TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/17 G306 2216216-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.04.2020
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Entscheidungsdatum

17.04.2020

Norm

BFA-VG §18 Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3

Spruch

G306 2216216-1/24E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dietmar MAURER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. am XXXX, StA.: Kroatien, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom 14.02.2019, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13.08.2019, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird s t a t t g e g e b e n und der angefochtene Bescheid behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 04.01.2019, wurde der Beschwerdeführer (BF) anlässlich seiner wiederholten Verurteilung über den in Aussicht genommenen Ausspruch eines Aufenthaltsverbotes in Kenntnis gesetzt. Gleichzeitig wurde der BF zur Stellungnahem binnen 14 Tagen aufgefordert. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der BF in Untersuchungshaft und lag noch keine rechtskräftige Verurteilung vor.

Mit am 05.02.2019 beim BFA eingelangtem Schreiben gab der BF eine Stellungnahme ab.

2. Mit Bescheid des BFA, Zl. XXXX, vom 14.02.2019, wurde gegen den BF gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein auf 6 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 70 Abs. 3 FPG dem BF kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) sowie einer Beschwerde gemäß § 18 AB. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. (Spruchpunkt III.)

3. Mit per E-Mail am 14.03.2019 beim BFA eingebrachtem Schriftsatz, erhob der BF durch seine ausgewiesene Rechtsvertretung (RV), Diakonie und Flüchtlingsdienst gem. GmbH, Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG).

Darin wurden neben der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung jeweils in eventu, die ersatzlose Behebung des Bescheides, die Herabsetzung der Befristung des Aufenthaltsverbotes, die Erteilung eines Durchsetzungsaufschubes, sowie angeregt, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

4. Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurde dem BVwG vom BFA vorgelegt, wo er am 20.03.2019 einlangte. Mit Schreiben vom 12.08.2019, stellte das BFA die Anträge, das BVwG möge das erlassene Aufenthaltsverbot auf ein unbefristetes anheben, in eventu die Entscheidung bis zur Urteilverkündung des OLG XXXX, aussetzen.

5. Am 13.08.2019 fand in der Grazer Außenstelle des BVwG eine mündliche Verhandlung statt, an jener der BF sowie seine RV, persönlich teilnahmen.

Die belangte Behörde wurde geladen, blieb der Verhandlung jedoch fern.

6. Am Schluss der Verhandlung wurde der Beschluss verkündet, dass das gegenständliche Beschwerdeverfahren gemäß § 17 VwGVG iVm § 38 AVG, bis zur rechtskräftigen Entscheidung des OLG XXXX, ausgesetzt wird.

7. Am 06.09.2019 brachte das BFA, per Mail, die Entscheidung des OLG XXXX in Vorlage.

8. Mit Verständigung von der Beweisaufnahme vom 07.01.2020, wurde der BF aufgefordert, zur der stattgefundenen Beweisaufnahme Stellung zu nehmen.

9. Mit Schreiben der RV vom 22.01.2020, wurde um eine Fristerstreckung bis zum 05.02.2020 erbeten. Dem Ansuchen wurde stattgegeben.

10. Mit Eingabe vom 05.02.2020, eingelangt am BVwG am 06.02.2020, brachte der BF, durch seine ausgewiesene RV, eine Stellungnahme ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Feststellungen:

Der BF führt die im Spruch angeführte Identität (Namen und Geburtsdatum) und ist Staatsangehöriger der Republik Kroatien, ledig, und hat keine Obsorgeverpflichtungen.

Der BF wurde in Österreich geboren und hält sich seit seiner Geburt am XXXX in Österreich auf, und weist seit dieser Zeit durchgehende Wohnsitzmeldungen im Bundesgebiet auf.

Dem BF wurde am 07.10.1997 ein unbefristeter Aufenthaltstitel "Familiengemeinschaft mit Fremden" sowie beginnend mit 23.03.2010 ein Dauerauftenthaltstitel, zuletzt "Daueraufenthalt EU" erteilt.

Der BF hat noch nie in Kroatien gelebt und verfügt dort auch über keine familiären Anknüpfungspunkte (eine weitschichtige Verwandte zu der kein Kontakt besteht). Vielmehr lebt die ganze Kernfamilie des BF im Bundesgebiet.

Der Lebensmittelpunkt des BF liegt in Österreich.

Der BF besuchte die Schule in Österreich und ist der deutschen Sprache mächtig, spricht jedoch die kroatische Sprache kaum.

Der BF ging in Österreich einer Lehre zum Spengler und Dachdecker nach, welche er jedoch ohne positiven Abschluss abbrach. Er war im Zeitraum 15.11.2013 bis 28.06.2018 bei 7 Arbeitgebern für insgesamt (samt Lehrzeit) 2 Jahre und ca. 4 Monate erwerbstätig, und bezog in den Jahren angeführten Arbeitsjahren wiederholt Leistungen aus der staatlichen Arbeitslosenversicherung, Notstandshilfe und Überbrückungshilfe.

Seit 28.06.2018 geht der BF keiner Erwerbstätigkeit in Österreich mehr nach. Der BF ist jedoch gesund und arbeitsfähig.

Der aktuelle Strafvollzug des BF verlief bisher Vorfallfrei.

Der BF wurde in folgenden Zeiträumen in Justizanstalten angehalten:

* XXXX.2012 bis XXXX.2013

* XXXX.2015 bis XXXX.2016

* Seit XXXX.2018

Der BF weist zudem folgende Verurteilungen in Österreich auf:

01) BG XXXX vom XXXX.2012 RK XXXX.2012

§83(1)StGB

Datum der (letzten) Tat XXXX.201 1

Geldstrafe von 80 Tags zu je 4,00 EUR (320,00 EUR) im NEF 40 Tage Ersatzfreiheitsstrafe

Jugendstraftat

Vollzugsdatum XXXX.2012

02) LG XXXX vom XXXX.2013 RK XXXX.2013

§15StGB§141 StGB

§ 15 StGB §§ 144 (1), 145 (1) Z 1 StGB

§ 15 StGB §§ 142 (1), 143 2. Fall StGB

§§142(1), 1432.FallStGB

§ 15 StGB §§ 105 (1), 106 (1) Z 1 StGB

Datum der (letzten) Tat XXXX.2012

Freiheitsstrafe 1 Jahr 6 Monate

Jugendstraftat

zu LG XXXX RK XXXX.2013

Aus der Freiheitsstrafe entlassen am XXXX.2013, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Anordnung der Bewährungshilfe

LG XXXX vom XXXX.2013

zu LG XXXX RK XXXX.2013

Probezeit der bedingten Entlassung verlängert auf insgesamt 5 Jahre

BG XXXX vom XXXX.2014

zu LG XXXX RK XXXX.2013

Aufhebung der Bewährungshilfe

LG XXXX vom XXXX.2015

03) BG XXXX vom XXXX.2014 RK XXXX.2014

§83(1)StGB

Datum der (letzten) Tat XXXX.2014

Geldstrafe von 140 Tags zu je 5,00 EUR (700,00 EUR) im NEF 70 Tage Ersatzfreiheitsstrafe

Junge(r) Erwachsene(r)

Vollzugsdatum XXXX.2016

04) LG XXXX vom XXXX.2015 RK XXXX.2015

§§ 28a (1) 2. Fall, 28a (3) 1DF SMG

§§27 (1)Z 1 1. Fall und 2 Fall, 27 (2) SMG

§§ 28a (1) 5. Fall, 28a (2) Z 3, 28a (3)2 DF SMG

Datum der (letzten) Tat XXXX.2015

Freiheitsstrafe 2 Jahre

Junge(r) Erwachsene(r)

zu XXXX RK XXXX.2015

Aus der Freiheitsstrafe entlassen am XXXX.2016, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Anordnung der Bewährungshilfe

LG XXXX vom XXXX.2016

zu LG XXXX RK XXXX.2015

Probezeit der bedingten Entlassung verlängert auf insgesamt 5 Jahre

LG XXXX vom XXXX.2019

05) LG XXXX vom XXXX.2019 RK XXXX.2019

§27 (1) Z 1 2. Fall SMG

§§ 28a (1) 5. Fall, 28a (4) Z 3 SMG

§27 (1) Z 1 3. Fall SMG

Datum der (letzten) Tat XXXX.2018

Freiheitsstrafe 6 Jahre

Der letztmaligen Verurteilung liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Oberlandesgericht XXXX hat durch die Richter XXXX (Vorsitz), XXXX und XXXX im Beisein der Richteramtsanwärterin XXXX als Schriftführerin in der Strafsache gegen XXXX und eine andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen nach öffentlicher Verhandlung am XXXX 2019 in Gegenwart des Oberstaatsanwalts XXXX, des Angeklagten XXXX und seines Verteidigers Rechtsanwalt XXXX

I. über die Berufung der Staatsanwaltschaft XXXX gegen das Urteil des Landesgerichts XXXX als Jugendschöffengericht vom XXXX 2019, GZ XXXX, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf sechs Jahre angehoben. Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.

II. den Beschluss gefasst:

Vom Widerruf der bedingten Entlassung zum Verfahren XXXX des Landesgerichts XXXX wird unter Verlängerung der Probezeit auf fünf Jahre abgesehen.

GRÜNDE:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch Konfiskations- und Verfallserkenntnisse enthält, wurde (u.a.) der am XXXX geborene kroatische Staatsangehörige XXXX des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (zu 1.a/) sowie der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall SMG (zu 2.a/) und nach § 27 Abs 1 Z 1 dritter Fall SMG (zu 3./) schuldig erkannt und unter Bedachtnahme auf § 28 (Abs 1) StGB nach § 28a Abs 4 SMG zur Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Gemäß § 389 Abs 1 StPO wurde der Angeklagte zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verpflichtet. Gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB wurden die Vorhaften von XXXX 2018, 14:05 Uhr, bis XXXX 2018, 8:00 Uhr, sowie von XXXX 2019, 13:00 Uhr, bis XXXX 2019, 8:00 Uhr, auf die verhängte Strafe angerechnet.

Mit unter einem gefassten Beschluss widerrief das Erstgericht gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO die dem Angeklagten mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX 2016, XXXX, gewährte bedingte Entlassung hinsichtlich eines Freiheitsstrafenrests von acht Monaten, sah jedoch gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO iVm § 53 Abs 1 StGB vom Widerruf der im Verfahren des Landesgerichts XXXX zu XXXX gewährten bedingten Entlassung ab.

Dem in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch zufolge hat der Angeklagte vorschriftswidrig Suchtgift, und zwar

1.a/ in einer das 25-fache der Grenzmenge übersteigenden Menge in der Zeit von XXXX 2018 bis XXXX 2018 insgesamt 5.460,50 Gramm Heroin, hinsichtlich einer Menge von 360 Gramm Heroin im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit XXXX als unmittelbarer Täter mit einer Reinsubstanz von insgesamt 698,94 Gramm Heroin-Base (durchschnittlicher Reinsubstanzgehalt von 12,8 %, sohin 232,98-fache Grenzmenge), 50 Gramm Kokain mit einer Reinsubstanz von 20 Gramm Kokain-Base (Reinsubstanzgehalt: 40 %, 1,33-fache Grenzmenge), 97 Gramm Cannabiskraut mit einer Reinsubstanz von 9,7 Gramm Delta-9-THC (Reinsubstanzgehalt von 10 %) und sechs Stück XTC-Tabletten (Wirkstoff: MDMA); durch wiederholte gewinnbringende Einzelverkäufe XXXX (2.380 Gramm Heroin), XXXX (1.120 Gramm Heroin), XXXX (565 Gramm Heroin, 20 Gramm Kokain und fünf Gramm Cannabiskraut), XXXX (20 Gramm Heroin und 30 Gramm Kokain), XXXX(60 Gramm Heroin), XXXX (15 Gramm Heroin), XXXX (340 Gramm Heroin und 20 Gramm Cannabiskraut), XXXX (340 Gramm Heroin), XXXX (480 Gramm Heroin), XXXX(10 Gramm Heroin und 25 Gramm Cannabiskraut), XXXX (65 Gramm Heroin), XXXX (drei Gramm Heroin), XXXX (49 Gramm Heroin), XXXX (3,5 Gramm Heroin), XXXX (zehn Gramm Heroin), XXXX (15 Gramm Cannabiskraut), XXXX (zwölf Gramm Cannabiskraut), XXXX (20 Gramm Cannabiskraut) und an unbekannte Abnehmer sechs XTC-Tabletten, sohin anderen überlassen, wobei er von Anfang an mit dem Vorsatz einer kontinuierlichen Tatbegehung über einen längeren Tatzeitraum und dem daran geknüpften Additionseffekt handelte;

2.a/ besessen, und zwar in der Zeit von XXXX 2018 bis XXXX 2018 450 Gramm Heroin mit einer Reinsubstanz von 57,6 Gramm Heroin-Base (Reinsubstanzgehalt: 12,8 %), 50 Gramm Kokain mit einer Reinsubstanz von 20 Gramm Kokain-Base (Reinsubstanzgehalt von 40 %), 63 Gramm Cannabiskraut mit einer Reinsubstanz von 6,3 Gramm Delta-9-THC (Reinsubstanzgehalt: 10 %) und elf Stück XTC-Tabletten (Wirkstoff: MDMA);

3./ in der Zeit von August 2018 bis Anfang Oktober 2018 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit XXXX als unmittelbare Täter 160 Gramm Cannabiskraut (Wirkstoff: Delta-9-THC) erzeugt. Zu den dazu vom Erstgericht getroffenen Feststellungen wird zur Vermeidung einer bloß referierenden Wiederholung auf das erstinstanzliche Urteil (US 4 ff) verwiesen.

Gegen das Urteil richtet sich die Berufung der Staatsanwaltschaft XXXX, die eine Anhebung der unbedingten Freiheitsstrafe begehrt.

I. Zur Berufung:

Voranzustellen ist, dass die Voraussetzungen der Strafschärfung bei Rückfall nach § 39 Abs 1 StGB vorliegen: Der Angeklagte wurde nämlich wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX 2013, XXXX, zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten sowie wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter Fall SMG und weiterer strafbarer Handlungen mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX 2015, XXXX, zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und somit schon zweimal wegen Taten, die - zumal sich Suchtgiftdelikte gegen dasselbe Rechtsgut richten wie strafbare Handlungen gegen Leib und Leben und (wie hier) durch Gewinnstreben gekennzeichnete Suchtgiftkriminalität auf der gleichen schädlichen Neigung wie Vermögensdelinquenz beruht (Tipold, aaO § 71 Rz 3; Jerabek/Ropper in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 71 Rz 8) - auf der gleichen schädlichen Neigung beruhen, zu Freiheitsstrafen verurteilt, die er jeweils auch zum Teil verbüßte.

Strafbestimmend ist - unter Bedachtnahme auf § 28 Abs 1 StGB - der Strafsatz des § 28a Abs 4 SMG, der infolge Vorliegens der Voraussetzungen des § 39 Abs 1 StGB den Strafrahmen von Freiheitsstrafe bis zu 20 Jahren ergibt.

Als erschwerend wirken das Zusammentreffen von einem Verbrechen mit mehreren Vergehen (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB) sowie (zu 1.a/ und 2.a/) der lange Deliktszeitraum, wobei das Zusammentreffen dieser beiden Varianten des § 33 Abs 1 Z 1 StGB dem Erschwerungsgrund erhöhtes Gewicht verleiht (Tipold in Leukauf/Steininger, StGB4 § 33 Rz 3 und 5a).

Aggravierend sind zudem vier einschlägige Vorverurteilungen. Das Vorliegen der Voraussetzungen der Strafschärfung bei Rückfall nach § 39 Abs 1 StGB ist stets und unabhängig davon als erschwerend zu berücksichtigen, ob von der Strafschärfungsmöglichkeit tatsächlich Gebrauch gemacht wird oder nicht (OGH RISJustizRS0108868; Ebner in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 33 Rz 8). Nach jüngerer Rechtsprechung verstößt die Wertung sämtlicher einschlägiger Vorstrafen des Angeklagten auch neben dem Vorliegen der Voraussetzungen des § 39 StGB nicht gegen das Verbot unzulässiger Doppelverwertung (OGH RIS-Justiz RS0091527). Schuldsteigernd (§ 32 StGB) wirkt die Tatbegehung während offener Probezeit, was eine besonders wertwidrige Einstellung des Täters offenbart (Mayerhofer StGB6 § 33 Anm 27). Konform der gefestigten jüngeren Rechtsprechung stellt eine erschwerende Wertung von Delinquenz während offener Probezeit bei unter einem erfolgten Widerruf einer bedingten Nachsicht oder bedingten Entlassung keinen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot des § 32 Abs 2 StGB dar, weil diese Delinquenz keine die Strafdrohung mitbestimmende Tatsache ist (OGH RISJustiz RS0111324). Unter dem Aspekt des Erfolgs-, Handlungs- und Gesinnungsunwert (§ 32 Abs 3 StGB) ist zu Lasten des Angeklagten auch noch ins Kalkül zu ziehen, dass die 25-fache Grenzmenge des § 28b SMG (zu 1.a/) um das Neunfache überschritten wurde (vgl OGH 14 Os 5/14p), dass der Angeklagte die Tat (zu 1.a/) aus (für § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 SMG nicht tatbestandlichem) Gewinnstreben beging sowie (zu 1.a/ und 3./) die Tatbegehung in Gesellschaft (OGH RIS-Justiz RS0118773).

An Milderungsgründen steht dem sein reumütiges Geständnis (§ 34 Abs 1 Z 17 StGB) gegenüber, das auch der Wahrheitsfindung dienlich war. Der Suchtgiftgewöhnung des Angeklagten kommt hingegen - entgegen den Ausführungen des Erstgerichts - bei dem fallaktuell in Rede stehenden Suchtgifthandel im großen Ausmaß keine die Strafbemessung schuldmildernde Wirkung zu (OGH RIS-Justiz RS00874117; jüngst: OGH 15 Os 145/16m; OLG Graz 1 Bs 103/18h ua). Dies erhellt nicht zuletzt aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber für die schwersten Fälle des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 4 und 5 SMG bewusst keine an die Gewöhnung an Suchtmittel anknüpfende Privilegierung (§ 28a Abs 3 SMG) eingeführt hat (siehe 301 BlgNr 23.GP 17). Im Übrigen befindet sich der Angeklagte seit Juni 2017 im Substitutionsprogramm und hatte daher keine Notwendigkeit sich weiteres Suchtgift zu beschaffen.

Der vom Angeklagten in seiner Gegenausführung zur Berufung argumentierte Umstand, wonach er den Ermittlungsbehörden weitere sachdienliche Informationen zur Bekämpfung des Suchtgifthandels (ohne die Lieferanten zu nennen) bekanntgegeben habe, gibt für eine mildere Bemessung der Strafe ebenso wenig Anlass, weil darin ein Bemühen um Schadenwiedergutmachung im Sinne des § 34 Abs 1 Z 15 StGB nicht erblickt werden kann, wie das Alter des Berufungswerbers, zumal der Milderungsgrund nach § 34 Abs 1 Z 1 StGB dann anzunehmen ist, wenn der Täter zum Tatzeitpunkt das 21. Lebensjahr noch nicht erreicht hat und der Angeklagte diese Altersgrenze bei der ersten Tatbegehung bereits um knapp zwei Jahre überschritten hatte.

Angesichts dieser Strafzumessungsgründe entspricht die vom Erstgericht verhängte Freiheitsstrafe von fünf Jahren nicht dem mit dem strafbaren Verhalten des Angeklagten verbundenen Gesinnungs-, Handlungs- und Erfolgsunwert, weshalb es der Anhebung derFreiheitsstrafe auf sechs Jahre bedarf.

Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.

II. Zum Beschluss:

Infolge Neubemessung der Strafe ist auch der nicht angefochtene Widerrufsbeschluss mit welchem das Erstgericht gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO die dem Angeklagten mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX 2016, XXXX, gewährte bedingte Entlassung hinsichtlich einem Freiheitsstrafenrest von acht Monaten widerrief, zu prüfen (vgl Mayerhofer StPO5 § 498 Anm 14).

Gemäß § 53 Abs 1 StGB hat das Gericht die bedingte Strafnachsicht zu widerrufen und die Strafe vollziehen zu lassen, wenn der Rechtsbrecher wegen einer während der Probezeit begangenen strafbaren Handlung verurteilt wird und der Widerruf in Anbetracht der neuerlichen Verurteilung zusätzlich zu dieser geboten erscheint, um ihn von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Wird die bedingte Strafnachsicht nicht widerrufen, so kann das Gericht gemäß § 53 Abs 3 StGB die Probezeit, falls sie kürzer bestimmt wurde, bis auf höchstens fünf Jahre verlängern.

XXXX wurde mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX 2015, GZ XXXX, wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter Fall SMG und weiteren strafbaren Handlungen zur Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Aus dem Vollzug wurde er am XXXX 2016 im Verfahren XXXX des Landesgerichts XXXX bedingt entlassen.

Die nunmehr abgeurteilten Taten erfolgten in der Probezeit. Diese Verurteilung sowie der teilweise Vollzug hielten den Angeklagten nicht davon ab, aus Gewinnstreben im Rückfall fortgesetzt strafbare Handlungen nach dem Suchtmittelgesetz zu begehen. Zwar lässt dies in Zusammenschau mit der bisherigen Wirkungslosigkeit von Geldstrafen und bedingter Entlassungen auf eine erhebliche Sanktionsresistenz des Angeklagten schließen, allerdings wird der Angeklagte nunmehr für mehrere Jahre das Haftübel verspüren, weshalb es unter Berücksichtigung seines reumütigen Geständnisses nicht zwingend zusätzlich zu dieser neuerlichen Verurteilung nach Strafneubemessung den Vollzug der restlichen Strafzeit aus der bedingten Entlassung im Verfahren XXXX des Landesgerichts XXXX erfordert, um den Angeklagten von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Allerdings stellt die Verlängerung der Probezeit auf fünf Jahre die Mindestkonsequenz der neuerlichen einschlägigen Straffälligkeit während offener Probezeit zur Anleitung des Angeklagten zu künftiger Straffreiheit dar.

Es wird festgestellt, dass der BF die beschriebenen Straftaten begangen hat.

Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität (Namen und Geburtsdatum), zur Staatsangehörigkeit, zum durchgehenden Aufenthalt im Bundesgebiet, zum Fehlen familiärer Anknüpfungspunkte in Kroatien sowie zum Vorhandensein solcher in Österreich getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, jenen weder in der gegenständlichen Beschwerde noch in der mündlichen Verhandlung entgegengetreten wurde. Vielmehr bekräftigte der BF die besagten Sachverhalte und betonte die Dauer seines durchgehenden Aufenthaltes sowie den Bestand familiärer Anknüpfungspunkte in Österreich und das Fehlen solcher in Kroatien besonders.

Der vorfallfreie Strafvollzug ergibt sich daraus, dass keine anderslautende Information beim BVwG bekannt ist.

Die Wohnsitzmeldungen sowie die Anhaltungen des BF in Justizanstalten in Österreich konnten durch Einsichtnahme ins Zentrale Melderegister (ZMR) ermittelt werden.

Dem Zentralen Fremdenregister kann ferner der dem BF erteilte Daueraufenthaltstitel sowie die Geburt des BF in Österreich entnommen werden.

Den konsistenten und glaubwürdigen Angaben des BF folgen zudem die Feststellungen zum Schulbesuch in Österreich, zu den fehlenden Kroatisch-Sprachkenntnissen, zum fehlenden Bezug zu Kroatien. Zudem erschließt sich der Schulbesuch des BF in Österreich auch logisch aus dem Umstand, dass der BF seit seiner Geburt in Österreich aufhältig ist und in Österreich Schulpflicht vorherrscht. Dass die gesamte Kernfamilie im Bundesgebiet lebt und der BF bei seiner Mutter mit Hauptwohnsitz gemeldet ist, ergibt sich aus den vorgelegten Verwaltungsakte des BFA sowie den glaubwürdigen Angaben in der mündlichen Verhandlung. Letztlich vermittelte der BF in der mündlichen Verhandlung einen glaubwürdigen Eindruck und war durchgehend in der Lage Fragen ohne Widersprüche konkret und ohne Umschweife zu beantworten. Im Zuge der mündlichen Verhandlung konnte sich das erkennende Gericht auch von den Deutschsprachkenntnissen des BF überzeugen.

Vor dem Hintergrund, dass der BF sich seit nunmehr 25 Jahren (seit seiner Geburt) in Österreich aufhält, bestehen keine Zweifel daran, dass der Lebensmittelpunkt des BF in Österreich gelegen ist.

Einem Sozialversicherungsauszug können die oben aufgezählten Erwerbstätigkeiten und Bezüge von Leistungen der Arbeitslosenversicherung des BF in Österreich, sowie die aktuelle Erwerblosigkeit des BF entnommen werden. Seine Gesundheit hat der BF in der mündlichen Verhandlung bestätigt sowie ergibt sich diese aus der Tatsache, dass der BF in der Justizanstalt in der Küche arbeitet und seine Lehre als Spengler und Dachdecker abschließen möchte.

Die strafgerichtlichen Verurteilungen des BF, die einzelnen näheren Ausführungen dazu sowie die Feststellung, dass der BF die Straftaten begangen hat, beruhen auf einer Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich sowie auf jeweils einer Ausfertigung der Strafurteile.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

Zur Stattgabe der Beschwerde:

Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, jener der die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt und gemäß Abs. 4 Z 8 leg cit als EWR-Bürger, jener Fremder, der Staatsangehöriger einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) ist.

Der BF als Staatsangehöriger von Kroatien ist sohin EWR-Bürger iSd. § 2 Abs. 4 Z 8 FPG.

Der mit "Aufenthaltsverbot" betitelte § 67 FPG lautet:

"§ 67. (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

1. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

3. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

4. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist des Aufenthaltsverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise.

(Anm.: Abs. 5 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)"

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt."

§ 81 Abs. 29 NAG normiert, dass vor dem 1. Jänner 2014 ausgestellte Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - Familienangehöriger" und "Daueraufenthalt - EG" innerhalb ihrer Gültigkeitsdauer als Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" weitergelten.

Gemäß § 20 Abs. 3 NAG sind Inhaber eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt - EU" (§ 45) in Österreich - unbeschadet der befristeten Gültigkeitsdauer des diesen Aufenthaltstiteln entsprechenden Dokuments - unbefristet niedergelassen. Dieses Dokument ist für einen Zeitraum von fünf Jahren auszustellen und, soweit keine Maßnahmen nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005 durchsetzbar sind, abweichend von § 24 auch nach Ablauf auf Antrag zu verlängern.

Der mit "Bescheinigung des Daueraufenthalts von EWR-Bürgern" betitelte § 53a NAG lautet wie folgt:

"§ 53a. (1) EWR-Bürger, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt (§§ 51 und 52), erwerben unabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen gemäß §§ 51 oder 52 nach fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalt im Bundesgebiet das Recht auf Daueraufenthalt. Ihnen ist auf Antrag nach Überprüfung der Aufenthaltsdauer unverzüglich eine Bescheinigung ihres Daueraufenthaltes auszustellen.

(2) Die Kontinuität des Aufenthalts im Bundesgebiet wird nicht unterbrochen von

1. Abwesenheiten von bis zu insgesamt sechs Monaten im Jahr;

2. Abwesenheiten zur Erfüllung militärischer Pflichten oder

3. durch eine einmalige Abwesenheit von höchstens zwölf aufeinander folgenden Monaten aus wichtigen Gründen wie Schwangerschaft und Entbindung, schwerer Krankheit, eines Studiums, einer Berufsausbildung oder einer beruflichen Entsendung.

(3) Abweichend von Abs. 1 erwerben EWR-Bürger gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 vor Ablauf der Fünfjahresfrist das Recht auf Daueraufenthalt, wenn sie

1. zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Erwerbsleben das Regelpensionsalter erreicht haben, oder Arbeitnehmer sind, die ihre Erwerbstätigkeit im Rahmen einer Vorruhestandsregelung beenden, sofern sie diese Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet mindestens während der letzten zwölf Monate ausgeübt und sich seit mindestens drei Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten haben;

2. sich seit mindestens zwei Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten haben und ihre Erwerbstätigkeit infolge einer dauernden Arbeitsunfähigkeit aufgeben, wobei die Voraussetzung der Aufenthaltsdauer entfällt, wenn die Arbeitsunfähigkeit durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit eingetreten ist, auf Grund derer ein Anspruch auf Pension besteht, die ganz oder teilweise zu Lasten eines österreichischen Pensionsversicherungsträgers geht, oder

3. drei Jahre ununterbrochen im Bundesgebiet erwerbstätig und aufhältig waren und anschließend in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erwerbstätig sind, ihren Wohnsitz im Bundesgebiet beibehalten und in der Regel mindestens einmal in der Woche dorthin zurückkehren;

Für den Erwerb des Rechts nach den Z 1 und 2 gelten die Zeiten der Erwerbstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union als Zeiten der Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet. Zeiten gemäß § 51 Abs. 2 sind bei der Berechnung der Fristen zu berücksichtigen. Soweit der Ehegatte oder eingetragene Partner des EWR-Bürgers die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt oder diese nach Eheschließung oder Begründung der eingetragenen Partnerschaft mit dem EWR-Bürger verloren hat, entfallen die Voraussetzungen der Aufenthaltsdauer und der Dauer der Erwerbstätigkeit in Z 1 und 2.

(4) EWR-Bürger, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 sind, erwerben ebenfalls das Daueraufenthaltsrecht, wenn der zusammenführende EWR-Bürger das Daueraufenthaltsrecht gemäß Abs. 3 vorzeitig erworben hat oder vor seinem Tod erworben hatte, sofern sie bereits bei Entstehung seines Daueraufenthaltsrechtes bei dem EWR-Bürger ihren ständigen Aufenthalt hatten.

(5) Ist der EWR-Bürger gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 im Laufe seines Erwerbslebens verstorben, bevor er gemäß Abs. 3 das Recht auf Daueraufenthalt erworben hat, so erwerben seine Angehörigen, die selbst EWR-Bürger sind und die zum Zeitpunkt seines Todes bei ihm ihren ständigen Aufenthalt hatten, das Daueraufenthaltsrecht, wenn

1. sich der EWR-Bürger zum Zeitpunkt seines Todes seit mindestens zwei Jahren im Bundesgebiet ununterbrochen aufgehalten hat;

2. der EWR-Bürger infolge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit verstorben ist, oder

3. der überlebende Ehegatte oder eingetragene Partner die österreichische Staatsangehörigkeit nach Eheschließung oder Begründung der eingetragenen Partnerschaft mit dem EWR-Bürger verloren hat."

Der Beschwerde gegen den Bescheid des BFA war ausfolgenden Gründen stattzugeben:

Der BF hält sich seit seiner Geburt durchgehend in Österreich auf und wurde ihm beginnend mit 23.03.2010 ein Daueraufenthaltstitel für Österreich erteilt. Aufgrund der Aufnahme Kroatien in die EU am 01.07.2013 kommt dem BF, aktuell ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zu. Da dem BF bereits vor diesem Datum ein Daueraufenthaltsrecht in Österreich erteilt wurde, und der BF vom Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung zurückgerechnet mehr als 10 Jahre im Bundesgebiet aufhältig ist (vgl. EuGH 16.01.2014, C-400/12), bzw. bereits vor seiner ersten Verurteilung im Jahr 2004 einen mehr als 10-jährigen durchgehenden und rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich aufwies (vgl. EuGH 17.04.2018, C-316/16 und C-424/16, Rn. 71: hinsichtlich der Beachtlichkeit eines 10-jährigen Aufenthaltes vor der entscheidungsrelevanten Verurteilung), ist, selbst unter Berücksichtigung der in den letzten 10 Jahren gelegenen Verurteilungen und Inhaftierungen des BF vor dem Hintergrund seiner durch sein Aufwachsen im Bundesgebiet geprägten besonderen Verbundenheit zu Österreich, (vgl. EuGH 17.04.2018, C-316/16 und C-424/16, Rn. 72) davon auszugehen, dass gegenständlich der Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs. 1 5. Satz FPG zur Anwendung gelangt. Die ausschließliche Berücksichtigung von Zeiten die der BF gemäß seiner unionsrechtlichen Freizügigkeiten in Österreich verbracht hat, würde zu einer - wohl nicht gewollten - Verschlechterung seiner aufenthaltsrechtlichen Stellung - und damit zu einer Benachteiligung von EWR-Bürgern gegenüber Drittstaatsangehörigen an sich - führen, zumal der BF demnach nur auf einen 7-jährigen berücksichtigungswürdigen Zeitraumzurückblicken könnte und ihm aufgrund seiner wiederholten Straftaten und Inhaftierungen in den Jahren 2012/2013 und 2015/2016, welche laut EuGH eine Unterbrechung und Neuberechnung der Aufenthaltszeiten im Hinblick auf ein unionsrechtliches Daueraufenthaltsrechtes bewirken (vgl. EuGH 16.01.2014, C-378/12) kein unionsrechtliches Daueraufenthaltsrecht zukäme. Dies würde letztlich bedeuten, dass gegenständlich der normale Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs. 1 erster Satz FPG zur Anwendung gelänge. Demgegenüber jedoch Drittstaatsangehörigen bei der gleichen Sachlage außerhalb des unionsrechtlichen Regimes das Privileg eines erhöhten Gefährdungsmaßstabes gemäß § 52 Abs. 5 FPG zukäme. Im Lichte der Judikatur des EuGH, wonach der jeweilige Integrationsgrad eines EWR-Bürgers, welcher unter andrem mit der Aufenthaltsdauer im besagten Mitgliedsstaat korreliert, ein maßgeblicher Faktor bei der Beurteilung der Zulässigkeit einer Aufenthaltsbeendigung darstellt und sich letztlich im System der abgestuften Gefährdungsmaßstäbe widerspiegelt, (vgl. EuGH 17.04.2018, C-316/16 und C-424/16) kann es letztlich nicht darauf ankommen, ob die geforderte Integration in Zeiten eines unionsrechtlichen oder nationalstaatlichen (Fremden-) Rechtsregimes rechtmäßig und durchgehend erworben wurden.

Da vom BF, der aufgrund seiner kroatischen Staatsangehörigkeit in den persönlichen Anwendungsbereich von § 67 FPG fällt somit die Voraussetzung eines durchgehenden rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet seit mehr als 10 Jahren erfüllt ist, kommt für diesen der Prüfungsmaßstab des § 67 Abs. 1 5. Satz FPG für Unionsbürger zu Anwendung.

Gegen den BF als grundsätzlich unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots sohin gemäß § 67 Abs. 1 5. Satz FPG nur zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahme begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

"Mit § 67 Abs. 1 fünfter Satz FPG soll nämlich Art. 28 Abs. 3 lit. a der Richtlinie 2004/38 EG ("Freizügigkeitsrichtlinie" ; siehe § 2 Abs. 4 Z 18 FPG) umgesetzt werden, wozu der Gerichtshof der Europäischen Union bereits judizierte, dass hierauf gestützte Maßnahmen auf "außergewöhnliche Umstände" begrenzt sein sollten; es sei vorausgesetzt, dass die vom Betroffenen ausgehende Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit einen "besonders hohen Schweregrad" aufweise, was etwa bei bandenmäßigem Handeln mit Betäubungsmitteln der Fall sein könne (siehe VwGH 24.1.2019, Ra 2018/21/0248, Rn 6, mit dem Hinweis auf EuGH (Große Kammer) 23.11.2010, Tsakouridis, C-145/09, insbesondere Rn. 40, 41 und 49 ff, und daran anknüpfend EuGH (Große Kammer) 22.5.2012, P.I., C-348/09, Rn. 19 und 20 sowie Rn. 28, wo überdies - im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch eines Kindes, der zu einer siebeneinhalbjährigen Freiheitsstrafe geführt hatte - darauf hingewiesen wurde, dass es "besonders schwerwiegender Merkmale" bedarf)." (vgl. VwGH 22.08.2019, Ra 2019/21/0091)

"Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafrechtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (vgl. - noch zu § 86 FPG in der Fassung vor dem FrÄG 2011, der Vorgängerbestimmung des § 67 FPG - etwa die hg. Erkenntnisse vom 26. September 2007, Zl. 2007/21/0197, und vom 21. Februar 2013, Zl. 2012/23/0042, mwN)." (VwGH 25.04.2014, Ro 2014/21/0039)

Zudem gilt es festzuhalten, dass die fremdenpolizeilichen Beurteilungen eigenständig und unabhängig von den die des Strafgerichts für die Strafbemessung, die bedingte Strafnachsicht und den Aufschub des Strafvollzugs betreffenden Erwägungen zu treffen sind (vgl. Erkenntnis des VwGH v. 6.Juli 2010, Zl. 2010/22/0096) und es bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes/Einreiseverbotes in keiner Weise um eine Beurteilung der Schuld des Fremden an seinen Straftaten und auch nicht um eine Bestrafung geht. (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 8. Juli 2004, 2001/21/0119).

Die Bestimmungen der § 67 Abs. 1 und 2 FrPolG 2005 und § 66 Abs. 1 FrPolG 2005, beide idF FrÄG 2011, sind vor dem Hintergrund der unionsrechtlichen Vorgaben der Richtlinie 2004/38/EG - Freizügigkeitsrichtlinie, deren Umsetzung sie dienen, zu verstehen. Demnach sind sie in ihrem Zusammenspiel dahin auszulegen, dass hinsichtlich Personen, die das Daueraufenthaltsrecht erworben haben, nicht nur bei der Ausweisung, sondern auch bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes der in § 66 Abs. 1 letzter Satzteil FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 vorgesehene Gefährdungsmaßstab, der jenem in Art. 28 Abs. 2 der genannten Richtlinie entspricht, heranzuziehen ist (Hinweis E 13. Dezember 2012, 2012/21/0181; E 12. März 2013, 2012/18/0228). Dieser Maßstab liegt im abgestuften System der Gefährdungsprognosen über dem Gefährdungsmaßstab nach dem ersten und zweiten Satz des § 67 Abs. 1 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011. (vgl. VwGH 22.01.2014, 2013/21/0135)

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jede Person Anspruch auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihres Briefverkehrs.

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit ein Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, wie sie eine Ausweisung eines Fremden darstellt, kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob die Ausweisung einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden darstellt:

Die Zulässigkeit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, insbesondere die gegenständlichen Rückkehrentscheidung, setzt nach § 9 Abs. 1 BFA-VG unter dem dort genannten Gesichtspunkt eines Eingriffs in das Privat- und/oder Familienleben voraus, dass ihre Erlassung zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist (vgl. VwGH vom 12.11.2015, Zl. Ra 2015/21/0101).

Wie der Verfassungsgerichtshof (VfGH) bereits in zwei Erkenntnissen vom 29.09.2007, Zl. B 328/07 und Zl. B 1150/07, dargelegt hat, sind die Behörden stets dazu verpflichtet, das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung gegen die persönlichen Interessen des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich am Maßstab des Art. 8 EMRK abzuwägen, wenn sie eine Ausweisung verfügt. In den zitierten Entscheidungen wurden vom VfGH auch unterschiedliche - in der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) fallbezogen entwickelte - Kriterien aufgezeigt, die in jedem Einzelfall bei Vornahme einer solchen Interessenabwägung zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu führen können, dass Art. 8 EMRK einer Ausweisung entgegensteht:

? die Aufenthaltsdauer, die vom EGMR an keine fixen zeitlichen Vorgaben geknüpft wird (EGMR 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 16.09.2004, Ghiban, Zl. 11103/03, NVwZ 2005, 1046),

? das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (EGMR 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80, 9473/81, 9474/81, EuGRZ 1985, 567; 20.06.2002, Al-Nashif, Zl. 50963/99, ÖJZ 2003, 344; 22.04.1997, X, Y und Z, Zl. 21830/93, ÖJZ 1998, 271) und dessen Intensität (EGMR 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00),

? die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

? den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert (vgl. EGMR 04.10.2001, Adam, Zl. 43359/98, EuGRZ 2002, 582; 09.10.2003, Slivenko, Zl. 48321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.06.2005, Sisojeva, Zl. 60654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 05.07.2005, Zl. 2004/21/0124; 11.10.2005, Zl. 2002/21/0124),

? die Bindungen zum Heimatstaat,

? die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung (vgl. zB EGMR 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; 11.04.2006, Useinov, Zl. 61292/00), sowie

? auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (EGMR 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; 05.09.2000, Solomon, Zl. 44328/98; 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07).

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sind die Staaten im Hinblick auf das internationale Recht und ihre vertraglichen Verpflichtungen befugt, die Einreise, den Aufenthalt und die Ausweisung von Fremden zu überwachen (EGMR 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80 ua, EuGRZ 1985, 567; 21.10.1997, Boujlifa, Zl. 25404/94; 18.10.2006, Üner, Zl. 46410/99; 23.06.2008 [GK], Maslov, 1638/03; 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07). Die EMRK garantiert Ausländern kein Recht auf Einreise, Aufenthalt und Einbürgerung in einem bestimmten Staat (EGMR 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00; 28.06.2011, Nunez, Zl. 55597/09).

Hinsichtlich der Rechtfertigung eines Eingriffs in die nach Art. 8 EMRK garantierten Rechte muss der Staat ein Gleichgewicht zwischen den Interessen des Einzelnen und jenen der Gesellschaft schaffen, wobei er in beiden Fällen einen gewissen Ermessensspielraum hat. Art. 8 EMRK begründet keine generelle Verpflichtung für den Staat, Einwanderer in seinem Territorium zu akzeptieren und Familienzusammenführungen zuzulassen. Jedoch hängt in Fällen, die sowohl Familienleben als auch Einwanderung betreffen, die staatliche Verpflichtung, Familienangehörigen von ihm Staat Ansässigen Aufenthalt zu gewähren, von der jeweiligen Situation der Betroffenen und dem Allgemeininteresse ab. Von Bedeutung sind dabei das Ausmaß des Eingriffs in das Familienleben, der Umfang der Beziehungen zum Konventionsstaat, weiters ob im Ursprungsstaat unüberwindbare Hindernisse für das Familienleben bestehen, sowie ob Gründe der Einwanderungskontrolle oder Erwägungen zum Schutz der öffentlichen Ordnung für eine Ausweisung sprechen. War ein Fortbestehen des Familienlebens im Gastland bereits bei dessen Begründung wegen des fremdenrechtlichen Status einer der betroffenen Personen ungewiss und dies den Familienmitgliedern bewusst, kann eine Ausweisung nur in Ausnahmefällen eine Verletzung von Art. 8 EMRK bedeuten (EGMR 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07, mwN; 28.06.2011, Nunez, Zl. 55597/09; 03.11.2011, Arvelo Aponte, Zl. 28770/05; 14.02.2012, Antwi u.a., Zl. 26940/10).

"Bei Beurteilung der Frage, ob die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 zur Aufrechterhaltung des Privat- und/oder Familienlebens iSd Art. 8 MRK geboten ist bzw. ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 MRK geschützten Rechte darstellt, ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG 2014 genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG 2014 ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl. E 12. November 2015, Ra 2015/21/0101)." (vgl. VwGH 08.11.2018, Ra 2016/22/0120)

Bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden ist regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen. Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, wurden etwa Aufenthaltsbeendigungen ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen. Diese Rechtsprechung zu Art. 8 MRK ist auch für die Erteilung von Aufenthaltstiteln relevant (vgl. E 26. Februar 2015, Ra 2015/22/0025; E 19. November 2014, 2013/22/0270). Auch in Fällen, in denen die Aufenthaltsdauer knapp unter zehn Jahren lag, hat der VwGH eine entsprechende Berücksichtigung dieser langen Aufenthaltsdauer gefordert (vgl. E 16. Dezember 2014, 2012/22/0169; E 9. September 2014, 2013/22/0247; E 30. Juli 2014, 2013/22/0226). Im Fall, dass ein insgesamt mehr als zehnjähriger Inlandsaufenthalt für einige Monate unterbrochen war, legte der VwGH seine Judikatur zum regelmäßigen Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich bei einem mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthalt des Fremden zugrunde (vgl. E 26. März 2015, Ra 2014/22/0078 bis 0082). (Vgl. VwGH 08.11.2018, Ra 2016/22/0120

"Nach § 66 Abs. 2 FrPolG 2005 und § 9 BFA-VG 2014 ist bei Erlassung einer auf § 66 FrPolG 2005 gestützten Ausweisung eine Abwägung des öffentlichen Interesses an der Beendigung des Aufenthalts des EWR-Bürgers mit dessen Interesse an einem Verbleib in Österreich vorzunehmen, bei der insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts im Bundesgebiet, das Alter, der Gesundheitszustand, die familiäre und wirtschaftliche Lage, die soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß der Bindungen zum Heimatstaat sowie die Frage der strafgerichtlichen Unbescholtenheit zu berücksichtigen sind." (VwGH 30.08.2018, Ra 2018/21/0049)

"Es trifft zwar zu, dass im Rahmen einer Interessenabwägung nach Art. 8 MRK bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt eines Fremden in der Regel von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen ist (vgl. VwGH 1.2.2019, Ra 2019/01/0027, mwN). Diese Rechtsprechung betraf allerdings nur Konstellationen, in denen sich aus dem Verhalten des Fremden - abgesehen vom unrechtmäßigen Verbleib in Österreich - sonst keine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ergab. Die "Zehn-Jahres-Grenze" spielte in der bisherigen Judikatur nur dann eine Rolle, wenn einem Fremden kein - massives - strafrechtliches Fehlverhalten vorzuwerfen war (vgl. VwGH 10.11.2015, Ro 2015/19/0001, mwN)." (VwGH 28.02.2019, Ra 2018/01/0409)

"Zur Aufhebung des § 9 Abs. 4 BFA-VG 2014 durch das FrÄG 2018 hielt der Gesetzgeber in den Gesetzesmaterialien (RV 189 BlgNR 26. GP 27 f) ausdrücklich fest, dass sich § 9 Abs. 4 Z 1 BFA-VG 2014 "lediglich als Konkretisierung bzw. Klarstellung dessen, was sich unter Berücksichtigung der höchstgerichtlichen Judikatur ohnehin bereits aus Abs. 1 iVm Abs. 2 ergibt", erweist. Ungeachtet des Außerkrafttretens des § 9 Abs. 4 BFA-VG 2014 sind die Wertungen dieser ehemaligen Aufenthaltsverfestigungstatbestände im Rahmen der Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG 2014 weiter beachtlich (vgl. VwGH 16.5.2019, Ra 2019/21/0121; VwGH 25.9.2018, Ra 2018/21/0152), ohne dass es aber einer ins Detail gehenden Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Anwendung des ehemaligen § 9 Abs. 4 BFA-VG 2014 bedarf (siehe VwGH 25.9.2018, Ra 2018/21/0152). Es ist also weiterhin darauf Bedacht zu nehmen, dass für die Fälle des bisherigen § 9 Abs. 4 BFA-VG 2014 allgemein unterstellt wurde, dass die Interessenabwägung - trotz einer vom Fremden ausgehenden Gefährdung - regelmäßig zu seinen Gunsten auszugehen hat und eine aufenthaltsbeendende Maßnahme in diesen Konstellationen grundsätzlich nicht erlassen werden darf. Durch die Aufhebung dieser Bestimmung wollte der Gesetzgeber erkennbar nur bei Begehung besonders verwerflicher Straftaten und einer daraus abzuleitenden spezifischen Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen einen fallbezogenen Spielraum einräumen (vgl. RV 189 BlgNR 26. GP 27, wo von "gravierender Straffälligkeit" bzw. "schwerer Straffälligkeit" gesprochen wird). Dazu zählen jedenfalls die schon bisher in § 9 Abs. 4 Z 1 BFA-VG 2014 normierten Ausnahmen bei Erfüllung der Einreiseverbotstatbestände nach § 53 Abs. 3 Z 6, 7 und 8 FrPolG 2005, aber auch andere Formen gravierender Straffälligkeit (siehe VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0232, betreffend Vergewaltigung; VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0207, betreffend grenzüberschreitenden Kokainschmuggel)." (19.12.2019, Ra 2019/21/0238)

"Gemäß ihrem Einleitungssatz bezieht sich die Bestimmung des § 9 Abs 4 BFA-VG 2014 idF FrÄG 2015 lediglich auf Drittstaatsangehörige, also auf Fremde, die nicht EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind (§ 2 Abs. 1 Z 20b AsylG 2005 iVm § 2 Abs. 2 BFA-VG 2014). Demzufolge wird dann auch als einzige aufenthaltsbeendende Maßnahme, die in den Fällen der Z 1 und 2 nicht erlassen werden darf, eine Rückkehrentscheidung angesprochen. Dessen ungeachtet kann es aber zur Vermeidung von sonst nicht auflösbaren Wertungswidersprüchen nicht zweifelhaft sein, dass § 9 Abs. 4 BFA-VG 2014 über seinen Wortlaut hinaus - entsprechend modifiziert verstanden - auch jenen Personenkreis umfasst, gegen den eine Ausweisung nach § 66 FrPolG 2005 oder ein Aufenthaltsverbot nach § 67 FrPolG 2005 in Betracht käme (also EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige; vgl. E 9. November 2011, 2011/22/0264). § 9 Abs. 4 BFA-VG 2014 normiert demnach allgemein, wann trotz einer von einem Fremden ausgehenden Gefährdung eine aufenthaltsbeendende Maßnahme keinesfalls erlassen werden darf. In der Fassung des FrÄG 2015 stellt diese Bestimmung den - vorläufigen - Schlusspunkt einer Entwicklung dar, die durch den Wechsel zwischen absolut und relativ gefassten Aufenthaltsverfestigungstatbeständen (relativ in dem Sinn, dass es ergänzend noch darauf ankommt, dass dem Fremden keine spezifischen Gefährdungen anzulasten sind) gekennzeichnet ist." (vgl. VwGH 30.06.2016, Ra 2016/21/0050)

Der BF wurde hier in Österreich geboren und hält sich seit 1995 in Österreich und somit seit nunmehr 25 Jahren durchgehend und rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Der BF ist sohin iSd. § 9 Abs. 4 Z 2 BFA-VG idF. BGBl. I Nr. 70/2015 im Bundesgebiet aufgewachsen und langjährig rechtmäßig in Österreich niedergelassen (vgl. VwGH 29.05.2018, Ra 2018/21/0067)

Eine Aufenthaltsbeendigung in Bezug auf den BF erweist sich gegenständlich nur dann dem Grunde nach als zulässig, wenn eine außergewöhnliche Gefährdung iSd. der oben zitierten Judikatur vorliegt.

Der BF wurde unbestritten zuletzt wegen der Verbrechen des Suchtgifthandels zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren verurteilt.

Das vom BF gezeigte Verhalten lässt vor dem Hintergrund der wiederholt gezeigten Bereitschaft Verbrechen im Bereich des Suchtmittelgesetzes zu begehen, eine massive Herabsetzung der inneren Hemmschwelle und das Vorliegen einer hohen kriminellen Energie beim BF erkennen. Erschwerend kommt hinzu, dass der BF bereits 4 teils einschlägige Vorverurteilungen aufweist, und bislang trotz wiederholtem Erfahren Müssens der Unbill der Haft, aber auch des Empfangs der Benefizien der bedingten Strafnachsichten, nicht von Rückfällen in kriminelle Verhaltensmuster abgehalten werden konnte.

Es steht völlig außer Zweifel, dass das vom BF gezeigte Verhalten ein Fehlen einer Verbundenheit zu rechtsstaatlich geschützten Werten sowie Interessen und Rechten andere erkennen lässt und eine schwerwiegende Beeinträchtigung öffentlicher Interessen darstellt.

So hat der VwGH wiederholt festgehalten, dass es sich bei diesen Delikten, auf dem Gebiet des Fremdenwesens schwer verpöntes Verhalten handelt (vgl. VwGH 12.09.2012, 2011/23/0311; 18.10.2012, 2011/23/0318 hinsichtlich Suchtgiftkriminalität), welches nicht nur auf eine hohe Bereitschaft der Negierung österreichscher Gesetze und gesellschaftlicher Regeln hinweist. Vielmehr weist die Bereitwilligkeit zur Erlangung finanzieller Vorteile, über die durch seine Tate

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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