Entscheidungsdatum
27.04.2020Norm
AVG §13 Abs1Spruch
W111 2219168-2/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Dajani, LL.M., als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch XXXX , Rechtsanwalt in XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.07.2019, Zl.: 1214404804-181175032, zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 39 BFA-VG idgF als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation, stellte, nachdem er bereits im Februar 2018 legal ins Bundesgebiet eingereist war, am 06.12.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet.
Der vom Beschwerdeführer im Original vorgelegte gültige russische Reisepass wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am gleichen Datum gemäß § 39 BFA-VG sichergestellt.
Mit dem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.04.2019 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist (Spruchpunkt V.).
Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben, welche gegenwärtig beim Bundesverwaltungsgericht zu Zahl W111 2219168-1 anhängig ist.
2. Mit Eingabe vom 21.06.2019 stellte der (damals) bevollmächtigte Vertreter des Beschwerdeführers einen Antrag auf Ausfolgung des Reisepasses, welcher im Wesentlichen damit begründet wurde, dass der Beschwerdeführer das Reisedokument benötige, um sich im Alltag - etwa gegenüber Behörden, Bankangestellten oder Ärzten - ausweisen zu können. Der Beschwerdeführer habe von Beginn an auf die Grundversorgung verzichtet, sei selbsterhaltungsfähig und müsse sich aus diesem Grund regelmäßig ausweisen. Die Aufenthaltsberechtigungskarte werde in den beispielhaft angeführten Fällen nicht als ein gültiges Ausweisdokument akzeptiert, da diese gemäß § 51 Abs. 2 AsylG 2005 lediglich dem Nachweis der Identität für das Verfahren und der Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes im Bundesgebiet diene. Das betreffende Dokument werde nach § 39 Abs. 3 BFA-VG für das Verfahren nicht mehr benötigt, dessen Sicherstellung erweise sich als unverhältnismäßig. Die Identität und Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers seien durch Vorlage entsprechender personenbezogener Dokumente zweifelsfrei geklärt. Der Beschwerdeführer sei während des gesamten Verfahrens aufrecht gemeldet gewesen, zudem sei durch das rechtsfreundliche Vertretungsverhältnis ausreichend gesichert, dass der Beschwerdeführer den Behörden jederzeit zur Verfügung stehe. Da der Beschwerdeführer zudem seiner Mitwirkungspflicht im Verfahren stets nachgekommen sei, stehe einer Ausfolgung des Dokumentes nichts entgegen.
Im Akt ist ein desweiteren eine elektronische Nachricht des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl an den damaligen anwaltlichen Vertreter vom 17.05.2019 dokumentiert, welcher sich entnehmen lässt, dass offenbar bereits vor dem verfahrensgegenständlichen Antrag Kontakte zwischen dem BFA und dem Vertreter in der Thematik der Aushändigung des Reisedokumentes des Beschwerdeführers stattgefunden haben. In der Nachricht vom 17.05.2019 hatte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem rechtsfreundlichen Vertreter insbesondere mitgeteilt, dass der Reisepass als Beweismittel nicht nur zur Feststellung der Identität, sondern auch im Hinblick auf eine eventuelle Abschiebung benötigt werde. Die im Zuge der Abschiebung verwendeten Reisedokumente (HRZ oder gültiges Reisedokument) würden den Behörden des Zielstaates zwecks Kontrolle der Einreise ausgehändigt werden - bei unbegleiteten Abschiebungen durch die Flug-Crew, bei begleiteten Abschiebungen durch die Escorten bzw. bei großen Charterflügen den Dokumenten-Beamten. Für den Beschwerdeführer bestünde jederzeit die Möglichkeit der Ausfertigung einer Kopie des Reisepasses.
3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.07.2019 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Ausfolgung des Reisepasses gemäß § 13 Abs. 1 AVG iVm § 39 Abs. 3 BFA-VG abgewiesen.
In der Entscheidungsbegründung hielt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl fest, das Reisedokument des Beschwerdeführers werde für das anschließende Verfahren zur Durchsetzung und Effektuierung der Außerlandesbringung bzw. die Abschiebung benötigt. Das gültige Reisedokument des Beschwerdeführers sei nach freiwilliger Vorlage am 06.12.2018 gemäß § 39 Abs. 3 BFA-VG zur Sicherung des Asylverfahrens und in weiterer Folge - im Falle der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme zur Sicherung der Abschiebung - sichergestellt worden. Nach § 39 Abs. 3 BFA-VG könnten Beweismittel generell solange beim Bundesamt bleiben, als sie für ein Verfahren oder eine Abschiebung benötigt würden. Sie seien dem Besitzer spätestens bei Übergabe an den Zielstaat zu retournieren. Das Asylverfahren des Beschwerdeführers sei derzeit beim BVwG anhängig; vor dem Hintergrund, dass gegen den Beschwerdeführer eine - wenn auch nicht rechtskräftige - Rückkehrentscheidung erlassen worden wäre, sei davon auszugehen, dass das Reisedokument zur Sicherung der Abschiebung in den Herkunftsstaat benötigt werden wird. Für den Fall, dass der Beschwerdeführer freiwillig in sein Herkunftsland ausreisen möchte, werde diesem sein Reisedokument bei der Ausreise durch die Rückkehrberatungsorganisation ausgehändigt. Dem Vorbringen, dass er das Dokument gegenüber Behörden, Bankangestellten oder Ärzten benötigen würde, könne entgegengehalten werden, dass der Beschwerdeführer im Besitz einer Aufenthaltsberechtigungskarte gemäß § 51 AsylG 2005 sei, welche von österreichischen Behörden als Identitätsdokument akzeptiert werde. Desweiteren könne der Beschwerdeführer auch jederzeit eine Kopie seines Reisedokumentes anfertigen, sodass ein Nachweis seiner Originalidentität auch bei Dritten wie Ärzten oder Banken möglich sei.
4. Gegen diesen Bescheid wurde durch den damaligen rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers mit Eingabe vom 21.08.2019 fristgerecht die verfahrensgegenständliche Beschwerde eingebracht, in welcher begründend zunächst auf eine fehlende Zuständigkeit des Bundesamtes betreffend den verfahrensgegenständlichen Antrag angesichts des zwischenzeitigen Übergangs der Kognitionsbefugnis an das Bundesverwaltungsgericht, verwiesen wurde, sodass die Behörde zu einer Weiterleitung des Antrages gemäß § 6 AVG an das Bundesverwaltungsgericht verpflichtet gewesen wäre. Die Behörde habe es zudem gänzlich unterlassen, festzustellen, warum sie den Reisepass des Beschwerdeführers in concreto tatsächlich benötige und nehme mit der Aussage, das Dokument werde für eine Abschiebung benötigt werden, einen noch nicht feststehenden Verfahrensausgang vorweg. Der Beschwerdeführer sei zur freiwilligen Vorlage seines Reisedokumentes bereit gewesen und habe nachvollziehbar dargelegt, dass er dieses Dokument aus diversen Gründen benötige. Die Begründung des angefochtenen Bescheides erweise sich demnach als vollkommen unzureichend. Dadurch, dass der Beschwerdeführer von Beginn an auf Grundversorgung verzichtet hätte und jedenfalls selbsterhaltungsfähig sei, müsse dieser sich im Alltag regelmäßig ausweisen, so beispielsweise gegenüber den Behörden (der Beschwerdeführer möchte nunmehr seinen Führerschein umschreiben lassen, damit er in Österreich berechtigt sei, ein Fahrzeug zu lenken). Doch auch bei Arztbesuchen, Versicherungen sowie im Zuge von Bankterminen und bei der Postabholung komme es in Ermangelung eines Identitätsdokumentes des Beschwerdeführers regelmäßig zu Einschränkungen. Mit einer Passkopie sei in der Praxis ebenfalls nicht das Auslangen zu finden. Die Aufenthaltsberechtigungskarte werde entgegen den Ausführungen der Verwaltungsbehörde de facto, auch in Verbindung mit einer allfälligen Passkopie, nicht als Identitätsnachweis befunden. Im Falle eines komplett negativen Ausgangs seines Asylverfahrens werde der Beschwerdeführer seiner Ausreiseverpflichtung nachkommen. Basierend auf den bisherigen Ausführungen erweise sich die Ausfolgung des Reisepasses jedenfalls als angezeigt und sei die Einbehaltung durch die Behörde jedenfalls unverhältnismäßig, sodass sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig erweise.
5. Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und der bezughabende Verwaltungsakt langten am 26.08.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
Mit Eingabe vom 12.11.2019 wurde die Vollmacht des nunmehr (zusätzlich?) bevollmächtigten Rechtsanwaltes bekanntgegeben.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes und der vorliegenden Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes sowie aus der verfahrensgegenständlichen Bescheidbeschwerde.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Da sich die gegenständliche zulässige und rechtzeitige Beschwerde gegen einen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG zur Entscheidung zuständig.
Der Verwaltungsgerichtshof judiziert in mittlerweile ständiger Rechtsprechung, dass das Verwaltungsgericht prinzipiell nicht nur die gegen einen verwaltungsbehördlichen Bescheid eingebrachte Beschwerde, sondern auch die Angelegenheit zu erledigen hat, die von der Verwaltungsbehörde zu entscheiden war (vgl. etwa VwGH 30.1.2019, Ra 2018/03/0131, mwN).
Zum Beschwerdevorbringen einer fehlenden Zuständigkeit des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl für den Abspruch über den Antrag auf Ausfolgung des Reisepasses wird eingangs auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes im Erkenntnis vom 24.01.2019, Ra 2018/21/0239, Rz 11, verwiesen; der erfolgte bescheidmäßige Abspruch des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl über den dort eingebrachten Antrag war demnach nicht zu beanstanden; eine (zusätzliche) Maßnahmenbeschwerde wurde durch den, rechtsfreundlich vertretenen, Beschwerdeführer nicht eingebracht, sodass Gegenstand des Verfahrens die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.07.2019 respektive der Begründetheit des diesem zugrundeliegenden Antrags vom 21.06.2019 ist.
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
3.2. § 39 BFA-VG lautet in den gegenständlich relevanten Teilen:
"Sicherstellen von Beweismitteln und Bargeld
§ 39. (1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, Gegenstände und Dokumente, die für ein Verfahren vor dem Bundesamt oder für eine Abschiebung gemäß § 46 FPG als Beweismittel benötigt werden, vorläufig sicherzustellen. Im Falle einer Anordnung gemäß § 43 Abs. 1 sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes auch ermächtigt, jenen Teil des mitgeführten Bargeldes, der einen dem Fremden jedenfalls zu belassenden Betrag von 120 Euro oder Euro-Gegenwert, nicht aber einen Höchstbetrag von 840 Euro oder Euro-Gegenwert überschreitet, sicherzustellen. Wird Bargeld sichergestellt, so ist der Fremde nachweislich über die Beitragspflicht, den Anspruch auf Ausfolgung eines allfälligen Differenzbetrages und das Recht, dessen Feststellung zu beantragen, sowie die Rechtsfolge des Verfalls gemäß § 2 Abs. 1b bis 1e GVG-B 2005 zu informieren.
(...)
(2) Als Beweismittel gelten auch Gegenstände oder Dokumente, die im Zuge der Vollziehung einer Rückkehrentscheidung, einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes, insbesondere zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments für die Abschiebung, benötigt werden.
(3) Über eine Sicherstellung gemäß Abs. 1 und 1a ist dem Betroffenen eine schriftliche Bestätigung auszufolgen, aus der, wenn Bargeld sichergestellt wird, die Höhe des sichergestellten Betrages hervorgehen muss. Die Beweismittel sind dem Bundesamt zu übergeben und von diesem, sobald sie nicht mehr für Verfahren oder für eine Abschiebung benötigt werden, dem Betroffenen zurückzustellen, es sei denn, sie wären nach einem anderen Bundesgesetz sicherzustellen. Im Falle der Sicherstellung von Datenträgern sind nicht diese, sondern die Ergebnisse der Auswertung samt Sicherungskopie (§ 39a) dem Bundesamt zu übermitteln. Im Falle der Sicherstellung von Bargeld sind dem Bundesamt der sichergestellte Bargeldbetrag und eine Kopie der dem Asylwerber ausgefolgten Bestätigung zu übermitteln."
§ 39 BFA-VG entspricht dem geltenden § 38 FPG sowie den §§ 21 und 44 Abs. 4 AsylG 2005 und zielt darauf ab, Beweismittel für Verfahren vor dem Bundesamt oder eine Abschiebung zu sichern (vgl. RV 1803 XXIV. GP).
Hinsichtlich der vergleichbaren Regelung des § 38 FPG ("Sicherstellung von Beweismitteln") hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen:
"Benötigt die Fremdenpolizeibehörde Beweismittel iSd § 38 Abs. 3 FrPolG 2005, worunter insbesondere Dokumente zu verstehen sind, nicht mehr, so hat sie diese dem Betroffenen zurückzustellen. Mit dieser behördlichen Verpflichtung korrespondiert eine entsprechende Berechtigung des Betroffenen, was aus seinem konkreten Interesse am Erhalt bzw. Besitz seiner Dokumente resultiert. Ist für die Festlegung behördlicher Pflichten das Interesse individualisierbarer Personen ausschlaggebend, so ist nämlich davon auszugehen, dass diesen Personen eine Berechtigung eingeräumt wird (vgl. VwSlg 9151 A/1976). Das zieht die Parteistellung bzw. die Befugnis zur Rechtsverfolgung nach sich. Konsequenz ist, dass einem Fremden, der die Ausfolgung seiner Dokumente begehrt, nicht entgegengehalten werden kann, ihm komme keine Antragslegitimation zu. Das hat der VwGH schon im Ablehnungsbeschluss vom 29. September 2011, 2010/21/0111, zum Ausdruck gebracht, in dem er auf die Pflicht der Fremdenpolizeibehörde, über einen Ausfolgeantrag (so sie ihm nicht stattgibt) mit Bescheid abzusprechen sowie auf den Grundsatz der Subsidiarität der Beschwerdemöglichkeiten nach § 88 SPG 1991 hingewiesen hat. Eine bloße Antragszurückweisung mangels Antragslegitimation war damit nicht gemeint; andernfalls hätte auch der diesem Hinweis vorangestellte Grundsatz der Subsidiarität der Beschwerdemöglichkeiten nach § 88 SPG 1991 keinen Sinn gemacht."
Diese Judikatur ist ob der Wesensgleichheit der Regelungen des § 38 FPG und des § 39 BFA-VG auf den gegenständlich zu beurteilenden Fall übertragbar.
Das Ende der Einbehaltungsfrist der sichergestellten Dokumente wird in § 39 BFA-VG grundsätzlich - abgesehen von behördeninternen Weiterleitungen - dadurch definiert, ob sie noch für das Verfahren oder die Abschiebung benötigt werden (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 39 BFA-VG K8).
Die längst zulässige Dauer ist grundsätzlich bis zu dem die Ingerenz des Bundesamtes beendenden Akt der Abschiebung anzunehmen. Im Fall einer in Aussicht stehenden freiwilligen Ausreise werden die konkreten Umstände zu bewerten sein. Als (verfahrensfreier) Akt behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt kann auch die "Nichtausfolgung" mit Beschwerde an das BVwG auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft werden (vgl. Schmalzl in Schrefler-König/Szymanski, Fremdenpolizei- und Asylrecht § 39 BFA-VG [Stand 1.3.2016, rdb.at]).
Nach Abs. 2 leg.cit. gelten als Beweismittel u.a. auch Dokumente, die im Zuge der Vollziehung einer Rückkehrentscheidung benötigt werden, was für den sichergestellten Reisepass jedenfalls gilt.
Im Falle des Beschwerdeführers ist unstrittig, dass mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.04.2019, verbunden mit der Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz, eine Rückkehrentscheidung ausgesprochen worden ist, wobei das diesbezügliche Verfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen wurde, sondern im Stadium der Beschwerde vor dem Bundesverwaltungsgericht anhängig ist. Zu der wesensgleichen Regelung des § 38 FPG ("Sicherstellung von Beweismitteln") hat der Verwaltungsgerichtshof zum Ausdruck gebracht, dass die mangelnde Durchsetzbarkeit einer Ausweisung noch nicht die Sicherstellung eines für die Vollziehung der Ausweisung benötigten Dokuments gemäß § 38 FPG hindert. Es ist den Behörden nämlich nicht generell verwehrt, Schritte zur Vorbereitung einer Abschiebung zu setzen, auch wenn im Hinblick auf ein anhängiges Verfahren noch nicht feststehe, ob diese tatsächlich zulässig sein werde. Unzulässig wäre die Sicherstellung nur dann, wenn sie sich im Einzelfall als unverhältnismäßig erweise (VwGH 29.02.2012, 2010/21/0195 und 25.04.2014, 2013/21/0255).
Im Hinblick darauf ist die Einbehaltung des sichergestellten Reisepasses nicht zu beanstanden und eine Ausfolgung des Reisepasses nicht angezeigt, da die Behörde davon ausgehen durfte, dass dieses Dokument etwa im Zuge der künftigen Vollziehung der ausgesprochenen Rückkehrentscheidung, allenfalls auch dafür, bei Durchsetzbarkeit den Beschwerdeführer zur Abschiebung zu verhalten (§ 46 FPG), benötigt wird.
Umstände, insbesondere konkret drohende Nachteile, die eine Unverhältnismäßigkeit der Sicherstellung des Reisepasses begründen könnten, hat der Beschwerdeführer mit dem Vorbringen, er könne sich gegenüber Behörden (konkret zwecks Umschreibung seines russischen Führerscheins in einen österreichischen), Ärzten, Banken und der Post nicht ausreichend ausweisen, nicht dargelegt (vgl. dazu VwGH 29.2.2012, Zl. 2010/21/0195).
Das Bundesamt hat zutreffend darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer im Besitz einer Aufenthaltsberechtigungskarte gemäß § 51 AsylG 2005 ist, welche ihm - allenfalls in Verbindung mit einer Kopie seines Reisepasses - den Nachweis seiner Identität im österreichischen Rechtsverkehr, wie auch anderen Personen in einem laufenden Verfahren auf internationalen Schutz, ausreichend ermöglicht. Die Beschwerde hat diese Erwägungen im angefochtenen Bescheid lediglich pauschal im Abrede gestellt, jedoch nicht konkret dargelegt, in welchem Zusammenhang dem Beschwerdeführer aufgrund der fehlenden Vorlage seines Original-Reisepasses bislang ein unverhältnismäßiger Nachteil entstanden wäre bzw. in welcher Situation er dies künftig konkret erwartet.
Unter diesen Aspekten ist nicht zu erkennen, dass die Behörde das sichergestellte Dokument nicht mehr benötigen würde und ist die Notwendigkeit der Zurückstellung des Reisepasses an den Beschwerdeführer nicht gegeben, sodass der Antrag auf Ausfolgung des Reisepasses abzuweisen war.
3.3. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG, BGBl I Nr. 68/2013 idgF, kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte im gegenständlichen Fall gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl. insb. zur Nichtausfolgung sichergestellter Beweismittel VwGH 29.02.2012, 2010/21/0195; 25.04.2014, 2013/21/0255; 24.1.2019, Ra 2018/21/0239); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen.
Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zum Teil zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
mangelnder Anknüpfungspunkt Reisedokument VoraussetzungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W111.2219168.2.00Im RIS seit
28.07.2020Zuletzt aktualisiert am
28.07.2020