Entscheidungsdatum
24.04.2020Norm
ASVG §59Spruch
I412 2228130-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Gabriele ACHLEITNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid der Tiroler Gebietskrankenkasse - nunmehr Österreichische Gesundheitskasse Landesstelle Tirol (ÖGK-T) vom 18.12.2019, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 18.12.2019 hat die Tiroler Gebietskrankenkasse (nunmehr Österreichische Gesundheitskasse, Landesstelle Tirol; im Folgenden als belangte Behörde bezeichnet) Herrn XXXX (im Folgenden Beschwerdeführer - BF) als Geschäftsführer gemäß § 67 Abs 10 ASVG verpflichtet, Sozialversicherungsbeiträge in der Höhe von ? 5063,99 zuzüglich Verzugszinsen in der sich nach § 59 Abs 1 ASVG ergebenden Höhe binnen 14 Tagen nach Zustellung zu bezahlen.
Zur Begründung wurde angeführt, die (primärschuldende) Firma XXXX GmbH schulde der belangten Behörde die Sozialversicherungsbeiträge auf Grund der Beitragsprüfung vom 14.11.2018 (Prüfzeitraum berücksichtigt von Oktober 2016 - Dezember 2016) in der angeführten Höhe.
Die Einbringlichmachung der Beiträge sei bei der Primärschuldnerin nicht möglich gewesen. Am 22.02.2018 sei über das Vermögen der Primärschuldnerin das Konkursverfahren eröffnet worden. Das Insolvenzverfahren sei mangels Masse gemäß § 123a IO aufgehoben worden. Auf die belangte Behörde als Gläubigerin sei keine Quote entfallen.
Der BF sei im fraglichen Zeitraum (seit 28.10.2016) im Firmenbuch als handelsrechtlicher Geschäftsführer eingetragen gewesen und daher zur Vertretung des Beitragsschuldners und auch zur ordnungsgemäßen Abwicklung der Obliegenheiten des Dienstgebers der belangten Behörde gegenüber berufen gewesen.
Da die Verletzung der Beiträge durch die Verletzung der dem Geschäftsführer auferlegten Pflichten nicht möglich gewesen sei, habe die Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG ausgesprochen werden müssen.
Gegen diesen Bescheid erhob der rechtsfreundliche vertretene Beschwerdeführer Beschwerde. In dieser wird im Wesentlichen vorgebracht, der belangten Behörde sei bereits mit Schreiben des Rechtsvertreters vom 04.12.2019 mitgeteilt worden, dass der Beschwerdeführer nicht die liquiden Mittel des Unternehmens verwaltet habe, und daher auch nicht für die Zahlung der Sozialversicherungsabgaben zuständig gewesen sei. Mangels Zeichnungsberechtigung am Firmenkonto habe er keine Zahlungen durchführen können, sondern nur der Geschäftsführer Mag. XXXX. Diese Rechtfertigung habe im Bescheid keine Berücksichtigung gefunden.
Das Ergebnis der Beitragsprüfung ergebe sich daraus, dass der ehemalige Geschäftsführer XXXX im Unternehmen nur geringfügig beschäftigt gewesen sei. Im Schuldenregulierungsverfahren habe dann dessen Masseverwalter ein Urteil zu XXXX des LG Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht erwirkt, dass diese Anmeldung zu gering erfolgt sei, und XXXX ein höheres Gehalt zugestanden sei.
Die Anmeldung bei der belangten Behörde sei von XXXX selbst vorgenommen worden, bei Übernahme der Geschäftsführung sei laut Buchhaltung lediglich ein Betrag von EUR 106,- offen gewesen, der auch bezahlt worden sei.
Der Beschwerdeführer habe keine Kenntnis über eine zu geringe Anmeldung gehabt, er habe den Buchhaltungsunterlagen des langjährigen Steuerberaters vertraut.
Hinsichtlich der Zeichnungsberechtigung am Firmenkonto biete der Beschwerdeführer den Zeugen XXXX, an. Der Zeuge sei bis zur Insolvenzeröffnung mit der Buchführung des Unternehmens beauftragt gewesen. Er habe sämtliche Geschäftsfälle nur mit Herrn Mag. XXXX abgewickelt und vom ihm die Unterlagen und Bankauszüge erhalten. Die anderen Geschäftsführer hätten nur beschränkt Einblick gehabt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der BF war im beschwerdegegenständlichen Zeitraum (28.10.2016 - 31.12.2016) (gemeinsam mit Mag. Stefan M.) handelsrechtlicher Geschäftsführer der primärschuldenden XXXX GmbH. XXXX wurde mit Gesellschafterbeschluss vom 28.10.2016 mit sofortiger Wirkung als Geschäftsführer abberufen, dieser war jedoch bis Ende Dezember 2016 als handelsrechtlicher Geschäftsführer im Firmenbuch eingetragen und jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt als einziger Dienstnehmer für die Primärschuldnerin tätig bzw. bei der belangten Behörde gemeldet.
Mit Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 21.06.2017 wurde dem Klagebegehren (Mahnklage vom 01.03.2016) des Masseverwalters im Schuldenregulierungsverfahren über das Vermögen des XXXX Folge gegeben und das Unternehmen zur Nachzahlung von Arbeitsentgelt verurteilt, da XXXX für seine Tätigkeit ein die Geringfügigkeitsgrenze überschreitendes Entgelt gebührt hat.
Dieser erhielt auch in der (verfahrensgegenständlich relevanten) Zeit von Oktober bis Dezember 2016 jedenfalls das jahrelang übliche Entgelt bezahlt, obwohl er Anspruch auf ein höheres Entgelt hatte.
Fest steht, dass sich der Beschwerdeführer betreffend die Anmeldung bei der belangten Behörde mit der fachlichen Expertise seines Steuerberaters begnügte.
Die Meldepflichtverletzung ist kausal für die Uneinbringlichkeit der Beiträge.
Ab 17.01.2017 war Mag. XXXX ebenfalls handelsrechtlicher Geschäftsführer der Primärschuldnerin.
Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 22.02.2018, XXXX wurde über die Gesellschaft das Konkursverfahren eröffnet. Das Insolvenzverfahren wurde mangels Masse gemäß § 123a IO aufgehoben. Auf die belangte Behörde als Gläubigerin entfiel keine Quote.
2. Beweiswürdigung:
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt, insbesondere aus dem Vorbringen des BF und dem Firmenbuchauszug zur Primärschuldnerin.
Nicht bestritten wurde, dass XXXX in der verfahrensgegenständlichen Zeit aufgrund seiner Tätigkeit ein höheres Entgelt gebührt hätte, dazu wird auch vom Beschwerdeführer selbst vorgebracht, dass diesem (auch) in der verfahrensgegenständlichen Zeit das "jahrelang übliche Entgelt" bezahlt worden sei. Die Höhe des Haftungsbetrages wurde von dem rechtsfreundlich vertretenen BF zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellt. Dass XXXX bis 31.12.2016 alleiniger Dienstnehmer der Primärschuldnerin war, ergibt sich auch aus einer im Akt befindlichen WEBEKU - Dienstnehmerermittlung der belangten Behörde.
Die Feststellungen betreffend das Alexander W. zustehende höhere Entgelt beruhen zudem auf dem Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 21.06.2017. Der Beschwerdeführer gab dazu in der Beschwerde lediglich an, keine Kenntnis über eine zu geringe Anmeldung gehabt zu haben, was angesichts des Umstandes, dass die Mahnklage des Masseverwalters mit 01.03.2016 eingebracht wurde, und der Beschwerdeführer im Verfahren vor dem Landesgericht Innsbruck als Zeuge einvernommen worden ist, nicht anzunehmen ist.
Aufgrund der nachvollziehbaren Darstellung im Bescheid der belangten Behörde und den sonstigen Unterlagen im Akt geht auch das Bundesverwaltungsgericht vom Zutreffen des Meldeverstoßes und der Richtigkeit des vorgeschriebenen Haftungsbetrages aus.
Die Feststellungen zur Insolvenz der Primärschuldnerin ergeben sich aus dem Akt der belangten Behörde und sind unstrittig.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 414 Abs 1 ASVG kann gegen Bescheide der Versicherungsträger oder des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz oder des Bundesministers für Gesundheit in Verwaltungssachen und wegen Verletzung ihrer (seiner) Entscheidungspflicht in Verwaltungssachen Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben werden.
Nach Abs 2 erster Satz leg. cit. entscheidet in Angelegenheiten nach § 410 Abs 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag einer Partei durch einen Senat; dies gilt auch für Verfahren, in denen die zitierten Angelegenheiten als Vorfragen zu beurteilen sind.
Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
3.2. Zu A)
3.2.1 Gemäß § 67 Abs 10 ASVG haften die zur Vertretung juristischer Personen oder Personenhandelsgesellschaften (offene Gesellschaft, Kommanditgesellschaft) berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Vermögensverwalter haften, soweit ihre Verwaltung reicht, entsprechend.
Gemäß § 58 Abs 5 ASVG haben die Vertreter juristischer Personen, die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen und die Vermögensverwalter (§ 80 BAO) alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Beiträge jeweils bei Fälligkeit aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
3.2.2 Voraussetzung für die Haftung eines Vertreters nach § 67 Abs. 10 ASVG ist die objektive, gänzliche oder zumindest teilweise Uneinbringlichkeit der betreffenden Beiträge beim Primärschuldner. Steht noch nicht einmal eine teilweise ziffernmäßig bestimmbare Uneinbringlichkeit fest, kommt eine Geltendmachung der Haftung noch nicht in Betracht (VwGH 20.06.2018, Ra 2018/08/0039).
Weitere Voraussetzungen für die Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG sind auch deren ziffernmäßige Bestimmtheit der Höhe nach, schuldhafte und rechtswidrige Verletzungen der sozialversicherungsrechtlichen Pflichten durch den Vertreter und die Kausalität der schuldhaften Pflichtverletzung des Vertreters für die Uneinbringlichkeit (vgl VwGH 11.04.2018, Ra 2015/08/0038).
3.2.3. Im gegenständlichen Fall sind die Voraussetzungen der Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG erfüllt:
Uneinbringlichkeit ist bereits anzunehmen, sobald im Lauf des Insolvenzverfahrens feststeht, dass die Beitragsforderung im Konkurs mangels ausreichenden Vermögens nicht oder zumindest nur zum Teil wird befriedigt werden können (VwGH 20.06.2018, Ra 2018/08/0039).
Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 22.02.2018, XXXX wurde über die Gesellschaft das Konkursverfahren eröffnet. Das Insolvenzverfahren wurde mangels Masse gemäß § 123a IO aufgehoben. Auf die belangte Behörde als Gläubigerin entfiel keine Quote.
Die bestehende Forderung der belangten Behörde ist somit als uneinbringlich zu qualifizieren.
Zu den im § 67 Abs. 10 ASVG genannten "zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen" gehören auch die Geschäftsführer von Gesellschaften mit beschränkter Haftung (vgl. u. a. VwGH vom 19.09.1989, Zl. 88/08/0283).
Der BF war, wie sich aus dem Auszug aus dem österreichischen Firmenbuch ergibt, unstrittig im verfahrensgegenständlichen Zeitraum von 28.10.2016 bis 31.12.2016, bzw. zum Zeitpunkt der Fälligkeit der nachverrechneten Beiträge selbständig vertretungsbefugter, handelsrechtlicher Geschäftsführer und kann somit grundsätzlich zu einer Haftung von aushaftenden Sozialversicherungsbeiträgen aufgrund von Meldepflichtverletzungen in diesem Zeitraum herangezogen werden. Somit ist zu untersuchen, ob die BF infolge schuldhafter Pflichtverletzung für die nicht einbringlichen Beitragsforderungen der belangten Behörde haftet.
Die Haftung des Geschäftsführers nach § 67 Abs. 10 ASVG ist ihrem Wesen nach eine dem Schadenersatzrecht nachgebildete Verschuldenshaftung, die den Geschäftsführer deshalb trifft, weil er seine gesetzliche Verpflichtung zur rechtzeitigen Entrichtung von Beiträgen schuldhaft verletzt hat (VwGH 20.06.2018, Ra 2018/08/0039).
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertritt, trifft ungeachtet der grundsätzlichen amtswegigen Ermittlungspflicht den Vertreter die besondere Verpflichtung darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung der Verpflichtungen unmöglich war, widrigenfalls eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden kann. Stellt er dabei nicht bloß ganz allgemeine, sondern einigermaßen konkrete sachbezogene Behauptungen auf, so ist er zur weiteren Präzisierung und Konkretisierung des Vorbringens aufzufordern, wenn auf Grund dessen - nach allfälliger Durchführung eines danach erforderlichen Ermittlungsverfahrens - die Beurteilung des Bestehens einer Haftung möglich ist. Kommt er dieser Aufforderung nicht nach, so bleibt die Behörde zur Annahme berechtigt, dass er seiner Pflicht schuldhaft nicht entsprochen hat. Der Vertreter haftet dann für die Beitragsschulden zur Gänze, weil ohne entsprechende Mitwirkung auch der durch sein schuldhaftes Verhalten uneinbringlich gewordene Anteil nicht festgestellt werden kann (VwGH 11.04.2018, Ra 2015/08/0038).
In subjektiver Hinsicht reicht für die Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG leichte Fahrlässigkeit aus (VwGH vom 12.10.2017, Ra 2017/08/00070). Eine solche ist schon dann anzunehmen, wenn der Geschäftsführer keine Gründe anzugeben vermag, wonach ihm die Erfüllung seiner Verpflichtung, für die Beitragsentrichtung zu sorgen, unmöglich war (VwGH 29.06.1999, 99/08/0075).
Im vorliegenden Fall machte der BF in seiner ersten Rechtfertigung nach Aufforderung durch die belangte Behörde geltend, dass er zu keiner Zeit über die liquiden Mittel verwendungsbefugt gewesen sei, sondern dies bis 31.12.2016 Karl Alexander W., danach Manfred G. gewesen sei. Dem ist zu entgegnen, dass Karl Alexander W. mit Gesellschafterbeschluss vom 28.10.2016 "mit sofortiger Wirkung" als selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer abberufen worden ist und der vom BF ins Treffen geführte Manfred G. erst mit 17.01.2017 als Geschäftsführer der Primärschuldnerin fungierte und diese Rechtfertigung damit ins Leere geht.
Zum Einwand des BF, er habe sich auf das Wissen des langjährigen Steuerberaters verlassen, ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshof zu verweisen, wonach das für die Haftung erforderliche Verschulden an einem Meldepflichtverstoß dem Vertreter einer juristischen Person insoweit angelastet werden kann, als er verpflichtet gewesen wäre, bestimmte konkret zu bezeichnende Meldungen zu erstatten, und das Wissen um diese Meldungen entweder als vom Grundwissen des Vertreters umfasst anzusehen oder das Nichtwissen von ihm zu vertreten wäre (VwGH 20.06.2018, Ra 2017/08/0012).
Ein Meldepflichtiger muss sich bei Erfüllung der gegenüber der Gebietskrankenkasse konkret bestehenden Verpflichtung ein allfälliges Verschulden der Kanzlei, bei welcher die Buchführung erfolgte und der offenbar auch der Verkehr mit der Gebietskrankenkasse oblag, zurechnen lassen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Mai 2011, Zl. 2010/08/0076).
Zudem muss sich ein Meldepflichtiger alle zur Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtungen notwendigen Kenntnisse verschaffen und hat er den Mangel im Fall einer darauf zurückzuführenden Meldepflichtverletzung als Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt zu vertreten. Ein Meldepflichtiger, der nicht über alle zur Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtungen notwendigen Kenntnisse verfügt, ist nicht schon deshalb exkulpiert, weil er sich mit der strittigen Frage ohnedies, wenn auch nur auf Grund seiner eingeschränkten Kenntnisse, auseinandergesetzt hat und dementsprechend vorgegangen ist. Einen solchen Meldepflichtigen trifft grundsätzlich eine Erkundigungspflicht, in dessen Rahmen er gehalten ist, sich über die Vertretbarkeit seiner Rechtsauffassung bei der Behörde bzw. bei einer zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugten Person oder Stelle Gewissheit zu verschaffen. Er ist daher nur dann exkulpiert, wenn die zur Beurteilung im Einzelfall notwendigen Kenntnisse nicht zu dem einem Meldepflichtigen zu unterstellenden Grundwissen gehören und er die ihm zumutbaren Schritte unternommen hat, sich in der Frage der Meldepflicht hinsichtlich des Beschäftigungsverhältnisses sachkundig zu machen, und die Unterlassung der Meldung auf das Ergebnis dieser Bemühungen ursächlich zurückzuführen ist. Dabei macht es keinen Unterschied, ob sich der Meldepflichtige auf eine ihm mitgeteilte Verwaltungspraxis der Gebietskrankenkasse, auf ständige höchstgerichtliche Rechtsprechung oder auf sonstige verlässliche Auskünfte oder Institutionen zu stützen vermag (VwGH 20.06.2018, Ra 2017/08/0012).
Die Behörde darf dann, wenn eine als zum Grundwissen des Geschäftsführers zu zählende Meldepflicht verletzt wurde, diese Verletzung ohne Weiteres als vom Geschäftsführer verschuldet beurteilen (VwGH 20.06.2018, Ra 2017/08/0012 mwH).
Der Beschwerdeführer legte nicht dar, dass er sich mit allen Momenten der Meldepflicht des betreffenden Dienstnehmers auseinandergesetzt und bei allenfalls aufgetretenen Widersprüchen weitere Ermittlungen getätigt hat.
Im gegenständlichen Fall wurde die Mahnklage beim Landesgericht Innsbruck auf Gehaltsbestandteile des Karl Alexander W. dem Urteil zu Folge bereits am 01.03.2016 eingebracht und ist daher nicht davon auszugehen, dass der geschäftsführende Beschwerdeführer, bei dem es sich auch um den Gesellschafter der Primärschuldnerin handelt bzw. der im Verfahren vor dem Landesgericht Innsbruck als Zeuge einvernommen wurde, nichts von dem Meldeverstoß wusste.
Dass es der Beschwerdeführer unterließ, weitere Erkundigungen über das Ausmaß der Beschäftigung bzw. der daraus resultierenden Meldepflicht des betreffenden Dienstnehmers), einzuholen, ist ihm als fahrlässiges Fehlverhalten anzulasten.
Da dem Beschwerdeführer in subjektiver Hinsicht leichte Fahrlässigkeit zur Last zu legen ist, haftet er als unbeschränkt haftender Gesellschafter der Primärschuldnerin und damit als Vertreter nach § 67 Abs. 10 ASVG.
Zur Kausalität ist anzuführen, dass die Meldeverstöße und die daraus resultierenden Abfuhrpflichtverstöße auch kausal für die Uneinbringlichkeit waren, weil die Beträge bei ordnungsgemäßer Meldung hätten einbringlich gemacht werden können (vgl. VwGH vom 17.12.2015, Zl. 2013/08/0173). Es ist davon auszugehen, dass die Sozialversicherungsbeiträge bei richtiger Meldung der Dienstnehmer trotz angespannter Finanzlage der Primärschuldnerin für den Zeitraum Oktober 2016 bis Dezember 2016 noch einbringlich gewesen wären, weil zu diesem Zeitpunkt das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Primärschuldnerin noch nicht eröffnet war (vgl. dazu VwGH vom 17.12.2015, Zl. 2013/08/0173). Zudem ist aus den vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen ersichtlich, dass im verfahrensgegenständlichen Zeitraum noch Zahlungen an weitere Gläubiger geleistet worden sind.
Die Haftung des BF erstreckt sich nach dem oben Gesagten auf die Beitragsschulden zur Gänze. Sie umfasst im Hinblick auf die §§ 58 Abs. 5, 83 ASVG auch die Pflicht zur Zahlung von Verzugszinsen nach § 59 Abs. 1 ASVG.
Aus den dargelegten Gründen war die Haftung der BF im gegenständlichen Fall zu bejahen und spruchgemäß zu entscheiden.
4. Zum Absehen von der mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs 4 VwGVG konnte das Gericht von der Verhandlung aber abzusehen, wie der maßgebliche Sachverhalt ausreichend ermittelt ist und in der Beschwerde nicht bestritten wurde. Die Schriftsätze der Parteien und die Akten des Verfahrens lassen erkennen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und dem auch Art 6 Abs 1 EMRK nicht entgegensteht (vgl. die Entscheidung des EGMR vom 2. September 2004, 68.087/01 [Hofbauer/Österreich], wo der Gerichtshof unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt hat, dass die Anforderungen von Art 6 EMRK auch bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung oder überhaupt jegliche Anhörung [im Originaltext "any hearing at all"] erfüllt sind, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "technische" Fragen betrifft und in diesem Zusammenhang auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise verwiesen hat, vgl. dazu auch das zuletzt das Erkenntnis des VwGH vom 29.April 2015, Zl. Ro 20015/08/0005.
Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Beitragsschuld Fahrlässigkeit Geschäftsführer Haftung Meldeverstoß Pflichtverletzung UneinbringlichkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:I412.2228130.1.00Im RIS seit
28.07.2020Zuletzt aktualisiert am
28.07.2020