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90/01 Straßenverkehrsordnung;Norm
StVO 1960 §58 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Sauberer, Dr. Gruber, Dr. Gall und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ungersböck, über die Beschwerde der I, vertreten durch Dr. Franz Unterasinger, Rechtsanwalt in Graz, Radetzkystraße 8, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 12. August 1997, Zl. UVS 20.3-3,4/97-13, betreffend Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Abnahme der Fahrzeugschlüssel, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem in Beschwerde gezogenen Spruchteil A des angefochtenen Bescheides sprach die belangte Behörde aus, daß die Abnahme der Fahrzeugschlüssel der Beschwerdeführerin durch einen Gendarmeriebeamten des Postens K am 4. Februar 1997 um ca. 18.00 Uhr auf dem Zufahrtsweg zum Haus G in K rechtmäßig gewesen sei und die diesbezüglich von der Beschwerdeführerin erhobene Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt daher abgewiesen werde. In der Begründung ging die belangte Behörde im wesentlichen davon aus, daß die Beschwerdeführerin am späteren Nachmittag des 4. Februar 1997 ihre Nachbarn DI Karl K und Dr. Fridoline K vor deren Haus in K, beschimpft und ihnen Vorwürfe betreffend Grundstücksstreitigkeiten gemacht habe. Nachdem sie nach 15 Minuten mit ihrem Fahrzeug weggefahren sei, sei der von der Familie K benachrichtigte Gendarmeriebeamte L mit seinem Dienstfahrzeug zum Haus der Familie K gekommen und habe sich über den Vorfall erkundigt. Zwischenzeitig sei die Beschwerdeführerin mit ihrem Pkw zurückgekehrt. Der Gendarmeriebeamte L habe mit der im Fahrzeug sitzenden Beschwerdeführerin über den Vorfall gesprochen. Die Beschwerdeführerin habe ihm zu verstehen gegeben, daß er mit seinem Dienstfahrzeug wegfahren solle, weil sie zu ihrem Haus zufahren wolle. Dabei habe sie geschrien und mit den Händen gestikuliert. Als die Beschwerdeführerin, die sich in einem äußerst erregten Gemütszustand befunden habe, mit ihrem Fahrzeug zurückfahren habe wollen, habe ihr der Beamte den Zündschlüssel des Fahrzeuges abgenommen, indem er die Fahrertür aufgemacht und den Zündschlüssel an sich genommen habe. Diesen habe er in der Folge dem bei der Amtshandlung anwesenden Sohn der Beschwerdeführerin ausgehändigt, der den Pkw nach Beendigung der Amtshandlung auf das ca. 25 bis 30 m entfernte Grundstück der Beschwerdeführerin gefahren habe. Der Gendarmeriebamte habe davon ausgehen können, daß die Beschwerdeführerin, als sie im Begriff gewesen sei, ihr Fahrzeug zurückzuschieben, aufgrund ihrer heftigen Gemütserregung im Sinne des § 58 Abs. 1 StVO 1960 nicht zum Lenken eines Kraftfahrzeuges geeignet gewesen sei, weshalb die im § 5b leg. cit. ausdrücklich als Zwangsmaßnahme angeführte Abnahme der Fahrzeugschlüssel rechtmäßig gewesen sei.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Gemäß § 58 Abs. 1 StVO 1960 darf unbeschadet der Bestimmungen des § 5 Abs. 1 ein Fahrzeug nur lenken, wer sich in einer solchen körperlichen und geistigen Verfassung befindet, in der er ein Fahrzeug zu beherrschen und die beim Lenken eines Fahrzeuges zu beachtenden Rechtsvorschriften zu befolgen vermag. Sind diese Voraussetzungen offenbar nicht gegeben, so sind die Bestimmungen des § 5b sinngemäß anzuwenden.
Gemäß § 5b StVO 1960 (in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 2/1998) sind die Organe der Straßenaufsicht berechtigt, Personen, die sich offenbar in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand befinden (§ 5 Abs. 1), an der Lenkung oder Inbetriebnahme eines Fahrzeuges zu hindern. Zu diesem Zweck sind, falls erforderlich, je nach Lage des Falles und Art des Fahrzeuges, Zwangsmaßnahmen, wie etwa Abnahme der Fahrzeugschlüssel, Absperren oder Einstellen des Fahrzeuges u. dgl., anzuwenden. Solche Zwangsmaßnahmen sind unverzüglich aufzuheben, wenn bei der Person, gegen die sie angewendet worden sind, der durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigte Zustand nicht mehr gegeben und ihr auch nicht ein zum Lenken des betreffenden Fahrzeuges allenfalls nötiger Führerschein nach den kraftfahrrechtlichen Vorschriften abgenommen ist oder wenn eine andere Person, bei der keine Hinderungsgründe gegeben sind, beabsichtigt, das Fahrzeug in Betrieb zu nehmen und zu lenken.
Bereits in der Regierungsvorlage zur StVO 1960, 22 BlgNR 9. GP, 65, wurde ausgeführt, daß außer Personen, die sich in einem durch Genuß von Alkohol oder Suchtgiften beeinträchtigten Zustand befänden, auch solche Personen zur Lenkung oder Inbetriebnahme eines Fahrzeuges ungeeignet seien, die sich z.B. - unter anderem - in einem Zustand heftiger Gemütserregungen befänden. Damit stimmt auch die
hg. Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom 2. Juni 1964, Zl. 2310/1963) überein.
Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage ist es nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde die von ihr in unbedenklicher Weise aufgrund der Aussagen der in der Verhandlung am 2. Juni 1997 vernommenen Zeugen festgestellte heftige Gemütserregung der Beschwerdeführerin als einen Zustand qualifizierte, der diese im Sinne des § 58 Abs. 1 StVO 1960 offenbar außerstande setzte, ein Fahrzeug zu beherrschen und die beim Lenken eines Fahrzeuges zu beachtenden Rechtsvorschriften zu befolgen, und der in sinngemäßer Anwendung des § 5b leg. cit. die Abnahme der Fahrzeugschlüssel durch ein Sicherheitsorgan rechtfertigte.
Dagegen vermag die Beschwerdeführerin nichts Stichhältiges ins Treffen zu führen. Daß sie - wie sie behauptet - in der Lage gewesen sei, ein kurzes Stück mit ihrem Fahrzeug zurückzufahren und sodann stehenzubleiben, schließt schon wegen der Kürze und Leichtigkeit dieses Fahrmanövers keineswegs die Annahme aus, ihr äußerst erregter Gemütszustand habe Fahruntüchtigkeit bewirkt. Die Berufung der Beschwerdeführerin auf das hg. Erkenntnis vom 20. November 1981, 81/02/0173, geht fehl, weil dort die Frage zu prüfen war, ob aus einem bestimmten Verhalten des - dortigen - Beschwerdeführers Rückschlüsse gezogen werden könnten, daß er allenfalls nicht geistig gesund im Sinne des § 31 KDV sei. Diese Frage ist im Beschwerdefall nicht wesentlich, geht es hier doch nicht um eine psychische Krankheit oder geistige Behinderung, sondern um die Fahrtüchtigkeit der Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der von ihr bekämpften behördlichen Maßnahme. Für die Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme genügt es, daß nach den Erfahrungen des täglichen Lebens denkmöglich ein die Fahrtüchtigkeit ausschließender Zustand angenommen werden kann
(vgl. Dittrich-Stolzlechner, Österreichisches Straßenverkehrsrecht, Rz 20 zu § 58 StVO). Diese Voraussetzung wurde von der belangten Behörde mit Recht bejaht. Dem von der Beschwerdeführerin ferner herangezogenen hg. Erkenntnis vom 25. März 1988, Zl. 87/11/0011, kommt keine Aussagekraft im Beschwerdefall zu, weil der Sachverhalt anders gelagert ist. In diesem Erkenntnis wurde nämlich das Vorliegen einer außergewöhnlichen Erregung insbesondere deshalb verneint, weil die Version des Sicherheitsbeamten, die - dortige - Beschwerdeführerin habe bei Aushändigung des Führerscheins aufgrund seines Verlangens nach Vorweisung desselben wild gestikuliert und geschimpft, als unzutreffend gewertet wurde.
Von der von der Beschwerdeführerin beantragten Vernehmung der Zeugin RH wurde von der belangten Behörde zu Recht Abstand genommen. Dem durch dieses Beweismittel zu erweisenden Umstand, daß die Beschwerdeführerin unmittelbar nach dem Vorfall zum nahegelegenen Postamt gefahren und dort in keiner Weise erregt gewesen sei, kommt keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu, weil daraus keine zwingenden Schlußfolgerungen hinsichtlich der Fahrtüchtigkeit der Beschwerdeführerin im vorausgegangenen Zeitpunkt der Abnahme des Fahrzeugschlüssels abgeleitet werden können. Ob sich die Beschwerdeführerin - wie sie ferner vorbringt - aus ihrer Sicht zu Recht über das Vorgehen des Meldungslegers geärgert habe, ist im gegebenen Zusammenhang gleichfalls nicht erheblich. Maßgeblich für die Auswirkungen eines Erregungszustandes auf die Fahrtüchtigkeit ist nicht die Ursache, sondern die Intensität dieses Zustandes.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1997030267.X00Im RIS seit
18.02.2002Zuletzt aktualisiert am
13.05.2011