Entscheidungsdatum
27.04.2020Norm
AsylG 2005 §2Spruch
W195 2229898-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Vizepräsidenten Dr. Michael Sachs als Einzelrichter über die Beschwerde des " XXXX alias XXXX alias XXXX ", geboren XXXX , StA. " XXXX alias XXXX ", gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.02.2020, XXXX , betreffend " XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX , geboren XXXX " zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 35 AVG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (BF), der in der Beschwerde selbst als "Beschwerdeführer" angibt " XXXX alias XXXX alias XXXX ", geboren XXXX , StA. " XXXX alias XXXX " zu sein (siehe Seite eins der Beschwerde; ebenso Mängelbehebungsauftrag vom 20.04.2020), wendet sich gegen den angeführten Bescheid des BFA vom 24.02.2020.
Mit diesem Bescheid wurde gegen den BF eine Mutwillensstrafe gemäß § 35 AVG in der Höhe von ? 700,- verhängt. Begründend wurde dazu folgender Sachverhalt - zusammengefasst - ausgeführt:
Der BF sei am 27.12.2009 illegal in Österreich eingereist und habe am 27.12.2009 beim Bundesasylamt (BAA) den ersten Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 13 eingebracht. Mit Bescheid des BAA, vom 06.08.2010, Zahl: AIS 09 16.073-BAT, VZ 1239133, sei der Antrag gem. §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und der BF gem. § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG ausgewiesen worden. Dagegen brachte der BF fristgerecht Beschwerde ein.
Am 08.11.2010 seien die Lebensgefährtin, XXXX gemeinsam mit drei minderjährigen Kindern XXXX , XXXX und XXXX sowie mit ihrer Mutter XXXX in das österreichische Bundesgebiet eingereist und stellten diese ebenfalls Anträge auf internationalen Schutz.
Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes (AGH) vom 02.05.2011, XXXX wurde die Beschwerde gem. §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 und 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 (AsylG 2005) mangels Glaubhaftigkeit als unbegründet abgewiesen. Das Erkenntnis des AGH erwuchs am 06.05.2011 in Rechtskraft. Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) vom 29.06.2011, XXXX , wurde ein vom BF gestellter Antrag auf Bewilligung von Verfahrenshilfe abgewiesen und die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.
Am 24.06.2011 habe der BF gemeinsam mit seiner Familie beim BAA einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG eingebracht. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des BAA vom 28.07.2011, XXXX gem. § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und sei der BF ausgewiesen worden. Dagegen brachte der BF eine Beschwerde ein, welche am 09.08.2011 vom AGH die aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde, weil die Ehefrau des BF hochschwanger war. Am 17.08.2011 wurde der Sohn des BF, XXXX ), in Österreich geboren. Die Beschwerde wurde mit Erkenntnis des AGH vom 01.02.2012, XXXX aufgrund absoluter Unglaubwürdigkeit des Vorbringens abgewiesen. Das Erkenntnis erwuchs am 06.02.2012 in Rechtskraft.
Am 20.08.2012 habe der BF gemeinsam mit seiner Familie beim Bundesasylamt einen dritten Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG eingebracht. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des BAA vom 08.04.2013, XXXX , gem. § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und der BF ausgewiesen. Eine dagegen eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des AGH vom 07.05.2013, XXXX als unbegründet abgewiesen. Das Erkenntnis erwuchs am 15.05.2013 in Rechtskraft.
Zu einem nicht erwiesenen Zeitpunkt verließ der BF Österreich.
Am 10.09.2013 stellte der BF in Deutschland einen Asylantrag.
Am 25.11.2013 stellte der BF in Frankreich einen Asylantrag.
Am 04.09.2014 wurde der BFD von Deutschland nach Österreich rücküberstellt.
Daraufhin stellte des BF beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den vierten Antrag auf internationalen Schutz. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des BFA vom 12.02.2014, XXXX , gem. § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Dagegen brachte der BF fristgerecht Beschwerde ein, welche mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) vom 15.01.2015, XXXX rechtskräftig mit 19.01.2015, gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde.
Am 29.02.2016 wurde die Tochter des BF, XXXX in Österreich geboren.
Am 06.02.2017 stellte der BF einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "in besonderen berücksichtigungswürdigen Fällen" gemäß § 56 AsylG, der mit Bescheid des BFA vom 23.11.2017 gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF und § 8 AsylG-DV idgF, zurückgewiesen wurden. Begründet wurde diese Entscheidung damit, dass der BF trotz Aufforderung die für das Verfahren erforderlichen Dokumente (Reisepass und Geburtsurkunde) nicht vorlegte. Dagegen wurde mit 20.12.2017 Beschwerde erhoben.
Zu einem nicht erwiesenen Zeitpunkt verließ der BF wiederum Österreich.
Am 31.10.2018 stellte der BF in Deutschland einen zweiten Asylantrag.
Am 28.11.2019 wurde der BF im Rahmen einer Dublinüberstellung von Deutschland nach Österreich rücküberstellt.
Danach stellte der BF beim BFA einen fünften Antrag auf internationalen Schutz. Dabei gab der BF an, den Namen XXXX zu führen, Staatsangehöriger von XXXX und am XXXX geboren zu sein. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des BFA vom 09.01.2020, XXXX , gem. § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Dagegen brachte der BF fristgerecht Beschwerde ein. Eine mündliche Verhandlung vor dem BVWG wurde für den 24.02.2020 anberaumt. In dieser Verhandlung wurde mit dem mündlich verkündeten Erkenntnis, schriftlich ausgefertigt am 26.02.2020, der Bescheid teilweise bestätigt.
Aufgrund von Recherchen wurde festgestellt: Der BF hat im Jahr 2011 unter der Identität " XXXX ", geboren in XXXX , einen ATB-Antrag (Aufenthaltstitel) in Niederösterreich gestellt. Aufgrund einer Identitätsabklärung über die XXXX Behörden und einer Zustimmung für ein Heimreisezertifikat konnte festgestellt werden, dass der BF und seine Lebensgefährtin tatsächlich nicht Staatsangehörige der XXXX sind, sondern Staatsangehörige von XXXX .
Damit sei offensichtlich geworden, dass das Fluchtvorbringen in fünf (!) Asylverfahren in Österreich, nämlich in der XXXX einer Verfolgung ausgesetzt zu sein, schlichtweg erlogen sei.
Der BF habe durch unbegründete Asylantragstellungen ein vorrübergehendes Aufenthaltsrecht gem. § 13 AsylG erschlichen und somit offensichtlich Asylmissbrauch betrieben.
Die Chronologie der Fakten in Verbindung mit den Angaben des BF berechtigten die belangte Behörde zwingend zur Schlussfolgerung, dass die Asylantragstellung ausschließlich dem Zweck der Erlangung sozialer Unterstützungen in Österreich dienen sollte, weshalb die Behörde davon ausgehen musste, dass diese Anträge offensichtlich einen Missbrauch des Asylverfahrens darstellen.
Durch dieses rechtsmissbräuchliche prozessuale Verhalten, das sowohl die personellen als auch die finanziellen Ressourcen der belangten Behörde erheblich belasteten, habe der BF als Asylwerber sowohl eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung im Bundesgebiet als auch Leistungen aus der Grundversorgung (Krankenversicherung) erschlichen. Darüber hinaus sei auch der vom BF verursachte Vermögensschaden auf Seiten des Bundes als Rechtsträger des BFA zu berücksichtigen.
Durch die Stellung mehrerer grundloser Asylanträge sowie durch die zur Klärung des tatsächlich vorliegenden Sachverhalts erforderlichen Ermittlungsschritte beanspruchte der BF erhebliche personelle Ressourcen der erkennenden Behörde.
Nicht zuletzt sei bei einem Verhalten, wie es der BF an den Tag gelegt habe, der schädliche Effekt auf die Verfahrensdauer in den Verfahren über Anträge anderer Asylwerber zu beachten. Ein solches Verhalten müsse sich nämlich mit seiner durch eine langjährige, letztlich jedoch mutwillig erfolgte Inanspruchnahme von Behördenkapazitäten zwangsläufig zu Lasten der Position redlicher Antragsteller auswirken.
Diese Gesichtspunkte seien unter Beachtung der Regelungsintention des § 35 AVG bei der Bemessung der Sanktionshöhe als erschwerend zu werten. Unter Verweis auf eine rechtskräftige Entscheidung des BVwG (BVwG vom 04.12.2019, W 195 2224837-1/3E) sei die verhängte Mutwillenstrafe gerechtfertigt.
Aber auch nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH) handle iSd § 35 AVG mutwillig, wer sich im Bewusstsein der Grund- und Aussichtslosigkeit, der Nutz- und der Zwecklosigkeit seines Anbringens an die Behörde wende. Darüber hinaus verlange das Gesetz, dass der Mutwille offenbar sei. Dies sei dann anzunehmen, wenn die wider besseres Wissen erfolgte Inanspruchnahme der Behörde unter solchen Umständen geschehe, dass die Aussichtslosigkeit, den angestrebten Erfolg zu erreichen, für jedermann erkennbar sei. (vgl. VwGH vom 16.02.2012, 2011/01/0271, VwSlg. Nr. 18.337 A/2012, mwN.)
Zu Lasten des BF sei der verursachte Vermögensschaden auf Seiten des Bundes als Rechtsträger des BFA zu berücksichtigen. Durch die Stellung eines grundlosen Asylantrages sowie durch die zur Klärung des tatsächlich vorliegen Sachverhalts erforderlichen Ermittlungsschritte beanspruchte der BF erhebliche personelle Ressourcen der erkennenden Behörde.
Nicht zuletzt sei bei einem derartigen Verhalten der schädliche Effekt auf die Verfahrensdauer in den Verfahren über Anträge anderer Asylwerber zu beachten. Ein solches Verhalten muss sich nämlich mit seiner durch eine langjährige, letztlich jedoch mutwillig erfolgte Inanspruchnahme von Behördenkapazitäten zwangsläufig zu Lasten der Position redlicher Antragsteller auswirken.
Diese Gesichtspunkte seien unter Beachtung der Regelungsintention des § 35 AVG bei der Bemessung der Sanktionshöhe als erschwerend zu werten, wobei auf rechtskräftige Entscheidungen des BVwG (zB W 195 2224837-1/3E vom 04.12.2019) verwiesen wurde.
Dagegen wendet sich die vorliegende Beschwerde.
Diese Beschwerde - ein nach der Beschwerde (Seite 1) sich nicht selbst deklarierender BF, welcher mit XXXX , unterfertigt (und offensichtlich vom XXXX gefaxten Schriftstückes) - beantragt lediglich den gegenständlichen Bescheid der Erstbehörde ersatzlos zu beheben. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wird nicht beantragt.
Ausgeführt wird dazu, dass noch ein weiteres Asylverfahren vor dem BVwG anhängig wäre, eine endgültige Entscheidung stünde noch aus. Gegen den vom BFA detailliert dargestellten Sachverhalt wird hingegen kein Argument vorgebracht, auch nicht hinsichtlich der rechtlichen Würdigung.
Vielmehr wird behauptet, dass die Asylantragstellung nicht von vornherein als aussichtlos zu bezeichnen wäre, weil das BVwG sonst keine Verhandlung anberaumt hätte. Solange das BVwG nicht entschieden habe könne nicht angenommen werden, dass die Antragstellung grund- und aussichtslos erfolgte.
Das Bundesverwaltungsgericht hat daraufhin einen Mängelbehebungsauftrag erlassen, weil auf der Beschwerde nicht zweifelsfrei die Unterschrift des BF erkennbar war. Mit Schriftsatz vom 20.04.2020 wurde diesem Mängelbehebungsauftrag entsprochen, die erfolgte Unterfertigung der Beschwerde durch den BF klargestellt. Ein weiteres Vorbringen wurde nicht erstattet.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der Beschwerdeführer stellte wiederholt und ungerechtfertigt Asylanträge in Österreich. Diesen Asylanträgen wurde bisher keine Folge gegeben.
Der BF hat seine Identität bis heute nicht zweifelsfrei dargelegt und hat diese auch in der Beschwerdeschrift nicht eindeutig belegt bzw. offen gelassen. Der BF hat unter verschiedensten Identitäten Asylverfahren in Österreich beantragt und betrieben.
Der BF hat vorsätzlich und mutwillig österreichische Behörden und Gerichte durch falsche Angaben sowie in der Absicht einer Verfahrensverschleppung, um dadurch eine Aufenthaltsberechtigung im Bundesgebiet zu erlangen, behindert und in Anspruch genommen.
2. Beweiswürdigung:
Der festgestellte Sachverhalt beruht auf den von der belangten Behörde vorgelegten Unterlagen, beinhaltend insbesondere den Bescheid und den diesen zugrunde liegenden Akteninhalte hinsichtlich der Verhängung der Mutwillensstrafe des BFA vom 24.02.2020 sowie die verfahrensgegenständliche Beschwerde an das BVwG vom 16.03.2020.
Der Sachverhalt ist letztlich unstrittig und im für eine Beurteilung erforderlichen Ausmaß dargetan, weshalb von weiteren Erhebungen abgesehen werden konnte.
Es liegen keine Gründe vor an der Richtigkeit der Ermittlungsergebnisse, insbesondere an dem vom BFA im angefochtenen Bescheid übersichtlich zusammengefassten Sachverhalt, welchem der BF auch in der Beschwerde nicht entgegentreten ist, Zweifel zu erheben.
Der Beschwerdeführer bediente sich wiederholt falscher Identitäten.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A)
3.1. Zur Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides:
§ 35 AVG lautet:
"Gegen Personen, die offenbar mutwillig die Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder in der Absicht einer Verschleppung der Angelegenheit unrichtige Angaben machen, kann die Behörde eine Mutwillensstrafe bis 726 Euro verhängen."
Die Verhängung der Mutwillensstrafe soll die Behörde vor Behelligung, die Partei aber vor Verschleppung der Sache schützen (VwGH 22.1.1930, 439/29, VwSlg. 15960 A, ebenso 24.3.1997, 95/19/1705, oder 23.3.1999, 97/19/0022).
Bei der Mutwillensstrafe gemäß § 35 AVG, handelt es sich wie bei der Ordnungsstrafe nach § 34 AVG, nicht um die Ahndung eines Verwaltungsdeliktes, sondern um ein Mittel zur Sicherung einer befriedigenden, würdigen und rationellen Handhabung des Verwaltungsverfahrens, sohin um ein Disziplinarmittel. Das Verwaltungsstrafgesetz im Verfahren betreffend die Verhängung von Mutwillensstrafen findet daher grundsätzlich keine Anwendung, mit Ausnahme der in § 36 AVG ausdrücklich vorgesehenen Vorschriften über den Strafvollzug (§§ 53 bis 54d VStG). Daraus folgt, dass weder Bestimmungen über die Strafbemessung, über die Verjährung oder die Sprucherfordernisse hinsichtlich der Umschreibung der Tat, noch die Verjährungsbestimmungen des bürgerlichen Rechtes im Bereich des öffentlichen Rechtes unmittelbar oder analog anwendbar sind. Dahinter steckt auch die verfolgte Absicht des Gesetzgebers das Verwaltungsverfahren zu beschleunigen (vgl. VwGH 4.09.1973, 1665/72, VwSlg. Nr. 8448 A/1973, 30.05.1994, 92/10/0469, VwSlg 14.064 A/1994; 20.05.2009, 2007/07/0119; Hengstschläger/Leeb, AVG § 35, Rz 1 und 6).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt mutwillig im Sinne des § 35 AVG, wer sich im Bewusstsein der Grund- und Aussichtslosigkeit, der Nutz- und Zwecklosigkeit seines Anbringens an die Behörde wendet, sowie wer aus Freude an der Behelligung der Behörde handelt. Darüber hinaus verlangt das Gesetz aber noch, dass der Mutwille offenbar ist; dies ist dann anzunehmen, wenn die wider besseren Wissens erfolgte Inanspruchnahme der Behörde unter solchen Umständen geschieht, dass die Aussichtslosigkeit, den angestrebten Erfolg zu erreichen, für jedermann erkennbar ist (VwGH 18.4.1997, 95/19/1707; 27.5.1999, 97/02/0345; 16.2.2012, 2011/01/0271; vgl. hiezu auch Hengstschläger/Leeb, AVG § 35, Rz 2).
Der Tatbestand des § 35 AVG kann - außer durch die offenbar mutwillige Inanspruchnahme der Behörde - auch noch dadurch verwirklicht werden, dass in der Absicht, die Angelegenheit zu verschleppen, unrichtige Angaben gemacht werden (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 35, Rz 4).
Strafbar gemäß § 35 AVG ist jede (prozessfähige) "Person", welche die Behörde offenbar mutwillig in Anspruch genommen hat (das Anbringen eingebracht) [vgl. VwGH 24.3.1997, 95/19/1705; 18.4.1997, 95/19/1707] oder in Verschleppungsabsicht dieser gegenüber unrichtige Angaben gemacht hat. Dabei kann es sich nur um Menschen handeln, welche an die Behörde herantreten oder auf die sich eine Amtshandlung bezieht, nicht hingegen um Organwalter der den Bescheid erlassenden Behörde.
Mit dem Vorwurf des Missbrauchs von Rechtsschutzeinrichtungen ist mit äußerster Vorsicht umzugehen. Ein derartiger Vorwurf ist nur dann am Platz, wenn für das Verhalten einer Partei nach dem Gesamtbild der Verhältnisse keine andere Erklärung bleibt; die Verhängung einer Mutwillensstrafe kommt demnach lediglich im "Ausnahmefall" in Betracht (vgl. VwGH 29.06.1998, 98/10/0183 VwSlg. 18.337 A/2012; 21.05.2019, Ra 2018/19/0466).
Insgesamt hat der BF eine Vielzahl von ungerechtfertigten Anträgen, welche mittlerweile rechtskräftig beschieden wurden, eingebracht.
Der Beschwerdeführer wies sich unter falschem Namen und Herkunftsstaat vor den österreichischen Behörden und Gerichten aus und ließ das BFA, den AGH, das BVwG, letztlich sogar den VfGH sowie den VwGH dadurch im falschen Glauben, dass er rechtmäßig die XXXX Staatsbürgerschaft besitze.
Die Voraussetzungen zur Verhängung der Mutwillensstrafe gemäß § 35 AVG sind im vorliegenden Fall grundsätzlich gegeben:
Gegenständlich liegt die offenbare Mutwilligkeit des prozessualen Verhaltens des Beschwerdeführers darin begründet, dass er angab Staatbürger der XXXX zu sein, sich in Folge von zusätzlichen aufwändigen Recherchen jedoch XXXX als Herkunftsland erwies.
Damit behelligte der BF mit falschen Angaben zu seinen Anträgen sowohl das BAA, das BFA, den AGH, das BVwg, den VfGH und sogar den VwGH vorsätzlich und mutwillig.
Die Mutwilligkeit ist darin zu sehen, dass der BF sich im Bewusstsein der Unrichtigkeit mit einem falschen Namen und Herkunftsstaat auswies. Die tatsächliche Grund- und Aussichtslosigkeit bzw. die Zweck- und die Nutzlosigkeit seiner dergestalt behaupteten Identität war dem BF jedenfalls bewusst und die Aussichtslosigkeit, den angestrebten Erfolg zu erreichen, war für jedermann erkennbar.
Entgegen der Ansicht des BF in der Beschwerde sei darauf verwiesen, dass es sich gegenständlich nicht nur um das derzeit laufende Verfahren handelt, sondern um alle Verfahren seit 2010, welche penibel in der Bescheidbegründung dargelegt wurden.
Abgesehen von der Mutwilligkeit seines prozessualen Verhaltens kann dem BF darüber hinaus eine Verschleppung des Asylverfahrens bzw. der Durchsetzung des abweisenden Asylbescheides zur Last gelegt werden, da er ganz offenkundig auch bezweckte, die Behörden und Gerichte bei der weiteren Bearbeitung der abweisenden Asylentscheidungen in die Irre zu leiten bzw. weitere Schritte in Gang zu setzen, um eine rasche Abschiebung zu vereiteln.
In Zusammenschau der chronologischen Hergänge bleibt nach dem Gesamtbild der Verhältnisse keine andere Erklärung, als die Abschiebung zu verhindern sowie einen illegalen Aufenthalt in Österreich bzw. in der Europäischen Union zu prolongieren und kommt gerade in dieser Konstellation die Verhängung der Mutwillensstrafe im "Ausnahmefall" in Betracht.
Vor diesem Hintergrund sind die Voraussetzungen zur Verhängung einer Mutwillensstrafe gemäß § 35 AVG grundsätzlich gegeben, da der BF die Behörde sowie die Gerichte offenbar mutwillig beschäftigte sowie in Absicht der Verfahrensverschleppung bzw. zur Vereitelung der Durchsetzung abweisender Asylbescheide unrichtige Angaben gemacht hat.
Zur Höhe der verhängten Mutwillensstrafe ist auszuführen, dass diese, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Rahmen des Höchstbetrages in der Höhe von EUR 726,00, derart zu bemessen ist, dass der Täter von weiterem derartigem Fehlverhalten abgehalten wird (vgl. VwGH 11.11.1998, 98/12/0411; Hengstschläger/Leeb, AVG § 35, Rz 6).
Das BVwG sieht aufgrund der vorsätzlichen, in rechtsmissbräuchlicher Absicht und über einen Zeitraum von mehreren Jahren gesetzten Täuschungshandlungen des BF, keine Veranlassung die vom BFA festgesetzte Strafhöhe zu reduzieren. Der Beschwerdeführer lässt den Respekt vor der österreichischen Rechtsordnung als auch durch die konsequente, selbst in der Beschwerde vom BF deklarierte Unklarheit hinsichtlich der Identität seiner Person, vermissen. Angesichts des schweren Fehlverhaltens, auch über die österreichischen Grenzen hinaus, kann davon ausgegangen werden, dass vor dem Hintergrund der geforderten präventiven Wirkung der verhängten Mutwillensstrafe, die Höhe der Strafe und das gesetzte Verhalten in entsprechender Relation stehen.
Schließlich ist zu Lasten des Beschwerdeführers auch der von ihm verursachte Vermögensschaden auf Seiten des Bundes zu berücksichtigen. Der Beschwerdeführer, beanspruchte finanzielle als auch personelle Ressourcen der Behörden und Gerichte in einem unerhörten Ausmaß, gemessen an seinem persönlichen Interesse. Der BF hätte Unterstützung seitens der Republik Österreich zur Rückreise erhalten, hat jedoch diese Angebote nicht angenommen und stattdessen die Republik Österreich, Deutschland und Frankreich definitiv durch rechtswidrige Anträge bewusst und vorsätzlich geschädigt. Dazu besteht jedenfalls kein Rechtsanspruch, schon gar nicht durch falsche Anträge unter falschen Identitäten.
Nicht zuletzt gilt es zu beachten, dass sich die Inanspruchnahme von Behörden- und Gerichtskapazitäten durch das mutwillige Verhalten des BF zwangsläufig zu Lasten redlicher Antragsteller auswirkt.
Diese Gesichtspunkte sind unter Beachtung der Regelungsintention des § 35 AVG bei der Bemessung der Strafhöhe als erschwerend zu werten. Strafmildernde Umstände gehen keine hervor.
Aus dem Gesagten konnte auch die Einkommenssituation des Beschwerdeführers bei der Bemessung der Strafhöhe nicht weitergehend zu seinen Gunsten berücksichtigt werden. Dazu kommt, dass - nach Maßgabe des § 36 zweiter Satz AVG - § 19 Abs. 2 VStG nicht anwendbar ist. Es liegt auch sonst keine gesetzliche Grundlage vor, die es zwingend erfordern würde, die Einkommens- Vermögens- und Familienverhältnisse in die Strafbemessung einfließen zu lassen (VwGH 20.05.1994, 92/10/0469, VwSlg. 14.064 A/1994).
Zur Abstandnahme von der mündlichen Verhandlung:
In Bezug darauf, dass nach § 24 Abs. 4 VwGVG das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen kann, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen, konnte im gegenständlichen Fall von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden, weil das Gericht einerseits bereits einen dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Sachverhalt annehmen konnte, der mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers in Einklang ist (der Sachverhalt insoweit, soweit relevant, also unstrittig ist) bzw. soweit dem Vorbringen nicht gefolgt wurde, einen Sachverhalt annehmen konnte der vom BF nicht hinreichend substantiiert bestritten wurde.
Der BF hat eine mündliche Verhandlung nicht beantragt.
Das Gericht konnte so aufgrund der Akten und des schriftlichen Vorbringens entscheiden, ohne dass dies eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 MRK oder Art. 47 GRC bedeutet hätte; eine Rechtsfrage, die für sich genommen einer Erörterung im Rahmen der mündlichen Verhandlung bedurft hätte, wurde nicht aufgezeigt (vgl. VwGH 20.03.2014, 2013/07/0146, 17.02.2015, Ra 2015/09/0007).
Aus den Gesetzesmaterialien zur Bestimmung des § 24 VwGVG ergibt sich im Übrigen, dass eine mündliche Verhandlung, soweit sie ausschließlich der Klärung der Rechtsfrage dienen würde, nicht geboten sein soll (vgl. RV 1255 BlgNR 25. GP, 5; auch VwGH 19.09.2017, Ra 2017/01/0276).
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung hinsichtlich der Verhängung einer Mutwillensstrafe von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Asylantragstellung behördliche Aufgaben - Gefährdung MutwillenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W195.2229898.1.00Im RIS seit
28.07.2020Zuletzt aktualisiert am
28.07.2020