TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/23 W218 2228225-1

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Veröffentlicht am 23.04.2020
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Entscheidungsdatum

23.04.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W218 2228225-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Benedikta TAURER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Marion STEINER sowie die fachkundige Laienrichterin Mag. Bettina PINTER als Beisitzerinnen über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , bevollmächtigt vertreten durch RA Dr. Herbert LAIMBÖCK, 1010 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien vom 08.10.2019, betreffend Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid vom 08.10.2019 stellte das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung: Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) fest, dass mit einem Grad der Behinderung von 40 vH die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht gegeben seien.

2. Gegen diesen Bescheid wurde vom bevollmächtigten Vertreter fristgerecht Beschwerde erhoben. Unter Vorlage von Beweismitteln wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass der Beschwerdeführer in Folge eines Unfalles am linken Auge völlig erblindet sei. Durch den Unfall habe er auch eine Trigeminusläsion V/2+3 links mit sekundärer Trigeminusneuralgie erlitten. Er leide an einer Taubheit ausgehend von der linken Augenhöhle mit Ausbreitung zur Schläfe über das Gesicht bis zum Mundwinkel/Kinn links. Er leide drei- bis fünfmal täglich an Schmerzattacken in dieser Region. Der Beschwerdeführer höre nun auch schlecht und leide an einer reaktiven Depression. Der Beschwerdeführer sei zudem stark gehbehindert, da er sich bei einem Sturz in eine Baugrube Verletzungen an beiden Beinen zugezogen habe.

3. Mit Bescheid vom 16.01.2020 hat die belangte Behörde im Rahmen der Beschwerdevorentscheidung die Beschwerde gemäß §§ 40, 41 und 46 BBG iVm § 14 VwGVG abgewiesen.

Diesem Bescheid wurden die Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Neurologie, einer Fachärztin für Orthopädie und eines Facharztes für Augenheilkunde, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers jeweils am 16.12.2019, zugrunde gelegt.

4. Mit Schreiben, eingelangt bei der belangten Behörde am 30.01.2020, beantragte der bevollmächtigte Vertreter des Beschwerdeführers die Vorlage der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Ergänzend wurde vorgebracht, dass eine wechselseitige Leidensbeeinflussung jedenfalls gegeben sei zwischen der Sehbehinderung und der Trigeminusläsion sowie der Gehbehinderung. Es würde jedenfalls ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 vH vorliegen.

5. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten langten am 31.01.2020 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 40 vH.

Der Beschwerdeführer leidet an folgenden Funktionseinschränkungen:

1. Zustand nach Kataraktoperation mit Hinterkammerlinsenimplantation beidseits, Erblindung links nach Augapfelprellung, Sehverminderung rechts auf 0,8, Pos.Nr.: 11.02.01, Grad der Behinderung 40 %

2. Trigeminusläsion 2. und 3. Ast links mit sekundärer Trigeminusneuralgie, Pos.Nr.: 04.11.02, Grad der Behinderung 30 %

3. Anpassungsstörung, Pos.Nr.: 03.06.01, Grad der Behinderung 10 %

4. Abnützungserscheinungen linkes Kniegelenk, Pos.Nr.: 02.05.18, Grad der Behinderung

10 %

Da der Beschwerdeführer keinen Gesamtgrad der Behinderung von 50% (fünfzig v.H.) erreicht, sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfüllt.

2. Beweiswürdigung:

Die eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten sind schlüssig und nachvollziehbar, sie weisen keine Widersprüche auf. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen persönlicher Untersuchung des Beschwerdeführers erhobenen klinischen Befund, entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen.

Im medizinischen Sachverständigengutachten eines Facharztes für Augenheilkunde, wird, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers, am 16.12.2019, im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Der augenfachärztliche Sachverständige stufte das Leiden 1 "Zustand nach Kataraktoperation mit Hinterkammerlinsenimplantation beidseits, Erblindung links nach Augapfelprellung, Sehverminderung rechts auf 0,8" nach erfolgter persönlicher Untersuchung der Sehfähigkeit schlüssig und nachvollziehbar nach den Kriterien der Einschätzungsverordnung unter der Positionsnummer 11.02.01 unter Berücksichtigung des Linsenzuschlages von 10 % mit einem Grad der Behinderung von 40 vH ein. Der medizinische Sachverständige führte zudem aus, dass eine Gesichtsfeldeinschränkung am verbleibenden rechten Auge nicht objektivierbar ist, da keine diesbezüglichen nachvollziehbaren Befunde über einen längeren Beobachtungszeitraum vorliegen. Die vom Beschwerdeführer angeführten Glaskörpertrübungen, die Nachtblindheit und das Dämmerungssehen begründen keine gesonderte Einstufung. Da keine hochgradige Sehbehinderung vorliegend ist, erfolgte die Einstufung des Grades der Behinderung mit 40 vH zu Recht.

Im medizinischen Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Neurologie, wird, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers, am 16.12.2019, im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Die neurologische Sachverständige stufte das Leiden 2 "Trigeminusläsion 2. und 3. Ast links mit sekundärer Trigeminusneuralgie" schlüssig und nachvollziehbar unter der Positionsnummer 04.11.02 mit dem unteren Rahmensatz mit einem Grad der Behinderung von 30 vH ein. Beim Beschwerdeführer sind rezidivierende Schmerzen in der linken Gesichtshälfte sowie eine Hypästheise 2. und 3. Ast links objektivierbar und konnte die medizinische Sachverständige diese im Rahmen der persönlichen Untersuchung befunden. Der Beschwerdeführer spricht auf die nervenmembranstabilisierende Medikation teilweise an, sodass eine höhere Einstufung des Grades der Behinderung nicht begründbar ist.

Die neurologische Sachverständige stufte das Leiden 3 "Anpassungsstörung" unter der Positionsnummer 03.06.01 mit einem Grad der Behinderung von 10 vH ein, da derzeit keine regelmäßigen fachärztlichen Behandlungen bestehen. Die Sachverständige beurteilte den Status Psychicus des Beschwerdeführers "wach, zur Person, örtlich, zeitlich orientiert, Konzentration, Aufmerksamkeit unauffällig, Mnestik altersentsprechend unauffällig, Antrieb unauffällig, Stimmung indifferent, Affizierbarkeit in beiden Skalenbereichen gegeben, Ductus kohärent und zielführend, keine produktive Symptomatik". Eine höhere Einstufung des Grades der Behinderung nach den Kriterien der Einschätzungsverordnung ist nach den Untersuchungsergebnissen und aufgrund der vorliegenden Befunde nicht vorzunehmen.

Im medizinischen Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Orthopädie, wird, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers, am 16.12.2019, im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Die orthopädische Sachverständige stufte das Leiden 4 "Abnützungserscheinung linkes Kniegelenk" nach erfolgter persönlicher Untersuchung unter der Positionsnummer 02.05.18 mit dem unteren Rahmensatz mit einem Grad der Behinderung von 10 vH ein. Im Zuge der persönlichen Untersuchung zeigten sich endlagige Bewegungsschmerzen am linken Kniegelenk, dieses zeigte sich jedoch stabil und ohne wesentliche Umfangsvermehrungen. Das rechte Kniegelenk ist äußerlich unauffällig ohne Bewegungsschmerzen. Der Beschwerdeführer konnte die tiefe Hocke bis zu einem Drittel durchführen und zeigte er ein hinkfreies und unauffälliges Gangbild. Da im Rahmen der persönlichen Untersuchung geringgradige Funktionseinschränkungen am linken Kniegelenk objektivierbar waren, erfolgte die Einstufung mit einem Grad der Behinderung von 10 vH zu Recht.

Die medizinische Sachverständige führte aus, dass der Grad der Behinderung des führenden Leidens 1 durch die Leiden 2 bis 4 nicht weiter erhöht wird, da kein ungünstiges Zusammenwirken besteht. Diesbezüglich ist anzuführen, dass der bevollmächtigte Vertreter des Beschwerdeführers im Rahmen des Vorlageantrages anführte, "die Trigeminusläsion mit sekundärer Trigeminusneuralgie führt dazu, dass der Antragsteller bei jeder der täglich häufigen Schmerzattacken völlig handlungsunfähig und blockiert ist, weshalb eine wechselseitige Leidensbeeinflussung gegeben ist". Dabei führte er lediglich die Wirkungen des Leidens 2 aus und erstattete kein Vorbringen dahingehend, wie dieses Leiden an der linken Gesichtshälfte sich negativ auf das blinde linke Auge bzw. die Sehverminderung rechts auswirkt. Bezüglich Leiden 3 und Leiden 4 ist darauf zu verweisen, dass nach der Einschätzungsverordnung bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung jene Funktionseinschränkungen außer Betracht zu bleiben habe, welche mit weniger als 20 vH eingestuft wurden.

Die Behörde (bzw. das Gericht) hat ein Gutachten auf seine Vollständigkeit und Schlüssigkeit zu überprüfen. Weitere Gutachten hat die Behörde nur dann einzuholen, wenn sich die vorliegenden Gutachten als nicht vollständig oder nicht schlüssig und damit als nicht ausreichend erweisen.

Mit dem Beschwerdevorbringen haben sich die seitens der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten ausführlich auseinandergesetzt. Es wurde dem Vorbringen des Beschwerdeführers somit nachvollziehbar, schlüssig und vollständig entgegen getreten und kann den Einwendungen des Beschwerdeführersangesichts des Inhalts der Gutachten nicht gefolgt werden. Der Beschwerdeführer konnte weder eine Unschlüssigkeit oder Unvollständigkeit der Gutachten aufzeigen noch ist er ihnen auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten.

Das Bundesverwaltungsgericht erachtet die eingeholten Sachverständigengutachten daher als schlüssig, vollständig und nachvollziehbar. In einer Zusammenschau der vorliegenden Befunde, der Gutachten und dem Umstand, dass der Beschwerdeführer den Gutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegentreten ist, geht der erkennende Senat davon aus, dass die Sachverständigengutachten bzw. der in der Gesamtbeurteilung festgelegte Grad der Behinderung von 40 v.H. der Entscheidung zugrunde zu legen ist.

Die Sachverständigengutachten werden daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Zu A)

1. Zur Entscheidung in der Sache:

Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)

Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderten-einstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(§ 40 Abs. 1 BBG)

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

(§ 41 Abs. 1 BBG)

Auszug aus der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) idgF:

"Grad der Behinderung

§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.

Gesamtgrad der Behinderung

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn

- sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

- zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

Grundlage der Einschätzung

§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.

(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten."

Da ein Grad der Behinderung von 40 (vierzig) vH festgestellt wurde und somit die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfüllt sind, war spruchgemäß zu entscheiden.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. In diesem Sinne ist eine Verhandlung als erforderlich anzusehen, wenn es nach Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 Abs. 2 GRC geboten ist, wobei gemäß Rechtsprechung des VfGH der Umfang der Garantien und des Schutzes der Bestimmungen ident sind.

Der Rechtsprechung des EGMR kann entnommen werden, dass er das Sozialrecht auf Grund seiner technischen Natur und der oftmaligen Notwendigkeit, Sachverständige beizuziehen, als gerade dazu geneigt ansieht, nicht in allen Fällen eine mündliche Verhandlung durchzuführen (vgl. Eriksson v. Sweden, EGMR 12.4.2012; Schuler-Zgraggen v. Switzerland, EGMR 24.6.1993).

Im Erkenntnis vom 18.01.2005, GZ. 2002/05/1519, nimmt auch der Verwaltungsgerichtshof auf die diesbezügliche Rechtsprechung des EGMR (Hinweis Hofbauer v. Österreich, EGMR 2.9.2004) Bezug, wonach ein mündliches Verfahren verzichtbar erscheint, wenn ein Sachverhalt in erster Linie durch seine technische Natur gekennzeichnet ist. Darüber hinaus erkennt er bei Vorliegen eines ausreichend geklärten Sachverhalts das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise an, welches das Absehen von einer mündlichen Verhandlung gestatte (vgl. VwGH vom 4.3.2008, 2005/05/0304).

Der im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde auf gutachterlicher Basis ermittelt. Zudem wurde vom Beschwerdeführer in der Beschwerde kein Vorbringen erstattet, welches eine weitere Erörterung notwendig erschienen ließ.

Im Hinblick auf obige Überlegungen sah der erkennende Senat daher unter Beachtung der Wahrung der Verfahrensökonomie und -effizienz von einer mündlichen Verhandlung ab, zumal auch eine weitere Klärung der Rechtssache hierdurch nicht erwartbar war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Vielmehr hängt die Entscheidung von Tatsachenfragen ab. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W218.2228225.1.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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