Entscheidungsdatum
21.04.2020Norm
AlVG §12Spruch
W228 2225311-1/6E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald WÖGERBAUER als Vorsitzenden und die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Poppenberger sowie Franz KOSKARTI als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , SV XXXX , gegen eine Mitteilung des Arbeitsmarktservice Wien Schloßhofer Straße vom 03.07.2019 in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG mangels Vorliegen eines rechtskraftfähigen Bescheides als unzulässig zurückgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
Das Arbeitsmarktservice Wien Schloßhofer Straße (im Folgenden: AMS) hat XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführer) mit Schreiben vom 03.07.2019 mitgeteilt, dass sein Leistungsbezug mit 01.04.2019 eingestellt werden habe müssen. Der Beschwerdeführer habe keinen Anspruch auf Leistung aus der Arbeitslosenversicherung, da sein geringfügiges Dienstverhältnis bei XXXX im Anschluss an ein vollversichertes Dienstverhältnis noch laufend sei.
Mit Schreiben vom 17.07.2019, eingelangt bei der belangten Behörde am 22.07.2019, erhob der Beschwerdeführer "Einspruch gegen beigelegtes Schreiben vom 03.07.2019".
Mit Bescheid des AMS vom 17.07.2019 wurde die Notstandshilfe des Beschwerdeführers gemäß § 24 Abs.1 iVm §§ 7, 12, 33 und 38 AlVG mangels Arbeitslosigkeit eingestellt. Ein Einstellungsdatum wurde in diesem Bescheid nicht angeführt. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer durch Hinterlegung am 23.07.2019 zugestellt.
Die Beschwerdesache wurde unter Anschluss der Akten des Verfahrens am 12.11.2019 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Mit Schreiben vom 21.01.2020 hat das Bundesverwaltungsgericht dem AMS die Beantwortung diverser Fragen sowie die Vorlage des Schreibens vom 03.07.2019, auf welches sich der Beschwerdeführer bezieht, aufgetragen.
Am 22.01.2020 langte eine Stellungnahme und Urkundenvorlage des AMS beim Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Das AMS hat dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 03.07.2019 mitgeteilt, dass sein Leistungsbezug mit 01.04.2019 eingestellt werden habe müssen, weil sein geringfügiges Dienstverhältnis bei XXXX im Anschluss an ein vollversichertes Dienstverhältnis noch laufend sei. Dieses Schreiben enthält einen Hinweis, dass der Beschwerdeführer das Recht habe, innerhalb von vier Wochen ab Erhalt dieses Schreibens einen Bescheid zu verlangen, um seine Ansprüche im Rechtsweg verfolgen zu können.
Mit Schreiben vom 17.07.2019, eingelangt bei der belangten Behörde am 22.07.2019, erhob der Beschwerdeführer "Einspruch gegen beigelegtes Schreiben vom 03.07.2019".
Mit Bescheid des AMS vom 17.07.2019 wurde die Notstandshilfe des Beschwerdeführers gemäß § 24 Abs. 1 iVm §§ 7 ,12, 33 und 38 AlVG mangels Arbeitslosigkeit eingestellt. Ein Einstellungsdatum wurde in diesem Bescheid nicht angeführt. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer durch Hinterlegung am 23.07.2019 zugestellt.
2. Beweiswürdigung:
Es ist unstrittig, dass das als "Einspruch gegen beigelegtes Schreiben vom 03.07.2019" bezeichnete Schreiben des Beschwerdeführers vom 17.07.2019 am 22.07.2019 beim AMS einlangte.
Die Feststellung, wonach der Bescheid des AMS vom 17.07.2019 dem Beschwerdeführer am 23.07.2019 durch Hinterlegung zugestellt wurde, ergibt sich aus dem im Akt befindlichen Zustellnachweis.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts:
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 9 Abs. 2 Z 1 VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat - vorliegend sohin das AMS Wien Schloßhofer Straße.
§ 56 Abs. 2 AlVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle des AMS.
Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmung des § 56 Abs. 2 AlVG normiert ist, dass über Beschwerden gegen Bescheide der Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservices das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und einer aus dem Kreis der Arbeitnehmer angehören, zu entscheiden ist, liegt im vorliegenden Fall Senatszuständigkeit mit Laienrichterbeteiligung vor.
Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht:
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Zu A) Zurückweisung der Beschwerde:
Die näheren Vorschriften, welche Bestandteile ein Bescheid einer Verwaltungsbehörde aufzuweisen hat, finden sich in §§ 58 ff AVG; darunter ist insbesondere auch das Erfordernis genannt, dass jeder Bescheid als solcher zu bezeichnen ist und eine Rechtsmittelbelehrung zu enthalten hat.
Ein Fehlen der Bescheidbezeichnung ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs für die Qualifikation einer Erledigung als Bescheid dann unerheblich, wenn eine an eine bestimmte Person gerichtete Erledigung die Bezeichnung der Behörde, den Spruch und die Unterschrift oder auch die Beglaubigung enthält. Aus dem Spruch muss sich in diesem Fall eindeutig ergeben, dass die Behörde normativ, also entweder rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend eine Angelegenheit des Verwaltungsrechtes entschieden hat. Der normative Inhalt ist aus der Form und Formulierung der behördlichen Erledigung abzuleiten. Die Wiedergabe einer Rechtsansicht, von Tatsachen, sowie Hinweise auf Vorgänge des Verfahrens, Rechtsbelehrungen und dergleichen können nicht als verbindliche Erledigung, also nicht als Spruch im Sinne des § 58 Abs. 1 AVG gewertet werden.
In jedem Fall, in dem der Inhalt einer Erledigung (also ihr Wortlaut und ihre sprachliche Gestaltung) Zweifel über den Bescheidcharakter entstehen lässt, ist somit die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid für den Bescheidcharakter der Erledigung essentiell. Für die Beurteilung als Bescheid sind die objektiven Merkmale eines Schriftstückes maßgebend und nicht die subjektive Absicht der Behörde, von der das Schriftstück ausgegangen ist (vgl. zuletzt VwGH vom 25.02.2016, Ra 2016/19/0007 sowie 01.09.2015, Ra 2015/03/0060, mwN). Nach Form und Inhalt der Erledigung muss für jedermann erkennbar sein, dass es sich um einen Bescheid handelt (vgl. VwGH vom 30.10.2015, Ra 2015/03/0051). An eine behördliche Erledigung, die nicht ausdrücklich als Bescheid bezeichnet ist, muss hinsichtlich der Wertung als Bescheid nach ihrem Inhalt ein strenger Maßstab angelegt werden (vgl. VwGH vom 23.11.2011, 2009/11/0022 mwN).
Im gegenständlichen Fall hat das AMS dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 03.07.2019 mitgeteilt, dass sein Leistungsbezug mit 01.04.2019 eingestellt wurde. Es handelt sich hier um ein Mitteilungsschreiben betreffend die Bezugseinstellung, nicht jedoch um einen Bescheid, was sich insbesondere auch daraus ergibt, dass dieses Schreiben einen Hinweis enthält, dass der Beschwerdeführer das Recht habe, innerhalb von vier Wochen ab Erhalt dieses Schreibens einen Bescheid zu verlangen, um seine Ansprüche im Rechtsweg verfolgen zu können.
Vor dem dargelegten Hintergrund ist das Schreiben des AMS vom 03.07.2019 nicht als Bescheid zu qualifizieren. Dieses weist nicht die äußere Form eines Bescheides auf, da es weder als Bescheid bezeichnet noch in Spruch, Begründung und Rechtsmittelbelehrung gegliedert ist.
Das Schreiben des AMS vom 03.07.2019 stellt sohin keinen rechtswirksam erlassenen Bescheid dar.
Ein meritorischer Abspruch der Rechtsmittelinstanz über Erledigungen, denen kein Bescheidcharakter zukommt, überschreitet die Kompetenz der Rechtsmittelinstanz (z.B. VwGH 19.12.2012, 2011/06/0114, unter Hinweis auf Hengstschläger/Leeb, AVG [2007] § 63 Rz 46) und verletzt das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (VfGH vom 25.11.1985, B219/85 mwN).
Da das angefochtene Schreiben vom 03.07.2019 somit keinen einer Beschwerde nach Art 130 B-VG zugänglichen Rechtsakt darstellt, bedingt dies die von Amts wegen wahrzunehmende sachliche Unzuständigkeit des BVwG (idS Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, § 27 K10 unter Hinweis auf § 6 Abs 1 AVG iVm § 17 VwGVG), weshalb die Beschwerde spruchgemäß als unzulässig zurückzuweisen ist.
Eine Umdeutung des Schreibens des Beschwerdeführers vom 17.07.2019 in eine Beschwerde gegen den Bescheid des AMS vom 17.07.2019, welcher dem Beschwerdeführer am 23.07.2019 durch Hinterlegung zugestellt wurde, scheitert bereits am Wortlaut des § 7 Abs. 3 VwGVG, der wie folgt lautet: "Ist der Bescheid bereits einer anderen Partei zugestellt oder verkündet worden, kann die Beschwerde bereits ab dem Zeitpunkt erhoben werden, in dem der Beschwerdeführer von dem Bescheid Kenntnis erlangt hat". Der Bescheid vom 17.07.2019 war zum Zeitpunkt des Zugangs des Schreibens des Beschwerdeführers vom 17.07.2019 beim AMS am 22.07.2019 noch nicht einmal hinterlegt und damit nicht einmal per Zustellfiktion erlassen, zumal die Hinterlegung erst am 23.07.2019 erfolgte.
Darüber hinaus ist obiter festzuhalten, dass im Bescheid vom 17.07.2019 kein Einstellungsdatum der Notstandshilfe angeführt ist und die Möglichkeit des Vollzuges dieses Bescheides daher fraglich ist.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Bescheidcharakter Mitteilung Nichtbescheid ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W228.2225311.1.00Im RIS seit
28.07.2020Zuletzt aktualisiert am
28.07.2020