Entscheidungsdatum
27.04.2020Norm
ASVG §67 Abs4Spruch
I413 2212306-1/12E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Martin ATTLMAYR, LL.M. als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX Anstalt, GF XXXX, vertreten durch XXXX, FL-9494 Schaan gegen den Bescheid der Tiroler Gebietskrankenkasse (nunmehr Österreichische Gesundheitskasse Landesstelle Tirol) vom 07.11.2018, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass es im angefochtenen Bescheid zu lauten hat wie folgt:
"XXXX Anstalt haftet als Betriebsnachfolgerin zu ungeteilten Handen für die rückständigen Beiträge und Nebengebühren der Vorgängerin, XXXX Anstalt, aus den Vorschreibungen für die Zeiträume Juni 2015, Juli 2015, August 2015, September 2015, Oktober 2015, November 2015, Dezember 2015, Jänner 2016, Mai 2016, Juni 2016, Juli 2016, August 2016, September 2016, Oktober 2016, Dezember 2016 und Dezember 2017 von Euro 13.670,36. XXXX Anstalt ist verpflichtet, diesen Betrag binnen 14 Tagen nach Zustellung des Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen an die Österreichische Gesundheitskasse, Landesstelle Tirol, zu bezahlen."
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bescheid vom 07.11.2018, XXXX, entschied die belangte Behörde: "Die Firma XXXX Anstalt, haftet als Betriebsnachfolger zu ungeteilten Handen für die rückständigen Beiträge und Nebengebühren des Vorgängers, XXXX Anstalt, aus den Vorschreibungen für die Zeiträume Oktober 2015, November 2015, Dezember 2015, Jänner 2016, Mai 2016, Juni 2016, Juli 2016, August 2016, September 2016, Oktober 2016, Dezember 2016 und Dezember 2017 von Euro 13.505,37. Die Firma XXXX Anstalt ist verpflichtet, diesen Betrag binnen 14 Tagen nach Zustellung des Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen an die Tiroler Gebietskrankenkasse zu bezahlen."
2. Gegen diesen der Beschwerdeführerin am 12.11.2018 zugestellten Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde, mit der Mangelhaftigkeit des Verfahrens moniert wird und der Antrag gestellt wird, das Bundesverwaltungsgericht möge den Bescheid vom 07.11.2018 ersatzlos beheben.
3. Mit Schriftsatz vom 21.12.2018 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor und beantragte die Beschwerde als rechtlich unbegründet abzuweisen.
4. Mit Schreiben vom 10.01.2019 ersuchte das Bundesverwaltungsgericht zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung um Beantwortung von folgenden Fragen und mit der Übersendung nachstehender Unterlagen:
"1. Wer ist Vermieter der Liegenschaft XXXX, XXXX? Sie werden ersucht eine ladungsfähige Anschrift des Vermieters zu übermitteln. Sollte der Vermieter eine Verbandsperson sein, werden Sie ersucht, die für diese Vermietung relevante natürliche Person anzugeben und eine ladungsfähige Anschrift zu übermitteln. Unter einem werden Sie aufgefordert, den gültigen Bestandsvertrag der Beschwerdeführerin zu übermitteln.
2. Welcher Tätigkeit geht die Beschwerdeführerin tatsächlich nach?
3. Sie werden aufgefordert, einen aktuellen Handelsregisterauszug der Beschwerdeführerin, der auch alle historischen Daten enthält, im Original zu übermitteln.
4. Wer ist/sind der/die wirtschaftlich berechtigten Personen der Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Errichtung der Beschwerdeführerin und zum gegenwärtigen Zeitpunkt? Sie werden ersucht, eine ladungsfähige Adresse bzw. ladungsfähige Adressen dieser Person/Personen zu übermitteln. Sollte eine Treuhänderschaft bestehen, sind die Namen und ladungsfähigen Adressen der Treuhänder und Treugeber anzugeben.
5. Hat die Beschwerdeführerin Mitarbeiterin? Diesen Falls ist eine vollständige Liste der Name der Mitarbeiter und der ehemaligen Mitarbeiter der Beschwerdeführerin vorzulegen.
6. Sie werden ersucht, die in Ihrer Beschwerde angeführten, jedoch nicht beiliegenden Schreiben gemäß Beilagenverzeichnis nachzureichen."
5. Mit Schriftsatz vom 21.01.2019, eingelangt am 23.01.2019, beantwortete die Beschwerdeführerin die Anfrage des Bundesverwaltungsgerichtes und legte die geforderten Unterlagen vor. Bezüglich der Anfrage der wirtschaftlich berechtigten Person wurden keine Auskünfte erteilt.
6. Am 12.03.2019 führte das Bundesverwaltungsgericht die mündliche Verhandlung durch. In dieser mündlichen Verhandlung wurden der Geschäftsführer und das Mitglied des Verwaltungsrates XXXX, sowie die Mitglieder des Verwaltungsrates XXXX und XXXX einvernommen.
7. Mit Stellungnahmen vom 02.04.2019 dehnte die belangte Behörde den gegenständlichen Haftungsbetrag um weitere Beträge aus, sodass der ausgedehnte Haftungsbetrag nunmehr Euro 13.670,36 beträgt.
8. Diesen Schriftsatz brachte das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 02.04.2020 zur Kenntnis und ermöglichte dieser, eine Stellungnahme bis zum 16.04.2020 abzugeben. Eine Stellungnahme langte nicht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Der in Punkt I. dargestellte Verfahrensgang wird festgestellt. Darüber hinaus werden nachstehende Feststellungen getroffen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin ist eine zu XXXX im liechtensteinischen Handelsregister eingetragene Anstalt im Sinne der Art. 534 ff des liechtensteinischen Personen- und Gesellschaftsrechts vom 20.01.1926 (PGR), liechtensteinisches LGBl Nr. 1926.004. Die Gesellschaft hat ihre Zustelladresse in XXXX, XXXX. Ihr Zweck ist das Bewachen von Betrieben, Gebäuden, Anlagen, Baustellen, Grundstücken und beweglichen Sachen, Eintritts- und Sicherheitskontrollen, sowie Portierdienste und Personenschutz; Durchführung und Überwachung von Geld- und Wertgegenständetransporten, Betreiben von Notrufzentralen; Ausführung von Personenwagen- und Bootsreinigungen, Ausführung von Reinigungsarbeiten; Liegenschaftsbewirtschaftungen; Ausführung von Armierungsarbeiten; Übernahme und Verwaltung von Beteiligungen und Rechten; Vermittlung von Handelsgesellschaften; der Erwerb, die Verwaltung und die Veräußerung von Vermögenswerden, insbesondere Immobilien, die Beteiligung an und die Finanzierung von anderen Unternehmen; Durchführung von Vermittlungs- und Provisionsgeschäften; Handel mit Waren aller Art, insbesondere mit Kraftfahrzeugen. Die Gesellschaft wurde am XXXX im liechtensteinischen Handelsregister eingetragen. Seit XXXX sind XXXX und XXXX Mitglieder des Verwaltungsrates, wobei XXXX einzelzeichnungsberechtigt und XXXX neben der Funktion des Mitgliedes des Verwaltungsrates auch die Funktion des Geschäftsführers innehat und mit dem Recht Kollektiv zu zweien zu zeichnen ausgestattet ist. Seit 07.02.2018 ist XXXX weiteres Mitglied des Verwaltungsrates mit dem Recht einzeln zu zeichnen. Inhaber der Gründerrechte der XXXX Anstalt im Sinne der Art. 540 ff PGR ist XXXX.
XXXX Anstalt; nunmehr XXXX Anstalt in Liquidation, ist eine zu XXXX am XXXX in das liechtensteinische Handelsregister eingetragene Anstalt, mit Sitz und Zustelladresse in XXXX, XXXX, welche am XXXX gelöscht wurde. Ihr zuletzt gültiger Zweck ist wie folgt eingetragen: "Der Firmenzweck ist das Bewachen von Betrieben, Gebäuden, Anlagen, Baustellen, Grundstücken und beweglichen Sachen, Eintritts- und Sicherheitskontrollen, sowie Portierdienste und Personenschutz; Durchführung und Überwachung von Geld- und Wertgegenständetransporten, Betreiben von Notrufzentralen; Ausführung von Personenwagen und - Bootsreinigungen, Ausführung von Reinigungsarbeiten; Liegenschaftsbewirtschaftungen; Ausführung von Armierungsarbeiten; Übernahme und Verwaltung von Beteiligungen und Rechten; Vermittlung von Handelsgeschäften; der Erwerb, die Verwaltung und die Veräußerung von Vermögenswerten, insbesondere Immobilien, die Beteiligung an und Finanzierung von anderen Unternehmen; Durchführung von Vermittlungs- und Provisionsgeschäften; Handeln mit Waren aller Art, insbesondere mit Kraftfahrzeugen. Liquidator der Gesellschaft war XXXX mit dem Recht einzeln zu zeichnen. Bis zum 24.04.2017 waren Mitglieder des Verwaltungsrates XXXX, sowie XXXX, welcher auch Geschäftsführer war. XXXX zeichnete einzeln und XXXX mit dem Recht kollektiv zu zeichnen.
XXXX Aktiengesellschaft, XXXX, XXXX ist Vermieterin von Büros in der Liegenschaft XXXX in der Industrie- und Gewerbezone in XXXX, Liechtenstein. XXXX Aktiengesellschaft ist Vermieterin der XXXX Anstalt und vermietete ihr ein Büro im Ausmaß von 36 qm, eine Lagerfläche zur Mitbenutzung und eines Außenparkplatzes. Auch der XXXX Anstalt vermietete XXXX AG ein derartiges Büro. Diese Büros sind alle von der Ausstattung und Größe vergleichbare Einheiten, welche XXXX AG zur Vermietung bereithält.
XXXX Anstalt schuldet der belangten Behörde an vollstreckbaren Beiträgen im Zeitraum 01/2013 bis 12/2017, Beiträge in Höhe von EUR 25.922,99 zuzüglich Verzugszinsen gerechnet bis 31.05.2017 in Höhe von EUR 4.463,83, sowie Beitragszuschlägen gemäß § 113 ASVG in Höhe von EUR 700,00. Die Gesamtforderung beträgt EUR 31.086,82.
XXXX ist Inhaber einer Konzession für das Sicherheitsgewerbe, welches er der XXXX Anstalt in Liechtenstein zur Verfügung gestellt hatte. Seit Gründung der XXXX Anstalt am XXXX, spätestens jedoch seit Herbst 2016, stellt XXXX diese Konzession anstelle der XXXX Anstalt der XXXX Anstalt zur Verfügung. XXXX ist bei der XXXX Anstalt am 05.08.2016 als Mitglied des Verwaltungsrates und Geschäftsführer mit Kollektivzeichnungsrecht ausgeschieden. XXXX führt keine tatsächlichen Geschäfte in Liechtenstein. Er stellt lediglich passiv seine Konzession zur Verfügung. Ob er diese Konzession entgeltlich oder unentgeltlich zur Verfügung stellt, kann nicht festgestellt werden. Ansprechpartner für XXXX war in Fällen der XXXX Anstalt XXXX und der RA XXXX. Er war auch sein Ansprechpartner bei der XXXX Anstalt. RA XXXX vertrat sowohl die XXXX Anstalt als auch die XXXX Anstalt. XXXX Anstalt hat weniger Auftraggeber als die XXXX Anstalt, jedoch sind zumindest sechs Kunden der XXXX Anstalt auch zu Kunden der XXXX Anstalt geworden.
Eine Anfrage beim Versicherungsträger wegen aushaftender Beiträge der XXXX Anstalt ist seitens der XXXX Anstalt nicht erfolgt.
2. Beweiswürdigung:
Der im Punkt I. festgestellte Verfahrensgang ergibt sich zweifelsfrei aus den vorgelegten Verwaltungsakt, sowie dem Gerichtsakt.
Die Feststellungen zur XXXX Anstalt ergeben sich zweifelsfrei aus dem eingeholten und auch von der beschwerdeführenden Partei vorgelegten Handelsregisterauszug, sowie den Angaben von XXXX, XXXX und XXXX am 12.03.2019 in der mündlichen Verhandlung. Der Geschäftszweck ergibt sich aus dem Handelsregister. Hierzu bringen auch die Mitglieder des Verwaltungsrates vor, dass die Gesellschaft Securitydienste erbringt. Dass XXXX der Eigentümer dieser Anstalt ist, ergibt sich aus dem Umstand, dass er sich selbst ohne weiteres Zutun in den Verwaltungsrat als weiteres Mitglied einwählen konnte. Eine solche Befugnis kommt nur dem Gründer bzw. dem Inhaber der Gründerrechte im Sinne des Art. 541 PGR zu (vgl. Art. 543 PGR).
Die Feststellungen zur XXXX Anstalt ergeben sich aus dem eingeholten Handelsregisterauszug des liechtensteinischen Handelsregisters. Aus denen sind sowohl Eintragungsdatum, Löschungsdatum, als auch der zuletzt genannte Zweck, welcher mit jenem der XXXX Anstalt identisch ist, zu entnehmen. Dass zuletzt XXXX Liquidator und zuvor Mitglied des Verwaltungsrates war, ergibt sich ebenfalls aus diesem Handelsregisterauszug. Die Feststellungen zum Sitz der XXXX Anstalt, sowie zum ehemaligen Sitz der XXXX Anstalt, zu deren Vermieterin und zum Bestandsgegenstand ergeben sich aus den Aussagen der Mitglieder des Verwaltungsrates der XXXX Anstalt vom 12.03.2019, sowie den vorgelegten Mietvertrag. XXXX beschreibt in der mündlichen Verhandlung den Firmensitz als eines von vielen Einzimmer-Büros, welche sich im Firmengebäude befinden. Aus seiner Aussage geht auch hervor, dass die Büroausstattung Teil des Bestandgegenstandes ist und von XXXX AG zur Verfügung gestellt wird. Die Feststellungen zu XXXX, zu seiner Funktion im Rahmen der XXXX Anstalt und der XXXX Anstalt ergeben sich aus dessen Aussagen im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 12.03.2019. Aus seiner Aussage geht auch hervor, dass RA XXXX Vertreter sowohl der XXXX Anstalt als auch der XXXX Anstalt war bzw. ist. Dass zumindest sechs Kunden der XXXX Anstalt auch Kunden der Beschwerdeführerin geworden sind, ergibt sich aus der glaubhaften Aussage in der mündlichen Verhandlung von XXXX (Protokoll S. 9).
Die Feststellung, dass keine Anfrage beim Versicherungsträger erfolgt ist, welche Rückstände seitens der XXXX Anstalt offen sind, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt, sowie aus dem Beschwerdevorbringen, in dem ein Zusammenhang zwischen der XXXX Anstalt und der XXXX Anstalt geleugnet wird.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde
Wird ein Betrieb übereignet, so haftet der Erwerber gemäß § 67 Abs. 4 ASVG für Beiträge, die sein Vorgänger zu bezahlen gehabt hätte, unbeschadet der fortdauernden Haftung des Vorgängers, sowie der Haftung des Betriebsnachfolgers nach § 1409 ABGB unter Bedachtnahme auf § 1409a ABGB und der Haftung des Erwerbers nach § 38 des Unternehmensgesetzbuches (UGB), dRGBl S 219/1897, für die Zeit von höchstens zwölf Monaten vom Tag des Erwerbes zurückgerechnet. Im Fall einer Anfrage beim Versicherungsträger haftet er jedoch nur mit dem Betrag, der ihm als Rückstand ausgewiesen worden ist.
Für einen Betriebsübergang im Sinne des § 67 Abs. 4 ASVG ist es im Wesentlichen erforderlich, dass der Erwerber Betriebsmittel von seinem Vorgänger übernimmt, die ihn zumindest theoretisch in die Lage versetzen, mit den erworbenen Betriebsmitteln den Betrieb fortzusetzen (vgl. Derntl, in Sonntag, ASVG Jahreskommentar9,2018, § 67 RZ 31, vgl. VwGH 17.10.2012, 2012/08/0208 mwN).
Betrieb ist im Sinne der technischen und administrativen Einrichtungen zur planmäßigen Ausübung einer durch den betriebszwecklichen Erwerbstätigkeit zu verstehen (VwSlg 4763 A/1958, VwGH 17.10.2001, 98/08/0389). Bei Dienstleistungsunternehmen sind wesentliche Betriebsgrundlagen z.B. der Kundenstock anzusehen, aber auch der Erwerb von Wortbildmarken, Domainnamen oder Inventar gemeint. Fallgegenständlich hat die XXXX Anstalt - um überhaupt ihre betriebliche Tätigkeit aufnehmen zu können - die Gewerbekonzession des XXXX, welche dieser zuvor der XXXX Anstalt für den identischen Anstaltszweck wie ihn die XXXX Anstalt verfolgte, zur Verfügung gestellt hatte, übernommen. XXXX ist auch in unmittelbarer weiterer Folge der Gründung der XXXX Anstalt aus der XXXX Anstalt ausgeschieden. Auch hat die XXXX Anstalt damit XXXX als Geschäftsführer und Mitglied des Verwaltungsrates übernommen. Ebenso wurde XXXX als Mitglied des Verwaltungsrates von der XXXX Anstalt übernommen. Zudem hat XXXX Anstalt auch zumindest sechs Kunden der XXXX Anstalt aus dem Bereich des Securitygewerbes übernommen. XXXX Anstalt hatte zudem auch ein Büro im Bürogebäude der XXXX AG. Auch dieses Büro wurde von XXXX Anstalt übernommen. Hierbei spielt es keine Rolle, ob der Raum identisch ist mit jenem Raum, den XXXX Anstalt tatsächlich verwendet hatte. Es kommt darauf an, dass das Büro im selben Gebäude besteht. Zudem hat XXXX AG sämtliche Büroausstattungen ohnedies zur Verfügung gestellt, sodass es im Falle der XXXX Anstalt und der XXXX Anstalt lediglich um die Betriebsadresse und die Zustelladresse geht, welche ebenfalls übernommen wurde. Grund dieser Umstände konnte die XXXX Anstalt nahtlos den Betrieb des Securitygewerbes von XXXX Anstalt übernehmen und fortsetzen.
Die XXXX Anstalt hat somit tatsächlich den Betrieb unter teilweiser Personenidentität behandelnden Personen der XXXX Anstalt tätigen Personen, insbesondere des Geschäftsführers XXXX und des Mitgliedes des Verwaltungsrates XXXX weitergeführt. Dass die XXXX Anstalt mit XXXX AG einen neuen Mietvertrag abgeschlossen hatte und nicht in den Mietvertrag der XXXX Anstalt eingetreten ist, ist für die Bejahung der Betriebsnachfolgehaftung nicht entscheidend (vgl. VwGH 03.10.2002, 97/08/0601; 14.11.2005, 94/08/0187). Es liegen somit alle Tatbestandsvoraussetzungen für die Annahme einer Nachfolgehaftung nach § 67 Abs. 4 ASVG vor.
Im Zuge der mündlichen Verhandlung hat die belangte Behörde erstmals aufgrund der vorgelegten Handelsregisterauszüge der XXXX Anstalt und der XXXX Anstalt das Betriebsübernahmedatum XXXX feststellen können. Es handelt sich auch tatsächlich bei diesem Datum - dem Gründungsdatum der XXXX Anstalt - um den Zeitpunkt, zudem der Betriebsübergang erfolgt ist. Auf Basis dieser Tatsache hat die belangte Behörde den vorgeschriebenen Haftungsbetrag noch um die Monate Juni, Juli und August und September 2015 ausgedehnt und hinsichtlich des Zeitpunktes
06/2015 (01.06.2015 bis 30.06.2015) Euro 2,82
07/2015 (01.07.2015 bis 31.07.2015) Euro 3,23
08/2015 (01.08.2015 bis 31.08.2015) Euro 45,06 sowie
09/2015 (01.09.2015 bis 30.09.2015) Euro 5,58, zuzüglich Verzugszinsen gerechnet bis 31.05.2017 in Höhe von Euro 108,30,
total sohin Euro 164,99
ausgedehnt und den Haftungsbetrag in Höhe von Euro 13.505,37 aufgrund der nunmehrigen Ausdehnung auf Euro 13.670,36 ausgedehnt.
Gegen diese Ausdehnung und auch gegen die Berechnung hat die rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführerin keine substantiierten Einwendungen erhoben. Weder wurde Betrag dem Grunde nach, noch der Höhe nach bestritten. Das gesamte Beschwerdevorbringen richtet sich allein dagegen, dass die XXXX Anstalt im Grunde nach § 67 Abs. 4 ASVG eingewendet, nicht jedoch sich gegen die betragliche Höhe ausgesprochen. Im Ermittlungsverfahren sind keine Zweifel entstanden, dass die gegenständlichen Beiträge offen aushaften, zumal sich die Behörde auf einen rechtsgültigen Rückstandsausweis stützen konnte. Die nunmehr erfolgte Ausdehnung um insgesamt Euro 146,99 ergibt sich aus der durchgeführten GPLA und erscheint sowohl schlüssig als auch richtig.
Die rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführerin erstattete zur Ausdehnung keine Stellungnahme und ließ die ihr bis zum 16.04.2020 gesetzte Frist ungenützt verstreichen. Durch § 1 Abs 1 des Verwaltungsrechtlichen COVID-19-Begleitgesetzes - COVID-19-VwBG, BGBl I Nr 16/2020 idF BGBl I Nr 24/2020, werden in anhängigen behördlichen Verfahren der Verwaltungsbehörden, auf die die Verwaltungsverfahrensgesetze (AVG, VStG und VVG) anzuwenden sind, alle Fristen, deren fristauslösendes Ereignis in die Zeit nach Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes fällt, sowie Fristen, die bis zum Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes noch nicht abgelaufen sind, bis zum Ablauf des 30. April 2020 unterbrochen und beginnen neu zu laufen.
Das Bundesverwaltungsgericht räumte der rechtsfreundlich vertretenen Beschwerdeführerin die Möglichkeit ein, bis zum 16.04.2020 (Einlangen beim Bundesverwaltungsgericht) zum Vorbringen der belangten Behörde und der erfolgten Ausdehnung Stellung zu nehmen. Hierbei handelt es sich um eine terminisierte Parteihandlung, für die lediglich ein Endtermin festgelegt wurde und die nicht durch Ablauf einer bestimmten Zahl von Tagen, Wochen, Monaten oder Jahren begrenzt wurde. Sie ist nicht im Sinne des AVG befristet (Hengstschläger/Leeb, AVG I § 32 Rz 1 mwN) und damit auch keine Frist iSd § 32 AVG und des § 1 Abs 1 COVID-19-VwBG. Für dieses Begriffsverständnis des Verfahrensgesetzgebers sprach seit jeher nicht nur der Wortlaut des § 71 Abs 1 AVG (arg "Versäumung einer Frist oder Verhandlung"), sondern auch, dass die mit "Fristen" überschriebenen §§ 32 f AVG offenbar nur solche nach Zeitmaßen bestimmte Zeiträume vor Augen haben (vgl insb § 32 Abs 1 und 2 AVG; Hengstschläger/Leeb, aaO Rz 8 ff; VwSlg 14.076 A/1994 und § 33 Abs 1 und 2 AVG; Hengstschläger/Leeb, AVG I, § 33 Rz 1 f). Diese von Lehre und Rechtsprechung vertretene Auffassung wird auch durch die AVG-Novelle BGBl I 2008/5 bestätigt, wo in den Materialien zur Aufhebung des § 42 Abs 1 erster Satz AVG idF BGBl I 2004/10 die mangelnde Anwendbarkeit (auch) des § 33 Abs 3 AVG auf Einwendungen damit begründet wird, dass mit dem "Tag vor Beginn der mündlichen Verhandlung ein Zeitpunkt festgelegt und nicht eine Frist bestimmt" wird (EBRV 294 BlgNR 23. GP, 15; vgl auch Hengstschläger/Leeb, AVG, § 74 Rz 15 f sowie § 79a Rz 37; siehe auch VwSlg 14.076 A/1994). Die Materialien zur Stammfassung des COVID-19 VwBG (IA 397/A BlgNR 27.GP) wie auch zur Novelle dieses Gesetzes (IA 403/A BlgNR 27. GP) geben zum vorliegenden Problem nichts Gegenteiliges her, sodass das zum AVG entwickelte, vorskizzierte Begriffsverständnis zu Fristen § 1 Abs 1 COVID-19 VwBG unterliegt. Damit liegt bei der Terminisierung keine Frist iSd § 1 Abs 1 COVID-19 VwBG vor und wurde der vom Bundesverwaltungsgericht eingeräumte Termin 25.03.2020 somit nicht unterbrochen.
Daher waren der Beschwerdeführerin aus dem Titel der Betriebsnachfolge der XXXX Anstalt gemäß § 67 Abs. 4 ASVG der Gesamtbetrag in Höhe von Euro 13.670,36 ausständigen Beiträgen, Nebengebühren und Verzugszinsen der Vorgängerin, der XXXX Anstalt, aus den Zeiträumen Juli 2015 bis einschließlich Dezember 2017 vorzuschreiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Das gegenständliche Erkenntnis trifft die Beurteilung eines Einzelfalles, welcher grundsätzlich keine Rechtsfrage von besonderer Bedeutung zukommt. Es stützt sich auf die vorliegende, in Punkt A zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, welche auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen ist. Es liegen keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Beitragsrückstand Betriebsmittel Betriebsnachfolge Betriebsübernahme HaftungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:I413.2212306.1.00Im RIS seit
28.07.2020Zuletzt aktualisiert am
28.07.2020