TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/27 W163 1414103-2

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Veröffentlicht am 27.04.2020
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Entscheidungsdatum

27.04.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §54 Abs1 Z2
AsylG 2005 §55 Abs1 Z1
AsylG 2005 §55 Abs2
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch

W163 1414103-2/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Daniel LEITNER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.09.2016, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids wird stattgegeben und XXXX wird gemäß § 55 Abs 1 Z 1 und Abs 2 und § 54 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 idgF der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" für die Dauer von 12 Monaten erteilt.

II. Die Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheides werden gemäß § 28 Abs 2 VwGVG ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) hat am 24.09.2009 einen Antrag auf unternationalen Schutz gemäß § 2 Abs 1 Z 12 Asylgesetzt 2005 (AsylG) BGBl. Nr. 100/2005 idgF, gestellt.

I.2. Am 24.09.2009 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Erstbefragung und am 28.04.2010 vor dem Bundesasylamt (im Folgenden: BAA) im Asylverfahren die niederschriftliche Einvernahme des BF statt.

I.3. Am 12.01.2010 wurde der BF von der Finanzpolizei als unerlaubt beschäftigter Ausländer angetroffen und gegen den Dienstgeber ein Strafantrag wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes beim Magistratischen Bezirksamt des 2. Bezirkes eingebracht.

I.4. Mit Bescheid vom 06.05.2010 der Bundespolizeidirektion Wien wurde gegen den BF ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Rückkehrverbot erlassen.

I.5. Das BAA wies den Antrag auf internationalen Schutz mit Bescheid vom 11.06.2010, Zl. 09 11.669-BAW gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien ab (Spruchpunkt II.). Gemäß § 10 Abs 1 AsylG wurde der Beschwerdeführer aus dem Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

I.6. Gegen den unter I.4. genannten Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien richtete sich die fristgerechte Beschwerde, welcher mit Berufungsbescheid der Sicherheitsdirektion Wien vom 20.10.2010 Folge gegeben wurde.

I.7. Gegen den unter I.5. genannten Bescheid des BAA richtete sich die beim BAA fristgerecht eingebrachte Beschwerde an den Asylgerichtshof, welcher die Beschwerde mit Erkenntnis vom 30.11.2011, Zl. XXXX , als unbegründet abwies.

I.8. Am 02.05.2012 wurde der BF vor der Bundespolizeidirektion Wien zum Gegenstand "Einvernahme - Prüfung Gelinders Mittel/Schubhaft - Regelung bzw Sicherung der Ausreise - Anregung zur freiwilligen Ausreise - HZ-Formalitäten - Verwaltungsstrafe" niederschriftlichen einvernommen.

I.9. Am 09.03.2012, 24.09.2012, 04.08.2013, 20.08.2013 und 03.10.2013 wurde der BF von der Bundespolizeidirektion Wien jeweils wegen unrechtmäßigen Aufenthalts nach § 120 Abs 1a FPG zur Anzeige gebracht.

I.10. Am 17.09.2014 stellte der rechtsfreundliche Vertreter des BF den gegenständlichen Antrag gemäß § 55 Abs 1 AsylG auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK.

I.11. Mit Schreiben vom 15.10.15 wurde der BF aufgefordert, zum Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels, binnen zwei Wochen Urkunden vorzulegen und eine Stellungnahme abzugeben. Der BF wurde darauf hingewiesen, dass bei einer abweisenden Entscheidung eine Rückkehrentscheidung zu treffen sei.

I.12. Mit Schreiben des rechtsfreundlichen Vertreters vom 02.10.2015 wurden eine Stellungnahme abgegeben, Urkunden vorgelegt und ein Antrag auf Fristerstreckung gestellt.

I.13. Mit Schreiben vom 12.06.2016 wurde der BF erneut aufgefordert, zum Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels, binnen zwei Wochen Urkunden vorzulegen und eine Stellungnahme abzugeben. Darüber hinaus wurde er aufgefordert, zu konkreten Fragen Stellung zu nehmen.

I.14. Mit Schreiben des rechtsfreundlichen Vertreters vom 28.07.2016 wurden eine Stellungnahme abgegeben und weitere Urkunden vorgelegt.

I.15. Mit im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) wurde der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 gemäß § 58 Abs 11 Z 2 AsylG zurückgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 3 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt II.). Gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG wurde festgestellt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt III.).

I.16. Gegend diesen Bescheid richtet sich die dagegen fristgerecht erhobene Beschwerde vom 10.10.2016, welche im Wesentlichen Ausführungen zur Mitwirkungspflicht enthält und darlegt, warum diese nicht verletzt worden sei. Auch wird die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gerügt.

I.17. Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden BVwG) am 17.10.2016 vom BFA vorgelegt.

I.18. Das BVWG führte am 30.10.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der BF und sein rechtsfreundlicher Vertreter persönlich teilnahmen. Ein Vertreter des BFA nahm entschuldig nicht teil. Eingebracht wurde das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 09.01.2017, aktualisiert am 21.12.2017, zur Lage im Herkunftsstaat Indien. Hiezu wurde eine zweiwöchige Frist zur Stellungnahme eingeräumt.

I.19. Mit Schriftsatz des rechtsfreundlichen Vertreters vom 13.11.2018 wurde eine Stellungnahme zum Länderberichtsmaterial eingebracht. Dazu wurde zusammengefasst im Wesentlichen ausgeführt, dass Indien ein unsicheres Land sei.

I.20. Das BVwG führte am 21.08.2019 neuerlich eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der rechtsfreundliche Vertreter des BF teilnahm. Der BF nahm unentschuldigt nicht teil, das BFA nahm entschuldigt nicht teil.

I.21. Mit Schreiben vom 11.09.2019 gab der rechtsfreundliche Vertreter des BF eine Vollmachtskündigung bekannt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Das BVwG geht aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem für die Entscheidung maßgebenden Sachverhalt aus:

a) Zur Person der beschwerdeführenden Partei

1. Der BF führt den Namen XXXX , geboren am XXXX im Dorf XXXX , Distrikt XXXX , Provinz Punjab. Der BF ist Staatsangehöriger Indiens.

2. Der BF ist ledig und hat keine Kinder. Seine Eltern und seine Schwester, zu welchen er regelmäßig zwei bis drei Mal im Monat telefonischen Kontakt hat, leben im Heimatdorf des Beschwerdeführers.

3. Der BF besuchte in Indien zehn Jahre die Schule und hat danach in der familiären Landwirtschaft mitgearbeitet.

4. Der BF hat nicht die Absicht oder den Wunsch, nach Indien zurückzukehren und hat sich bislang nicht um die Ausstellung eines Reisedokumentes bei der indischen Botschaft in Wien bemüht.

5. Der BF reiste im September 2009 unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein und hält sich seither in Österreich auf.

6. Der BF befindet sich seit 10 Jahren und 7 Monaten im Bundesgebiet. In dieser Zeit hielt er sich während der Dauer des Verfahrens zu seinem Antrag auf internationalen Schutz zwei Jahre und zwei Monate rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Der BF ist nach Abschluss des Verfahrens seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen und verblieb unrechtmäßig im Bundesgebiet.

7. Der BF wurde fünf Mal wegen unrechtmäßigen Aufenthalts angezeigt. Einmal wurde der BF von der Finanzpolizei als unerlaubt beschäftigter Ausländer angetroffen.

8. Der BF hat am 12.03.2014 und am 14.11.2014 das Gewerbe "Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen oder Kraftfahrzeugen mit Anhängern, deren höchst zulässiges Gesamtgewicht insgesamt 3.500 kg nicht übersteigt" angemeldet. Aufgrund seines nicht rechtmäßigen Aufenthaltes konnte er jedoch keinen Gewerbeschein erlangen.

9. Mangels eines Aufenthaltsrechts kann der BF keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen. Der BF bestreitet seinen Lebensunterhalt mit Zustelldiensten und lukrierte damit rund 2000 Euro pro Monat.

10. Der BF teilt sich seine Unterkunft mit einer anderen Person und bezahlt dafür Euro 150,-- pro Monat.

11. Der BF hat keinen Deutschkurs besucht und keine Deutschprüfung. Fragen auf einfachem Niveau kann er teilweise sinnzusammenhängend auf Deutsch beantworten.

12. Der BF hat keine familiären Beziehungen in Österreich.

13. Der BF unterhält freundschaftliche Kontakte im Bundesgebiet. Er ist weder ehrenamtlich tätig noch Mitglied in einer sozialen Organisation.

14. Der BF treibt Sport in einem Fitnesscenter, ansonsten ist er in seiner Freizeit zu Hause.

15. Der BF ist strafrechtlich unbescholten.

2. Beweiswürdigung:

Der Beweiswürdigung liegen folgende maßgebende Erwägungen zugrunde:

2.1. Zum Verfahrensgang

Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakte des BFA und des Gerichtsakts des BVwG.

2.2. Zur Person und zum Vorbringen der beschwerdeführenden Partei

2.1 Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität (Namen, Geburtsdatum und Herkunft) getroffen wurden, beruhen diese auf den Angaben des BF, die bereits in den Asylverfahren zu seiner Identifikation angenommen wurden.

2.2. Die Feststellungen zu den in Indien lebenden Familienangehörigen sowie zur Berufstätigkeit beruhen auf den Angaben des BF im Verfahren vor dem BFA und in der Beschwerdeverhandlung.

2.3. Die Feststellung, dass der BF nicht die Absicht oder den Wunsch hat, nach Indien zurückzukehren und er sich nicht mit der indischen Botschaft in Verbindung gesetzt hat, stützen sich auf die Angaben in der Beschwerdeverhandlung.

2.4. Die Feststellungen zum Einreisemonat und Jahr ergeben sich unstrittig aus dem Datum seiner Antragstellung auf internationalen Schutz. Die Feststellung zur Gesamtdauer seines Aufenthalts im Bundesgebiet, der Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts sowie zum Umstand, dass der BF seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen ist, stützen sich auf die im Verfahrensgang dargestellten Verfahren auf internationalen Schutz.

2.5. Die Feststellungen zu den fünf Anzeigen wegen unrechtmäßigen Aufenthalts und dem Einschreiten der Finanzpolizei ergeben sich aus den im Akt einliegenden Anzeigen und Meldungen.

2.6. Das vom BF zweimal angemeldete Gewerbe ergibt sich aus den Schreiben des Magistratischen Bezirksamtes für den 20. Bezirk, welche im Akt aufliegen. Die Feststellung, dass der BF keinen Gewerbeschein erlangen konnte, stützt sich auf das im Verfahrensgang dargestellte rechtswirksam abgeschlossene Verfahren auf internationalen Schutz und auf die im Akt aufliegende Mitteilung des BFA an das Magistratische Bezirksamt des 20. Bezirks.

2.7. Die Feststellungen betreffend die Bestreitung des Lebensunterhaltes des BF stützen sich auf die Angaben in der Beschwerdeverhandlung. Die Feststellung zur nicht erlaubten Erwerbstätigkeit stützen sich auf die im Verfahren vor dem BFA vorgelegten Kopien von Abrechnungen (AS 239ff). Die Feststellung, dass der BF nicht erlaubt erwerbstätig war, stützt sich auf das im Verfahrensgang dargestellte, rechtswirksam abgeschlossene Verfahren auf internationalen Schutz.

2.8. Die Feststellung zur Wohnsituation stützt sich auf die Angaben in der Beschwerdeverhandlung.

2.9. Die Feststellung, dass der BF keine Deutschkurse oder Deutschprüfungen abgelegt hat, ergibt sich aus den Angaben des BF in der Beschwerdeverhandlung. Die Feststellungen zu den Deutschkenntnissen stützt sich auf das Ergebnis der Befragung in der Beschwerdeverhandlung.

2.10. Dass keine Familienmitglieder des BF im österreichischen Bundesgebiet leben, konnte aufgrund der glaubhaften Angaben des BF in der Beschwerdeverhandlung getroffen werden.

2.11. Die Feststellung zu den sonstigen sozialen Kontakten sowie jene, dass der BF keinen ehrenamtlichen Tätigkeiten nachgeht, stützen sich ebenso wie die Feststellung zur Freizeitgestaltung auf die Angaben in der Beschwerdeverhandlung.

2.12. Die Feststellung zur strafrechtlichen Unbescholtenheit konnte nach der Einsichtnahme in das Strafregister getroffen werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

2.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des AsylG, der AsylG-DV, des BFA-VG und des FPG lauten:

ASylG:

Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK

§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

§ 58. [...]

(11) Kommt der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nach, ist

1. das Verfahren zur Ausfolgung des von Amts wegen zu erteilenden Aufenthaltstitels (Abs. 4) ohne weiteres einzustellen oder

2. der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen.

Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren.

Arten und Form der Aufenthaltstitel

§ 54. (1) Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen werden Drittstaatsangehörigen erteilt als:

1."Aufenthaltsberechtigung plus", die zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbständigen und einer unselbständigen Erwerbstätigkeit gemäß § 17 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG), berechtigt,

2. "Aufenthaltsberechtigung", die zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbständigen und einer unselbständigen Erwerbstätigkeit, für die eine entsprechende Berechtigung nach dem AuslBG Voraussetzung ist, berechtigt, [...]

(2) Aufenthaltstitel gemäß Abs. 1 sind für die Dauer von zwölf Monaten beginnend mit dem Ausstellungsdatum auszustellen. Aufenthaltstitel gemäß Abs. 1 Z 1 und 2 sind nicht verlängerbar.

Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme

§ 10 [...]

(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt.

[...]

AsylG-DV:

Urkunden und Nachweise für Aufenthaltstitel

§ 8. (1) Folgende Urkunden und Nachweise sind - unbeschadet weiterer Urkunden und Nachweise nach den Abs. 2 und 3 - im amtswegigen Verfahren zur Erteilung eines Aufenthaltstitels (§ 3) beizubringen oder dem Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels (§ 3) anzuschließen:

1. gültiges Reisedokument (§ 2 Abs. 1 Z 2 und 3 NAG);

2. Geburtsurkunde oder ein dieser gleichzuhaltendes Dokument;

3. Lichtbild des Antragstellers gemäß § 5;

4. erforderlichenfalls Heiratsurkunde, Urkunde über die Ehescheidung, Partnerschaftsurkunde, Urkunde über die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft, Urkunde über die Annahme an Kindesstatt, Nachweis oder Urkunde über das Verwandtschaftsverhältnis, Sterbeurkunde.

[...]

Verfahren

§ 4. (1) Die Behörde kann auf begründeten Antrag von Drittstaatsangehörigen die Heilung eines Mangels nach § 8 und § 58 Abs. 5, 6 und 12 AsylG 2005 zulassen:

1. im Fall eines unbegleiteten Minderjährigen zur Wahrung des Kindeswohls,

2. zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK oder

3. im Fall der Nichtvorlage erforderlicher Urkunden oder Nachweise, wenn deren Beschaffung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(2) Beabsichtigt die Behörde den Antrag nach Abs. 1 zurück- oder abzuweisen, so hat die Behörde darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

FPG:

§52 [...]

(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

[...]

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

[...]

BFA-VG:

Schutz des Privat- und Familienlebens

§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2.das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.der Grad der Integration,

5.die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6.die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

[...]

2.2. Zur Heilung nach § 4 Abs. 1 Z 2 AsylGDV 2005 hat der VwGH ausgesprochen, dass die Bedingung, wonach die Erteilung des Aufenthaltstitels zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 MRK erforderlich sein muss, in jenen Konstellationen, in denen von Amts wegen ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 zu erteilen ist, voraussetzungsgemäß erfüllt ist (vgl. E 15. September 2016, Ra 2016/21/0187). Auch im Fall eines Antrags auf Erteilung eines solchen Aufenthaltstitels gilt, dass die Voraussetzungen für die verfahrensrechtliche Heilung nach § 4 Abs. 1 Z 2 AsylGDV 2005 die gleichen sind wie für die materielle Stattgabe des verfahrenseinleitenden Antrags. Die Prüfung, ob einem Heilungsantrag nach § 4 Abs. 1 Z 2 AsylGDV 2005 stattzugeben ist, unterscheidet sich also inhaltlich nicht von der Beurteilung, ob der Titel nach § 55 AsylG 2005 zu erteilen ist. Daraus folgt auch, dass bei einem Antrag nach § 55 AsylG 2005 in Bezug auf die Heilung nach § 4 Abs. 1 AsylGDV 2005 in erster Linie und vorrangig die Voraussetzungen der Z 2 der genannten Bestimmung zum Tragen kommen und dass es unzulässig ist, den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 trotz Vorliegens der hierfür erforderlichen Voraussetzungen wegen Nichtvorlage von Identitätsdokumenten zurückzuweisen (vgl. B 17. November 2016, Ra 2016/21/0314) (VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0168).

2.3.1. Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist, dass dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iSd Art. 8 EMRK geboten ist.

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

2.3.2. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann ein über zehnjähriger inländischer Aufenthalt den persönlichen Interessen eines Fremden am Verbleib im Bundesgebiet - unter Bedachtnahme auf die jeweils im Einzelfall zu beurteilenden Umstände - ein großes Gewicht verleihen (vgl. VwGH 10.05.2011, Zl. 2011/18/0100, mwN). Bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden ist nach der Judikatur des VwGH regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen. Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, sind Aufenthaltsbeendigungen ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen (vgl. zuletzt VwGH 23.02.2017, Ra 2016/21/0325; auch VwGH 04.08.2016, Ra 2015/21/0249; 30.08.2011, 2008/21/0605; 14.04.2016, Ra 2016/21/0029 bis 0032; 30.06.2016, Ra 2016/21/0165).

Nach der Judikatur des VwGH ist aber auch bei einem mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthalt in Verbindung mit dem Vorliegen gewisser integrationsbegründender Aspekte dann nicht zwingend von einem Überwiegen des persönlichen Interesses auszugehen, wenn dem Umstände entgegenstehen, die das gegen einen Verbleib im Inland sprechende öffentliche Interesse verstärken bzw. die Länge der Aufenthaltsdauer im Inland relativieren. Es ist daher auch in Fällen eines mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthaltes eine Gesamtabwägung unter Einbeziehung aller fallbezogen maßgeblichen Aspekte vorzunehmen, wenn auch unter besonderer Gewichtung der langen Aufenthaltsdauer (VwGH 17.10.2016 Ro, 2016/22/0005; 23.02.2017 Ra 2016/21/0340).

Dabei sah es der Verwaltungsgerichtshof etwa als nicht zu beanstanden, wenn der Umstand, dass ein Revisionswerber durch die Nichtvorlage seines Reisepasses die Effektuierung der Ausweisung behindert hat als die Länge der Aufenthaltsdauer relativierend gesehen wurde (vgl. etwa VwGH 14.11.2017, Ra 2017/21/0197, Rn. 9, in dem darauf abgestellt wurde, dass die lange Aufenthaltsdauer und das dabei erreichte Maß an Integration auf Grund einer Täuschungshandlung ermöglicht worden ist; bzw. VwGH 17.10.2016, Ro 2016/22/0009, Rn. 15, mwN, in dem darauf abgestellt wurde, dass die Beschaffung eines Heimreisezertifikates - dort: durch unrichtige Angaben - erschwert bzw. behindert worden ist; vgl. zuletzt VwGH 29.08.2018, Ra 2018/22/0180).

Ungeachtet eines mehr als zehnjährigen Aufenthaltes und des Vorhandenseins gewisser integrationsbegründender Merkmale können gegen ein Überwiegen der persönlichen Interessen bzw. für ein größeres öffentliches Interesse an der Verweigerung eines Aufenthaltstitels (oder an der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme) sprechende Umstände in Anschlag gebracht werden. Dazu zählen das Vorliegen einer strafgerichtlichen Verurteilung (vgl. E 30. Juni 2016, Ra 2016/21/0165; E 10. November 2015, Ro 2015/19/0001; B 3. September 2015, Ra 2015/21/0121; B 25. April 2014, Ro 2014/21/0054), Verstöße gegen Verwaltungsvorschriften (zB AuslBG, E 16. Oktober 2012, 2012/18/0062; B 25. April 2014, Ro 2014/21/0054), eine zweifache Asylantragstellung (vgl. B 20. Juli 2016, Ra 2016/22/0039; E 26. März 2015, Ra 2014/22/0078 bis 0082), unrichtige Identitätsangaben, sofern diese für die lange Aufenthaltsdauer kausal waren (vgl. E 4. August 2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253; E 30. Juni 2016, Ra 2016/21/0165), sowie die Missachtung melderechtlicher Vorschriften (vgl. E 31. Jänner 2013, 2012/23/0006).

2.3.3. Der VwGH hat festgestellt, dass beharrliches illegales Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger dauernder illegaler Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellen würde, was eine Ausweisung als dringend geboten erscheinen lässt (VwGH 31.10.2002, Zl. 2002/18/0190). Auch der Verfassungsgerichtshof verweist darauf, dass ein allein durch beharrliche Missachtung der fremden- und aufenthaltsrechtlichen Vorschriften erwirkter Aufenthalt keinen Rechtsanspruch aus Art. 8 EMRK bewirken könne. Eine andere Auffassung würde sogar zu einer Bevorzugung dieser Gruppe gegenüber den sich rechtstreu Verhaltenden führen (VfSlg. 19.086/2010 mwH).

Dem Umstand, dass der Aufenthaltsstatus des Fremden ein unsicherer war, kommt zwar Bedeutung zu, er hat aber nicht zur Konsequenz, dass der während unsicheren Aufenthaltes erlangten Integration überhaupt kein Gewicht beizumessen ist (vgl. E 4. August 2016, Ra 2015/21/0249 bis 253).

Allerdings ist der Umstand zu berücksichtigen, dass der Inlandsaufenthalt überwiegend unrechtmäßig war (Hinweis E 30. Juni 2016, Ra 2016/21/0165; E 11. November 2013, 2013/22/0072, vgl. auch dazu VwGH Ro 2016/22/0005, Rn. 15, mwN). So hat der Verwaltungsgerichtshof hat auch wiederholt ausgesprochen, dass das durch eine soziale Integration erworbene Interesse an einem Verbleib in Österreich in einem Gewicht gemindert ist, wenn der Fremde keine genügende Veranlassung hatte, von einer Erlaubnis zu einem dauernden Aufenthalt auszugehen (vgl. wiederum VwGH Ra 2016/22/0056).

2.3.4. Wird einem Fremden sowohl ein Beherrschen der deutschen Sprache als auch in der Vergangenheit ausgeübte Erwerbstätigkeiten und das Vorhandensein von Einstellungszusagen zugestanden, kann keine Rede davon sein, dass er sich überhaupt nicht integriert hätte; dass insbesondere Einstellungszusagen keine Bedeutung zukommt, trifft in Zusammenhang mit einem langjährigen Aufenthalt nicht zu (Ra 2016/21/0168 vom 26.01.2017; vgl. E 30. Juni 2016, Ra 2016/21/0165).

2.3.5. Auch ein während eines unsicheren Aufenthaltsstatus entstandenes Familienleben hat vor dem Hintergrund der gebotenen Gesamtbetrachtung nicht zur Konsequenz, dass diesem überhaupt kein Gewicht beizumessen wäre und ein solcherart begründetes familiäres Interesse nie zur Unzulässigkeit einer Ausweisung führen könnte (VwGH 16.11.2016, Ra 2016/18/0041; Hinweis E vom 19. Juni 2012, 2012/18/0027, 2012/18/0055).

2.3.6. Eine familiäre Beziehung unter Erwachsenen fällt - auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) - nur dann unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (vgl. dazu auch das Erk. des VfGH v. 9.6.2006, B 1277/04, unter Hinweis auf die Judikatur des EGMR; hg. Erk. v. 26.1.2006, 2002/20/0423 und Folgejudikatur, etwa die hg. Erk. v. 26.1.2006, 2002/20/0235, vom 8.6.2006, 2003/01/0600, vom 22.8.2006, 2004/01/0220 und vom 9.2.2007, 2005/20/0040); vgl. auch VwGH 26.6.2007, 2007/01/0479 und VwGH 19.11.2010, 2008/19/0010, u.v.a.).

Zu A)

Für den vorliegenden Fall bedeutet das:

Der BF hat keine Verwandten in Österreich, es besteht daher kein Familienleben im Bundesgebiet.

Der BF kann sich in beschränkten Umfang auf Deutsch verständigen, hat jedoch kein Sprachzertifikat erworben.

Der BF ist strafrechtlich unbescholten. Zu Lasten des BF werden die Anzeigen wegen unrechtmäßigen Aufenthalts gewichtet. Zu Lasten des BF wird auch gewichtet, dass der BF als unerlaubt beschäftigter Ausländer von der Finanzpolizei angetroffen wurde. In diesem Zusammenhang wird jedoch zu Gunsten des BF berücksichtigt, dass dies zehn Jahre zurückliegt. Der BF war durchgehend im Bundesgebiet gemeldet.

Der BF befindet sich seit 10 Jahren und 7 Monaten im Bundesgebiet. Entsprechend der oben dargestellten ständigen Judikatur des VwGH ist bei einer derart langen Aufenthaltsdauer regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen.

Gründe, die im Lichte der oben dargestellten Judikatur des VwGH ausnahmeweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt eine Aufenthaltsbeendigung als noch für verhältnismäßig angesehen werden können, sind im Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen. Es hat sich im Ermittlungsverfahren nicht ergeben, dass der BF die lange Aufenthaltsdauer durch Täuschungshandlungen erwirkt hätte oder die Beschaffung eines Heimreisezertifikates beispielsweise durch unrichtige Angaben erschwert oder behindert hätte. Der Auffassung der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, dem BF sei eine mangelnde Mitwirkungspflicht anzulasten, weil er identitätsbezeugende Dokumente trotz Aufforderung nicht vorgelegt hätte, ist entgegenzuhalten, dass der BF im Rahmen des eingeräumten Parteiengehörs Stellungnahmen abgegeben und Unterlagen, beispielsweise eine Geburtsurkunde in Kopie, vorgelegt hat.

Entsprechend der oben dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sind bei einem derart langjährigen Aufenthalt Einstellungszusagen bei der Interessenabwägung von Bedeutung. Dass sich der BF über die gesetzlichen Regelungen betreffend seine Erwerbstätigkeit als Fremder nach eigenen Angaben hinwegsetzt, spricht zuungunsten des BF. Allerdings ergibt sich daraus auch, dass er die Möglichkeit hat, bei rechtmäßigem Aufenthalt erwerbstätig zu sein, er entsprechende Anstrengungen zeigte und für seinen Unterhalt - wie in der Vergangenheit - selbst aufkommen kann. Der BF bezieht seit Oktober 2010 keine Leistungen aus der Grundversorgung.

Es kann somit nicht behauptet werden, dass der BF seinen bisherigen, mehr als zehn Jahre dauernden Aufenthalt überhaupt nicht genutzt hat, um sich sprachlich und beruflich zu integrieren.

Der BF ist strafrechtlich unbescholten

Es ist zu berücksichtigten, dass der Aufenthalt des BF nach abweisendem Abschluss seines Asylverfahrens ab November 2011 unrechtmäßig war und er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkam und beharrlich im Bundesgebiet verblieb. Der VwGH hat ausgeführt, dass diese Gesichtspunkte - in mehr oder weniger großem Ausmaß - typischerweise auf Personen zutreffen, die nach negativer Erledigung ihres Antrages auf internationalen Schutz einen mehr als zehnjährigen inländischen und zuletzt jedenfalls unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet aufweisen und diese Umstände per se nicht gegen die regelmäßig überwiegenden persönlichen Unteressen bei einem mehr als 10jährigen Aufenthalt sprechen (siehe zuletzt VwGH vom 23.01.2020, Ra 2019/21/0378, 0388-6, Rn 16).

Nach Maßgabe einer Interessenabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG überwiegt daher das persönliche Interesse des BF am Verbleib im Bundesgebiet dem öffentlichen Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts des BF im Bundesgebiet (bzw dem Nichtausstellen eines Aufenthaltstitels).

Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist gemäß § 55 Abs 1 AsylG vom Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinn e des Art 8 EMRK geboten ist (Z 1) und der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs 2 ASVG) erreicht wird (Z 2). Liegt nur die Voraussetzung des Abs 1 Z 1 vor, ist gemäß Abs 2 eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

§ 7 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017 idgF, lautet:

(1) Die Integrationsvereinbarung dient der Integration rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassener Drittstaatsangehöriger (§ 3 Z 3) und zielt darauf ab, sie zur Teilnahme am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben in Österreich zu befähigen. Im Rahmen dieser Vereinbarung sind Drittstaatsangehörige verpflichtet, Kenntnisse der deutschen Sprache sowie der demokratischen Ordnung und der daraus ableitbaren Grundprinzipien zu erwerben. Der Bund gewährt nach Maßgabe des Gesetzes (§ 14) eine Kostenbeteiligung.

(2) Die Integrationsvereinbarung besteht aus zwei aufeinander aufbauenden Modulen:

1. das Modul 1 dient dem Erwerb von Kenntnissen der deutschen Sprache zur vertieften elementaren Sprachverwendung auf dem Sprachniveau A2 gemäß dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen und der Vermittlung der grundlegenden Werte der Rechts-und Gesellschaftsordnung;

2. das Modul 2 dient dem Erwerb von Kenntnissen der deutschen Sprache zur selbständigen Sprachverwendung auf dem Sprachniveau B1 gemäß dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen und der vertieften Vermittlung der grundlegenden Werte der Rechts-und Gesellschaftsordnung.

(3) Die näheren Bestimmungen zu den Inhalten der Module 1 und 2 der Integrationsvereinbarung hat der Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres durch Verordnung festzulegen.

§ 9 IntG lautet:

(1) -(3) ...

(4) Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige

1. einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 11 vorlegt,

2. einen gleichwertigen Nachweis gemäß § 11 Abs. 4 über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung vorlegt,

3. über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht,

4. einen Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot -Karte" gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 NAG besitzt oder

5. als Inhaber eines Aufenthaltstitels "Niederlassungsbewilligung -Künstler" gemäß § 43a NAG eine künstlerische Tätigkeit in einer der unter § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 Kunstförderungsgesetz, BGBl. I Nr. 146/1988, genannten Kunstsparte ausübt; bei Zweifeln über das Vorliegen einer solchen Tätigkeit ist eine diesbezügliche Stellungnahme des zuständigen Bundesministers einzuholen.

Die Erfüllung des Moduls 2 (§ 10) beinhaltet das Modul 1.

(5) ...

(6) Die Behörde kann von Amts wegen mit Bescheid feststellen, dass der Drittstaatsangehörige trotz Vorliegen eines Nachweises gemäß Abs. 4 Z 1 oder 2 das Modul 1 der Integrationsvereinbarung mangels erforderlicher Kenntnisse gemäß § 7 Abs. 2 Z 1 nicht erfüllt hat.

(7) ...

§ 11 Abs. 2 Integrationsgesetz lautet:

" (2) Die Prüfung umfasst Sprach-und Werteinhalte. Mit der Prüfung ist festzustellen, ob der Drittstaatsangehörige über vertiefte elementare Kenntnisse der deutschen Sprache zur Kommunikation und zum Lesen und Schreiben von Texten des Alltags auf dem Sprachniveau A2 gemäß dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen und über Kenntnisse der grundlegenden Werte der Rechts-und Gesellschaftsordnung der Republik Österreich verfügt. Der Prüfungserfolg ist mit "Bestanden" oder "Nicht bestanden" zu beurteilen. Zur erfolgreichen Absolvierung der Prüfung muss sowohl das Wissen über Sprach-sowie über Werteinhalte nachgewiesen werden. Wiederholungen von nicht bestandenen Prüfungen sind zulässig. Die Wiederholung von einzelnen Prüfungsinhalten ist nicht zulässig."

Die Übergangsbestimmung gemäß § 81 Abs. 36 NAG lautet:

"(36) Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG gilt als erfüllt, wenn Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a in der Fassung

vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 68/2017 vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 68/2017 erfüllt haben oder von der Erfüllung ausgenommen waren."

Der BF hat keine Deutschprüfungen absolviert und daher weder das Modul 1 der Integrationsvereinbarung vor Inkrafttreten des Integrationsgesetzes absolviert noch danach das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz. Der Antragsteller erfüllt mangels absolvierter Deutschprüfungen lediglich die Voraussetzungen der Z 1 des § 55 Abs 1 AsylG, weshalb spruchgemäß zu entscheide war und ihm nach § 55 Abs 2 AsylG eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen ist.

Das BFA hat dem Beschwerdeführer den Aufenthaltstitel gemäß § 58 Abs. 7 AsylG auszufolgen. Der Beschwerdeführer hat hierbei gemäß § 58 Abs. 11 AsylG mitzuwirken. Der Aufenthaltstitel gilt gemäß § 54 Abs. 2 AsylG für die Dauer von zwölf Monaten beginnend mit dem Ausstellungsdatum.

Zu II

Nach dem zuvor dargestellten Ergebnis liegen die Voraussetzungen für den Erlass einer Rückkehrentscheidung, die Feststellung der Zulässigkeit einer Abschiebung, sowie die Setzung einer Frist für die freiwillige Ausreise mangels einer gesetzlichen Grundlage nicht mehr vor, weshalb gleichzeitig die betreffenden Spruchpunkte ersatzlos zu beheben waren.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind somit weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen, zumal im vorliegenden Fall vornehmlich die Klärung von Sachverhaltsfragen maßgeblich für die zu treffende Entscheidung war. Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar allenfalls zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert

Schlagworte

Aufenthaltsberechtigung Aufenthaltsdauer Deutschkenntnisse Integration Interessenabwägung Privat- und Familienleben Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W163.1414103.2.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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