Entscheidungsdatum
24.04.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W176 2230125-1/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. NEWALD über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX 1984, syrischer Staatsangehöriger, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.03.2020, Zl. 1083189400-171188218, beschlossen:
A)
In Erledigung der Beschwerde wird der Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 (VwGVG), behoben und die Angelegenheit an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG), nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) vom 28.11.2016, Zl. 1083189400-171188218, wurde dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
2. Am 17.10.2017 übermittelte die Österreichische Botschaft (im Folgenden: ÖB) Athen der belangten Behörde ein Schreiben des griechischen Innenministeriums, XXXX , vom XXXX .10.2017, wonach der Beschwerdeführer wegen "Schlepperei illegaler Einwanderer ins Landesinnere" festgenommen worden sei; Polizisten der Polizeidienststelle XXXX hätten am XXXX .10.2017 gegen 22 Uhr festgestellt, dass dieser in einem von ihm angemieteten PKW sechs syrische Staatsangehörige illegal nach Griechenland gebracht habe, die für ihren Transport jeweils 1.500 EUR an ein Büro in der Türkei gezahlt hätten.
3. Mit Schreiben XXXX .11.2017, vom Beschwerdeführer übernommen in der griechischen Haftanstalt XXXX am XXXX .12.2017, teilte die belangte Behörde diesem mit, dass gegen ihn ein Aberkennungsverfahren eingeleitet werde, weil er in Griechenland aufgrund des Verdachts der Schlepperei in Untersuchungshaft sei, und gab ihm zugleich Gelegenheit, dazu innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen (wovon der Beschwerdeführer keinen Gebrauch machte).
4. Mit E-Mail vom XXXX .01.2019 teilte der Beschwerdeführer der belangten Behörde mit, dass er wieder in Österreich wohnhaft sei.
5. In Beantwortung einer daraufhin am XXXX .01.2019 gestellten Anfrage der belangten Behörde zum Stand des Strafverfahrens gegen den Beschwerdeführer teilte der Verbindungsbeamte des Bundesministeriums für Inneres an der ÖB Athen dieser mit E-Mail vom XXXX .05.2019 mit, dass der Beschwerdeführer zu acht Jahren Haft verurteilt worden sei, jedoch am XXXX .01.2019 unter Aussetzung der Strafe auf Bewährung vorzeitig aus der Haft entlassen worden sei. Nach dem (in der Anlage übermittelten) Haftentlassungsschein vom XXXX .01.2019 sei er ein Jahr, einen Monat und 22 Tage in Untersuchungshaft gewesen und müsse die restlichen sechs Jahre, zehn Monate und neun Tage unter Auflagen an seiner (konkret angeführten) Meldeadresse in Athen aufhältig sein und sich jeden Monat innerhalb der ersten fünf Tage bei der Polizeistation seines Wohnsitzes melden.
Übermittelt wurde überdies:
- ein Schreiben der Generalstaatsanwaltschaft Thrakien vom XXXX .04.2019 an die ÖB Athen, wonach das Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer vom Berufungsgericht für Strafsachen Thrakiens verhandelt worden und dessen Entscheidung Nr. XXXX veröffentlicht worden sei, wobei ein "Auszug der Entscheidung" übermittelt werde. Nach dieser Entscheidung sei er zu "insgesamt acht (8) Haft Jahren Haftstrafe verurteilt worden, umgewandelt zu fünf (5) Euro täglich, für folgende Tat: Entgegennahme von Drittstaatsangehörigen ins Landesinnere, die kein Recht auf Einreise hatten, in der Absicht, sie weiter ins Landesinnere wiederholt und mit Bereicherungsvorsatz zu schleppen." Der Beschuldigte habe keine Berufung eingelegt und sei daraufhin in der Haftanstalt XXXX inhaftiert worden,
- ein Schreiben der Staatsanwaltschaft beim Berufungsgericht Thrakien vom XXXX .04.2019, wonach der Beschwerdeführer am XXXX .01.2019 in Ausführung eines Auftrages des Staatsanwaltes beim Landesgericht Serres entlassen worden sei, mit dem die Vollstreckung des Rests der Strafe zur Bewährung ausgesetzt worden sei, sowie
- eine Arbeitsübersetzung eines Urteils des Berufungsgerichts Thrakien mit folgendem Inhalt (ohne Original in griechischer Sprache):
"Griechische Republik
Berufungsgericht Thrakien
Nr. XXXX
Durch/Mit Akt Nr. XXXX des Berufungsgerichtspräsidenten Thrakiens erlassen/eingeführt
Berufungsgericht Thrakien
Verhandlungstag XXXX /12/2018
Sitzung vom XXXX /12/2018
Aus diesen Gründen
Steht vor Gericht der anwesende (Nachname) XXXX (Vorname) XXXX des XXXX und der XXXX , geboren am XXXX 1984 in Syrien, XXXX , wohnhaft in Österreich, XXXX der schon aufgrund der XXXX Untersuchungshaftanordnung des Untersuchungsrichters XXXX in Haft ist.
Erklärt den Beschuldigten (Nachname) XXXX (Vorname) XXXX schuldig mit dem mildernden Umstand 84 Absatz 2a des Strafgesetzbuches für die Tat: Entgegennahme von Drittstaatsangehörigen ins Landesinnere, die kein Recht auf Einreise hatten, in der Absicht, sie weiter ins Landesinnere wiederholt und mit Bereicherungsvorsatz zu schleppen. Diese Tat geschah am XXXX -10-2017 im Verwaltungsbezirk Evros.
Verurteilt den Beschuldigten (Nachname) XXXX (Vorname) XXXX zu 3 Jahren Haft, für jede geschleppte Person. Gesamtstrafe 3 Jahre + (1 Jahr x 5) = 8 Jahre.
Wandelt das obere Urteil zu 5 Euro pro Tag um.
Von der dem Beschuldigten festgesetzten Strafe wird der Zeitraum vom XXXX -10-2017 bis XXXX 12-2018 abgezogen.
Die Verhandlungskosten in der Höhe von 200 Euro werden dem Beschuldigten auferlegt.
Die Berufung des Beschuldigten soll keine Aussetzungskraft haben.
Geurteilt, entschieden und veröffentlicht der Zuhörerschaft sofort.
XXXX , XXXX /12/2018
Die Vorsitzende Die Sekretärin
[...] [...]
(Unterschrift)
Genauer Amtsauszug
XXXX /12/2018
Der Sekretär
[...]"
6. Mit Schreiben vom 06.05.2019 teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit, dass aufgrund seiner rechtskräftigen Verurteilung durch ein ausländisches Strafgericht (Berufungsgericht Thrakien - Griechenland) wegen Schlepperei zu einer Haftstrafe von acht Jahren gemäß § 7 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG 2005), hinsichtlich des Status des Asylberechtigten ein Aberkennungsverfahren eingeleitet werde, und gab ihm zugleich Gelegenheit zu Stellungnahme (in Form eines auszufüllenden Fragebogens).
7. Davon machte der Beschwerdeführer Gebrauch, wobei er im Wesentlichen ausführte, dass die Gründe, die zur Asylgewährung geführt hätten, weiterhin aufrecht seien, und er trotz seiner Verurteilung keine Gefahr für die Gemeinschaft darstelle.
7. Am XXXX .07.2019 vor der belangten Behörde einvernommen, gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen Folgendes an: Er habe niemanden ins Landesinnere von Griechenland geschleppt. Er habe seine Eltern in der Türkei treffen wollen, habe aber kein Visum für die Türkei erhalten, daher habe er "einen sicheren Weg von Griechenland in die Türkei finden" wollen, um später mit seiner Frau und seinen Kindern zu seinen Eltern zu reisen. Als er einen Einblick in diesen Weg habe nehmen wollen, habe er vier Burschen und zwei Mädchen getroffen, denen er aufgrund ihres arabischen Aussehens Fragen zu diesem Weg habe stellen wollen. Obwohl dieses Gespräch nur zufällig erfolgt sei, sei er von der Polizei festgenommen worden. Das Urteil sei unfair gewesen. Damit der griechische Staat ihm nicht Schadenersatz für seine Anhaltung zahlen müsse, sei er zu acht Jahren Haft verurteilt worden. Bei seiner Entlassung sei ihm etwas auf Griechisch gesagt worden und ein auf Griechisch verfasstes Papier gegeben worden; er habe nicht verstanden was ihm gesagt worden sei. Er habe dann ein Flugticket gekauft und sei nach Österreich geflogen.
8. Mit Schriftsatz vom 08.07.2019 legte der Beschwerdeführer das zuletzt genannte Schriftstück (im griechischen Original) vor. Dabei handelt es sich um die Anordnung der Staatsanwaltschaft erster Instanz von Serres Nr. 7/2019. Darin wird - nach allgemeinen Ausführungen zur Rechtslage betreffend die bedingte Entlassung von Personen, die Haftstrafen verbüßen - festgehalten, aus den relevanten Dokumenten aus dem Akt des Beschwerdeführers ergebe sich, dass er die ihm auferlegte Haftstrafe von acht Jahren am XXXX .01.2019 zu einem Fünftel abgesessen habe. Unter Berücksichtigung der Persönlichkeit sowie der individuellen familiären und beruflichen Bedürfnisse und der Schwere der Straftat werde er verpflichtet, seinen Aufenthalt an einer konkret genannten Adresse in Athen zu nehmen und an einem der ersten fünf Tage des Monats beim Kommandanten der Polizeistation seines Wohnorts zu erscheinen.
9. Mit dem angefochtenen Bescheid erkannte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer den ihm zuerkannten Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ab und stellte gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 fest, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.), erkannte ihm gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zu (Spruchpunkt II.), erteilte ihm gemäß § 57 AsylG 2005 keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) gegen ihn (Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG 2005 fest, das seine Zurückweisung, Zurückschiebung und Abschiebung aus dem Bundesgebiet nach Syrien unzulässig sei (Spruchpunkt V.) sowie dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für seine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VII.).
Nach Wiedergabe des Verfahrensganges stellte die Behörde im Wesentlichen fest, dass der Beschwerdeführer in Griechenland vom Berufungsgericht Thrakien wegen Schlepperei von Drittstaatsangehörigen in das Landesinnere der Republik Griechenland rechtskräftig zu einer Gesamthaftstrafe von acht Jahren verurteilt worden sei sowie dass er in Syrien nach wie vor einer individuellen und konkreten asylrelevanten Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt sei.
In der Beweiswürdigung wurde auf das übermittelte Gerichtsurteil der griechischen Justiz sowie auf die Entlassungspapiere verwiesen, denen sich auch entnehmen lasse, dass der Beschwerdeführer offensichtlich gegen die ihm erteilten Bewährungsauflagen verstoßen habe. Dessen Vorbringen, er sei deshalb zu einer achtjährigen Haftstrafe verurteilt worden, damit ihm kein Schadenersatz ausbezahlt werden müsse, könne nicht gefolgt werden.
Zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten wurde in rechtlicher Hinsicht zusammengefasst Folgendes ausgeführt:
Anstatt sich in Österreich um seine Zukunft und die seiner Familie zu kümmern, sei der Beschwerdeführer nach Griechenland ausgereist und habe dort entgeltlich Personen ins Land geschleppt, weswegen er von einem griechischen Strafgericht zu eine Haftstrafe von acht Jahren verurteilt worden sei.
Dabei wiege besonders schwer, dass er - wie aufgrund des hohen Strafausmaßes anzunehmen sei - diese Schleppung von Menschen unter besonders menschenfeindlichen und gefährlichen Bedingungen durchgeführt habe.
Besonders verwerflich sei auch, dass der Beschwerdeführer, der zuvor selbst den Weg von Syrien nach Europa eingeschlagen habe, um hier Schutz zu finden und noch in Erinnerung haben müsste, welche Strapazen, Entbehrungen und Gefahren eine solche Flucht mit sich bringe, dennoch durch sein Verhalten Kapital aus der Not der zu schleppenden Personen geschlagen habe. Anstatt sich in Österreich gesellschaftlich zu verankern, habe er versucht, sich am Leid anderer Menschen zu bereichern.
Das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen sei hoch zu bewerten und ebenso, wie rücksichtslos im Allgemeinen Schlepper für den eigenen Vorteil ihre Opfer in deren Notlage ausbeuten.
Überdies sei der Beschwerdeführer - anstatt sich an die Bewährungsauflagen zu halten -vor diesen nach Österreich geflohen und habe auch dadurch bewiesen, dass er nicht gewillt sei, sich an die Rechtsordnung eines europäischen Staates zu halten.
Angesichts des Verhaltens des Beschwerdeführers und der dadurch verwirklichten Gefährdung von geschleppten Flüchtlingen und bewirkten Beeinträchtigung eines geordneten Fremdenwesens innerhalb von Europa seien die von ihm gesetzten Handlungen objektiv als besonders schwerwiegend anzusehen.
10. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde. Darin bringt sie u.a. vor, der Beschwerdeführer habe kein besonders schweres Verbrechen iSd § 6 AsylG 2005 verübt; denn die belangte Behörde habe sich nicht an der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs orientiert, wonach sich die Tat als objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erweisen müsse.
11. In der Folge legte die belangte Behörde - ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen - die Beschwerde samt den Bezug habenden Verwaltungsunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013 (BVwGG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels einfachgesetzlicher materienspezifischer Sonderregelung liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.
1.2. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 (VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl. 51/1991 (AVG) mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung BGBl. Nr. 194/1961 (BAO), des Agrarverfahrensgesetzes BGBl. Nr. 173/1950 (AgrVG), und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 BGBl. Nr. 29/1984 (DVG), und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
2. Zu Spruchpunkt A):
2.1. Gemäß § 15 Abs. 1 AsylG 2005 hat der Asylwerber am Verfahren nach diesem Bundesgesetz mitzuwirken und insbesondere ohne unnötigen Aufschub seinen Antrag zu begründen und alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen.
Gemäß § 18 Abs. 1 AsylG 2005 hat die Behörde in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für die Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen.
2.2. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat. Zur Anwendung des § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG durch die Verwaltungsgerichte hat der Verwaltungsgerichtshof ausgehend von einem prinzipiellen Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht durch das Verwaltungsgericht präzisierend insbesondere Folgendes festgehalten (VwGH v. 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063):
"Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stellt die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis steht diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden. (...)
Der Rechtsanspruch eines von einer Entscheidung Betroffenen auf die Beachtung der verwaltungsgerichtlichen Zuständigkeit erfasst angesichts des in § 28 VwGVG verankerten Systems auch die Frage, ob das Verwaltungsgericht seine Zuständigkeit zur Entscheidung in der Sache selbst dem § 28 VwGVG konform wahrnimmt. Das Verwaltungsgericht hat daher insbesondere nachvollziehbar zu begründen, wenn es eine meritorische Entscheidungszuständigkeit nicht als gegeben annimmt, etwa weil es das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 1 und Z 2 des § 28 VwGVG verneint bzw. wenn es von der Möglichkeit des § 28 Abs 3 erster Satz VwGVG nicht Gebrauch macht. (...)"
2.3. Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 Z 1 und 2 VwGVG, welche zu einer meritorischen Entscheidungspflicht führen, nicht gegeben sind. Weder steht, wie anhand der darzustellenden Ermittlungsmängel zu zeigen ist, der maßgebliche Sachverhalt fest, noch ist die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden. Dies vor allem, weil die aufzuzeigenden Ermittlungslücken derart erheblich sind, dass zu deren Beseitigung über eine der Feststellung des Sachverhalts dienende mündliche Verhandlung hinausgehende weitere Ermittlungsschritte zu setzen wären, welche durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, welches - anders als das Bundesverwaltungsgericht - eine asyl- und fremdenrechtliche Spezialbehörde ist, rascher und effizienter durchgeführt werden können.
2.4. Aus folgenden Gründen muss angenommen werden, dass die belangte Behörde den entscheidungsrelevanten Sachverhalt nur ansatzweise ermittelt hat:
2.4.1. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist der Status des Asylberechtigten einem Fremden von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wennein Asylausschlussgrund nach § 6 vorliegt.
Gemäß § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 ist ein Fremder von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ausgeschlossen, wenn er von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 Strafgesetzbuch, BGBl. Nr. 60/1974 (StGB), entspricht.
Gemäß § 73 StGB stehen - sofern das Gesetz nicht ausdrücklich auf die Verurteilung durch ein inländisches Gericht abstellt - ausländische Verurteilungen inländischen gleich, wenn sie den Rechtsbrecher wegen einer Tat schuldig sprechen, die auch nach österreichischem Recht gerichtlich strafbar ist, und in einem den Grundsätzen des Art. 6 der europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 (EMRK), entsprechenden Verfahren ergangen sind.
Für das Vorliegen eines "besonders schweren Verbrechens" iSd § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 genügt es nicht, wenn ein abstrakt als "schwer" einzustufendes Delikt verübt worden ist. Vielmehr muss sich die Tat im konkreten Einzelfall als objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erweisen, wobei neben der Strafdrohung unter anderem auf Milderungsgründe Bedacht zu nehmen ist. Bei der Beurteilung, ob ein "besonders schweres Verbrechen" vorliegt, ist daher eine konkrete fallbezogene Prüfung vorzunehmen und sind insbesondere die Tatumstände zu berücksichtigen. Lediglich in gravierenden Fällen schwerer Verbrechen (etwa in Zusammenhang mit der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren wegen des Verbrechens des versuchten Mordes) erweist sich bereits ohne umfassende Prüfung der einzelnen Tatumstände eine eindeutige Wertung als schweres Verbrechen mit negativer Zukunftsprognose als zulässig (VwGH 18.11.2019, 2019/18/0418 mwN). Eine bloß auf das Strafausmaß und die Strafzumessungsgründe abstellende Beurteilung greift zu kurz (VwGH 05.04.2018, Ra 2017/19/0531).
2.4.2. Wie vorauszuschicken ist, verkennt das Bundesverwaltungsgericht nicht, dass die Ermittlung der nach der zuvor dargestellten Judikatur maßgeblichen Kriterien im Falle der Verurteilung durch ein ausländisches Gericht deutlich aufwändiger sein kann, als dies bei einem inländischen Strafurteil der Fall ist, und dass uU nicht alle relevanten Umstände ermittelt werden können.
So legt der Hinweis des Generalstaatsanwaltschaft Thrakien im ihrem Schreiben an die ÖB Athen vom 05.04.2019, wonach anbei ein "Auszug der Entscheidung" (d.h. des verfahrensgegenständlichen griechischen Strafurteils) übermittelt werde, sowie der Umstand, dass der übermittelte Auszug in seiner Zahl die Ordnungsnummer "4" enthält, während die im genannten Schreiben angeführte Zahl der Entscheidung die Ordnungsnummer "5" enthält, zwar nahe, dass Dokumente des Berufungsgerichtes Thrakien existieren könnten, denen eine ausführlichere Begründung der Verurteilung des Beschwerdeführers zu entnehmen ist und in denen insbesondere näher dargelegt wird, wie sich die "Gesamtstrafe 3 Jahre + (1 Jahr x 5) = 8 Jahre" errechnet; mit Sicherheit kann dies aber nicht angenommen werden.
Im gegenständlichen Fall hat es die belangte Behörde jedoch bereits unterlassen, Feststellungen auch nur dazu zu treffen, nach welcher konkreten Strafnorm des griechischen Rechts der Beschwerdeführer verurteilt wurde und welchen Strafrahmen dieses Deliktes aufweist.
Daher erschließt sich für das Bundesverwaltungsgericht auch nicht, inwiefern die Behörde aus der Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer Haftstrafe von acht Jahren den als besonders schwerwiegenden Umstand ableitet, er habe die Schleppung von Menschen unter besonders menschenfeindlichen und gefährlichen Bedingungen durchgeführt.
2.4.5. Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde somit - abgesehen von Feststellungen zu den gesetzlichen Grundlagen (einschließlich jenen zur Strafzumessung wie Bestimmungen zu Erschwerungs- und Milderungsgründen), auf denen die Verurteilung erfolgte - so konkret wie möglich Feststellungen zu den Umständen der dem Beschwerdeführer vom Berufungsgericht Thrakien angelasteten Tat zu treffen haben, sodass (u.a. durch Berücksichtigung des sich bei Gegenüberstellung von verhängter Strafe und Strafrahmen ergebenden Unwertgehalts) beurteilt werden kann, ob die von ihm begangene Tat nach den oben dargestellten, vom Verwaltungsgerichtshof entwickelten Kriterien als "besonders schweres Verbrechen" zu qualifizieren ist.
2.5. Die dazu erforderlichen Ermittlungen sind für die Beurteilung der Frage, ob der Beschwerdeführer wie im angefochtenen Bescheid angenommen den Asylaberkennungstatbestand des § 7 Abs. 1 Z1 iVm § 6 Abs. 1 Z4 AsylG 2005 verwirklich hat, notwendig. Daher macht das Bundesverwaltungsgericht vor dem Hintergrund verwaltungsökonomischer Überlegungen und den Effizienzkriterien des § 39 Abs. 2 AVG von dem ihm in § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG eingeräumten Ermessen Gebrauch.
2.6. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3. Zu Spruchpunkt B):
3.2. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
3.3. Es war somit insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung Ermittlungspflicht individuelle Verhältnisse Kassation mangelnde SachverhaltsfeststellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W176.2230125.1.00Im RIS seit
28.07.2020Zuletzt aktualisiert am
28.07.2020