TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/27 W279 2200085-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.04.2020
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Entscheidungsdatum

27.04.2020

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §54 Abs2
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §58 Abs11
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §58 Abs7
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §52
IntG §10 Abs2 Z2
IntG §11
IntG §9 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W279 2200085-1/18E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. KOREN als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX 1987, StA. Ukraine, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX 2018, Zahl XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.12.2019, zu Recht:

A.)

I. Die Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.

II. Im Übrigen wird der Beschwerde stattgegeben und festgestellt, dass die Rückkehrentscheidung gegen XXXX , auf Dauer unzulässig ist.

Gemäß §§ 54 iVm 55 und 58 Abs. 2 AsylG 2005 wird XXXX der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die volljährige Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF), eine ukrainische Staatsangehörige, reiste im Juni 2014 gemeinsam mit ihrem Vater, ihrer Stiefmutter, ihrem Halbbruder und ihrer Schwester in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 17.06.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Bei der mit einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes durchgeführten Erstbefragung der BF am 21.06.2014 führte diese zu ihrem Fluchtgrund befragt zusammenfassend aus, dass in ihrem Heimatort Krieg vorherrsche, weshalb ihr Vater entschieden habe, nach Europa zu fliehen. Sie habe im Herkunftsstaat einen Universitätsabschluss im Bereich Lebensmitteltechnologie erlangt und vor ihrer Ausreise als Kellnerin gearbeitet.

3. Die BF wurde am 30.06.2017 vom BFA niederschriftlich einvernommen und brachte zusammengefasst vor, dass sie aus Donezk stamme und sich seit dem 17.06.2014 in Österreich aufhalte. Befragt, welche Schul-bzw. Berufsausbildung sie bisher absolviert habe, erklärte die BF, dass sie im Herkunftsstaat von 1994 bis 2005 die Grund-bzw. die Mittelschule besucht habe und von 2005 bis 2006 an der Universität für Wirtschaft und Handel in Donezk studiert habe und von 2006 bis 2011 den Studiengang "Ingenieurwesen Lebensmitteltechnologie" an der Akademie für Lebensmitteltechnologie in Odessa mit einem Masterabschluss abgelegt habe. Ihre Abschlussarbeit habe sie über das Thema " XXXX " verfasst. Auf Aufforderung, ihr Berufsleben die letzten drei Jahre vor ihrer Ausreise zu schildern, führte die BF aus, dass sie in den letzten drei Jahren ihres Studiums als Kellnerin gearbeitet habe. Zum Fluchtgrund befragt, gab die BF zu Protokoll, dass ihr Vater am 28.05.2014 vermutlich von einer Gruppe direkt vor dem Elternhaus krankenhausreif geschlagen worden sei. Sie habe zwar Polizei und Notarzt verständigt, es sei jedoch niemand gekommen. Zuvor habe sich bereits gegen ihre Person ein Angriff ereignet, bei dem sie von einer Gruppe junger Männer, zwei davon uniformiert, attackiert worden sei. Sie seien betrunken gewesen und hätten die BF festgehalten und in weiterer Folge geohrfeigt sowie beleidigt, sie habe jedoch zu einem Bekannten ins Auto steigen und fliehen können. Die Polizei habe eine Anzeige nicht entgegengenommen, da sie keine Verletzungen aufgewiesen habe. Überdies sei sie auch in der Schule diskriminiert worden, da Mädchen mit einem Kopftuch ausgelacht werden würden. Sie sei von der Familie ihrer Mutter gezwungen worden, die orthodoxe Kirche zu besuchen. Ihre Mutter habe ihren Vater mit einem Messer angegriffen und ihn verleumdet, woraufhin er von der Polizei ebenfalls geschlagen worden sei. Zudem habe es im ukrainischen Nachtleben weitere Vorfälle mit Betrunkenen gegeben, die sie beleidigt hätten. Sie habe im Zuge ihres Studiums ein Praktikum als Köchin und Kellnerin in der Westukraine absolviert und ihr sei mitgeteilt worden, dass Ausländer nicht willkommen seien.

Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme wurden von der BF ein Zeitungsartikel über ihre ehrenamtliche Kochtätigkeit vom Mai 2017, ein Foto von einer Preisverleihung, eine Stellungnahme vom 26.06.2017 über die ehrenamtliche Tätigkeit der BF in einem Verein, 19 Stellungnahmen und Unterstützungserklärungen von Personen aus dem persönlichen und beruflichen Umfeld der BF, ein Zertifikat vom 27.08.2015 über die Teilnahme an zwei Seminartagen des Trainings "How to teach your mother tongue", eine Bestätigung vom 26.06.2017 über den Abschluss einer "fachspezifischen Ausbildung für Basisbildungstrainerinnen" sowie über ein ehrenamtliches Engagement für den Verein "das kollektiv", ein Zertifikat vom Jänner 2017 über den Abschluss des Lehrganges "fachspezifische Ausbildung für Basisbildungstrainerinnen", ein Zertifikat vom 14.02.2017 über ein gut bestandenes ÖSD Zertifikat auf dem Niveau B2, eine Teilnahmebescheinigung vom 12.06.2015 über den Besuch der Bildungsveranstaltung "Deutsch B2 Teil 2" vom 21.05.2015 bis zum 12.06.2015, eine Teilnahmebestätigung vom 05.12.2014 über die Teilnahme an der Bildungsveranstaltung "Deutschkurs für AsylwerberInnen-Stufe 4" vom 16.10.2014 bis zum 05.12.2014, eine Teilnahmebescheinigung vom 03.04.2015 über den Besuch der Bildungsveranstaltung "Deutsch B1 Teil 1" vom 16.03.2015 bis zum 03.04.2015, eine Bestätigung vom 09.11.2016 über die Teilnahme an einem Basisworkshop bei Radio FRO, eine Referenz über die Unterstützungsleistungen der BF für einen Verein als freiwillige Botschafterin im Rahmen eines Projekts, ein Tätigkeitsnachweis vom 30.08.2015 als ehrenamtliche Mitarbeiterin des Küchenteams für Musikprojektwochen für Mädchen vom 30.08.2015, eine Bestätigung einer Vernetzungsstelle für Frauen in Kunst und Kultur in XXXX über ehrenamtlich geleistete Tätigkeiten vom 23.08.2015 bis zum 29.08.2015, ein Nachweis vom 25.06.2016 über eine freiwillige Tätigkeit im Rahmen einer Freiwilligenmesse vom 21.-25.Juni 2017, drei Bestätigungen vom 24.02.2016 sowie vom 01.02.2017 und vom 26.06.2017 über eine regelmäßige ehrenamtliche Mithilfe in der Küche eines Sozialvereins seit September 2015, Bestätigung eines Vereinsvorstandes vom 23.06.2017 über die Tätigkeit der BF als Kursleiterin im Rahmen mehrerer Workshops, weiteres Empfehlungsschreiben einer Mitarbeiterin der "Werkstatt der Kulturen der Welt" vom 27.06.2017, eine Bestätigung eines Vereins über eine ehrenamtliche Tätigkeit vom 01.02.2017 bei der Organisation und Durchführung von Festen und Veranstaltungen sowie als Stützkraft bei Deutschkursen und Alphabetisierungskursen, eine Bestätigung vom 23.03.2015 über eine ehrenamtliche Tätigkeit im interkulturellen Begegnungszentrum seit dem 17.06.2014, eine Einstellungszusage vom 28.06.2017 über die Zulassung der BF zum österreichischen Arbeitsmarkt als Trainerin für Alphabetisierung für 30 Stunden in der Woche in einem Verein, eine Bestätigung der Caritas vom 27.06.2017 über eine Tätigkeit als Dolmetscherin und mehrere ukrainische Personaldokumente in Vorlage gebracht.

4. In einer Stellungnahme zur Ländersituation vom 13.07.2017 wurde von der BF ausgeführt, dass aus den Länderberichten hervorgehe, dass in der Ostukraine trotz Waffenstillstandabkommen nach wie vor keine Ruhe vorherrsche und seit Juni wieder bewaffnete Kämpfe stattfinden würden. Ihr Vater und sie selbst seien in der Ukraine mehrmals angegriffen worden. Überdies seien sie wegen ihrer Nationalität und Religion diskriminiert worden und seien oft Opfer von fremdenfeindlichen und rassistischen Angriffen gewesen. Sie habe bereits eine Ausbildung als "Basisbildungslehrerin" absolviert und bei der Caritas als Dolmetscherin sowie als Reinigungskraft gearbeitet. Zudem habe sie ein B2 Zertifikat absolviert und mehrere Workshops besucht. Seit 2014 arbeite sie freiwillig für einen Verein, wo sie Deutsch-Alphabetisierung unterrichte oder für diverse Veranstaltungen koche. Seit mehr als zwei Jahren sei sie bereits zweimal wöchentlich als Köchin für einen Verein tätig. Sie unterrichte außerdem Russisch, leite Kochworkshops und habe in drei Jahren in Österreich bei drei Kochbüchern mitgewirkt. Weiters sei sie oftmals bei dem Projekt X-Change dabei, indem sie in Schulen über ihr Leben als Asylwerberin erzähle. Sie erhalte als Gegenleistung für ihre Tätigkeiten als Köchin Deutschunterricht. Überdies habe die BF bereits Dialekt Workshops besucht und lerne auch Italienisch sowie Persisch. Sie habe seit zwei Jahren einen Freund, der sowohl italienischer als auch österreichischer Staatsbürger sei und habe in Österreich bereits zahlreiche Freunde und Freundinnen gefunden. Im Rahmen der Stellungnahme wurden von der BF ein ärztlicher Ambulanzbericht vom 31.10.2016 mit den Diagnosen "rezidiv Schwankschwindel sowie rezidiv Panikattacken", eine Bestätigung der Caritas vom 03.07.2017 über die Tätigkeit als Dolmetscherin Russisch/Deutsch und eine Medikamentenverordnung vom 04.11.2016 mit der Diagnose "Anpassungsstörung mit Störungen von anderen Gefühlen" unter Empfehlung einer entsprechenden Medikation angeschlossen.

5. Mit dem Bescheid vom 08.05.2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag auf internationalen Schutz der BF sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 leg.cit. in Bezug auf den Herkunftsstaat Ukraine ab (Spruchpunkt II.) und erteilte ihr keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Ukraine zulässig sei (Spruchpunkte III.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.).

Zusammenfassend führte das BFA aus, dass die BF zu ihren Asylgründen befragt ausgeführt habe, dass sie ihre Heimat verlassen habe, dass sich sowohl im Februar als auch im Mai 2014 Angriffe auf sie ereignet hätten und die Behörden deswegen nicht tätig geworden seien. In der Erstbefragung habe die BF allerdings lediglich die schlechte Situation aufgrund des Krieges als Fluchtgrund ins Treffen geführt. Es sei daher evident, dass die BF das Vorbringen im Laufe des Asylverfahrens gesteigert habe, was nicht gerade für die Glaubwürdigkeit des Vorbringens spreche. Die Tatsache, dass der Vater der BF es immer geschafft habe, den eigenen Lebensunterhalt und den Lebensunterhalt der Familie sicherzustellen und der BF sowie ihrer Schwester ein Studium ermöglicht habe, lasse Rückschlüsse darauf zu, dass die Angehörigen der Volksgruppe der Afghanen in der Ukraine keine landesweite Verfolgung zu vergegenwärtigen hätten. Eine Schutzunwilligkeit oder Schutzunfähigkeit der ukrainischen Behörden sei den Ausführungen der BF nicht zu entnehmen gewesen. Es könne durchaus sein, dass die ukrainische Polizei im Fall der BF keinen Handlungsbedarf gesehen habe und die Anzeige nicht behandelt habe. Dieses Verhalten lasse jedoch nicht die Annahme zu, die Anzeige sei aufgrund der Tatsache, dass ihr Vater afghanischer Herkunft und ihre Mutter ukrainischer Herkunft sei, nicht behandelt worden. Ihre Schilderungen zu den Motiven der Täter sei ebenfalls nicht zu entnehmen, dass sie aufgrund ihrer afghanischen Herkunft geschlagen worden sei, sondern dass sie ein Opfer einfacher Kriminalität geworden sei. Auch aus den aktuellen Länderfeststellungen sei nicht zu entnehmen, dass Angehörige der Volksgruppe der Afghanen bzw. Angehörige des Islam in der Ukraine landesweite Gruppenverfolgung zu gewärtigen hätten oder aktuell zu gewärtigen hätten. Die Behörde gehe vielmehr davon aus, dass allein wirtschaftliche Probleme bzw. Arbeitslosigkeit die BF veranlasst habe, ihrer Heimat den Rücken zu kehren. Im Ergebnis sei festzustellen, dass die Angaben zu den behaupteten Ausreisegründen sich als nicht nachvollziehbar und daher als nicht asylrelevant erwiesen und daher den weiteren Feststellungen und Erwägungen nicht zu Grunde gelegt werden könnten.

6. Gegen diesen Bescheid erhob die BF durch ihren bevollmächtigten Vertreter am 21.06.2018, am 25.06.2018 beim BFA eingelangt, fristgerecht durch ihren bevollmächtigten Vertreter eine Beschwerde, in denen der Bescheid in vollem Umfang angefochten wurde. Zusammenfassend wurde vorgebracht, dass die belangte Behörde ihren Ermittlungspflichten nicht im ausreichenden Maße nachgekommen sei und das Verfahren daher mit schwerwiegenden Mängeln belastet habe. Die Feststellung der Behörde, dass die BF in ihrem Herkunftsland keiner asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt sei, sei unrichtig. Die BF habe glaubhaft und schlüssig vorgebracht, dass sie in der Ukraine verfolgt werde, weil sie afghanischer Abstammung sowie dunkelhäutig und daher in ihrem Heimatland rassistisch motivierter Gewalt unterlegen sei. Wenn die Behörde der BF vorhalte, sie habe keine asylrelevanten Probleme oder behördliche Verfolgung vorgebracht, so sei dies unrichtig. Tatsächlich habe die BF in der Einvernahme erwähnt, dass sie im Heimatland massivster Verfolgung unterlegen sei und die heimischen Behörden sie nicht ausreichend geschützt hätten. Hinsichtlich der vorgelegten Beweismittel sei anzumerken, dass die belangte Behörde nicht alle Beweismittel aufgenommen habe. Es sei daher festzustellen, dass das Ermittlungs-und Beweisverfahren nicht annähernd den dafür vorgesehenen Grundsätzen entsprochen habe. Bei richtiger Beurteilung des von der BF erstatteten Fluchtvorbringens hätte die Erstbehörde zumindest-schon alleine angesichts der prekären Sicherheitslage in der Ukraine- den Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf deren Herkunftsstaat zuzuerkennen müssen, da die BF nicht in der Lage sei, eine Arbeit zu finden. Auch die restliche Familie der BF könnte diese nicht unterstützen, da keine ausreichenden finanziellen Mittel vorhanden seien. Die BF sei strafgerichtlich unbescholten und ihr Aufenthalt in Österreich gefährde weder die öffentliche Ruhe oder Ordnung noch die nationale Sicherheit oder das öffentliche Wohl. Der Eingriff in das schützenswerte Privatleben der BF sei als unverhältnismäßig zu qualifizieren und daher auf Dauer unzulässig. Die BF habe sich während ihres mittlerweile mehr als vierjährigen legalen Aufenthaltes in Österreich sehr gut integriert. Sie spreche auf hohem Niveau Deutsch und habe bereits einen großen Freundes-und Bekanntenkreis in Österreich aufgebaut. Überdies beteilige sie sich am sozialen und kulturellen Leben in Österreich, sei auch für karitative Einrichtungen in einem nicht unerheblichen Ausmaß unentgeltlich tätig und habe sich um die bestmögliche Integration bemüht. Der BF mangelnde Integration zu unterstellen sei eine absolute Verkennung der Sach-und Rechtslage. Die BF habe bereits sämtliche sozialen Kontakte zu ihren Herkunftsländern abgebrochen und ihren Lebensunterhalt mittlerweile ausschließlich in Österreich begründet. Zum Beweis der Integration der Familie wurde ein Konvolut an Unterstützungsschreiben, Zeugnissen und Arbeitsbestätigungen vorgelegt. Beantragt wurde, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Der Beschwerde wurden zahlreiche Fotos sowie Unterstützungserklärungen angeschlossen.

7. Die gegenständliche Beschwerde langte samt Verwaltungsakten am 05.07.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

8. Mit Erkenntnis vom 05.07.2018 wurde der Beschwerde gegen die Spruchpunkte IV des angefochtenen Bescheides stattgegeben und diese ersatzlos behoben. Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Begründend wurde ausgeführt, dass zur Überprüfung der Glaubhaftigkeit der Angaben der BF unter Berücksichtigung des im Entscheidungszeitpunkt aktuellen Berichtsmaterials zur Lage in der Ukraine eine mündliche Verhandlung durchzuführen sei.

9. Mit Eingabe vom 11.12.2019, beim Bundesverwaltungsgericht am 16.12.2019 eingelangt, wurden von der BF Dienstleistungschecks einer Bank, ein Dienstschein für die Tätigkeit als Erntehelferin vom 15.04.2019 mit einem Bruttolohn von 1230,- Euro, eine Lohn-/Gehaltsabrechnung vom April sowie vom September 2019 über einen Bruttolohn in Höhe von 572,29,- Euro bzw. 430,50,-, eine Bestätigung über eine antragslose Arbeitnehmerveranlagung vom 06.08.2019, ein freier Dienstvertrag vom 04.09.2019 zwischen der BF und einem Verein für die Vornahme von Kochworkshops, eine Lohn/Gehaltsabrechnung vom Oktober 2019 über einen Bruttolohn in Höhe von 789,26,-Euro, eine Bestätigung vom 21.10.2019 über absolvierte Freiwilligenarbeit als Küchenleitung, eine Stellungnahme vom 10.12.2019 über die erfolgreiche Integration der BF und eine Meldung des AMS über das Ende einer Beschäftigung vom 03.07.2019 in Vorlage gebracht.

10. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 19.12.2019 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Russisch und im Beisein des Rechtsvertreters der BF eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der die BF ausführlich zu ihren persönlichen Umständen und ihren Fluchtgründen befragt wurde. Ein Vertreter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl hat an der Verhandlung nicht teilgenommen; die Verhandlungsschrift wurde der Erstbehörde übermittelt. Mit der BF wurde die Situation aufgrund der vorliegenden Länderfeststellungen besprochen und ihr ausführlich Gelegenheit eingeräumt, hierzu Stellung zu nehmen.

Die einvernommene BF gab zu Protokoll, dass sie Russisch, Ukrainisch, Polnisch, Englisch, Deutsch und etwas Paschtu beherrsche. Sie sei seit September im freien Gewerbe selbstständig und wolle auch weiterhin im Catering tätig sein, da ihr in Odessa abgelegtes Diplom bereits anerkannt worden sei. Befragt, wie lange sie in der Ukraine gelebt habe, entgegnete die BF, dass sie insgesamt 25 Jahre in diesem Land aufhältig gewesen sei. Seit fünf Jahren sei sie mit einem österreichischen Staatsbürger zusammen, mit dem sie jedoch nicht im gemeinsamen Haushalt wohne. Auf die Frage des Rechtsvertreters, ob es gegen sie im Herkunftsstaat rassistische Angriffe gegeben habe, gab die BF zu Protokoll, dass es in der Ukraine keine Bushaltestelle gegeben habe und von zwei Männern ihres Dorfes geschlagen worden sei, die im Dorf bekannt gewesen sei und alle Freiheiten genossen hätten. Überdies habe es verbale Vorfälle wie feindliche Äußerungen gegeben habe und sie sei selbst bei Bewerbungsprozessen benachteiligt worden.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung brachte die BF eine Honorarnote vom 16.12.2019 über die Unterstützung und Anleitung bei der Vorbereitung eines Buffets am 20.12.2019, eine Teil-Versicherungsbestätigung der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft vom 18.12.2019 über einen Versicherungsschutz von 31.10.2019 bis laufend, eine Lohn/Gehaltsabrechnung vom September 2019 über einen Bruttolohn in Höhe von 430,50,- Euro, eine Einstellungszusage vom 19.12.2019 über die Zulassung zum österreichischen Arbeitsmarkt als Trainerin für Alphabetisierung, eine Bestätigung über eine ehrenamtliche Tätigkeit vom 19.12.2019, ein Empfehlungsschreiben eines Arbeitsgebers der BF, ein Arbeitszeugnis eines Spargelhofes vom 10.11.2019 über eine Tätigkeit als Erntehelferin vom 15.04.2019 bis zum 25.05.2019, eine Stellungnahme vom 10.12.2019 über das überdurchschnittliche Engagement der BF, eine Lohn/Gehaltsrechnung vom Oktober 2019 über einen Bruttolohn in Höhe von 789, 26,- Euro, weitere Empfehlungsschreiben, eine Bestätigung vom 03.07.2017 über den Einsatz als Dolmetscherin für die Sprachen Russisch/Deutsch, mehrere Fotos über Kochtätigkeiten der BF und eine Lohn/Gehaltsabrechnung vom April 2019 über einen Bruttolohn in Höhe von 572,29,- Euro in Vorlage gebracht.

Überdies wurden von der BF ein Auszug aus dem elektronischen Datensammelsystem der Sozialversicherungsträger und eine Einnahmen-/Ausgabenrechnung für das Jahr 2019 für den Unternehmensgegenstand "Kochworkshops" vorgelegt.

11. In einer Stellungnahme der bevollmächtigten Vertreterin vom 09.01.2020, beim Bundesverwaltungsgericht am 10.01.2020 eingelangt, wurde ausgeführt, dass der Vater der BF und seine Kinder in der Ukraine regelmäßig Opfer rassistischer Übergriffe gewesen seien, die sowohl verbal als auch psychisch erfolgt und zum Teil lebensgefährlich gewesen seien. Dies sei auf seine ethnische Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Afghanen zurückzuführen. Die Familie sei in dem von Separatisten kontrollierten Teil der Ukraine, aus welchem sie stamme, diesen Übergriffen schutzlos ausgeliefert, da der ukrainische Staat keine Handhabe habe und die Polizei nicht willens sei, die BF vor Übergriffen zu schützen. Wegen der Schutzunwilligkeit der ukrainischen Behörden hinsichtlich der Verfolgung aus rassistischen und religiösen Gründen gegen die BF, sei der BF somit Asyl zuzuerkennen. Bestimmte Vorfälle, wie die schweren körperlichen Übergriffe auf den Vater der BF, würden jedenfalls einen Schweregrad, welche die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten jedenfalls begründen könnten. Eine innerstaatliche Fluchtalternative bestehe nicht, da rassistische Übergriffe durch nationalistische Gruppen in der ganzen Ukraine stattfinden könnten. Wie in der mündlichen Verhandlung vorgebracht und durch zahlreiche Dokumente nachgewiesen worden sei, sei die BF außergewöhnlich gut in Österreich integriert und bereits seit mehr als fünfeinhalb Jahren in Österreich. Daher sei eine Rückkehrentscheidung für unzulässig zu erklären und ein Aufenthaltstitel nach Art. 8 EMRK zu erteilen. Der Stellungnahme wurde ein Empfehlungsschreiben die BF betreffend in Vorlage gebracht.

12. Mit Schreiben vom 19.03.2020 wurde die Bestätigung einer Saison-Beschäftigungsbewilligung von April bis Juni 2020 übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person der BF

1.1.1. Die BF ist eine ukrainische Staatsangehörige und gehört der Volksgruppe der Paschtunen und der muslimischen Religionszugehörigkeit an. Sie ist in Donezk geboren und auch dort aufgewachsen.

Die BF ist volljährig, im erwerbsfähigen Alter und spricht Russisch, Ukrainisch, Polnisch, Englisch, Deutsch und etwas Paschtu. Sie hat im Herkunftsstaat die Grundschule sowie die Mittelschule besucht und anschließend an der Universität Donezk für Wirtschaft und Handel besucht sowie an einer Universität in Odessa das Studium Ingenieurwesen und Lebensmitteltechnologie inskribiert, welches sie mit dem Mastertitel abgeschlossen hat. Sie ist in der Ukraine vor ihrer Ausreise als Kellnerin tätig gewesen.

Die BF reiste mit ihrem Vater, ihrer Schwester sowie ihrer Stiefmutter ins österreichische Bundesgebiet ein. Der Vater der BF hat ein Gewerbe für die Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen oder Kraftfahrzeugen mit Anhängern, deren höchst zulässiges Gesamtgewicht insgesamt 3.500 kg nicht übersteigt. Im Herkunftsstaat lebt die Mutter der BF, zu der sie jedoch keinen Kontakt mehr hat.

Die BF hat im Bundesgebiet an zahlreichen Seminaren, Projekten und Workshops teilgenommen, bei der Verfassung dreier Kochbücher mitgeholfen sowie eine fachspezifische Ausbildung als Basisbildungstrainerin absolviert und wurde vom österreichischen Arbeitsmarkt als Trainerin für Alphabetisierung zugelassen. Zudem war sie als Dolmetscherin und Lehrerin für die russische Sprache sowie als Erntehelferin und als Reinigungskraft tätig. Sie ist sowohl als Kursleiterin für mehrere Workshops als auch die Organisation von Festen zuständig. Die BF hat einen großen Freundeskreis in Österreich und ist seit mehr als zwei Jahren mit einem österreichischen und italienischen Staatsbürger zusammen. Sie ist bereits seit 2014 Mitglied in mehreren Vereinen, in denen sie durch ihre Kochleistungen sowie ehrenamtliche Tätigkeiten als Botschafterin und durch ihren organisatorischen Einsatz im Rahmen von Projetwochen bereits mehrere Jahre hindurch mitwirkte. Zahlreiche Unterstützungserklärungen, Fotos und Empfehlungsschreiben aus ihrem privaten und persönlichen Umfeld bekräftigen das im Verfahren hervorgekommene außerordentliche Engagement und die überdurchschnittliche Integration der BF in der österreichischen Gesellschaft. Sie beherrscht die deutsche Sprache, hat mehrere Bildungsveranstaltungen sowie Deutschkurse besucht und hat ein Zertifikat gut bestanden, durch welches bestätigt wird, dass sie über Kenntnisse der deutschen Sprache auf dem B2-Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen verfügt. Die BF ist seit 2019 selbstständige Einzelunternehmerin für Kochworkshops und bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft versichert.

1.1.3. Die BF leidet an keiner schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Erkrankung und ist strafgerichtlich unbescholten. Die BF stand im Jahr 2016 aufgrund der Diagnosen "rezidiv Schwankschwindel sowie rezidiv Panikattacken", und der Diagnose "Anpassungsstörung mit Störungen von anderen Gefühlen" in ärztlicher Behandlung.

1.2. Zum Fluchtvorbringen der BF

Die BF ist keiner konkreten, asylrelevanten Verfolgung bzw. Bedrohung aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit oder Religionszugehörigkeit im Herkunftsstaat Ukraine ausgesetzt.

1.4. Zur maßgeblichen Situation in der Ukraine:

Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 24.04.2019, Präsidentschaftswahlen (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage)

Der ukrainische Schauspieler, Jurist und Medienunternehmer Wolodymyr Oleksandrowytsch Selenskyj gewann laut vorläufigem Endergebnis am 21. April die Präsidentschaftsstichwahl der Ukraine gegen den Amtsinhaber Petro Poroschenko mit 73,2% zu 24,5% der abgegebenen Stimmen (Wahlbeteiligung: 61,4%) (DS 21.4.2019; ZO 21.4.2019; ZDF 23.4.2019). Beobachtern zufolge verlief die Wahl im Großen und Ganzen frei und fair und entsprach generell den Regeln des demokratischen Wettstreits. Kritisiert wurden unter anderem die unklare Wahlkampffinanzierung und die Medienberichterstattung in der Wahlauseinandersetzung (KP 22.4.2019).

Es ist ziemlich unklar, wofür der designierte Präsident Selenskyj steht, bzw. was man politisch von ihm erwarten darf. Bekannt geworden ist Selenskyj durch die beliebte ukrainische Fernsehserie "Diener des Volkes", in der er einen einfachen Bürger spielt, der eher zufällig Staatspräsident wird und dieses Amt mit Erfolg ausübt. Tatsächlich hat Selenskyj keine nennenswerte politische Erfahrung, ist dadurch jedoch auch unbefleckt von politischen Skandalen. Eigenen Aussagen zufolge will er den Friedensplan für den umkämpften Osten des Landes wiederbeleben und strebt wie Poroschenko einen EU-Beitritt an. Über einen Nato-Beitritt der Ukraine soll jedoch eine Volksabstimmung entscheiden (DS 21.4.2019; ZO 21.4.2019). Selenskyj hat sich vor allem den Kampf gegen die Korruption auf seine Fahnen geschrieben (UA 27.2.2019).

Kritiker sehen Selenskyj als Marionette des Oligarchen Igor Kolomojskyj, dessen weitgehende Macht unter Präsident Poroschenko stark beschnitten wurde, und auf dessen Fernsehsender 1+1 viele von Selenskyjs Sendungen ausgestrahlt werden. Diesen Vorwurf hat Selenskyj stets zurückgewiesen (UA 27.2.2019; CNN 21.4.2019; Stern 23.4.2019).

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--Quellen: - CNN - Cable News Network (21.4.2019): Political newcomer Volodymyr Zelensky celebrates victory in Ukraine's presidential elections,

https://edition.cnn.com/2019/04/21/europe/ukraine-election-results-intl/index.html, Zugriff 24.4.2019 - DS - Der Standard (21.4.2019): Politikneuling Selenski wird neuer Präsident der Ukraine, https://derstandard.at/2000101828722/Politik-Neuling-Selenski-bei-Praesidenten-Stichwahlin-der-Ukraine-vorn, Zugriff 24.4.2019 - KP - Kyiv Post (22.4.2019): Election watchdog Opora: Presidential election free and fair, https://www.kyivpost.com/ukraine-politics/election-watchdog-opora-presidential-election-freeand-fair.html, Zugriff 24.4.2019

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--- Stern (23.4.2019): Ihor Kolomojskyj, der milliardenschwere Strippenzieher hinter der Sensation Selenskyj, https://www.stern.de/politik/ausland/ukraine-ihor-kolomojskyj--derstrippenzieher-hinter-der-sensation-selenskyj-8678850.html, Zugriff 24.4.2019 - UA - Ukraine Analysen (27.2.2019):

Präsidentschaftswahlen 2019, per E-Mail - ZDF - Zweites Deutsches Fernsehen (23.4.2019): Ukraine: Vorläufiges Ergebnis. Selenskyj gewinnt Wahl mit 73 Prozent,

https://www.zdf.de/nachrichten/heute/nach-der-wahl-in-derukraine-vorlaeufiges-ergebnis-steht-fest-100.html, Zugriff 24.4.2019 - ZO - Zeit Online (21.4.2019): Komiker Wolodymyr Selenskyj gewinnt Präsidentschaftswahl, https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-04/ukraine-wahl-komiker-wolodymyr-selenskyj-liegtlaut-prognosen-vorne, Zugriff 24.4.201

KI vom 09.01.2019, Kriegsrecht beendet (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hat wie angekündigt, das für Teile der Ukraine verhängte 30-tägige Kriegsrecht, nicht verlängert. Es lief damit wie geplant am 26.12.2018 um 13 Uhr (MEZ) aus. Der Präsident betonte, das Kriegsrecht habe in keiner Weise den Alltag der Zivilbevölkerung beeinflusst (ZO 26.12.2018; vgl. DW 26.12.2018).

Quellen: - DW - Deutsche Welle (26.12.2018): Poroschenko beendet das Kriegsrecht,

https://www.dw.com/de/poroschenko-beendet-das-kriegsrecht/a-46868008, Zugriff 9.1.2019 - ZO - Zeit Online (26.12.2018): Kriegsrecht in der Ukraine ist beendet,

https://www.zeit.de/politik/ausland/2018-12/petro-poroschenko-ukraine-kriegsrechtbeendet, Zugriff 9.1.2019

KI vom 28.11.2018, 30 Tage Kriegsrecht für bestimmte Oblaste verhängt (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Das ukrainische Parlament hat am 26. November dem Antrag von Präsident Poroschenko zugestimmt, in Teilen des Landes für 30 Tage das Kriegsrecht zu verhängen. Betroffen sind die "gegenüber russischer Aggression verwundbarsten Regionen" des Landes (siehe Karte) (RFE/RL 26.11.2018).

...

Das Kriegsrecht ermöglicht in den genannten Oblasten eine teilweise Mobilisierung, eine Stärkung der Luftverteidigung sowie eine nicht näher spezifizierte Stärkung des Konterspionage-, Konterterrorismus- und Kontersabotage-Regimes und der Informationssicherheit. Von den 450 Abgeordneten der Obersten Rada (ukrainisches Parlament) stimmten nach hitziger Debatte 276 für und 30 gegen den Antrag. Zuerst hatte Poroschenko die Maßnahme noch für 60 Tage gefordert, das aber später reduziert (RFE/RL 26.11.2018).

Anlass für diesen in der ukrainischen Geschichte beispiellosen Schritt, war ein Vorfall in der Meerenge von Kertsch (der einzigen Zufahrt zum Asowschen Meer) vom vergangenen Wochenende, bei dem die russische Küstenwache Patrouillenboote der ukrainischen Marine erst beschoss, einen Schlepper rammte und die Boote danach festsetzte und insgesamt 23 ukrainische Seeleute inhaftierte. Russland behauptet, die ukrainischen Seefahrzeuge hätten illegal russische Gewässer befahren. Seit die ukrainische Krimhalbinsel von Russland annektiert worden ist, gibt es gehäuft Probleme beim freien Zugang zum Asowschen Meer und damit zum für die ukrainische Wirtschaft so wichtigen Hafen Mariupol. Mittlerweile hat Russland auch eine Brücke über die Meerenge von Kertsch gebaut (RFE/RL 26.11.2018).

Präsident Poroschenko sagte vor der Debatte im Parlament, die Verhängung des Kriegsrechts sei nötig, damit die Ukraine unverzüglich die Verteidigung stärken kann, um im Falle einer Invasion schnell reagieren zu können. Dies bedeute jedoch nicht, dass die Ukraine offensive Operationen unternehmen wolle; es gehe ausschließlich um den Schutz des Territoriums und die Sicherheit der Bürger. Das Kriegsrecht sieht Dutzende Handlungsoptionen vor, die ergriffen werden können - aber nicht müssen. Diese müssen vor Inkrafttreten von der Regierung festgelegt werden. So gehen die Polizeiaufgaben in Kampfgebieten an die Armee über. Das Militär erhält erweiterte Rechte und ist beispielsweise berechtigt, Ausgangssperren zu verhängen sowie Wohnungsdurchsuchungen und Verkehrs- und Personenkontrollen vorzunehmen. Männer im wehrpflichtigen Alter unterliegen Meldeauflagen. Auch ist es während des Kriegsrechts verboten, Verfassungsänderungen, Parlaments- oder Präsidentenwahlen durchzuführen. Das Kriegsrecht lässt aber keine Folter zu. Bei Rechtsverstößen können nur reguläre Gerichte urteilen. Zusätzlich können weitere Maßnahmen getroffen werden wie Einschränkung der Pressefreiheit, Kontrollen oder Einschränkungen der Kommunikationsmittel usw. Im Gesetz ist festgehalten, dass das Kriegsrecht nach dem festgelegten Zeitraum enden muss. Eine Verlängerung würde dementsprechend einen erneuten Antrag des Präsidenten erfordern. Allerdings kann das Kriegsrecht auch frühzeitig beendet werden. Das derzeit geltende Kriegsrecht gilt für 30 Tage. Es trat am 28. November 2018, 9 Uhr morgens in Kraft und endet am 27. Dezember 2018 (SO 27.11.2018).

Präsidentschaftswahlen in der Ukraine sind für den 21. März 2019 angesetzt und sollen wie geplant stattfinden (RFE/RL 26.11.2018).

--Quellen: - RFE/RL - Radio Free Europe / Radio Liberty (26.11.2018): Ukraine Backs Martial Law After Gunfire At Sea, https://www.rferl.org/a/ukrainian-lawmakers-to-considermartial-law-proposal-after-russia-opens-fire-on-ships-in-black-sea/29620128.html?

ltflags=mailer, Zugriff 28.11.2018 - RFE/RL - Radio Free Europe / Radio Liberty (27.11.2018): Ukraine's Martial Law, https://www.rferl.org/a/ukraines-martial-law/29623833.html?ltflags=mailer, Zugriff 28.11.2018 - SO - Spiegel Online (27.11.2018): So weitreichend ist das ukrainische Kriegsrecht, http://www.spiegel.de/politik/ausland/ukraine-was-bedeutet-das-kriegsrecht-a1240658.html, Zugriff 28.11.201

KI vom 19.12.2017, Antikorruption (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage, Abschnitt 4/Rechtsschutz/Justizwesen und Abschnitt 7/Korruption)

Die Ukraine hat seit 2014 durchaus Maßnahmen gesetzt, um die Korruption zu bekämpfen, wie die Offenlegung der Beamtenvermögen und die Gründung des Nationalen Antikorruptionsbüros (NABU). Gemeinsam mit dem ebenfalls neu geschaffenen Antikorruptionsstaatsanwalt kann das NABU viele Fälle untersuchen und hat einige aufsehenerregende Anklagen vorbereitet, u.a. wurde der Sohn des ukrainischen Innenministers festgenommen. Doch ohne ein spezialisiertes Antikorruptionsgericht läuft die Arbeit der Ermittler ins Leere, so die Annahme der Kritiker, da an normalen Gerichten die Prozesse erfahrungsgemäß eher verschleppt werden können. Das Antikorruptionsgericht sollte eigentlich bis Ende 2017 seine Arbeit aufnehmen, wurde aber noch immer nicht formell geschaffen. Präsident Poroschenko äußerte unlängst die Idee, eine auf Korruption spezialisierte Kammer am Obersten Gerichtshof sei ausreichend und schneller einzurichten. Diesen Vorschlag lehnte jedoch der Internationale Währungsfonds (IWF) ab. Daher bot Poroschenko eine Doppellösung an: Zuerst solle die Kammer eingerichtet werden, später das unabhängige Gericht. Der Zeitplan dafür ist jedoch offen (NZZ 9.11.2017).

Kritiker sehen darin ein Indiz für eine Einflussnahme auf die Justiz durch den ukrainischen Präsident Poroschenko. Mit Juri Luzenko ist außerdem Poroschenkos Trauzeuge Chef der Generalstaatsanwaltschaft, welche von Transparency International als Behörde für politische Einflussnahme bezeichnet wird. Tatsächlich berichtet die ukrainische Korruptionsstaatsanwaltschaft von Druck und Einflussnahme auf ihre Ermittler (DS 30.10.2017).

Ende November 2017 brachten Abgeordnete der Regierungskoalition zudem einen Gesetzentwurf ein, der eine "parlamentarische Kontrolle" über das NABU vorsah und heftige Kritik der westlichen Partner und der ukrainischen Zivilgesellschaft auslöste (UA 13.12.2017). Daraufhin wurde der Gesetzesentwurf wieder von der Tagesordnung genommen (DS 7.12.2017), dafür aber der Vorsitzende des Komitees der Werchowna Rada zur Korruptionsbekämpfung entlassen, welcher die Ernennung des von der Regierung bevorzugten Kandidaten für das Amt des Auditors im NABU blockiert hatte (UA 13.12.2017).

Im Zentrum der ukrainischen Hauptstadt Kiew haben zuletzt mehrere Tausend Menschen für eine Amtsenthebung von Präsident Petro Poroschenko demonstriert. Die Kundgebung wurde von Micheil Saakaschwili angeführt - Ex-Staatschef Georgiens und Ex-Gouverneur des ukrainischen Odessa, der ursprünglich von Präsident Poroschenko geholt worden war, um gegen die Korruption vorzugehen. Saakaschwili wirft Poroschenko mangelndes Engagement im Kampf gegen die Korruption vor und steht seit einigen Wochen an der Spitze einer Protestbewegung gegen den ukrainischen Präsidenten. Mit seinen Protesten will er vorgezogene Neuwahlen erzwingen. Saakaschwili war Anfang Dezember, nach einer vorläufigen Festnahme, von einem Gericht freigelassen worden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen Organisation eines Staatsstreiches (DS 17.12.2017).

Die EU hat jüngst die Auszahlung eines Hilfskredits über 600 Mio. ?

an die Ukraine gestoppt, und der Internationale Währungsfonds (IWF) ist ebenfalls nicht zur Gewährung von weiteren Hilfskrediten bereit, solange der Kampf gegen die grassierende Korruption nicht vorankommt (NZZ 18.12.2017). Der IWF hat die Ukraine aufgefordert, die Unabhängigkeit von NABU und Korruptionsstaatsanwaltschaft zu gewährleisten und rasch einen gesetzeskonformen Antikorruptionsgerichtshof im Einklang mit den Empfehlungen der Venediger Kommission des Europarats zu schaffen (UA 13.12.2017).

Quellen:

--DS - Der Standard (17.12.2017): Tausende fordern in Kiew Amtsenthebung von Poroschenko,

http://derstandard.at/2000070553927/Tausende-fordern-in-Kiew-Amtsenthebung-von-Poroschenko?ref=rec, Zugriff 19.12.2017

--DS - Der Standard (7.12.2017): Interventionen verhindern Gesetz gegen ukrainisches Antikorruptionsbüro, http://derstandard.at/2000069775196/Ukrainischer-Antikorruptionsbehoerde-droht-Verlust-an-Unabhaengigkeit, Zugriff 19.12.2017

--DS - Der Standard (30.10.2017): Die ukrainische Justizfassade bröckelt noch immer,

http://derstandard.at/2000066853489/Die-ukrainische-Justizfassade-broeckelt-noch-immer?ref=rec, Zugriff 19.12.2017

--NZZ - Neue Zürcher Zeitung (18.12.2017): Das politische Risiko in der Ukraine ist zurück,

https://www.nzz.ch/finanzen/das-politische-risiko-in-der-ukraine-ist-zurueck-ld.1340458, Zugriff 19.12.2017

--NZZ - Neue Zürcher Zeitung (9.11.2017): Der ukrainische Präsident verschleppt längst überfällige Reformen, https://www.nzz.ch/meinung/ukraine-revolution-im-rueckwaertsgang-ld.1327374, Zugriff 19.12.2017

--UA - Ukraine Analysen (13.12.2017): Ukraine Analysen Nr. 193, http://www.laender-analysen.de/ukraine/pdf/UkraineAnalysen193.pdf?utm_source=newsletter&utm_medium=email&utm_campaign=Ukraine-Analysen+193&newsletter=Ukraine-Analysen+193, Zugriff 19.12.2017

1. Politische Lage

Die Ukraine ist eine parlamentarisch-präsidiale Republik. Ihr Staatsoberhaupt ist seit 7.6.2014 Präsident Petro Poroschenko. Regierungschef ist seit 14.4.2016 Ministerpräsident Wolodymyr Hroisman. Das Parlament (Verkhovna Rada) der Ukraine besteht aus einer Kammer; 225 Sitze werden über ein Verhältniswahlsystem mit Listen vergeben, 225 weitere Sitze werden in Mehrheitswahl an Direktkandidaten in den Wahlkreisen vergeben. 27 Mandate bleiben aufgrund der Krim-Besetzung und des Konflikts in der Ost-Ukraine derzeit unbesetzt. Im Parlament sind folgende Fraktionen und Gruppen vertreten (mit Angabe der Zahl der Sitze):

Block von Petro Poroschenko (Blok Petra Poroschenka)

142

Volksfront (Narodny Front)

81

Oppositionsblock (Oposyzijny Blok)

43

Selbsthilfe (Samopomitsch)

26

Radikale Partei von Oleh Ljaschko (Radykalna Partija Oleha Ljaschka)

20

Vaterlandspartei (Batkiwschtschyna)

20

Gruppe Wolja Narodu

19

Gruppe Widrodshennja

24

Fraktionslose Abgeordnete

48

 

 

(AA 2.2017a)

Der nach der "Revolution der Würde" auf dem Kiewer Maidan im Winter 2013/2014 und der Flucht von Wiktor Janukowytsch mit großer Mehrheit bereits im ersten Wahldurchgang zum Präsidenten gewählte Petro Poroschenko verfolgt seither mit unterschiedlichen Koalitionen eine europafreundliche Reformpolitik. Zu den Schwerpunkten des Regierungsprogramms gehören die Bekämpfung der Korruption sowie eine Verfassung- und Justizreform. Die Parteienlandschaft ist pluralistisch und reflektiert alle denkbaren Strömungen von national-konservativ bis links-sozialistisch. Die kommunistische Partei ist verboten. Die Regierung Hrojsman, die seit April 2016 im Amt ist, setzt den euroatlantischen Integrationskurs der Vorgängerregierung unter Arseni Jazenjuk fort und hat trotz zahlreicher koalitionsinterner Querelen und zum Teil großer Widerstände wichtige Reformen erfolgreich durchführen können. Gleichwohl sind die Erwartungen der Öffentlichkeit zu Umfang und Tempo der Reformen bei weitem nicht befriedigt (AA 7.2.2017).

Die Präsidentenwahlen des Jahres 2014 werden von internationalen und nationalen Beobachtern als frei und fair eingestuft (USDOS 3.3.2017a).

Ukrainische Bürger können seit 11. Juni 2017 ohne Visum bis zu 90 Tage in die Europäische Union reisen, wenn sie einen biometrischen Pass mit gespeichertem Fingerabdruck besitzen. Eine Arbeitserlaubnis ist damit nicht verbunden. Die Visabefreiung gilt für alle EU-Staaten mit Ausnahme Großbritanniens und Irlands (DS 11.6.2017).

Quellen:

--AA - Auswärtiges Amt (7.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine, https://www.ecoi.net/file_upload/4598_1488455088_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-ukraine-stand-januar-2017-07-02-2017.pdf, Zugriff 31.5.2017

--AA - Auswärtiges Amt (2.2017a): Ukraine, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01-Nodes_Uebersichtsseiten/Ukraine_node.html, Zugriff 31.5.2017

--DS - Der Standard (11.6.2017): Ukrainer feierten Aufhebung der Visapflicht für die EU,

http://derstandard.at/2000059097595/Ukrainer-feierten-Aufhebung-der-Visapflicht-fuer-die-EU, Zugriff 19.6.2017

--USDOS - US Department of State (3.3.2017a): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Ukraine, https://www.ecoi.net/local_link/337222/480033_de.html, Zugriff 31.5.2017

2. Sicherheitslage

Der nach der "Revolution der Würde" auf dem Kiewer Maidan im Winter 2013/2014 und der Flucht von Wiktor Janukowytsch vom mit großer Mehrheit bereits im ersten Wahlgang am 07.06.2014 direkt zum Präsidenten gewählte Petro Poroschenko verfolgt eine europafreundliche Reformpolitik, die von der internationalen Gemeinschaft maßgeblich unterstützt wird. Diese Politik hat zu einer Stabilisierung der Verhältnisse im Inneren geführt, obwohl Russland im März 2014 die Krim annektierte und seit Frühjahr 2014 separatistische "Volksrepubliken" im Osten der Ukraine unterstützt (AA 7.2.2017).

Die ukrainische Regierung steht für einen klaren Europa-Kurs der Ukraine und ein enges Verhältnis zu den USA. Das 2014 von der Ukraine unterzeichnete und ratifizierte Assoziierungsabkommen mit der EU ist zum Jahresbeginn 2016 in Kraft getreten und bildet die Grundlage der Beziehungen der Ukraine zur EU. Es sieht neben der gegenseitigen Marktöffnung die Übernahme rechtlicher und wirtschaftlicher EU-Standards durch die Ukraine vor. Das Verhältnis zu Russland ist für die Ukraine von zentraler Bedeutung. Im Vorfeld der ursprünglich für November 2013 geplanten Unterzeichnung des EU-Assoziierungsabkommens übte Russland erheblichen Druck auf die damalige ukrainische Regierung aus, um sie von der EU-Assoziierung abzubringen und stattdessen einen Beitritt der Ukraine zur Zollunion/Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft herbeizuführen. Nach dem Scheitern dieses Versuchs und dem Sturz von Präsident Janukowytsch verschlechterte sich das russisch-ukrainische Verhältnis dramatisch. In Verletzung völkerrechtlicher Verpflichtungen und bilateraler Verträge annektierte Russland im März 2014 die Krim und unterstützt bis heute die bewaffneten Separatisten im Osten der Ukraine (AA 2.2017c).

Die sogenannten "Freiwilligen-Bataillone" nehmen offiziell an der "Anti-Terror-Operation" der ukrainischen Streitkräfte teil. Sie sind nunmehr alle in die Nationalgarde eingegliedert und damit dem ukrainischen Innenministerium unterstellt. Offiziell werden sie nicht mehr an der Kontaktlinie eingesetzt, sondern ausschließlich zur Sicherung rückwärtiger Gebiete. Die nicht immer klare hierarchische Einbindung dieser Einheiten hatte zur Folge, dass es auch in den von ihnen kontrollierten Gebieten zu Menschenrechtsverletzungen gekommen ist, namentlich zu Freiheitsberaubung, Erpressung, Diebstahl und Raub, eventuell auch zu extralegalen Tötungen. Diese Menschenrechtsverletzungen sind Gegenstand von allerdings teilweise schleppend verlaufenden Strafverfahren. Der ukrainische Sicherheitsdienst SBU bestreitet, trotz anderslautender Erkenntnisse von UNHCHR, Personen in der Konfliktregion unbekannten Orts festzuhalten und verweist auf seine gesetzlichen Ermittlungszuständigkeiten. In mindestens einem Fall haben die Strafverfolgungsbehörden bisher Ermittlung wegen illegaler Haft gegen Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden aufgenommen (AA 7.2.2017).

Seit Ausbruch des Konflikts im Osten der Ukraine in den Regionen Lugansk und Donezk im April 2014 zählte das Büro des Hochkommissars für Menschenrechte der UN (OHCHR) 33.146 Opfer des Konflikts, davon

9.900 getötete und 23.246 verwundete Personen (inkl. Militär, Zivilbevölkerung und bewaffnete Gruppen). Der Konflikt wird von ausländischen Kämpfern und Waffen, die nach verschiedenen Angaben aus der Russischen Föderation in die nicht von der ukrainischen Regierung kontrollierten Gebiete (NGCA) gebracht werden, angeheizt. Zudem gibt es eine massive Zerstörung von zivilem Eigentum und Infrastruktur in den Konfliktgebieten. Auch Schulen und medizinische Einrichtungen sind betroffen. Zuweilen ist vielerorts die Strom- und Wasserversorgung unterbrochen, ohne die im Winter auch nicht geheizt werden kann. Der bewaffnete Konflikt stellt einen Bruch des Internationalen Humanitären Rechts und der Menschenrechte dar. Der Konflikt wirkt sich auf die ganze Ukraine aus, da es viele Kriegsrückkehrern (vor allem Männer) gibt und die Zahl der Binnenflüchtlinge (IDPs) hoch ist. Viele Menschen haben Angehörige, die getötet oder entführt wurden oder weiterhin verschwunden sind. Laut der Special Monitoring Mission der OSZE sind täglich eine hohe Anzahl an Brüchen der Waffenruhe, die in den Minsker Abkommen vereinbart wurde, zu verzeichnen (ÖB 4.2017).

Russland kontrolliert das Gewaltniveau in der Ostukraine und intensiviert den Konflikt, wenn es russischen Interessen dient (USDOS 3.3.2017a).

Quellen:

--AA - Auswärtiges Amt (7.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine, https://www.ecoi.net/file_upload/4598_1488455088_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-ukraine-stand-januar-2017-07-02-2017.pdf, Zugriff 31.5.2017

--AA - Auswärtiges Amt (2.2017b): Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Ukraine/Innenpolitik_node.html, Zugriff 31.5.2017

--AA - Auswärtiges Amt (2.2017c): Außenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Ukraine/Aussenpolitik_node.html, Zugriff 31.5.2017

--ÖB - Österreichische Botschaft Kiew (4.2017): Asylländerbericht Ukraine

--USDOS - US Department of State (3.3.2017a): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Ukraine, https://www.ecoi.net/local_link/337222/480033_de.html, Zugriff 12.7.2017

2.1. Halbinsel Krim

Die Halbinsel Krim wurde 2014 von der Russischen Föderation besetzt. Das "Referendum" über den Anschluss an Russland, welches auf der Krim durchgeführt wurde, wurde von der Generalversammlung der Vereinten Nationen für ungültig erklärt. Die Resolution 71/205 der Generalversammlung der UN bezeichnet die Russische Föderation als Okkupationsmacht auf der Krim. Seit 2014 sind konstant Menschenrechtsverletzungen seitens der Machthaber zu beobachten:

Gefangene legen Geständnisse ab, die durch Misshandlung und Folter erreicht wurden. Individuen bestimmter Gruppen werden in psychiatrische geschlossene Anstalten zwangseingewiesen. Anwälte können nicht uneingeschränkt ihrer Arbeit nachgehen. Menschen, die keinen russischen Pass haben, wird der Zugang zu staatlichen Dienstleistungen verwehrt. Weiters bestehen Diskriminierungen aufgrund von sexueller Orientierung und Genderidentität. Menschen mit anderer politischer Meinung werden verhaftet und unter Bezugnahme auf russische "Anti-Terror"-Gesetze zu Haftstrafen verurteilt. Auch werden Individuen entführt oder verschwinden plötzlich. Wenige bis keine dieser Fälle werden ausreichend investigativ und juristisch verfolgt. Besonders die ethnische Gruppe der Krimtataren, aber auch Ukrainer anderer ethnischer oder religiöser Gruppen, sind von Menschenrechtsverletzungen betroffen. Der Mejlis, die krimtatarische gewählte Versammlung zur Repräsentation der Krimtataren, wurde am 18. April 2016 durch die lokalen Behörden suspendiert und am 26. April vom Russischen Obersten Gerichtshof als "extremistisch" eingestuft und verboten. Menschenrechtsorganisationen sowie Journalisten haben keinen uneingeschränkten Zugang zur Krim. Bestimmte Webseiten werden blockiert und unabhängige Medien mussten auf das ukrainische Festland übersiedeln. Die Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit wird massiv eingeschränkt. Am 7. März 2016 wurden in Simferopol alle öffentlichen Versammlungen verboten, die nicht von den Machthabern organisiert wurden (ÖB 4.2017).

Auf der Krim haben ukrainische Behörden und Amtsträger zurzeit keine Möglichkeit, ihre Befugnisse wahrzunehmen und staatliche Kontrolle auszuüben. Auf der Krim werden seit der völkerrechtswidrigen Annexion durch Russland im März 2014 staatliche Aufgaben von russischen Behörden ausgeübt. Die Einwohner wurden pauschal eingebürgert, es wurde begonnen, sie mit russischen Inlandspässen, seit September 2014 auch mit russischen Reisepässen, auszustatten. Einwohner der Krim, die ihr Widerspruchsrecht nutzten haben damit u.

a. den Anspruch auf kostenlose medizinische Versorgung verloren. Die Minderheit der Krimtataren unterliegt erheblichen Restriktionen. Besorgniserregend sind weiterhin Meldungen, wonach exponierte Vertreter der tatarischen Minderheit verschwinden, nicht mehr auf die Krim reisen dürfen bzw. vielfältigen Diskriminierungen ausgesetzt sind. Außerdem werden tatarische Vereine in ihrer Handlungsfähigkeit beschnitten und unter Druck gesetzt, teilweise auch kriminalisiert oder zur Auflösung gezwungen. Die gewählte Versammlung der Krimtataren, das Selbstverwaltungsorgan Medschlis, wird von den de-facto-Behörden als terroristische Vereinigung eingestuft, seine Mitglieder werden verfolgt. Versuche, die tatarische Minderheit in eine den de-facto-Behörden willfährige Parallelstruktur einzubinden, blieben bisher ohne nennenswerten Erfolg. Medien stehen unter Druck, eine offene Zivilgesellschaft gibt es nicht mehr. Dem unabhängigen Fernsehsender der Tataren ATR wurde die Lizenz entzogen; er hat seinen Sitz nach Kiew verlegt. Seine Sendungen können auf der Krim nur noch im Internet und dort sehr eingeschränkt verfolgt werden. Auch jüngste Berichte von UNHCR sowie Amnesty International listen eine Reihe von Verletzungen der Menschenrechte und Grundfreiheiten auf der Krim auf, die von einer Einschränkung des Versammlungsrechts über willkürliche Verhaftungen bis hin zu Entführungen, Folter und Ermordung reicht. Versuche der Vereinten Nationen, der OSZE oder des Europarats eine kontinuierliche Beobachtung der Menschenrechtssituation auf der Krim vorzunehmen, sind bisher gescheitert (AA 7.2.2017).

Auf der Halbinsel Krim sind Dissidenten das Ziel systematischen Missbrauchs und der Verfolgung durch die russischen Behörden. Es gibt Berichte über Fälle von Verschwindenlassen. Internationalen und nationalen Menschenrechtsbeobachtern wird die Einreise auf die Krim verweigert. Wenn Gruppen versuchen dort tätig zu werden, werden sie zum Ziel erheblicher Drangsale und Einschüchterung (USDOS 3.3.2017a).

Im Feber 2014 besetzten russische Truppen die Halbinsel Krim militärisch. Im März wurde die Krim nach einem Scheinreferendum schließlich annektiert und zum Teil der Russischen Föderation erklärt. Die Vereinten Nationen verurteilten diesen Schritt und riefen Staaten und internationale Organisation auf, dies nicht anzuerkennen. Auf der Krim gilt seither de facto russisches Recht, es wurde eine russische Regierung installiert. Die russischen Sicherheitsbehörden konsolidieren ihre Kontrolle der Halbinsel weiterhin und beschränken die Menschenrechte durch unverhältnismäßige Anwendung repressiver russischer Gesetze. Abweichende und Meinungen und Opposition zur Annexion der Krim werden von den russischen Behörden durch Einschüchterung unterdrückt. Dazu gehören Entführungen, Verschwindenlassen, Misshandlung, politische Prozesse, wiederholte grundlose Vorladungen durch die Sicherheitsbehörden, gegenstandslose Festnahmen, usw. Bestimmte Gruppen, vor allem ethnische Ukrainer und Krimtataren werden systematisch diskriminiert und ihre Menschenrechte eingeschränkt. Der Selbstverwaltungskörper der krimtatarischen Minderheit, der demokratisch gewählte Mejlis, wurde als extremistische Organisation verboten. Personen, welche die Annahme der russischen Staatsbürgerschaft verweigern, werden beim Zugang zu Bildung, medizinischer Versorgung und Arbeitsmarkt diskriminiert. Es gibt auch Eingriffe in die Meinungsfreiheit und die Versammlungsfreiheit, speziell durch Behinderung bei der Pflege des kulturellen Erbes und durch Einschränkung des Zugangs zu Unterricht in ukrainischer und krimtatarischer Sprache. Die Medienfreiheit auf der Krim wird ebenfalls eingeschränkt, unabhängige Medien gibt es nicht mehr. Die wenigen verbleibenden unabhängigen bzw. kritischen Journalisten wurden eingesperrt und wegen Extremismus angeklagt. Es kommt zu politischer Einmischung in gerichtliche Verfahren, Einschränkung der Bewegungsfreiheit und Diskriminierung ethnischer und sexueller Minderheiten. Tausende Personen flüchteten als Binnenvertriebene in die Ukraine. Bei den russischen Behörden auf der Krim herrscht betreffend Menschenrechtsverletzungen ein Klima der Straflosigkeit. Fälle von Entführung oder Tötung von Einwohnern der Krim in den Jahren 2014 und 2015 werden nicht angemessen untersucht (USDOS 3.3.2017b).

Die Rechte der Bevölkerung der Krim, besonders der Krimtataren, werden weitgehend verletzt. Der krimtatarische Mejlis wurde verboten und krimtatarische Führungspersönlichkeiten dürfen die Krim nicht betreten oder sind inhaftiert (FH 29.3.2017).

Auf der Krim setzten die de-facto-Behörden ihre Maßnahmen zur Unterdrückung jeglicher pro-ukrainischer Opposition fort, wobei sie zunehmend auf russische Gesetze zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus zurückgriffen und Strafverfolgungsmaßnahmen gegen Dutzende Personen anstrengten, die als illoyal betrachtet wurden. In keinem der Fälle von Verschwindenlassen, die sich im Anschluss an die russische Besetzung ereignet hatten, gab es gründliche Ermittlungen. Die russischen Behörden hielten Parlamentswahlen auf der Krim ab, die international nicht anerkannt wurden. Die bereits stark eingeschränkten Rechte auf freie Meinungsäußerung, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit wurden 2016 noch weiter beschnitten. Die Websites einiger unabhängiger Medienkanäle, die in den Jahren zuvor gezwungen waren, ihren Sitz auf das ukrainische Festland zu verlegen, wurden von den De-facto-Behörden auf der Krim gesperrt. Am 7. März 2016 verbot der Bürgermeister von Simferopol, der Hauptstadt der Krim, alle öffentlichen Versammlungen, die nicht von den Behörden organisiert wurden. Ethnische Krimtataren waren von dem Bestreben der De-facto-Behörden zur Beseitigung jeglicher pro-ukrainischer Opposition nach wie vor besonders stark betroffen. Am 18. April wurde der Medschlis, eine von der krimtatarischen Volksversammlung Kurultai gewählte Vertretung, aufgelöst und am 26. April von einem Gericht als "extremistisch" verboten. Das Verbot wurde am 29. September vom Obersten Gerichtshof der Russischen Föderation bestätigt (AI 22.2.2017).

Russland setzt Kritiker der Krim-Okkupation weiterhin politischer Strafverfolgung aus und schränkt die Meinungs- und Vereinigungsfreiheit weiter ein. Krimtataren werden unter dem Vorwand der Extremismusbekämpfung verfolgt (HRW 12.1.2017).

Die im Zuge der Annexion der Halbinsel Krim bzw. im Zuge der Kampfhandlungen im Osten bekanntgewordenen und nicht zuletzt durch OSZE-Beobachter wiederholt thematisierten Verschleppungen von Journalisten durch Separatisten sowie die Behinderung objektiver Berichterstattung gaben ebenfalls zu verstärkter Sorge Anlass (ÖB 4.2017).

Seit der russischen Annexion der Halbinsel Krim häufen sich Berichte über den Versuch der systematischen Einschränkung der Versammlungsfreiheit unter dem Vorwand sicherheitspolitischer Erwägungen. Dies wirkt sich insbesondere auf die Aktivitäten der Krimtataren aus. Exemplarisch sei auf das Argument verwiesen, wonach Parkflächen während der Schulferien für Kinderaktivitäten freizuhalten und dementsprechend öffentliche kulturelle Veranstaltungen der Krimtataren aus Anlass des Tags der Flagge der Krimtataren in Simferopol am 26. Juni 2014 zu untersagen seien (ÖB 4.2017).

Quellen:

--AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Ukraine, https://www.ecoi.net/local_link/336532/479204_de.html, Zugriff 1.6.2017

--FH - Freedom House (29.3.2017): Nations in Transit 2017 - Ukraine, https://www.ecoi.net/local_link/338537/481540_de.html, Zugriff 1.6.2017

--HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Ukraine, https://www.ecoi.net/local_link/334769/476523_de.html, Zugriff 6.6.2017

--ÖB - Österreichische Botschaft Kiew (4.2017): Asylländerbericht Ukraine

--USDOS - US Department of State (3.3.2017a): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Ukraine, https://www.ecoi.net/local_link/337222/480033_de.html, Zugriff 31.5.2017

--USDOS - US Department of State (3.3.2017b): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Ukraine (Crimea), https://www.ecoi.net/local_link/337269/480

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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