzenden neurologischen Sachverständigengutachtens; GdB 50 vH; Dauerzustand; Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel

XXXX -Bescheid, Abweisung UZM

24.06.2019-Versendung des unbefristeten Behindertenpasses im Scheckkartenformat an die bP

04.07.2019-Beschwerde der bP

08.07.2019-Beschwerdevorlage am BVwG

II. Feststellungen (Sachverhalt)

Die beschwerdeführende Partei (in Folge "bP") besitzt die österreichische Staatsbürgerschaft und ist an der im Akt ersichtlichen XXXX Adresse wohnhaft.

Am 08.04.2019 stellte die bP einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses und auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass beim Sozialministeriumservice Landesstelle XXXX (in Folge belangte Behörde bzw. "bB")

Dem Antrag beigelegt wurden folgende Befunde:

Entlassungsbrief Universitätsklinikum XXXX vom 21.11.2018, Cerebelläre Ataxie, Entlassungsbrief XXXX Innere Medizin vom 29.11.2018, Postpunktionelles Syndrom, Befund molekulargenetische Diagnostik vom 17.01.2019, Ärztlicher Kurzarztbrief LKH XXXX , Progrediente Ataxie

Weiters liegen im Akt folgende Befund auf:

Arztbrief Humangenetik Med. Universität XXXX vom 16.02.2018, Verdacht auf Joubert Syndrom, Psychiatrisches Vorgutachten vom 21.12.2016, GdB 50 %, Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel

In der Folge wurde am 11.05.2019 im Auftrag der bB nach der Einschätzungsverordnung ein neurologisches Sachverständigengutachten erstellt. (Begutachtung am 08.05.2019) Es wurde ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 vH und die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgestellt. Das Gutachten weist folgenden relevanten Inhalt auf:

"...

Anamnese:

-vom 14.11. bis zum 22.11.2018 stationärer Aufenthalt an der Uniklinik XXXX , Abteilung Neurologie, zur Abklärung einer Ataxie mit vorwiegend cerebellärer Komponente;

-regelmäßige psychiatrische Betreuung bei Herrn Dr. XXXX und neurologische Betreuung bei Herrn XXXX ;

-die hausärztliche Versorgung erfolgt durch Herrn Dr. XXXX ;

Vorerkrankungen:

Knieoperation links (Meniskusschaden) vor einigen Jahren;

Derzeitige Beschwerden:

Herr XXXX berichtet, er könne nicht mehr so fließend sprechen. Außerdem gehe er seit einigen Jahren zunehmend unsicher, könne aber noch frei gehen. Nach etwa einer Stunde gehen müsse er eine Pause machen, weil dann seine Füße zu schmerzen beginnen. Stehe er längere Zeit, bekomme er Krämpfe in beiden Füßen, die bis zum Kreuz aufsteigen. Er werde oft aggressiv und rede immer lauter. Die Stimmung schwanke etwas, der Antrieb sei reduziert. Unter Ängsten leide er nicht, der Nachtschlaf sei trotz der regelmäßigen Einnahme von Quetiapin sehr unruhig.

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Escitalopram 20mg 1 - 0 - 0

Quetiapin 100mg 0 - 0 - 1/2

Folsan 5mg 1 - 0 - 0

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Auszug aus dem Arztbericht der Uniklinik XXXX , Abteilung Neurologie, von 21.11.2018:

Zusammenfassend besteht laut Patienten seit ca. 15-16 Jahren eine Dysarthrie, die zuletzt progredient war, und seit dem Jahr 2012 eine Gangstörung.

In Zusammenschau des klinisch-neurologischen Befundes und des bildgebenden Befundes bleibt die Ursache der Ataxie derzeit weiterhin unklar.

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

Der Proband zeigt sich in einem altersentsprechenden Allgemeinzustand.

Ernährungszustand:

Der Proband zeigt sich in einem etwa adipösen Ernährungszustand.

Größe: 175,00 cm Gewicht: 91,00 kg Blutdruck:

Klinischer Status - Fachstatus:

NEUROLOGISCHER BEFUND:

CAPUT: kein Meningismus, HNAP frei, Pupillen isocor, prompte direkte und indirekte Lichtreaktion, diskrete Abduktionsschwäche beider Bulbi, Sensibilität wird seitengleich angegeben, kein Facialisdefizit, caudale HN frei;

OBERE EXTREMITÄTEN: Trophik, Tonus, Sensibilität, grobe Kraft seitengleich unauffällig, MER seitengleich mittellebhaft auslösbar, im AVV kein Absinken, kein Pronieren, FNV beidseits zielsicher, sehr diskrete Dysdiadochokinese beidseits;

STAMM: kein sensibles Niveau, HR in allen Etagen auslösbar;

UNTERE EXTREMITÄTEN: Trophik, Tonus, Sensibilität, grobe Kraft seitengleich unauffällig, MER seitengleich mittellebhaft auslösbar, KHV beidseits eumetrisch, Vibrations- und Lageempfinden beidseits unauffällig, Babinski beidseits negativ;

Romberg-Stehversuch: Fallneigung nach hinten;

Gesamtmobilität - Gangbild:

Gesamtmobilität: laut eigenen Angaben etwa eine Stunde lang frei gehfähig;

Gangbild: minimal ataktisch;

Status Psychicus:

lucide, soweit bei Sprachbarriere beurteilbar allseits gut orientiert, die Stimmung etwas gedrückt, in Antrieb und Affekt unauffällig, keine formalen oder inhaltlichen Denkstörungen explorierbar, kein Hinweis auf Ängste, Zwänge oder Phobien, keine Konzentrations- oder Aufmerksamkeitsstörungen in der Untersuchungssituation, keine akute Suizidalität, berichtete Schlafstörungen, Dysarthrie;

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

1. cerebelläre Ataxie unklarer Ätiologie

Die Position 04.01.01 wird mit 40% eingestuft.

Die Wahl des oberen Rahmensatzes ergibt sich aufgrund einer sehr diskreten Koordinationsstörung der Hände, einem minimal unsicheren Gangbild bei freier Gehfähigkeit sowie einer etwas undeutlichen Sprechweise. Motorische Defizite fehlen, sodass ein höherer Grad der Behinderung nicht zu begründen ist.

Pos. Nr. 04.01.01 40 %

2. immer wiederkehrende Depression, gegenwärtig leichtgradige depressive Verstimmung

Die Position 03.06.01 wird mit 30% eingestuft.

Die Wahl des Rahmensatzes unter dem oberen Rahmensatz ergibt sich aufgrund einer etwas gedrückten Stimmungslage sowie berichteten Schlafstörungen. Ängste werden verneint, Herr XXXX ist sozial voll integriert.

Pos. Nr. 03.06.01 30 %

Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Die Position 04.01.01 wird als führende Position angegeben und mit 40% eingestuft. Die Position 03.06.01 wird mit 30% eingestuft und führt aufgrund einer weiteren wesentlichen Funktionseinschränkung zu einer Anhebung des Grades der Behinderung um 1 Stufe.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

keine weiteren fachrelevanten Leiden vorliegend;

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Im Vergleich mit dem Vorgutachten von Frau Dr. XXXX vom 19.12.2016 zeigt sich eine Besserung der Stimmungslage mit einer gegenwärtig nur leichtgradig gedrückten Stimmungslage ohne Ängste, jedoch einem unruhigen Nachtschlaf. Der Antrieb ist gegeben, der Proband ist sozial voll integriert.

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:

Besserung der Stimmungslage unter laufender antidepressiver Medikation;

[X] Dauerzustand

1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Der Proband ist in der Lage, etwa eine Stunde lang frei zu gehen. Aufgrund fehlender motorischer Defizite und einer nur minimalen Koordinationsstörung der Beine sind das sichere Ein- und Aussteigen wie auch der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel gewährleistet, sodass keine Unzumutbarkeit vorliegt.

2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?

Nein

..."

Am 13.05.2019 erging das Parteiengehör an die bP und wurde ihr durch die bB Gelegenheit gegeben zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen.

Mit Schreiben vom 06.06.2019 (eingelangt am 11.06.2019) gab die bP inhaltlich zusammengefasst folgende Stellungnahme ab: Laut Gutachten von Frau Dr.in XXXX vom 11.5.2019 sei die cerebelläre Ataxie mit nur 40 % bewertet worden. Dagegen erhebe die bP Einspruch und begründe diesen wie folgt: Die Koordinationsstörung der Hände sei richtig beschrieben worden. Der unsichere Gang werde durch immer wieder auftretenden Schwindel verursacht, dadurch werde eine Pause erzwungen und große innere Unsicherheit ausgelöst. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei der bP aus diesem Grund nicht mehr möglich, da sie bei einem Schwindelanfall zu Sturz kommen könnte. Es sei daher nicht auszuschließen, dass sie sich deshalb verletzen könnte. Ihre Sprachproblematik sei in dem o.a. Gutachten nur gestreift worden. Es sei auf ihre Sprachprobleme nicht eingegangen worden, so z.B. sei nicht berücksichtigt worden, dass sich die Klarheit ihres Sprechens schon stark verschlechtert habe. Beim Sprechen habe die bP Angst, dass sie eine "feuchte Sprache" habe, da sie ihre Spucke nicht mehr kontrollieren könne. Dieses Problem stelle neben einer körperlichen Belastung auch eine psychische Belastung dar, die entsprechend berücksichtigt werden müsse. Ihre Depressionen, wegen denen die bP schon seit mehr als 2 Jahren in Behandlung sei (Dr. XXXX , XXXX ), seien nur mit 30 % bewertet worden. Auch dieser Rahmensatz sei nicht akzeptabel, da die bP durch diese psychischen Probleme nicht in der Lage sei, sich unter größeren Menschenmengen aufzuhalten, da sie Lärm und aggressives Verhalten ebenso aggressiv mache, was sich in einem sehr lauten Sprechen bemerkbar mache. Aus den o.a. Gründen sei ein Gesamtgrad der Behinderung mit 50 v.H. nicht gerechtfertigt. Die von der bP beantragte Zusatzeintragung in ihren Behindertenpass stelle für sie eine notwendige Unterstützung zur Bewältigung ihres Alltages dar. Die Ablehnung sei nicht nachvollziehbar und werde deshalb beeinsprucht.

Anschließend wurde am 16.06.2019 ein ergänzendes neurologisches Sachverständigengutachten im Auftrag der bB nach der Einschätzungsverordnung erstellt. Es wurde ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 vH und die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgestellt. Dieses Gutachten unterscheidet sich vom Vorgutachten vom 11.05.2019 durch folgenden Inhalt:

"...

1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Der Proband ist in der Lage, etwa eine Stunde lang frei zu gehen. Aufgrund fehlender motorischer Defizite und einer nur minimalen Koordinationsstörung der Beine sind das sichere Ein- und Aussteigen wie auch der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel gewährleistet, sodass keine Unzumutbarkeit vorliegt. Stellungnahme zu Parteieneinspruch: Der vom Probanden beklagte unsichere Gang lässt sich in der Untersuchungssituation nicht objektivieren, es zeigt sich lediglich eine diskrete Gangunsicherheit ohne der Notwendigkeit von Behelfsmitteln. Die undeutliche Sprechweise mit der Neigung zum Spucken stellt keine Begründung dar, öffentliche Verkehrsmittel nicht benützen zu können. Bezüglich der psychischen Problematik liegt keine sozialphobische Störung vor. In der Gesamtschau der Leiden ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.

2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?

nein

..."

Am XXXX erging der den Antrag vom 08.04.2019 auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass abweisende Bescheid der bB.

In der Folge wurde am 24.06.2019 der unbefristete Behindertenpass im Scheckkartenformat an die bP versendet.

Mit Schreiben vom 01.07.2019, eingelangt am 04.07.2019 erhob die bP Beschwerde gegen den Bescheid und brachte inhaltlich zusammengefasst vor: Die gesundheitlichen Probleme der bP seien mit 50 % GdB bewertet worden. Dies gehe aus dem GA von Frau Dr. XXXX hervor. Gegen diese Einstufung erhebe die bP einen Einspruch und begründe diesen wie folgt:

Pkt. 1: Die Einstufung mit 40 % sei zu niedrig. Lt. Arztbrief Dr. XXXX / XXXX leide die bP unter schweren Gang und Sprachproblemen als auch ausgeprägten ataktischen Symptomen. Der Verdacht eines Joubert-Syndroms, unter dem die bP auch leide, sei im GA von Frau Dr. XXXX überhaupt nicht erwähnt bzw. in der Einstufung berücksichtigt worden. Die auch vorliegenden Atem- und Sprechstörungen, Nystagmus und Tremor, welche auch beobachtbar seien, seien ebenfalls nicht ausreichend bewertet worden. Weiters leide die bP unter zweitweise unkontrollierten Zuckungen in beiden Armen. Dies wirke sich insofern aus, als sie plötzlich und unkontrolliert Schläge auf den Tisch, die Coach o.ä. mache. Auch würden ihr immer wieder Gegenstände aus der Hand fallen.

Pkt. 2: Die im GA von Frau Dr. XXXX festgestellte leichtgradige Depression sei in Wirklichkeit eine mittelgradige Episode mit somatischem Syndrom. Dies sei bereits 2018 festgestellt worden und habe sich seither nicht verändert. Auch hier sei die Einstufung von 30 % GdB nicht gerechtfertigt. Insgesamt sei festzuhalten, dass die Gesamtbeurteilung von 50 % GdB nicht den tatsächlichen Umständen entspreche.

Schließlich erfolgte am 08.07.2019 die Beschwerdevorlage am BVwG.

2.0. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der bB und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Der oben unter Punkt II.1. festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens.

Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich durch Einsicht in das zentrale Melderegister sowie die sonstigen relevanten Unterlagen.

2.2. Aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen. Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch-empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76). Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: "Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (...)". Vergleiche dazu auch VwGH vom 18.06.2014, Ra 2014/01/0032.

Basierend auf der ständigen Rechtsprechung des VwGH bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" in einen Behindertenpass regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, das die Auswirkungen der Gesundheitsschädigung auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilt, sofern diese Frage nicht in einem unmittelbar zuvor durchgeführten Verfahren gemäß § 14 Abs 2 Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) im Rahmen der ärztlichen Begutachtung ausreichend behandelt wurde oder die Unzumutbarkeit aufgrund der Art der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt (vgl auch VwGH vom 01.03.2016, Ro 2014/11/0024; VwGH vom 27.05.2014, Ro 2014/11/0030; VwGH vom 17. Juni 2013, 2010/11/0021 mit Verweis auf die Erkenntnisse vom 23. Februar 2011, 2007/11/0142 und vom 23. Mai 2012, 2008/11/0128; vgl auch VwGH vom 20.03.2001, 2000/11/0321).

Nach der ständigen Judikatur des VwGH muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zugrunde legt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).

Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).

Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, GZ 0705/77).

Der VwGH führte aber in diesem Zusammenhang auch aus, dass keine Verletzung des Parteiengehörs vorliegt, wenn einem Antrag auf Einholung eines zusätzlichen Gutachtens nicht stattgegeben wird (VwGH vom 25.06.1987, 87/06/0017).

Ebenso kann die Partei Sachverständigengutachten erfolgreich bekämpfen, ohne diesem auf gleichem fachlichem Niveau entgegentreten zu müssen, wenn es Widersprüche bzw. Ungereimtheiten im Gutachten aufzeigt (vgl. z. B. VwGH vom 20.10.2008, GZ 2005/07/0108).

Das im Verfahren vor der bB eingeholte medizinische Sachverständigengutachten zum Grad der Behinderung bedarf nach der Rsp des VwGH (vom 21.06.2017, Ra 2017/11/0040) einer ausreichenden, auf die vorgelegten Befunde eingehenden und die Rahmensätze der Einschätzungsverordnung vergleichenden Begründung (vgl. zu den diesbezüglichen Anforderungen das hg. Erkenntnis vom 08.07.2015, Ra 2015/11/0036).

Dem VwGH zufolge kommt es für die Berechtigung der zusätzlichen Eintragung in den Behindertenpass hinsichtlich der "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel an, nicht aber auf andere Umstände, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erschweren (VwGH vom 22.10.2002, GZ 2001/11/0258).

Insofern kommt es - auf das VwGH Erkenntnis vom 19.12.2017, Ra 2017/11/0288-3 verweisend - bei der Beurteilung der "Zumutbarkeit" nur auf die Art und Schwere der dauernden Gesundheitsschädigungen an sowie deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, nicht jedoch auf die tatsächlich gegebene Infrastruktur.

2.2.1. Zum Grad der Behinderung

Gegenständlich erschien das im Verfahren eingeholte neurologische Erstgutachten vom 11.05.2019 aufgrund der Stellungnahme der bP vom 11.06.2019 für die bB ergänzungsbedürftig und wurde von derselben Sachverständigen ein weiteres Gutachten unter Berücksichtigung der Vorbringen der bP eingeholt. Das Gutachten vom 16.06.2019 stellt in Übereinstimmung mit dem Erstgutachten, als führendes Leiden eine cerebelläre Ataxie fest. Die Einschätzung erfolgte gleichbleibend nach Positionsnummer 04.01.01 mit 40 %. Die Wahl des konkreten Rahmensatzes wird - wie auch schon im Vorgutachten - schlüssig begründet. Laut der Sachverständigen habe bei der bP ein minimal unsicherer Gang bei freier Gehfähigkeit und eine undeutliche Sprechweise festgestellt werden können. Da es der bP aber an motorischen Defiziten fehle, sei ein höherer Grad der Behinderung nicht zu begründen. Diese Einschätzung erscheint nachvollziehbar, als auch in der Einschätzungsverordnung Voraussetzung für die nächsthöhere Einstufung (50 bis 70 %) der Ausfall mehrerer Muskelgruppen (gegebenenfalls unter unerlässlicher Verwendung eines Hilfsmittels zur Fortbewegung) ist.

Die Kategorie "04 Nervensystem" der Einschätzungsverordnung erfasst systematisch sämtliche Varianten cerebraler Lähmungen wie etwa spastische Paresen, infantile Cerebralparesen, dyskinetische Paresen, ataktische Paresen, Monoparesen und Disparesen samt einigen Sonderformen.

Ebenso sind davon Folgeerscheinungen eines Schlaganfalles erfasst. Sprachstörungen sind in der jeweiligen Positionsnummer mitberücksichtigt.

Für die Beurteilung des Schweregrades sind regelmäßig die funktionellen Defizite entscheidend. Zu prüfen sind dabei etwa die Fingerfertigkeit, Koordination, Feinmotorik, Gebrauchsfähigkeit und Kraftminderung der Hände und Arme, die Beeinträchtigung der unteren Extremitäten, Geh- und Stehvermögen, das Gangbild und die Gesamtbewegungseinschränkung.

Sämtliche von der bP mit Stellungnahme und Beschwerde vorgebrachten Symptome - unsicherer Gang durch wiederkehrenden Schwindel mit Sturzgefahr, Verschlechterung der Aussprache, vermehrter unkontrollierter Speichelfluss beim Sprechen, Atem- und Sprechstörungen, Nystagmus, Tremor, unkontrollierte Schläge, sowie das gelegentliche Fallenlassen von Gegenständen aus der Hand werden vom klinischen Bild der "cerebälleren Ataxie" umfasst und sind als solches keiner gesonderten Einschätzung zugänglich. Auch, wenn im Gutachten insbesondere die mit Beschwerde beschriebenen einzelnen Symptome nicht detailliert aufgelistet werden, kann daraus nicht auf eine Unvollständigkeit des Gutachtens geschlossen werden, da es sich bei der Mehrheit der Symptome um sporadisch auftretende Beschwerden handelt, die sich in das Gesamtbild der Grunderkrankung eingliedern.

Die von der bP beigebrachten Befunde wurden von der Sachverständigen eingesehen, schwere Gang- und Sprachstörungen wie sie im Arztbrief Dr. XXXX vom 16.02.2018 beschrieben werden, konnten bei der persönlichen Untersuchung nicht objektiviert werden. Eine Gehhilfe zur Minderung der subjektiv empfundenen Unsicherheit und Sturzgefährdung wird von der bP nicht verwendet. Konkrete Ausführungen zu den behaupteten, mit der Sprachstörung auftretenden Atemstörungen wurden von der bP nicht gemacht. Auch andere in der Beschwerde geltend gemachte, auftretende Ausprägungen der cerebellären Ataxie konnten nicht durch Befunde belegt werden.

Hinsichtlich der bei der bP bestehenden Depression konnte keine Unstimmigkeit im Sachverständigengutachten festgestellt werden. Es liegt nicht außerhalb der allgemeinen Lebenserfahrung, dass sich die Situation bei der bP seit dem letzten Gutachten im Jahr 2016 verbessert hat und bei der bP nunmehr eine "leichtgradige depressive Verstimmung" eingeschätzt mit 30 % bei einem Rahmensatz von 10 bis 40 % nach Positionsnummer 03.06.01 besteht.

Die Sachverständige führte diesbezüglich aus, dass sich bei der bP eine Verbesserung der Stimmungslage eingestellt hat. Gegenwärtig sei bei der bP eine nur leichtgradig gedrückte Stimmungslage ohne Ängste, jedoch mit unruhigem Nachtschlaf, bei sozialer Integration und Antrieb feststellbar. Zurückzuführen sei die Besserung der Stimmungslage auf die laufende antidepressive Medikation. Ein aktueller Befund welcher auf Gegenteiliges schließen ließe, wurde von der bP nicht vorgelegt.

2.2.2 "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel"

Das neurologische Gutachten vom 16.06.2019 beschäftigt sich auch hinsichtlich der Beurteilung der beantragten Zusatzeintragung der "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" ausreichend mit den inhaltlichen Vorbringen der bP in Stellungnahme und Beschwerde.

Konkret führte die Sachverständige aus: "Der Proband ist in der Lage, etwa eine Stunde frei zu gehen. Aufgrund fehlender motorischer Defizite und einer nur minimalen Koordinationsstörung der Beine sind das sichere Ein- und Aussteigen wie auch der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel gewährleistet, sodass keine Unzumutbarkeit vorliegt. Stellungnahme zu Parteieneinspruch: Der vom Probanden beklagte unsichere Gang lässt sich in der Untersuchungssituation nicht objektivieren, es zeigt sich lediglich eine diskrete Gangunsicherheit ohne der Notwendigkeit von Behelfsmitteln. Die undeutliche Sprechweise mit der Neigung zum Spucken stellt keine Begründung dar, öffentliche Verkehrsmittel nicht benützen zu können. Bezüglich der psychischen Problematik liegt keine sozialphobische Störung vor. In der Gesamtschau der Leiden ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar."

Unter dem Blickwinkel der Judikatur der Höchstgerichte, insbesondere der zitierten Entscheidungen, ist das Sachverständigengutachten vom 16.06.2019 schlüssig, nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf. Nach Würdigung des erkennenden Gerichtes erfüllt es die an ein ärztliches Sachverständigengutachten gestellten Anforderungen.

Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf den im Rahmen der persönlichen Untersuchungen eingehend erhobenen klinischen Befunden, entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen.

In dem Gutachten wurden alle relevanten von der bP vorgebrachten Leiden sowie die beigebrachten Unterlagen bzw. Befunde berücksichtigt. Die vorgelegten Beweismittel stehen nicht im Widerspruch zum Ergebnis des eingeholten Sachverständigenbeweises.

In dem angeführten Gutachten wurde von der Sachverständigen auf die Art der Leiden und deren Ausmaß, sowie die vorgelegten Befunde der bP ausführlich eingegangen.

Das eingeholte Sachverständigengutachten steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch.

Im Gutachten wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen, und das Ergebnis der durchgeführten Begutachtung im Zusammenhang mit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel umfassend dargelegt. Das Nichtvorliegen der Voraussetzungen für die Zusatzeintragung der "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" wurde schlüssig und nachvollziehbar begründet.

Es lag daher kein Grund vor, von den schlüssigen, widerspruchsfreien und nachvollziehbaren Ausführungen der Sachverständigen abzugehen.

Die im Rahmen des Parteiengehörs erhobenen Einwände führten zwar zur Wiedereröffnung des Ermittlungsverfahrens waren aber im Hinblick auf die eingebrachte Beschwerde nicht dazu geeignet das neue Gutachten vom 16.06.2019 zu entkräften.

Den Parteivorbringen und vorgelegten Beweismitteln war kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit der befassten Sachverständigen oder deren Beurteilung bzw. Feststellungen in Zweifel zu ziehen.

Die von der bP eingebrachte Beschwerde enthält kein substanzielles Vorbringen, welches die Einholung eines weiteren Gutachtens erfordern würde und mangelt es dieser darüber hinaus an einer ausreichenden Begründung für die behauptete Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides (VwGH vom 27.05.2014, Ro 2014/11/0030-5).

Das Sachverständigengutachten wurde im oben beschriebenen Umfang in freier Beweiswürdigung der Entscheidung des Gerichtes zu Grunde gelegt.

Aufgrund der schlüssigen und nachvollziehbaren Darlegung durch die Gutachterin ist der Einschätzung entsprechend von einem Gesamtgrad der Behinderung von 50 % und der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auszugehen.

3.0. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Entscheidungsrelevante Rechtsgrundlagen:

- Bundesverfassungsgesetz B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 idgF

- Bundesbehindertengesetz BBG, BGBl. Nr. 283/1990 idgF

- Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 idgF

- Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010 idgF

- Bundesverwaltungsgerichtsgesetz BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 idgF

- Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF

- Verwaltungsgerichtshofgesetz VwGG, BGBl. Nr. 10/1985 idgF

Nachfolgende Bestimmungen beziehen sich auf die im Pkt. 3.1. angeführten Rechtsgrundlagen in der jeweils geltenden Fassung.

3.2. Gemäß Art. 130 Abs 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden

1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit; ...

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Gemäß § 45 Abs. 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Gemäß § 45 Abs. 4 BBG hat bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs 3 eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

Gemäß § 45 Abs. 5 BBG entsendet die im § 10 Abs. 1 Z 6 des BBG genannte Vereinigung die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs 2 des BBG anzuwenden. Für jede Vertreterin und jeden Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.

In Anwendung des Art. 130 Abs 1 Z 1 B-VG iVm § 45 Abs 3 BBG wird die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes in der zugrundeliegenden Beschwerdeangelegenheit begründet und fällt die Entscheidung der gegenständlichen Rechtssache jenem Richtersenat zu, der unter Berücksichtigung der zitierten Bestimmungen in der Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes dafür vorgesehen ist. Der erkennende Senat ist daher in diesem Beschwerdeverfahren zuständig.

3.3. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 45 Abs. 3 AVG des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991, ist den Parteien Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen.

Der Mangel des Parteiengehörs wird im Beschwerdeverfahren durch die mit der Beschwerde gegebene Möglichkeit der Stellungnahme zu einem Beweismittel saniert (vgl. VwGH vom 27.02.2003, 2000/18/0040; VwGH vom 24.11.1995, 95/17/0009 mit Hinweis auf E 30.9.1958, 338/56).

Eine im erstinstanzlichen Verfahren unterlaufene Verletzung des Parteiengehörs wird jedenfalls dadurch saniert, dass die Partei die Möglichkeit hat, in ihrer Berufung und sodann im Zuge des Berufungsverfahrens ihren Rechtsstandpunkt darzulegen und sohin an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes mitzuwirken (VwGH vom 28.05.1993, 92/17/0248 mit Hinweis auf E vom 20.11.1967, 0907/67).

Wenn der Beschwerdeführer Gelegenheit gehabt hat, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid Stellung zu nehmen, und davon auch Gebrauch gemacht hat, so ist eine allfällige Verletzung des Parteiengehörs durch die erste Instanz damit als saniert anzusehen (VwGH vom 11.09.2003, 99/07/0062; VwGH vom 26.02.2002, 98/21/0299).

Seit Einführung der Neuerungsbeschränkung mit 01.07.2015, BGBl. Nr. 57/2015, welche konkret in § 46 BBG geregelt ist, wurde vom Gesetzgeber ein Beschwerdevorbringungsregulativ geschaffen. Ziel und Zweck der Novelle des Behindertenrechtes ist u.a. die grundsätzliche Beschleunigung des erstinstanzlichen Verfahrens. Unter Heranziehung der finalen Programmierung der Norm versteht man unter "neuen Tatsachen" jene Zustände der Gesundheit, welche zum Zeitpunkt des erstinstanzlichen Verfahrens nicht bekannt waren bzw. sein mussten. Werden nunmehr im Beschwerdeverfahren vor dem BVwG von der bP "neue Tatsachen" vorgebracht, so sind diese in der Entscheidungsfindung des Gerichtes nicht zu berücksichtigen. Nach Ansicht des Gerichtes unterliegen nicht dem Neuerungsverbot jene Beeinträchtigungen, Schädigungen und dergleichen, welche nach gegenwärtigem Stand der Medizin als bekannte Folgen der Grunderkrankungen zu qualifizieren sind. Die Neuerungsbeschränkung entfaltet ihre Rechtswirkung mit dem Einbringen der Beschwerde bei Gericht.

Die neu geschaffene Bestimmung des § 46 3. Satz hat zur Folge, dass der bP bei Verletzung des Parteiengehörs durch die bB jedwede Möglichkeit eines Vorbringens, insbesondere zu den eingeholten Sachverständigengutachten, genommen wird. In Verbindung mit der Neuerungsbeschränkung wird dadurch die Stellung der bP im Rechtsmittelverfahren derart eingeschränkt, dass dadurch kein faires Verfahren nach den Grundprinzipien eines Rechtsstaates gewährleistet ist. Beispielsweise wird dies der Fall sein, wenn eine medizinisch relevante Tatsache von der bP zwar vorgebracht wurde, aber keinerlei Berücksichtigung im erstinstanzlichen Ermittlungsverfahren gefunden hat. Bedingt durch das Beschwerdevorbringungsregulativ kann seitens des Gerichtes im Zuge des Beschwerdeverfahrens dieser Umstand, je nach konkretem Sachverhalt, nicht berücksichtigt werden.

Die Nichtvornahme eines Parteiengehörs wird in aller Regel zur Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides führen, außer wenn die Gewährleistung der Parteienrechte keinen umfassenderen, entscheidungsrelevanten Sachverhalt ergeben hätte.

Aufgrund der obigen Ausführungen deckt sich die Ansicht des BVwG grundsätzlich mit der Rechtsprechung des VwGH betreffend mangelhaftes Parteiengehör. Wie eingangs ausgeführt, sieht der VwGH das Parteiengehör nicht verletzt, wenn die bP im Berufungsverfahren die rechtliche Möglichkeit besitzt, Stellung zu nehmen. Unter dem Aspekt der mit 01.07.2015 in Kraft getretenen Neuerungsbeschränkung ist dies aber nicht mehr gewährleistet.

Im gegenständlichen Fall wurde der bP das Sachverständigengutachten vom 16.06.2019 nicht mehr zur Kenntnis gebracht. Damit wurde das Recht auf Parteiengehör verletzt und der bP in Verbindung mit der Neuerungsbeschränkung (im Beschwerdeverfahren vor dem BVwG vorgebrachte "neue Tatsachen" sind nicht zu berücksichtigen) jedwede Möglichkeit eines Vorbringens genommen, was in aller Regel zur Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides führt. Da die bP aber im Zuge der Einbringung der Beschwerde vom 04.07.2019 keine neuen Beweismittel vorgebracht hat, hätte hier die Gewährleistung der Parteienrechte keinen umfassenderen entscheidungsrelevanten Sachverhalt ergeben.

Schlussfolgernd führte hier die Möglichkeit, im Beschwerdeverfahren zu obigem Gutachten Stellung zu nehmen, zur Sanierung der Verletzung des Parteiengehörs.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs 3) zu überprüfen.

Gemäß § 9 Abs 1 VwGVG hat die Beschwerde zu enthalten:

1. die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides, der angefochtenen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder der angefochtenen Weisung,

2. die Bezeichnung der belangten Behörde,

3. die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt,

4. das Begehren und

5. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht ist.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Bezugnehmend auf die zitierten Bestimmungen waren die unter Pkt. 3.1. im Generellen und die unter Pkt. 3.2 ff im Speziellen angeführten Rechtsgrundlagen für dieses Verfahren in Anwendung zu bringen.

3.4. Gemäß § 1 Abs 1 BBG soll Behinderten und von konkreter Behinderung bedrohten Menschen durch die in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Maßnahmen die bestmögliche Teilnahme am gesellschaftlichen Leben gesichert werden.

Gemäß § 1 Abs 2 BBG ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen

Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 40 Abs 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

Gemäß § 40 Abs 2 BBG ist behinderten Menschen, die nicht dem im Abs 1 angeführten Personenkreis angehören, ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

Gemäß § 41 Abs 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376.

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs 2 vorliegt.

Gemäß § 41 Abs. 2 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.

Gemäß § 42 Abs 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

Gemäß § 42 Abs 2 BBG ist der Behindertenpass unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.

Gemäß § 43 Abs 1 BBG hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, sofern Änderungen eintreten, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden, erforderlichenfalls einen neuen Behindertenpass auszustellen. Bei Wegfall der Voraussetzungen ist der Behindertenpass einzuziehen.

Gemäß § 43 Abs 2 BBG ist der Besitzer des Behindertenpasses verpflichtet, dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen binnen vier Wochen jede Änderung anzuzeigen, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden, und über Aufforderung dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Behindertenpass vorzulegen.

Gemäß § 45 Abs 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Gemäß § 45 Abs 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§41 Abs 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

Gemäß § 47 BBG ist der Bundesminister für Arbeit und Soziales ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpass und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.

Gemäß § 1 Abs 5 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen:

[...] Z 1 und 2

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d

vorliegen.

Gemäß Abs 5 leg cit bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktions-beeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

Gemäß § 3 Abs 1 leg cit ist dem Behindertenpassinhaber/der Behindertenpassinhaberin, zum Nachweis, dass er/sie über die Eintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" verfügt, die im § 29b Abs 2 bis 4 der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. 159 (StVO), genannten Berechtigungen in Anspruch nehmen kann, ein Parkausweis auszustellen. Die in einem gültigen Behindertenpass enthaltene Eintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung oder Blindheit" ist der Eintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" gleichzuhalten.

Gemäß § 1 der Einschätzungsverordnung ist unter Behinderung die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 2 Abs 1 leg cit sind die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage der Einschätzungsverordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

Gemäß § 2 Abs 2 leg cit ist bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

Gemäß § 2 Abs 3 leg cit ist der Grad der Behinderung nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.

Gemäß § 3 Abs 1 leg cit ist eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

Gemäß § 3 Abs 2 leg cit ist bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

Gemäß § 3 Abs 3 leg cit liegt eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, vor, wenn

- sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

- zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

Gemäß § 3 Abs 4 leg cit ist eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

Gemäß § 4 Abs 1 leg cit bildet die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.

Gemäß § 4 Abs 2 leg cit hat das Gutachten neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.

Wie oben in § 3 Abs. 1 ausgeführt, sind bei der Ermittlung des Gesamtgrad der Behinderung maßgebend, die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen. Bei den Vorbringen der bP handelt es sich, soweit nicht die ebenfalls bestehende Depression Inhalt ist, um verschiedene Auswirkungen der einen, führenden Funktionsbeeinträchtigung der "cerebellären Ataxie" bewertet mit 40 %. Steigernd auf den Gesamtgrad wirkt sich zusätzlich die als "leichtgradig depressive Verstimmung" eingeschätzte Depression aus, weshalb insgesamt von einem GdB von 50 vH auszugehen ist.

In dem Gutachten wird festgestellt, dass die Behinderung iSd § 1 Abs 2 BBG mehr als 6 Monate gegeben sein wird.

Das erstellte Gutachten erfüllt auch die im § 4 Einschätzungsverordnung normierten Voraussetzungen.

Der VwGH führte in seinem Erkenntnis Ra 2017/11/0040 vom 21.06.2017 sinngemäß aus, dass sich der Sachverständige in seinem Gutachten ausreichend mit den vorgelegten Befunden auseinanderzusetzen hat, und das Gutachten eine eingehende die Rahmensätze vergleichende Begründung für die gewählte Positionsnummer zu enthalten hat.

Bei Fehlen einer ausreichenden Begründung hätte das BVwG gegebenenfalls, ergänzende Ermittlungen oder eine mündliche Verhandlung durchzuführen (vgl. VwGH Ra 2015/11/0036 vom 08.07.2015, vgl. VwGH v

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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