TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/21 W154 2186112-1

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Veröffentlicht am 21.04.2020
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Entscheidungsdatum

21.04.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs1 Z3
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z1
VwGVG §35

Spruch

W154 2186112-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. KRACHER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX geb. XXXX StA. Slowakei, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie Flüchtlingsdienst, gegen den Mandatsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.12.2017, Zahl: 621577400/171431015, und die Anhaltung in Schubhaft vom 30.12.2017 bis 4.1.2018 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG, § 76 Abs. 2 Z 1 FPG als unbegründet abgewiesen.

II. Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 1 iVm Abs. 3 VwGVG abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat gemäß § 35 Abs. 1 iVm Abs. 3 VwGVG in Verbindung mit § 1 Z 3 und 4 VwG-Aufwandersatzverordnung dem Bund, vertreten durch den Bundesminister für Inneres, Aufwendungen in Höhe von ? 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Gegen den Beschwerdeführer, einen slowakischen Staatsangehörigen, wurde am 10.1.2013 von der LPD AFA Ref. 3 FrB zur Zahl 1334187/FrB/13 ein Aufenthaltsverbot bis 10.6.2023 erlassen und dieser über die Konsequenzen dieses Aufenthaltsverbotes informiert.

2. Vor der Verhängung der gegenständlichen Schubhaft wurde der Beschwerdeführer insgesamt neunmal in die Slowakei abgeschoben, zuletzt am 21.12.2017.

3. Am 29.12.2017 wurde der Beschwerdeführer um 21:30 Uhr durch Beamte der LPD Wien im Bereich Praterstern einer Personenkontrolle unterzogen und, weil er sich nicht ausweisen konnte, in die nächste Polizeiinspektion verbracht, wo neben seiner Identität zudem festgestellt wurde, dass gegen ihn ein rechtskräftiges und durchsetzbares Aufenthaltsverbot bis 10.6.2023 besteht. Aufgrund dessen wurde der Beschwerdeführer nach Rücksprache mit dem Journaldienst des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) um 22:15 gemäß § 40 BFA-VG festgenommen und in das Polizeianhaltezentrum eingeliefert.

Im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme bei der belangten Behörde am 30.12.2017 gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, am 29.12.2017 wieder nach Österreich eingereist zu sein und über kein Bargeld zu verfügen. Er hätte hier bei einem Freund, mit dessen Hilfe er seinen Aufenthalt im Bundesgebiet finanziere, Silvester feiern wollen. Einer angemeldeten Beschäftigung gehe er nicht nach, sondern suche gerade eine solche. Sozialversichert sei er nur in der Slowakei, wo auch seine Familie lebe. Angehörige in Österreich habe er nicht.

4. Mit dem gegenständlichen, im Spruch genannten, Mandatsbescheid des Bundesamtes wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

Dies begründete die belangte Behörde im Wesentlichen damit, dass gegen den Beschwerdeführer ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot bestehe, er bereits zahlreiche Male, zuletzt am 21.12.2017, in die Slowakei abgeschoben worden, trotz bestehenden Aufenthaltsverbotes wissentlich illegal nach Österreich zurückgekehrt sei und im Verborgenen seinen illegalen Aufenthalt fortgesetzt habe. Es sei davon auszugehen, dass er untertauchen und seinen illegalen Aufenthalt weiterhin hier im Verborgenen fortsetzen werde.

Zu seinem bisherigen Verhalten stellte das Bundesamt fest:

* "Gegen Sie wurde im Jahr 2013 ein Aufenthaltsverbot erlassen und trotzdem kehrten Sie in den letzten Jahren immer wieder nach Österreich zurück. Sie wurden seit 2013 mehrmals, zuletzt am 21.12.2017 in Ihr Heimatland abgeschoben.

* Sie sind nach Österreich illegal eingereist.

* Sie gingen in Österreich noch nie einer legalen Erwerbstätigkeit nach. Es besteht keine begründete Aussicht, dass Sie eine Arbeitsstelle finden.

* Im bisherigen Verfahren verhielten Sie sich unkooperativ, indem Sie trotz aufrechten Aufenthaltsverbot und mehreren Abschiebungen immer wieder illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist sind.

* Sie tauchten in Österreich unter indem Sie sich behördlich nicht meldeten und somit für ein fremdenrechtliches Verfahren nicht greifbar waren.

* Sie besitzen kein gültiges Reisedokument. Sie können Österreich aus eigenem Entschluss nicht legal verlassen.

* Obwohl bezüglich Ihrer Person ein Einreise- oder Aufenthaltsverbot bestand, kehrten Sie nach Österreich zurück.

* Sie missachteten die österreichische Rechtsordnung, indem Sie bereits drei Mal von einem inländischen Gericht rechtskräftig verurteilt wurden und immer wieder wissentlich illegal in das Bundesgebiet einreisten.

* Sie verfügen nicht über ausreichend Barmittel um Ihren Unterhalt zu finanzieren. Einer legalen Beschäftigung gehen Sie nicht nach.

* Sie haben keinen ordentlichen Wohnsitz in Österreich und hielten sich bislang unangemeldet unter Verletzung des Meldegesetzes in Österreich auf.

* Sie sind in keinster Weise integriert, weil Sie sich erst seit kurzen im Bundesgebiet befinden und weder über familiäre noch soziale oder berufliche Bindungen verfügen."

Der Beschwerdeführer sei im Bundesgebiet weder beruflich noch sozial verankert. Zum Bundesgebiet bestünden keinerlei familiäre Bindungen, seine Angehörigen lebten in der Slowakei.

Dieser Bescheid wurde vom Beschwerdeführer am 30.12.2017 persönlich übernommen.

5. Am selben Tag wurde der Beschwerdeführer in Schubhaft genommen.

6. Am 4.1.2018 wurde der Beschwerdeführer in die Slowakei abgeschoben.

7. Eine weitere Abschiebung erfolgte am 9.1.2018.

8. Gegen den gegenständlichen Mandatsbescheid des Bundesamtes vom 30.12.2017 sowie gegen die Anordnung der Schubhaft und die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vom 30.12.2017 bis 4.1.2018 wurde rechtzeitig Beschwerde gemäß § 22a BFA-VG erhoben.

Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich im vorliegenden Fall die Anordnung der Schubhaft als nicht erforderlich und somit unverhältnismäßig erweise. Dem Kenntnisstand des Beschwerdeführervertreters zufolge würden Abschiebungen in die Slowakei üblicherweise dienstags und donnerstags mittels polizeilichen Sammeltransports nach Kittsee und Kauf einer Zugkarte Kittsee - Bratislava erfolgen. Dies habe auch der Behördenvertreter im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zu einem anderen Verfahren so bestätigt. Das Vorliegen eines Reisedokuments sei wegen einer zwischenstaatlichen Vereinbarung nicht nötig. Es obliege der zuständigen Behörde, die organisatorischen Vorkehrungen zu treffen, damit eine Freiheitsentziehung möglichst kurz gehalten werde.

Der Beschwerdeführer sei mit dem Sammeltransport am Donnerstag, den 4.1.2018 abgeschoben worden. Festgenommen habe man ihn am Freitag, den 29.12.2017 und am nächsten Tag sei die Schubhaft angeordnet worden. Es wäre der belangten Behörde aber ebenso möglich gewesen, ihn innerhalb der Frist von 72 Stunden gemäß § 40 Abs. 4 BFA-VG bzw. § 77 Abs. 5 FPG am Montagabend abzuschieben. Im Gegensatz zum Verfahren der in der Beschwerde zitierten Geschäftszahl habe sich der Beschwerdeführer zwar vor der Verhängung der Schubhaft nicht in Strafhaft befunden, dennoch sei davon auszugehen, dass eine Abschiebung in das benachbarte Grenzgebiet binnen 72 Stunden organisiert werden könne. Auch lägen Hinweise dafür vor, dass es die belangte Behörde unterlassen habe, auf die kürzest mögliche Schubhaftdauer hinzuwirken. Obwohl am Dienstag, den 2.1.2018 ein Sammeltransport in die Slowakei erfolgt sei, sei der Beschwerdeführer erst am 4.1.2018 überstellt worden, obwohl er sich am 2.1.2018 bereits den vierten Tag in Schubhaft befunden habe.

Beantragt wurde, das Bundesverwaltungsgericht möge

* den angefochtenen Bescheid beheben und aussprechen, dass die Anordnung von Schubhaft und die Anhaltung in Schubhaft von 30.12.2017 bis 4.1.2018 in rechtswidriger Weise erfolgt sei;

* der belangten Behörde den Ersatz der Aufwendungen des Beschwerdeführers gemäß VwG-Aufwandsersatzverordnung, sowie der Kommissionsgebühren und Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat, auferlegen.

9. Am 15.1.2018 wurde der Beschwerdeführer im Bundesgebiet wegen gewerbsmäßigen Diebstahls von der Polizei angehalten, einer Fremdenpolizeilichen Kontrolle unterzogen, am 16.1.2018 wurde erneut gegen ihn die Schubhaft verhängt, der Beschwerdeführer abgeschoben und nach einer weiteren Einreise am 17.1.2018 in weiterer Folge die Untersuchungshaft gegen ihn verhängt.

10. Im Rahmen ihrer Beschwerdevorlage vom 15.2.2018 nahm die belangte Behörde zum Beschwerdevorbringen im Wesentlichen dahingehend Stellung, dass der Beschwerdeführer trotz des am 10.1.2013 gegen ihn erlassenen, bis 10.6.2023 gültigen, Aufenthaltsverbotes bereits mehrmals, zuletzt am 21.12.2017, in die Slowakei abgeschoben worden sei. Der Sicherungsbedarf begründete sich auf mehrere Punkte gem. § 76 Abs. 3, welche in jeder Schubhaftverhängung ausreichend angeführt würden.

Die Schubhaft sei nicht als Standard-Maßnahme angewendet worden, sondern man habe aufgrund des bisherigen Verhaltens keine Gründe gefunden, welche eine Abstandnahme von dieser Sicherungsmaßnahme rechtfertigten. Es sei nicht anzunehmen gewesen, dass der Beschwerdeführer seiner Ausreiseverpflichtung aus Eigenem nachkommen werde, womit die getroffene Maßnahme zur Sicherung des fremdenpolizeilichen Verfahrens als dringend erforderlich anzusehen gewesen sei.

Da der Aufgriff am 29.12.2017 erfolgt und somit eine Anhaltung im Stande der Festnahme gem. § 40 BFA-VG nicht möglich gewesen sei, weil die Rückführung nicht innerhalb von 72 Stunden erfolgen hätte können, sei zur Sicherung der Abschiebung Schubhaft anzuordnen gewesen. Der Beschwerdeführer verfüge über keinen ordentlichen Wohnsitz im Bundesgebiet und sei somit für die Behörde nicht greifbar.

Zudem sei er in Vollziehung seines Aufenthaltsverbotes bereits mehrmals abgeschoben worden, wozu die belangte Behörde neun Abschiebungen vor der gegenständlichen aufzählte.

Letztere sei zum nächstmöglichen Termin am 4.1.2018, erfolgt, danach habe der Beschwerdeführer innerhalb kürzester Zeit bereits wieder zweimal abgeschoben werden müssen.

Die Argumente gegen eine Schubhaftverhängung seien angesichts des Verhaltens des Beschwerdeführers nicht nachvollziehbar. Es existierten weder organisatorische Unzulänglichkeiten noch personelle Engpässe.

Beantragt wurde, das Bundesverwaltungsgericht möge

1. die Beschwerde als unbegründet abweisen,

2. gemäß § 83 Abs. 4 FPG feststellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlagen,

3. den Beschwerdeführer zum Ersatz des Vorlage- und Schriftsatzaufwandes der belangten Behörde verpflichten.

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist slowakischer Staatsangehöriger. besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist somit Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG.

Gegen den Beschwerdeführer wurde am 10.1.2013 von der LPD AFA Ref. 3 FrB zur Zahl 1334187/FrB/13 ein Aufenthaltsverbot bis 10.6.2023 erlassen. Zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung und Anhaltung bestand somit gegen ihn ein rechtskräftiges und durchsetzbares Aufenthaltsverbot.

Trotz dieses Aufenthaltsverbotes reiste der Beschwerdeführer wiederholt illegal ins Bundesgebiet ein, sodass er vor der gegenständlichen Schubhaftverhängung neunmal abgeschoben werden musste, zuletzt am 27.11.2017.

Nach weiterer illegaler Einreise wurde der Beschwerdeführer am Abend des 29.12.2017 festgenommen und nach einer niederschriftlichen Einvernahme am 30.12.2017 in Schubhaft genommen.

Am 4.1.2018 wurde der Beschwerdeführer erfolgreich in die Slowakei abgeschoben. Weitere Abschiebungen erfolgten am 9.1.2018 und 16.1.2018.

Der Beschwerdeführer verfügte zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung und Anhaltung über keinerlei Barmittel. Er war im Bundesgebiet nicht legal erwerbstätig und hatte kein legales Einkommen. Sozialversichert war er in der Slowakei und nicht im Bundesgebiet. Auch hatte er keine Angehörigen oder Verwandten in Österreich. Von 2012 an war er im Bundesgebiet nur in Polizeianhaltezentren und Gerichtshaft aufrecht gemeldet und hatte keinen ordentlichen Wohnsitz.

Im Strafregisterauszug schienen folgende Verurteilungen auf:

01) LG F.STRAFS.WIEN 054 HV 156/2012y vom 28.09.2012 RK 28.09.2012

§§ 127, 130 1. Fall StGB § 15 StGB

Freiheitsstrafe 9 Monate

02) LG F.STRAFS.WIEN 073 HV 166/2013k vom 20.11.2013 RK 20.11.2013

§ 229 (1) StGB

§§ 127, 130 1. Fall StGB § 15 StGB

§ 241e (1) StGB

Freiheitsstrafe 18 Monate

03) LG F.STRAFS.WIEN 032 HV 37/2015s vom 07.05.2015 RK 07.05.2015

§§ 127, 129 Z 1, 130 1. Fall StGB § 15 StGB

§ 134 (1) StGB

Freiheitsstrafe 2 Jahre 6 Monate

Bereits am 15.1.2018 wurde der Beschwerdeführer erneut wegen des Verdachts des gewerbsmäßigen Diebstahls angehalten und in weiterer Folge auch die Untersuchungshaft gegen ihn verhängt.

2. Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes, des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes, der Einsichtnahme in die Anhaltedatei- Vollzugsverwaltung und das Zentrale Melderegister, das österreichische Strafregister sowie das Zentrale Fremdenregister.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht mehr aufzunehmen. Von der Durchführung einer Verhandlung konnte daher abgesehen werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit

Gemäß Artikel 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) idgF erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden

1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit;

2. gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit;

3. wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde;

4. gegen Weisungen gemäß Art. 81a Abs. 4.

Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

§ 7 Abs. 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr 87/2012 idgF, lautet:

(1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet über

1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes,

2. Beschwerden gegen Bescheide der Vertretungsbehörden gemäß dem 11. Hauptstück des FPG,

3. Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG,

4. Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesamtes und

5. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesministers für Inneres in Verfahren gemäß §§ 3 Abs. 2 Z 1 bis 6 und 4 Abs. 1 Z 1 und 2

Gemäß § 7 Abs. 2 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Revision oder der Verfassungsgerichtshof einer Beschwerde gegen ein Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes gemäß Abs. 1 stattgegeben hat.

Für das gegenständliche Verfahren ist sohin das Bundesverwaltungsgericht zuständig.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

3.2. Zu Spruchpunkt I. (Schubhaftbescheid):

3.2.1. §22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) lautet auszugsweise wie folgt:

"§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

[...]"

§22a BFA-VG bildet sohin im gegenständlichen Fall die formelle Grundlage.

3.2.2. Materielle Rechtsgrundlage:

§ 76 FPG (aF) lautet:

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

2. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

Hinsichtlich der Anwendung eines gelinderen Mittels ist § 77 FPG maßgeblich:

§ 77. (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. [...]

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,

1. in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,

2. sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder

3. eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

3.2.3. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

Schubhaft darf stets nur "ultima ratio" sein (vgl. VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0054; VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, VwGH 24.02.2011, Zl. 2010/21/0502; VwGH 17.03.2009, Zl. 2007/21/0542; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043). Daraus leitete der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527, unter Hervorhebung der in § 80 Abs. 1 FPG 2005 ausdrücklich festgehaltenen behördliche Verpflichtung, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert, insbesondere auch ab, "dass die Behörde schon von vornherein angehalten ist, im Fall der beabsichtigten Abschiebung eines Fremden ihre Vorgangsweise nach Möglichkeit so einzurichten, dass Schubhaft überhaupt unterbleiben kann. Unterlässt sie das, so erweist sich die Schubhaft als unverhältnismäßig" (VwGH vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527). Bereits im Erkenntnis des VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595, wurde dazu klargestellt, dass der Schubhaft nicht der Charakter einer Straf- oder Beugehaft zu kommt, "weshalb ohne besondere Anhaltspunkte für eine absehbare Änderung der Einstellung des Fremden die Haft nicht allein im Hinblick darauf aufrechterhalten werden darf, diese 'Einstellungsänderung' durch Haftdauer zu erwirken. (Hier: Der Fremde hatte, nachdem er nach zwei Monaten nicht aus der Schubhaft entlassen worden war, seine vorgetäuschte Mitwirkungsbereitschaft aufgegeben und zu erkennen gegeben, dass er nicht in den Kamerun zurückkehren wolle und auch nicht an einer Identitätsfestellung mitwirken werde. Die mangelnde Kooperation des Fremden gipfelte schließlich in der Verweigerung jeglicher Angaben. Die belangte Behörde hat in Folge bis zu einem neuerlichen Einvernahmeversuch zugewartet ohne zwischenzeitig auf Basis der vorhandenen Daten zwecks Erstellung eines Heimreisezertifikates an die Botschaft von Kamerun heranzutreten oder sonst erkennbare Schritte in Richtung Bewerkstelligung einer Abschiebung zu setzen. In diesem Verhalten der belangten Behörde ist eine unangemessne Verzögerung zu erblicken)." (VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595; vgl. dazu etwa auch VwGH 19.04.2012, 2009/21/0047).

"Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde" (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

"Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird" (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

Dem Gesichtspunkt einer "sozialen Verankerung in Österreich" kommt im Zusammenhang mit der Verhängung der Schubhaft wesentliche Bedeutung zu. Dabei kommt es u.a. entscheidend auf das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit oder auf die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes an (VwGH vom 30. August 2011, 2008/21/0107). Je länger somit der Fremde bereits in Österreich ist und je stärker er hier sozial verwurzelt ist, desto stärker müssen auch die Hinweise und Indizien für eine vorliegende Fluchtgefahr sein. Dabei ist zu beachten, dass Mittellosigkeit und fehlende soziale Integration in Bezug auf (noch nicht lange aufhältige) Asylwerber, die Anspruch auf Grundversorgung haben, allein noch keine tragfähigen Argumente für das Bestehen eines Sicherungsbedarfs sind (VwGH vom 28. Mai 2008, 2007/21/0233).

3.2.4. Zum Zeitpunkt der Erlassung des Schubhaftbescheides und der Anhaltung in Schubhaft bestand gegen den Beschwerdeführer ein rechtskräftiges und durchsetzbares Aufenthaltsverbot.

Trotz dieses Aufenthaltsverbotes war der Beschwerdeführer wiederholt illegal ins Bundesgebiet eingereist, sodass er vor der gegenständlichen Schubhaftverhängung bereits neunmal abgeschoben werden musste, zuletzt am 27.11.2017.

Nach weiterer illegaler Einreise wurde der Beschwerdeführer am Abend des 29.12.2017 festgenommen und nach einer niederschriftlichen Einvernahme am 30.12.2017 in Schubhaft genommen. Am 4.1.2018 wurde der Beschwerdeführer in die Slowakei abgeschoben.

Der Beschwerdeführer verfügte zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung und Anhaltung über keinerlei Barmittel. Er war im Bundesgebiet nicht legal erwerbstätig, hatte kein legales Einkommen und keine Sozialversicherung. Auch gab es keine Angehörigen oder Verwandten in Österreich. Von 2012 an war er im Bundesgebiet nur in Polizeianhaltezentren und Gerichtshaft aufrecht gemeldet und hatte keinen ordentlichen Wohnsitz.

Im Strafregisterauszug schienen folgende Verurteilungen auf:

01) LG F.STRAFS.WIEN 054 HV 156/2012y vom 28.09.2012 RK 28.09.2012

§§ 127, 130 1. Fall StGB § 15 StGB

Freiheitsstrafe 9 Monate

02) LG F.STRAFS.WIEN 073 HV 166/2013k vom 20.11.2013 RK 20.11.2013

§ 229 (1) StGB

§§ 127, 130 1. Fall StGB § 15 StGB

§ 241e (1) StGB

Freiheitsstrafe 18 Monate

03) LG F.STRAFS.WIEN 032 HV 37/2015s vom 07.05.2015 RK 07.05.2015

§§ 127, 129 Z 1, 130 1. Fall StGB § 15 StGB

§ 134 (1) StGB

Freiheitsstrafe 2 Jahre 6 Monate

Im vorliegenden Fall scheidet, abgesehen vom Bestehen erheblicher Fluchtgefahr, mangels finanzieller Mittel auch die Anwendung der Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 des § 77 FPG aus.

Insbesondere aber wegen des bisherigen oben erörterten Verhaltens, vor allem, dass der Beschwerdeführer vor Verhängung der gegenständlichen Schubhaft trotz aufrechten Aufenthaltsverbotes bereits neunmal abgeschoben werden musste und auch wegen seiner wiederholten strafrechtlichen Delinquenz war nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer "sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion" gemeldet hätte; dies gilt/galt auch für "die Anordnung, in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen" und wurde durch sein oben festgestelltes, nach der Abschiebung am 4.1.2018 gesetztes, Verhalten nochmals bestätigt.

Aufgrund des Vorliegens erheblicher Fluchtgefahr kam daher zu keinem Zeitpunkt die Anwendung gelinderter Mittel in Frage.

Insofern in der Beschwerde angeführt wird, aufgrund der räumlichen Nähe zur Slowakei hätte die belangte Behörde den Beschwerdeführer binnen 72 Stunden abschieben können, sodass eine Schubhaftverhängung des am Abend des 29.12.2017 festgenommenen Beschwerdeführers unverhältnismäßig wäre, so ist festzuhalten, dass - wie die Beschwerde selbst einräumte - im gegenständlichen Fall die Schubhaft nicht im Anschluss an die Gerichtshaft verhängt worden war (im Gegensatz zu dem in der Beschwerde zitierten Erkenntnis). In der gängigen Abschiebepraxis sind Sammeltransporte im Bereich der Abschiebung üblich und als unproblematisch erachtet worden, was auch für Landabschiebungen Geltung haben muss. Es wird als zumutbar angesehen, eine in absehbarer Zeit stattfindende Sammelabschiebung abzuwarten, wenngleich sich auch die Schubhaft dabei um eine angemessene Dauer verlängert. Das Gericht sieht die Republik Österreich als nicht verpflichtet an, wegen der örtlichen Nähe zur Slowakei eine permanente Einzelabschiebungsmöglichkeit vorzusehen. Die Praxis zur Durchführung zweier Sammelabschiebungen pro Kalenderwoche in die Slowakei war im Hinblick auf die dennoch erforderliche dahinterstehende Organisation und Planung als ausreichend anzusehen, zumal auch das Bundesamt wie jede Behörde bei jeglicher Entscheidung die Prinzipen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit zu befolgen hat, wobei nicht verkannt wird, dass dabei jeweils auch die Verhältnismäßigkeit der Schubhaft und die Zumutbarkeit für den Schubhäftling zu berücksichtigen sind. In bestimmten Fällen kann es daher notwendig sein, zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit eine Einzelabschiebung durchzuführen. Im konkreten Fall war die Durchführung einer Einzelabschiebung zur Vermeidung bzw. Verkürzung der Schubhaft jedoch nicht angezeigt.

Auch wenn seitens der belangten Behörde zum damaligen Zeitpunkt dienstags und donnerstags Sammelabschiebungen in die Slowakei durchgeführt wurden, so ist doch mit einer Vorlaufzeit zu rechnen, zumal auch eine Zustimmung der slowakischen Behörden notwendig ist, wie z.B. aus der in einem anderen Verfahren erstatteten Stellungnahme der belangten Behörde hervorgeht (vgl. ho. Erkenntnis vom 13.11.2017, GZ W112 2165780-1/19E, Stellungnahme vom 17.8.2017). Im konkreten Fall sind auch keine personellen, organisatorischen oder sonstigen Versäumnisse des Bundesamtes dahingehend ersichtlich, dass der Beschwerdeführer erst mit dem Sammeltransport am 4.1.2018 (und nicht dem am 2.1.2018) abgeschoben wurde.

Insgesamt ist somit nicht nur die Verhängung, sondern auch die Dauer der Schubhaft als verhältnismäßig anzusehen.

3.3. Zu Spruchpunkt II. (Kostenbegehren):

Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.

Gemäß Abs. 4 leg. cit. gelten als Aufwendungen gemäß Abs. 1:

1. die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat,

2. die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren, sowie

3. die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.

Die Höhe des Schriftsatz- und des Verhandlungsaufwands hat gemäß Abs. 5 leg. cit. den durchschnittlichen Kosten der Vertretung bzw. der Einbringung des Schriftsatzes durch einen Rechtsanwalt zu entsprechen. Für den Ersatz der den Behörden erwachsenden Kosten ist ein Pauschalbetrag festzusetzen, der dem durchschnittlichen Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand der Behörden entspricht.

Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

Gemäß Abs. 7 leg. cit. ist Aufwandersatz auf Antrag der Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden.

Die Höhe der im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, und Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG als Aufwandersatz zu leistenden Pauschalbeträge ist in § 1 der VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV), BGBl. II Nr. 517/2013, wie folgt festgesetzt:

1. Ersatz des Schriftsatzaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 737,60 Euro

2. Ersatz des Verhandlungsaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 922,00 Euro

3. Ersatz des Vorlageaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 57,40 Euro

4. Ersatz des Schriftsatzaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 368,80 Euro

5. Ersatz des Verhandlungsaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 461,00 Euro

6. Ersatz des Aufwands, der für den Beschwerdeführer mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 553,20 Euro

7. Ersatz des Aufwands, der für die belangte Behörde mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 276,60 Euro.

Sowohl der Beschwerdeführer als auch die belangte Behörde hatten einen Antrag auf Ersatz der Aufwendungen gemäß § 35 VwGVG gestellt. Als obsiegender Partei steht dem Bundesamt der beantragte Aufwandsersatz zu, der Antrag des Beschwerdeführers war dementsprechend abzuweisen.

3.4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie der oben dargelegten rechtlichen Beurteilung zu Spruchteil A zu entnehmen ist, warf die Tatsachenlastigkeit des gegenständlichen Falles keine Auslegungsprobleme der anzuwendenden Normen auf, schon gar nicht waren - vor dem Hintergrund der bereits bestehenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot Fluchtgefahr Mittellosigkeit Schubhaft Sicherungsbedarf strafrechtliche Verurteilung Untertauchen Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W154.2186112.1.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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