TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/22 G303 2170937-1

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Veröffentlicht am 22.04.2020
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Entscheidungsdatum

22.04.2020

Norm

BFA-VG §18 Abs2 Z1
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §53 Abs3 Z1
VwGVG §8a

Spruch

G303 2170937-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Simone KALBITZER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, albanischer Staatsangehöriger, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung (Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH), gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 30.08.2017, Zl. XXXX, betreffend die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbots, zu Recht erkannt:

A) Dem Beschwerdeführer wird gemäß § 8a VwGVG die Verfahrenshilfe im Umfang der Befreiung von der Eingabegebühr bewilligt.

B) Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

C) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) wurde am XXXX.03.2017 im Bundesgebiet verhaftet und in die Justizanstalt Graz-Jakomini eingeliefert.

2. Mit dem als "Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme" bezeichneten Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), Regionaldirektion Steiermark, vom 28.03.2017 wurde dem BF mitgeteilt, dass im Falle einer gerichtlichen Verurteilung beabsichtigt sei, eine Rückkehrentscheidung i.V.m. einem Einreiseverbot zu erlassen. Der BF wurde ersucht, dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens Stellung zu nehmen und konkrete Fragen zu seinem Aufenthalt in Österreich und seinen privaten und familiären Anknüpfungen, zur Schul- und Berufsausbildung und zu den Bindungen im Herkunftsstaat zu beantworten.

2.1. Der BF erstattete nach der vorliegenden Aktenlage keine Stellungnahme.

3. Mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX05.2017, XXXX, wurde der BF wegen des Verbrechens des teils versuchten schweren Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z 5, 129 Abs. 1 Z 1, Abs. 2 Z 1 StGB, teils in Verbindung mit § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 30 Monaten verurteilt, wobei ein Strafteil von 20 Monaten für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

4. Mit dem oben angeführten Bescheid wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt I.), die Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Albanien festgestellt (Spruchpunkt II.), gemäß § 53 Abs. 3 Z 1 FPG gegen den BF ein sechsjähriges Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.) sowie einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.).

5. Gegen den angeführten Bescheid richtet sich die am 14.09.2017 beim BFA eingebrachte Beschwerde des bevollmächtigten Rechtsvertreters des BF mit den Anträgen auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung, Durchführung einer Beschwerdeverhandlung, Stattgabe der Beschwerde und ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheids, in eventu auf Aufhebung bzw. Verkürzung des Einreiseverbotes, Zurückverweisung an das BFA sowie Gewährung der Verfahrenshilfe im Umfang der Gebührenbefreiung für die Eingabegebühr.

Die Beschwerde wird insbesondere damit begründet, dass sie Erlassung einer Rückkehrentscheidung aufgrund des § 52 Abs. 6 FPG unzulässig sei, da der BF vom BFA nicht zur Ausreise in den Mitgliedstaat Spanien verpflichtet worden sei, wo er über eine Aufenthaltsberechtigung verfüge. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung könne folglich nur auf der (rechtsirrigen) Annahme des BFA, die sofortige Ausreise des BF aus dem Bundesgebiet sei aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich (§ 52 Abs 6 letzter Satz 2. Fall FPG), beruhen. Das BFA setzte sich in seiner Entscheidung in keiner Weise mit der Frage, ob im gegenständlichen Fall § 52 Abs 6 FPG zur Anwendung gelange, auseinander.

6. Das BFA legte die Verwaltungsakten und die Beschwerde dem BVwG vor, wo diese am 19.09.2017 einlangten.

7. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) vom 26.09.2017 wurde der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt der vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens, des Gerichtsakts des BVwG sowie der Beschwerde. Entscheidungswesentliche Widersprüche liegen nicht vor, sodass sich eine eingehendere Beweiswürdigung erübrigt.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

Gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG ist einer Partei Verfahrenshilfe zu bewilligen, soweit dies auf Grund des Art 6 Abs. 1 EMRK oder des Art 47 GRC geboten ist, die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Voraussetzungen und Wirkungen der Bewilligung der Verfahrenshilfe sind gemäß § 8a Abs. 2 VwGVG nach den Vorschriften der ZPO zu beurteilen.

Da sich aus dem vorgelegten Vermögensbekenntnis im Einklang mit dem übrigen Akteninhalt ergibt, dass der BF über keinerlei finanzielle Mittel verfügt, beeinträchtigt sogar die geringe Eingabegebühr seinen notwendigen Unterhalt, sodass ihm die Verfahrenshilfe antragsgemäß zu bewilligen ist.

Zu Spruchteil B):

Wie in der gegenständlichen Beschwerde zutreffend aufgezeigt wird, erweist sich der angefochtene Bescheid infolge Verkennung der maßgeblichen Rechtslage in seiner Gesamtheit als rechtswidrig.

Der BF ist albanischer Staatsbürger und verfügt über einen Aufenthaltstitel für Familienangehörige, der bis XXXX11.2020 erteilt wurde, in Spanien.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z1 FPG erlassen und damit begründet, dass der BF durch seine gesetzten gerichtlich strafbaren Handlungen und der damit verbundenen Verurteilungen, sich im Bundesgebiet im Sinne des Schengener Grenzkodex -Verordnung Nr. 562/2006 (Art.5) unrechtmäßig aufhält, da er eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellt.

Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich gemäß § 52 Abs. 6 FPG unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 FPG zu erlassen.

Diese Sondernorm des § 52 Abs. 6 FPG wurde seitens des BFA im angefochtenen Bescheid in keiner Weise erwähnt bzw. geprüft. Auch wenn festzuhalten ist, dass gegenständlich der BF sich aufgrund seiner Inhaftierung zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung nicht unverzüglich in das Hoheitsgebiet von Spanien begeben konnte und der BF durch seine strafrechtliche Verurteilung - wie angefochtenen Bescheid festgehalten wurde - eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellt, wäre im Kontext des § 52 Abs. 6 FPG 2005 zu prüfen gewesen, ob angesichts einer solchen Gefährdung die sofortige Ausreise des BF aus dem Bundesgebiet erforderlich ist (VwGH 03.07.2018, Ro 2018/21/0007 ).

Mit § 58 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 iVm. § 10 Abs. 2 AsylG 2005 ordnet zudem das Gesetz bei Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen einen nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältigen Fremden an, dass ausnahmslos von Amts wegen eine Prüfung der Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 vorgenommen werden muss, worüber gemäß § 58 Abs. 3 AsylG 2005 im "verfahrensabschließenden Bescheid" abzusprechen ist.

Dadurch wurde gesetzlich als Bedingung für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung ein negatives Ergebnis der amtswegigen Prüfung der Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 konstruiert (vgl VwGH 07.03.2019, Zl. 2019/21/0002).

Mit dem vorliegenden angefochtenen Bescheid wurde keine amtswegige Prüfung der Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 vorgenommen und darüber spruchgemäß abgesprochen.

Da die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" im gegenständlichen Fall amtswegig vor der erlassenden Rückkehrentscheidung zu prüfen gewesen wäre, und erst ein negatives Ergebnis dieser Prüfung Voraussetzung für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung ist, ist Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides mit Rechtswidrigkeit behaftet.

Im Hinblick auf die Rechtswidrigkeit der Rückkehrentscheidung erweisen sich des Weiteren die damit zusammenhängenden Aussprüche über die Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat (Spruchpunkt II.) und über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) ebenso als rechtswidrig.

Letztlich erweist sich auch das in Spruchpunkt III. erlassene Einreiseverbot (in der Dauer von sechs Jahren) als rechtswidrig, und zwar schon allein deshalb, weil sich die gleichzeitig erlassene Rückkehrentscheidung als rechtswidrig erwiesen hat und ein Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 1 FPG nur im Zusammenhalt mit einer Rückkehrentscheidung erlassen werden kann.

Da sich der angefochtene Bescheid auf Grund der dargelegten Erwägungen in seiner Gesamtheit als rechtswidrig erweist, war gemäß § 28 Abs. 2 iVm. § 27 VwGVG der Bescheid in Stattgebung der Beschwerde zur Gänze wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Da auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entfallen.

Zu Spruchteil C):

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung mangelnder Anknüpfungspunkt Rückkehrentscheidung Verfahrenshilfe Voraussetzungen Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G303.2170937.1.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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