Entscheidungsdatum
22.04.2020Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W216 2229025-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marion STEINER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Benedikta TAURER sowie die fachkundige Laienrichterin Mag. Bettina PINTER als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Niederösterreich, vom 15.10.2019, OB XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Der Inhaber/Die Inhaberin des Passes bedarf einer Begleitperson" in den Behindertenpass, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin brachte am 08.04.2019 verfahrensgegenständlichen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Der Inhaber/die Inhaberin des Passes bedarf einer Begleitperson" in den Behindertenpass beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (im Folgenden: belangte Behörde) ein.
Seitens der belangten Behörde wurde in Folge eine Ärztin für Allgemeinmedizin um Erstellung eines Sachverständigengutachtens ersucht, um zu beurteilen, ob die medizinischen Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung vorlägen. In ihrem Gutachten vom 08.07.2019 kam die Sachverständige - nach persönlicher Begutachtung der Beschwerdeführerin am 04.07.2019 - zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung nicht vorlägen.
Mit Schreiben der belangten Behörde vom 09.07.2019 wurde der Beschwerdeführerin das Ergebnis des ärztlichen Ermittlungsverfahrens zur Kenntnis gebracht und ihr die Möglichkeit gewährt, hierzu eine schriftliche Stellungnahme einzubringen.
In weiterer Folge ersuchte die belangte Behörde die Ärztin für Allgemeinmedizin um Erstellung eines weiteren Sachverständigengutachtens aufgrund der Aktenlage. In ihrem Sachverständigengutachten vom 26.08.2020 kam die Sachverständige erneut zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung nicht vorlägen.
Mit Schreiben der belangten Behörde vom 27.08.2019 wurde der Beschwerdeführerin auch dieses Ergebnis des ärztlichen Ermittlungsverfahrens zur Kenntnis gebracht und ihr im Rahmen eines Parteiengehörs die Möglichkeit gewährt, hierzu eine schriftliche Stellungnahme einzubringen.
Mit Schreiben vom 11.09.2019 erstattete die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme, in der sie sich mit dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens als nicht einverstanden zeigte und sie brachte medizinische Beweismittel in Vorlage.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 15.10.2019 wies die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Der Inhaber/Die Inhaberin des Passes bedarf einer Begleitperson" ab. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass das ärztliche Begutachtungsverfahren ergeben habe, dass die Voraussetzungen für diese Zusatzeintragung nicht vorliegen würden. Die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt worden.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 28.10.2019 - fristgerecht - Beschwerde und führte begründend im Wesentlichen aus, dass ihre Stellungnahme sowie die vorgelegten Befunde nicht berücksichtig worden seien. Im angefochtenen Bescheid sei vielmehr festgehalten worden, sie hätte keine Stellungnahme erstattet. Sie arbeite sehr an ihrer Gesundheit und besuche regelmäßig Ärzte und medizinische Einrichtungen, was sie jedoch ohne Begleitperson nicht machen könne.
Im Rahmen des Beschwerdevorprüfungsverfahrens ersuchte die belangte Behörde die Ärztin für Allgemeinmedizin um Stellungnahme zum Beschwerdevorbringen sowie den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Befunden. In ihrer Stellungnahme vom 06.11.2019 kommt die medizinische Sachverständige erneut zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung nicht vorlägen und hält fest: "Bildgebende Verfahren sind Hilfsbefunde, ausschlaggebend ist die klinische Untersuchung und die funktionelle Beurteilung. Bei der klinischen Untersuchung am 04.07.2019 konnte ohne Gehhilfe ein relativ flüssiges Gangbild verzeichnet werden und insgesamt keine maßgebliche Mobilitätseinschränkung, sodass das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke selbständig und ohne fremde Hilfe möglich ist (ausführliche Begründung im Gutachten vom 04.07.2019). Dies steht mit dem nachgereichten neurologischen Untersuchungsbefund nicht in Widerspruch. Es liegen nicht die medizinischen Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "bedarf einer Begleitperson" vor, da keine höhergradige Mobilitätseinschränkung vorliegt, die zur Fortbewegung im öffentlichen Raum ständig die Hilfe einer zweiten Person erfordert."
Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht seitens der belangten Behörde am 27.02.2020 vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin eines Behindertenpasses.
Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Vornahme der Zusatzeintragung "Der Inhaber/Die Inhaberin des Passes bedarf einer Begleitperson" in den Behindertenpass vom 08.04.2019 wurde mit gegenständlich angefochtenen Bescheid vom 15.10.2019 abgewiesen.
Bei der Beschwerdeführerin bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
1) Chronische Arthritis, Zustand nach Implantation einer Hüftprothese links, Knieprothese rechts, Sprunggelenksprothese rechts und degenerative Veränderungen in der Wirbelsäule mit funktionellen Auswirkungen fortgeschrittenen Grades;
2) Zustand nach Stenting und Patch beider Leistenarterien bei arterieller Verschlusskrankheit ohne Hinweis auf Restenosierung;
3) Neuropathische Schmerzen und Angststörung bei Zustand nach Neuroborreliose 12/2016.
Bei der Beschwerdeführerin liegt keine höhergradige Mobilitätseinschränkung vor, die zur Fortbewegung im öffentlichen Raum ständig die Hilfe einer zweiten Person erfordert.
Sie leidet auch nicht an kognitiven Einschränkungen, welche im öffentlichen Raum ein ständiges Erfordernis einer zweiten Person zur Orientierung und Vermeidung von Eigengefährdungen bedingen würden.
Bei der Beschwerdeführerin liegen auch weder multifaktorielle Defizite vor, die im Zusammenwirken der Gesundheitsschädigungen eine Begleitperson erforderlich machen, noch besteht ein Leiden, das aufgrund seines Schwergrades für sich alleine eine Begleitperson erfordert.
Die Voraussetzungen für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung liegen zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt nicht vor.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum Behindertenpass, zur Antragstellung und zum Gegenstand des angefochtenen Bescheides ergeben sich aus dem Akteninhalt.
Die Feststellungen zu den bestehenden Leidenszuständen und zum Nichtvorliegen erheblicher - den Bedarf einer Begleitperson bewirkender - Funktionseinschränkungen gründen sich auf die im Verwaltungsverfahren eingeholten Sachverständigengutachten und die medizinische Stellungnahme einer Ärztin für Allgemeinmedizin. Es wird darin auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß sowie ihren Bedarf an einer Begleitperson vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Das Gutachten vom 08.07.2019 beinhaltet auch einen ausführlichen Untersuchungsbefund, welcher mit der gutachterlichen Beurteilung übereinstimmt und unter Berücksichtigung sämtlicher von der Beschwerdeführerin - bis zu diesem Zeitpunkt - vorgelegten Befunde erstellt wurde.
Die von der Beschwerdeführerin - im weiteren Verfahrensverlauf - vorgelegten Befunde wurden allesamt einer Überprüfung durch die medizinische Sachverständige zugeführt. In ihrer im Rahmen eines Beschwerdevorprüfungsverfahrens seitens der belangten Behörde eingeholten Stellungnahme vom 06.11.2019 hält die Ärztin für Allgemeinmedizin vollständig, schlüssig und widerspruchsfrei - nach Widergabe der vorgelegten Befunde - fest, dass bildgebende Verfahren Hilfsbefunde seien. Ausschlaggebend sei die klinische Untersuchung und die funktionelle Beurteilung. Bei der klinischen Untersuchung am 04.07.2019 sei bei der Beschwerdeführerin ein relativ flüssiges Gangbild ohne Gehhilfe verzeichnet worden und insgesamt keine maßgebliche Mobilitätseinschränkung, sodass das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke selbständig und ohne fremde Hilfe möglich sei. Dies stehe mit dem nachgereichten neurologischen Untersuchungsbefund nicht in Widerspruch. Es lägen die medizinischen Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "bedarf einer Begleitperson" nicht vor, da keine höhergradige Mobilitätseinschränkung vorliege, die zur Fortbewegung im öffentlichen Raum ständig die Hilfe einer zweiten Person erfordere.
Die Einwendungen der Beschwerdeführerin im Rahmen der Beschwerde, dass sie Arztbesuche nicht ohne Begleitperson ausführen könne, werden mit den von ihr vorgelegten Befunden nicht untermauert. Die darin diagnostizierten Leiden entsprechen lediglich den Funktionsstörungen, die bereits von der Sachverständigen in ihren Gutachten festgestellt wurden. Weder wird in den vorgelegten Befunden eine Verschlechterung der Leiden der Beschwerdeführerin seit der Begutachtung vom 04.07.2019 behauptet, noch die Einwendungen der Beschwerdeführerin bestätigt.
Die Beschwerdeführerin ist den eingeholten Sachverständigengutachten im Rahmen der Beschwerde auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es der Antragstellerin, so sie der Auffassung ist, dass ihre Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, die im Auftrag der Behörde erstellten Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen ihrer Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093). Die Ausführungen in der Beschwerde vermochten keine substantiierten Einwendungen gegen die eingeholten Sachverständigengutachten sowie die ergänzende Stellungnahme darzustellen.
Die Beschwerdeführerin vermochte somit mit ihrem Beschwerdevorbringen die erfolgte Einschätzung der Sachverständigen und die Schlussfolgerungen der belangten Behörde nicht in Zweifel zu ziehen. Die im Auftrag der belangten Behörde eingeholten Sachverständigenbeweise werden vom Bundesverwaltungsgericht als vollständig, nachvollziehbar, schlüssig und widerspruchsfrei angesehen.
Das Bundesverwaltungsgericht findet daher auch keinen Anlass zur Annahme, dass die Sachverständigenbeweise mit den Erfahrungen des Lebens oder den Denkgesetzen in Widerspruch stehen und diese werden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung eines fachkundigen Laienrichters ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 45 Abs. 3 und 4 BBG.
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:
"§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
(...)"
"§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
(...)"
"§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpass und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen."
Die in Ausübung der Ermächtigung des § 47 BBG erlassene Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, ist am 01.01.2014 in Kraft getreten und wurde mit 22.09.2016, BGBl. II Nr. 263/2016, novelliert. § 1 dieser Verordnung lautet auszugsweise:
"§ 1. ...
(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:
...
2. die Feststellung, dass der Inhaber/die Inhaberin des Passes
a) einer Begleitperson bedarf;
diese Eintragung ist vorzunehmen bei
- Passinhabern/Passinhaberinnen, die über eine Eintragung nach Abs. 4 Z.1 lit. a verfügen;
- Passinhabern/Passinhaberinnen, die über eine Eintragung nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d verfügen;
- bewegungseingeschränkten Menschen ab dem vollendeten 6. Lebensjahr, die zur Fortbewegung im öffentlichen Raum ständig der Hilfe einer zweiten Person bedürfen;
- Kindern ab dem vollendeten 6. Lebensjahr und Jugendlichen mit deutlicher Entwicklungsverzögerung und/oder ausgeprägten Verhaltensveränderungen;
- Menschen ab dem vollendeten 6. Lebensjahr mit kognitiven Einschränkungen, die im öffentlichen Raum zur Orientierung und Vermeidung von Eigengefährdung ständiger Hilfe einer zweiten Person bedürfen, und
- schwerst behinderten Kindern ab Geburt bis zum vollendeten 6. Lebensjahr, die dauernd überwacht werden müssen (z. B. Aspirationsgefahr).
...
(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
..."
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind, um die Frage der Notwendigkeit einer Begleitperson beurteilen zu können, - regelmäßig unter Beiziehung eines ärztlichen Sachverständigen - die Art der Gesundheitsschädigung des Betroffenen und deren Konsequenzen für die allfällige Notwendigkeit der Beiziehung einer Begleitperson darzustellen (vgl. VwGH 01.03.2016, Ro 2014/11/0024).
Seitens der belangten Behörde wurden Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin eingeholt, die diesen Anforderungen gerecht werden (siehe dazu die Beweiswürdigung).
Wie in der Beweiswürdigung eingehend ausgeführt, werden der Entscheidung die eingeholten Sachverständigenbeweise zugrunde gelegt. Wie ebenfalls bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurde, waren die Einwendungen in der Beschwerde nicht geeignet, die vorliegenden Sachverständigenbeweise zu entkräften.
Unter Berücksichtigung der gutachterlichen medizinischen Beurteilung erreichen die dauernden Gesundheitsschädigungen der Beschwerdeführerin zum Entscheidungszeitpunkt kein Ausmaß, das die Vornahme der Zusatzeintragung "Bedarf einer Begleitperson" rechtfertigen würde. Die Beschwerdeführerin bedarf zur Fortbewegung im öffentlichen Raum nicht ständig der Hilfe einer zweiten Person. Bei ihr bestehen keine derartigen kognitiven Einschränkungen, die bewirken, dass sie im öffentlichen Raum zur Orientierung und Vermeidung von Eigengefährdung ständiger Hilfe einer zweiten Person bedarf.
Die Beschwerdeführerin verfügt als Inhaberin eines Behindertenpasses auch weder über eine Eintragung nach § 1 Abs. 4 Z 1 lit. a ("ist überwiegend auf den Gebrauch eines Rollstuhles angewiesen") noch über eine Eintragung nach § 1 Abs. 4 Z 1 lit. b ("blind oder hochgradig sehbehindert") oder nach § 1 Abs. 4 Z 1 lit. d ("taubblind") der oben auszugsweise wiedergegebenen Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen.
Somit erfüllt die Beschwerdeführerin keine der in § 1 Abs. 4 Z 2 lit. a der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen für die Vornahme der von ihr begehrten Zusatzeintragung geforderten Voraussetzungen.
Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren (objektivierten) Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Prüfung des "Bedarfs einer Begleitperson" nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.
Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).
In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).
Im gegenständlichen Fall wurde die Frage des Bedarfs einer Begleitperson betreffend die Beschwerdeführerin unter Mitwirkung einer ärztlichen Sachverständigen überprüft. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund der vorliegenden, nicht ausreichend substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachten geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Behindertenpass Sachverständigengutachten ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W216.2229025.1.00Im RIS seit
28.07.2020Zuletzt aktualisiert am
28.07.2020