Entscheidungsdatum
23.04.2020Norm
BBG §40Spruch
W218 2226379-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Benedikta TAURER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Marion STEINER sowie die fachkundige Laienrichterin Mag. Bettina PINTER als Beisitzerinnen über die Beschwerde der XXXX , geboren am XXXX , bevollmächtigt vertreten durch Gahler Rechtsanwalts GmbH, 1010 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien vom 13.11.2019, betreffend Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bescheid vom 13.11.2019 stellte das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung: Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) fest, dass mit einem Grad der Behinderung von 40 vH die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht gegeben seien.
2. Gegen diesen Bescheid wurde von der Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde erhoben. Ohne Vorlage von Beweismitteln wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass sie an einem primären und sekundären Immundefekt leide. Ihre Leiden 1 und 4 seien zu gering eingestuft worden. Der Immundefekt sei fälschlicherweise mit der rheumatischen Hauterkrankung zusammengefasst worden und sei ihr Magenleiden nicht ausführlich behandelt worden.
3. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten langten am 11.12.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 40 vH.
Die Beschwerdeführerin leidet an folgenden Funktionseinschränkungen:
1. rheumatische Hauterkrankung mit Gelenksbeteiligung (familial cold autoinflamatory syndrom), Pos.Nr.: 01.01.02, Grad der Behinderung 30 %
2. Asthma bronchiale, Pos.Nr.: 06.05.02, Grad der Behinderung 30 %
3. Bipolare Störung, Pos.Nr.: 03.06.01, Grad der Behinderung 20 %
4. Zustand nach Halluxoperation beidseits, Pos.Nr.: 02.05.38, Grad der Behinderung 10 %
5. Laktoseintoleranz, Pos.Nr.: 07.04.04, Grad der Behinderung 10 %
Da die Beschwerdeführerin keinen Gesamtgrad der Behinderung von 50% (fünfzig v.H.) erreicht, sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfüllt.
2. Beweiswürdigung:
Vorweg ist auszuführen, dass der erkennende Senat das Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Innere Medizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 08.01.2020, welches im Verfahren bezüglich des Antrages auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten im Zuge des Beschwerdevorprüfungsverfahrens eingeholt wurde, seiner Entscheidung zu Grunde legt. Der Beschwerdeführerin wurde das Sachverständigengutachten der Fachärztin für Innere Medizin zudem mit der Beschwerdevorentscheidung vom 28.01.2020 im Verfahren nach dem BEinstG übermittelt, sodass der erkennende Senat davon ausgeht, dass die Beschwerdeführerin ausreichend Kenntnis vom Inhalt des Gutachtens hat, insbesondere, da sie im Zuge des Verfahrens nach dem BEinstG einen Vorlageantrag einbrachte. Beide Verfahren betreffen die Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung und wurden verfahrensgegenständlich die Sachverständigengutachten im verwaltungsbehördlichen Verfahren bereits dem Verfahren nach dem BEinstG entnommen. Die Beschwerdeführerin brachte beide Beschwerden gegen beide Bescheide am selben Tag niederschriftlich bei der belangten Behörde ein und sind diese gleichlautend. Die vorgelegten Befunde im Zuge der Beschwerde, welche nur dem Verfahren nach dem BEinstG beigelegt wurden, werden dem gegenständlichen Verfahren ebenfalls zu Grunde gelegt.
Die eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten sind schlüssig und nachvollziehbar, sie weisen keine Widersprüche auf. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen persönlicher Untersuchung der Beschwerdeführerin erhobenen klinischen Befund, entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen.
Im medizinischen Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Innere Medizin, wird, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin, am 08.01.2020, im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
Die internistische Sachverständige stufte das führende Leiden "rheumatische Hauterkrankung mit Gelenksbeteiligung (familial cold autoinflamatory syndrom)" schlüssig und nachvollziehbar nach den Kriterien der Einschätzungsverordnung unter der Positionsnummer 01.01.02 mit dem mittleren Rahmensatz mit einem Grad der Behinderung von 30 vH ein. Die Sachverständige begründete die Einstufung mit der weitgehenden Stabilisierung unter laufender Therapie. Bei der persönlichen Untersuchung konnte die Sachverständige nur minimalste punktförmige Veränderungen der Haut feststellen. Aus der rheumatologischen Ambulanzkartei vom 03.12.2019 geht zudem hervor, dass derzeit keine extremen Schübe vorhanden sind, es aber im Jahr 2019 zu drei Schüben für je ein paar Tage gekommen ist. Die von der Beschwerdeführerin im Rahmen der persönlichen Untersuchung angeführten monatlichen Schübe sind mangels befundmäßiger Dokumentation nicht objektivierbar. Aus der rheumatologischen Ambulanzkartei vom 10.12.2018 geht bezüglich der subjektiven Beschwerden zudem hervor, dass manchmal Schübe ohne Haut und ohne Fieber auftauchen und so gut wie nie Schlafanfälle, es sei jedoch insgesamt nicht perfekt. Es ist daher auch nicht objektivierbar, dass die Beschwerdeführerin nach einem Schub eine Woche durchschlafe, wie im Rahmen der Gutachtenserstellung ausgeführt wurde.
Die internistische Sachverständige führte weiters aus, dass eine schwere und anhaltende Immunsystemerkrankung nicht vorliegt, da es nur tageweise zu unspezifischer Symptomatik im Schub kommt. Aus den Befunden ist eine signifikant erhöhte Infektanfälligkeit nicht ableitbar und gibt es keine Hinweise für Infektionen mit Problemkeimen oder krankenhauspflichtigen Entzündungserkrankungen. Die von der Beschwerdeführerin im Verfahren mehrfach vorgebrachte Immunschwäche als ihr führendes Leiden ist somit nicht objektivierbar und erfolgte die Einstufung des führenden Leidens unter Positionsnummer 01.01.02 mit dem mittleren Rahmensatz von 30 vH somit zu Recht. Die durch die Einnahme von Immunsuppressiva verringerte Abwehrfähigkeit und dadurch objektivierbare Folgeerscheinungen sind damit ausreichend berücksichtigt.
Die medizinische Sachverständige stufte das Leiden 2 "Asthma bronchiale" schlüssig und nachvollziehbar unter der Positionsnummer 06.05.02 mit dem unteren Rahmensatz mit einem Grad der Behinderung von 30 vH ein, da ein auskutatorisch unauffälliger Befund unter Therapie besteht. Aus den vorliegenden Befunden lässt sich keine höhere Einstufung ableiten und erfolgte die Einstufung bereits durch einen Arzt für Allgemeinmedizin aufgrund persönlicher Untersuchung am 06.02.2019. Dieser untersuchte die Sauerstoffsättigung bei Raumluft, welche 99 % betrug bei einem Puls von 104/min, es bestand keine Ruhedyspnoe. Eine höhere Einstufung des Leidens ist nach den Kriterien der Einschätzungsverordnung somit nicht möglich.
Die medizinische Sachverständige nahm das Leiden 3 "Bipolare Störung" neu als Funktionseinschränkung ins Gutachten auf, da es nunmehr befundmäßig objektivierbar ist und stufte dieses Leiden unter der Positionsnummer 03.06.01 mit einem Grad der Behinderung von 20 vH ein. Die Beschwerdeführerin ist unter Medikation stabil und ist die soziale Integration nach wie vor gegeben.
Die medizinische Sachverständige stufte das Leiden 4 "Zustand nach Halluxoperation beidseits" unter der Positionsnummer 02.05.38 schlüssig und nachvollziehbar nach den Kriterien der Einschätzungsverordnung und in Übereinstimmung mit dem allgemeinmedizinischen Sachverständigen mit dem fixen Rahmensatz von 10 vH ein.
Die internistische Sachverständige stufte das Leiden 5 "Lactoseintoleranz" nach den Kriterien der Einschätzungsverordnung schlüssig und nachvollziehbar unter der Positionsnummer 07.04.04 mit einem Grad der Behinderung von 10 vH ein, da bei der Beschwerdeführerin ein guter Allgemeinzustand und guter Ernährungszustand (Größe 158 cm, Gewischt 60 kg) besteht. Aus dem vorliegenden Befund vom 12.10.2018 geht hervor, dass bei der Beschwerdeführerin eine reguläre entzündungsfreie Dünndarmschleimhaut vorliegt. Da bei der Beschwerdeführerin sohin ein guter Ernährungszustand vorliegt und keine signifikante Schleimhautveränderung objektivierbar ist, erfolgte die Einstufung des Grades der Behinderung mit 10 vH zu Recht. Eine höhere Einstufung des Grades der Behinderung ist nach den Kriterien der Einschätzungsverordnung ohne Vorliegen von chronischen Schleimhautveränderungen nicht möglich.
Die internistische Sachverständige führte aus, dass das führende Leiden 1 durch das Leiden 2 wegen maßgeblicher Leidensbeeinflussung um eine Stufe erhöht wird, die weiteren Leiden 3 bis 5 jedoch wegen zu geringer funktioneller Relevanz den Gesamtgrad der Behinderung nicht weiter erhöhen, daher besteht ein Gesamtgrad der Behinderung von 40 vH.
Das von der Beschwerdeführerin im Rahmen der Beschwerde vorgebrachte Magenleiden konnte nicht einschätzungsrelevant objektiviert werden, da dieses, nach Einschätzung des Arztes für Allgemeinmedizin im Zuge des Sachverständigengutachtens aufgrund der Aktenlage vom 31.07.2019 ausreichend medikamentös therapiert werden kann und keine nachgewiesene Ernährungsstörung vorliegend ist. Aufgrund der Einwendungen der Beschwerdeführerin, die Einnahme von Protonenpumpenhemmer sei in Kombination mit der antirheumatischen Therapie kontraindiziert, führte der medizinische Sachverständige schlüssig und nachvollziehbar aus, dass eine alternative Medikation mit Antazida als weitere Therapieoption der Beschwerdeführerin zur Verfügung steht. Daher erreicht das von der Beschwerdeführerin vorgebrachte Magenleiden keinen Grad der Behinderung.
Die Behörde (bzw. das Gericht) hat ein Gutachten auf seine Vollständigkeit und Schlüssigkeit zu überprüfen. Weitere Gutachten hat die Behörde nur dann einzuholen, wenn sich die vorliegenden Gutachten als nicht vollständig oder nicht schlüssig und damit als nicht ausreichend erweisen; will eine Partei außer dem vorliegenden schlüssigen und vollständigen Gutachten noch ein weiteres in das Verfahren einbezogen wissen, steht es ihr frei, selbst ein Gutachten eines privaten Sachverständigen zu beschaffen und vorzulegen.
Mit dem Beschwerdevorbringen hat sich das seitens der belangten Behörde im Zuge des Beschwerdevorprüfungsverfahrens im Verfahren bezüglich des Antrages auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten eingeholte Sachverständigengutachten ausführlich auseinandergesetzt. Die beauftragte Sachverständige hält - nach einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin und unter Beachtung der vorgelegten Befunde - zusammengefasst fest, dass eine signifikant erhöhte Infektanfälligkeit nicht befundmäßig dokumentiert ist. Aus den Befunden geht nur eine tageweise unspezifische Symptomatik im Schub hervor. Eine schwere und anhaltende Erkrankung des Immunsystems liegt bei der Beschwerdeführerin nicht vor.
Es wurde dem Vorbringen der Beschwerdeführerin somit nachvollziehbar, schlüssig und vollständig entgegen getreten und kann somit den Einwendungen der Beschwerdeführerinangesichts des Inhalts des Gutachtens nicht gefolgt werden. Die Beschwerdeführerin konnte weder eine Unschlüssigkeit oder Unvollständigkeit des Gutachtens aufzeigen noch ist sie ihm auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Auch sind an der Person der Sachverständigen keine Bedenken aufgetreten.
Das Bundesverwaltungsgericht erachtet das eingeholte Sachverständigengutachten daher als schlüssig, vollständig und nachvollziehbar. In einer Zusammenschau der vorliegenden Befunde, des Gutachtens und dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin dem Gutachten nicht entgegentreten ist, geht der erkennende Senat davon aus, dass das Sachverständigengutachten bzw. der darin festgelegte Grad der Behinderung von 40 v.H. der Entscheidung zugrunde zu legen ist.
Dessen Inhalt wurde der Beschwerdeführerin mit der Beschwerdevorentscheidung im Verfahren bezüglich des Antrages auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten zur Kenntnis gebracht und hat der bevollmächtigte Vertreter der Beschwerdeführerin kein Vorbringen erstatten, welches dem Inhalt des Gutachtens widerspricht.
Das eingeholte Sachverständigengutachten steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den eingeholten und vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit der befassten Sachverständigen oder deren Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen.
Auch wurde im verwaltungsbehördlichen Verfahren zudem ein allgemeinmedizinisches Gutachten auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung und aufgrund der Aktenlage eingeholt, welche im Ergebnis mit dem neuerlich erstellten Sachverständigengutachten übereinstimmt. Der erkennende Senat hat die - nicht als unschlüssig zu erkennenden - allgemeinmedizinischen Gutachten der Entscheidung zu Grunde gelegt.
Die Sachverständigengutachten werden daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Zu A)
1. Zur Entscheidung in der Sache:
Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)
Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderten-einstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
Auszug aus der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) idgF:
"Grad der Behinderung
§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.
(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.
(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.
Gesamtgrad der Behinderung
§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.
(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.
Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.
(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn
- sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,
- zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.
(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.
Grundlage der Einschätzung
§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.
(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten."
Da ein Grad der Behinderung von 40 (vierzig) vH festgestellt wurde und somit die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfüllt sind, war spruchgemäß zu entscheiden.
2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. In diesem Sinne ist eine Verhandlung als erforderlich anzusehen, wenn es nach Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 Abs. 2 GRC geboten ist, wobei gemäß Rechtsprechung des VfGH der Umfang der Garantien und des Schutzes der Bestimmungen ident sind.
Der Rechtsprechung des EGMR kann entnommen werden, dass er das Sozialrecht auf Grund seiner technischen Natur und der oftmaligen Notwendigkeit, Sachverständige beizuziehen, als gerade dazu geneigt ansieht, nicht in allen Fällen eine mündliche Verhandlung durchzuführen (vgl. Eriksson v. Sweden, EGMR 12.4.2012; Schuler-Zgraggen v. Switzerland, EGMR 24.6.1993).
Im Erkenntnis vom 18.01.2005, GZ. 2002/05/1519, nimmt auch der Verwaltungsgerichtshof auf die diesbezügliche Rechtsprechung des EGMR (Hinweis Hofbauer v. Österreich, EGMR 2.9.2004) Bezug, wonach ein mündliches Verfahren verzichtbar erscheint, wenn ein Sachverhalt in erster Linie durch seine technische Natur gekennzeichnet ist. Darüber hinaus erkennt er bei Vorliegen eines ausreichend geklärten Sachverhalts das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise an, welches das Absehen von einer mündlichen Verhandlung gestatte (vgl. VwGH vom 4.3.2008, 2005/05/0304).
Der im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde auf gutachterlicher Basis ermittelt. Zudem wurde vom Beschwerdeführer in der Beschwerde kein Vorbringen erstattet, welches eine weitere Erörterung notwendig erschienen ließ.
Im Hinblick auf obige Überlegungen sah der erkennende Senat daher unter Beachtung der Wahrung der Verfahrensökonomie und -effizienz von einer mündlichen Verhandlung ab, zumal auch eine weitere Klärung der Rechtssache hierdurch nicht erwartbar war.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Vielmehr hängt die Entscheidung von Tatsachenfragen ab. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.
Schlagworte
Behindertenpass Grad der Behinderung SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W218.2226379.1.00Im RIS seit
28.07.2020Zuletzt aktualisiert am
28.07.2020