Entscheidungsdatum
27.04.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z5Spruch
G302 1308859-3/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Manfred ENZI als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Irak, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Benno WAGENEDER, in 4910 Ried/Innkreis, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl - Regionaldirektion Burgenland - vom 19.07.2019, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkte I.-V. als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt VI. wird mit der Maßgabe stattgegeben, dass die Dauer des Einreiseverbots auf sechs Jahre herabgesetzt wird.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) vom 19.07.2019, Zl. XXXX, wurde der dem XXXX, geb. XXXX (in weiterer Folge: BF) mit Bescheid vom 22.12.2006 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.) und ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürgen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt II.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG iVm § 9 BFA-VG, wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Z 4 FPG erlassen (Spruchpunkt III.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Irak zulässig sei (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt V.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 7 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.).
Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorlägen. Aufgrund der Straffälligkeit seien die Voraussetzungen für ein Einreiseverbot gegeben.
Gegen den im Spruch genannten Bescheid erhob der Vertreter des BF fristgerecht Beschwerde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
Der BF ist irakischer Staatsangehöriger, bekennt sich zum sunnitisch muslimischen Glauben und gehört der Volksgruppe der Kurden an. Er ist ledig und stammt aus Halabja in der Autonomieregion Kurdistan.
Der BF reiste im Alter von 17 Jahren in Österreich ein und stellte am 02.01.2003 einen Antrag auf internationalen Schutz. Am 05.09.2003 wurde das Verfahren aufgrund des unbekannten Aufenthalts des BF eingestellt. Im Juli 2006 wurde das Verfahren fortgesetzt.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 22.12.2006, Zl. XXXX, wurde dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis 22.12.2007 erteilt.
In der rechtlichen Begründung wurde ausgeführt, dass aufgrund der Sicherheitslage, der schlechten wirtschaftlichen Lage, der mangelnden Infrastruktur und des fehlenden Sozialsystems die Situation für rückkehrende irakische Staatsbürger sehr schwer sei und nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden könnte, dass der BF im Falle der Rückkehr in eine aussichtslose Lage im Sinne des Artikels 3 EMRK geraten würde.
Die hinsichtlich § 3 AsylG erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 24.09.2012, Zl. E7 308859-1/2008/20E wegen Unglaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens als unbegründet abgewiesen.
Mit Bescheiden der belangten Behörde vom 20.12.2007, 22.12.2008, 21.12.2009, 17.12.2010, 16.12.2011 und 11.04.2013 wurde die befristete Aufenthaltsberechtigung des BF gemäß § 8 Abs. 4 AsylG, zuletzt bis 22.12.2013, verlängert.
Das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Irak vom Jänner 2013 lautet auszugsweise wie folgt:
"Sicherheitslage
Seit 2007 hat die Zahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle zwar um ca. 80% abgenommen, stagniert aber seit 2010 auf diesem immer noch hohen Niveau. Im Jahresverlauf 2011 kam es wöchentlich zu ca. 200 Anschlägen mit insgesamt ca. 70 Todesopfern (seit Abzug der USTruppen vom 18.12.2011 ausschließlich irakische Staatsangehörige). Schwerpunkte terroristischer Anschläge bleiben Bagdad, der Zentralirak und der Nordosten. Die Sicherheitslage in der Region Kurdistan-Irak ist deutlich besser (kein Anschlag seit 2007);
(...)
Im Grenzgebiet der Region Kurdistan-Irak zur Türkei und Iran haben in der Vergangenheit das türkische Militär (gegen PKK) und das iranische Militär (gegen PJAK) Anti-Terror- Operationen mit erheblichen militärischen Mitteln (Panzerbeschuss, Luftangriffe) teilweise auch auf irakischem Boden ausgeführt. Dabei gab es immer wieder vereinzelte zivile Opfer. Im August 2012 hat die türkische Armee erneut schwere Angriffe geflogen, mit zweistelligen Todesopferzahlen auf beiden Seiten. (AA 17.01.2013)
In den außerhalb der Region Kurdistan-Irak liegenden Gebieten des Nordirak bleibt die Zahl der Anschläge und der Todesopfer hoch. Besonders prekär ist die Lage in den Provinzen Niniveh und Ta'mim. Die Lage in den sog. umstrittenen Gebieten (in den Provinzen Diyala, Ta'mim und Niniveh) ist von starken Spannungen der unterschiedlichen Bevölkerungsteile (namentlich Kurden, Araber und Turkmenen) geprägt, die entweder die Arabisierungspolitik des alten Regimes rückgängig machen oder beibehalten wollen. (AA 17.01.2013)"
Dem BF wurde mit 14.05.2013 durch den Magistrat XXXX der Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot-Karte-Plus" erteilt, welcher zuletzt bis 16.05.2018 gültig war. Am 29.03.2018 stellte der BF einen diesbezüglichen Verlängerungsantrag, welcher derzeit noch unerledigt ist.
Der BF verfügt in Österreich über keine Familienangehörigen oder andere intensive soziale Bindungen. Er hat gute Deutschkenntnisse und ging in Österreich mehreren versicherungspflichtigen Beschäftigungen als Reinigungskraft nach. Aktuell steht der BF seit 01.04.2019 in einem aufrechten Dienstverhältnis.
Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX.10.2017, XXXX, wurde der BF wegen Schlepperei nach § 114 Abs. 1, Abs. 3 Z 2, Abs. 4 erster Fall FPG sowie § 114 Abs. 1 FPG, § 12 StGB zweiter Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren, davon 16 Monate bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, verurteilt. Der BF war schuldig, im Zeitraum von Jänner bis März 2017 in zumindest 7 Fällen im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter mit den in Deutschland abgesondert Verfolgten Mittätern sowie weiteren unbekannten Mittätern die rechtswidrige Ein- und Durchreise von Fremden in oder durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union mit dem Vorsatz gefördert zu haben, sich oder einen Dritten durch ein dafür geleistete Entgelt unrechtmäßig zu bereichern, wobei er diese Taten als Mitglied einer kriminellen Vereinigung beging. Mildernd wurde der untergeordnete Tatbeitrag, die bisherige Unbescholtenheit und das zur Wahrheitsfindung beitragende sehr reumütige Geständnis gewertet. Als erschwerend wurde die Faktenhäufung gewertet.
Der BF befand sich ab 20.07.2017 in Untersuchungs- und anschließend bis 30.12.2017 in Strafhaft. Die vorzeitige Entlassung erfolgte unter Anordnung von Bewährungshilfe. Mit 24.02.2020 wurde die Bewährungshilfe aufgehoben.
Der BF ist gesund und arbeitsfähig. Der Vater und eine Schwester des BF leben in Halabja in der Autonomieregion Kurdistan. Die Mutter verstarb im Jahr 2016. Weitere Brüder und Schwestern des BF leben ebenso im Irak.
Der BF reiste im Jahr 2013 in den Irak und ließ sich dort während seines einmonatigen Aufenthaltes bei seiner Familie am 29.09.2013 in Al Sulaymaniyah einen Reisepass ausstellen.
Der BF reiste im September 2016 in den Irak und hielt sich dort bis November 2016 bei seiner Familie in Halabja auf.
Der BF hatte während seiner Aufenthalte im Irak keine Probleme zu gewärtigen.
Zur Lage im Herkunftsstaat werden die für das gegenständliche Verfahren relevanten Auszüge aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Irak vom 22.11.2018 unter Beachtung der letzten Kurzinformation vom 09.04.2019 festgestellt:
KI vom 09.04.2019
Seit Sommer 2018 ist die Zahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle im Irak zurückgegangen. Im Dezember 2018 wurde ein Rekordtief an Sicherheitsvorfällen registriert (Joel Wing 2.1.2019). Anfang 2019 ist diese Zahl wieder leicht angestiegen, wobei die Monate Jänner und Februar in etwa die gleichen Zahlen an Angriffen und Opfern aufweisen (Joel Wing 4.3.2019). Für März 2019 wurde die niedrigste, je vom Irak-Experten Joel Wing registriere Zahl von Sicherheitsvorfällen verzeichnet (Joel Wing 3.4.2019).
Der Islamische Staat (IS) ist im Irak weitestgehend auf Zellen von Aufständischen reduziert worden, die meist aus jenen Gebieten heraus operieren, die früher unter IS-Kontrolle standen, d.h. aus den Gouvernements Anbar, Diyala, Kirkuk, Ninewa und Salahaddin. Laut dem Institute for the Study of War (ISW) werden nur die Distrikte Shirqat und Tuz in Salahaddin, Makhmour in Erbil, Hawija und Daquq in Kirkuk, sowie Kifri und Khanaqin in Diyala als umkämpft angesehen (EASO 3.2019). Das ganze Jahr 2018 über führten IS-Kämpfer Streifzüge nach Anbar, Bagdad und Salahaddin durch, zogen sich dann aber im Winter aus diesen Gouvernements zurück. Die Anzahl der verzeichneten Übergriffe und zivilen Todesopfern sank daher im Vergleich zu den Vormonaten deutlich ab (Joel Wing 2.1.2019).
Autonomieregion Kurdistan KRG
In Nordkurdistan setzte die Türkei ihre Angriffe auf PKK-Stellungen fort. Zwei Treffer durch Luftschläge in Ninewa zogen letztlich einen Protest der irakischen Regierung nach sich. Die Türkei gab jedoch bekannt, ihre Aktionen fortführen zu wollen (Joel Wing 2.1.2019). Als Folge eines Luftangriffs, bei dem mutmaßlich einige Zivilisten ums Leben kamen, stürmte eine aufgebrachte Menge einen Posten der türkischen Armee nahe Dohuk, wobei eine Person ums Leben kam und zehn verletzt wurden (BBC 26.1.2019). Im Dezember 2018 wurden zwölf Luftschläge mit 31 Toten registriert (Joel Wing 2.1.2019) im Jänner 2019 elf mit 35 Toten (Joel Wing 4.2.2019) und im März zwei Vorfälle mit 32 Toten und 10 Verletzten (Joel Wing 3.4.2019). Zusammenstöße zwischen türkischen Soldaten und kurdischen Kämpfern hatten Todesopfer auf beiden Seiten zur Folge (Joel Wing 26.3.2019). Am 30.3.2019 bombardierte die türkische Luftwaffe erneut PKK-Stellungen im Qandil Gebirge (BAMF 1.4.2019).
Der IS rekrutiert in der kurdischen Autonomieregion (ISW 7.3.2019).
Quellen:
- ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (2019),Behind Frenemy Lines: Uneasy Alliances against IS in Iraq, https://www.acleddata.com/2019/03/01/behind-frenemylines- uneasy-alliances-against-is-in-iraq/, Zugriff 12.3.2019
- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (1.4.2019): Briefing Notes 1 April 2019, per E-Mail
- BBC News (29.1.2019): Kurdish protesters storm Turkish military camp in Iraq, https://www.bbc.com/news/world-middle-east-47015699, Zugriff 13.3.2019
- Diyaruna (21.1.2019): Diyala tribes mobilise to rout ISIS remnants, http://diyaruna.com/en_GB/ articles/cnmi_di/features/2019/01/28/feature-02, Zugriff 14.3.2019
- EASO - European Asylum Support Office (3.2019): Iraq; Security situation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2004116/Iraq_security_situation.pdf, 13.3.2019
- IBC - Iraq Bodycount (3.2019): Monthly civilian deaths from violence, 2003 onwards, https://www.iraqbodycount.org/database/, Zugriff 12.3.2019
- ISW - Institute for the Study of War (7.3.2019): ISIS Re-Establishes Historical Sanctuary in Iraq, https://iswresearch.blogspot.com/2019/03/isis-re-establishes-historic-sanctuary.html,Zugriff 12.3.2019
- Jane's 360 (5.2.2019): Protests in Iraq's Basra likely throughout 2019, but security force presence mitigates disruption risk to oil sites, https://www.janes.com/article/86167/protests-iniraq-s-basra-likely-throughout-2019-but-security-force-presence-mitigates-disruption-risk-to-oilsites, Zugriff 13.3.2019
- Joel Wing, Musings on Iraq (10.12.2018): Security In Iraq Dec 1-7, 2018, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/12/security-in-iraq-dec-1-7-2018.html, Zugriff 4.4.2019
- Joel Wing, Musings on Iraq (2.1.2019): Islamic State Went Into Hibernation In Winter 2018, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/01/islamic-state-went-into-hibernation-in.html, Zugriff 12.3.2019
- Joel Wing, Musings on Iraq (4.2.2019): Slight Uptick In Islamic State Ops In Iraq As New Year Begins, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/02/slight-uptick-in-islamic-state-ops-in.html, Zugriff 12.3.2019
- Joel Wing, Musings on Iraq (4.3.2019): Islamic State Might Be Coming Out Of Its Winter Hibernation In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/03/islamic-state-might-becoming-out-of.html, Zugriff 12.3.2019
- Joel Wing, Musings on Iraq (26.3.2019): Security In Iraq Mar 15-21, 2019, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/03/security-in-iraq-mar-15-21-2019.html, Zugriff 27.3.2019
- Joel Wing, Musings on Iraq (1.4.2019): Security In Iraq Mar 22-28, 2019, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/04/security-in-iraq-mar-22-28-2019.html, Zugriff 2.4.2019
- Joel Wing, Musings on Iraq (3.4.2019): Iraq Saw Lowest Violence Ever March 2019, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/04/iraq-saw-lowest-violence-ever-march-2019.html, Zugriff 4.4.2019
- Kurdistan 24 (12.3.2019): WATCH: Clashes between Basra tribes kill, injure ten people, http://www.kurdistan24.net/en/news/5dc59e22-744f-483e-a102-dfe1388e5afd, Zugriff 1.4.2019
- Landinfo - Norwegian Country of Origin Information Centre (8.1.2019): Temanotat Irak: Diyala provins - sikkerhetssituasjonen per november 2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/1456258/4792_1547275214_irak-temanotat-diyala-provinssikkerhetssituasjonen- per-november-2018.pdf, Zugriff 14.3.2019
- Liveuamap - Live Universal Awareness Map (13.3.2019): Map of Iraq, https://iraq.liveuamap.com/en/time/13.03.2019, Zugriff 13.3.2019
- OIR - Operation Inherent Resolve (29.3.2019): Fight is not over: Iraqi clearances spearhead fight against Daesh in Iraq, https://www.inherentresolve.mil/Media-Library/News-Releases/Article/1799730/fight-is-notover-iraqi-clearances-spearhead-fight-against-daesh-in-iraq/, Zugriff 1.4.2019
- Reuters (21.12.2018): Police use live rounds to disperse protest in Iraq's Basra for second week, https://www.reuters.com/article/us-iraq-protests/police-use-live-rounds-to-disperseprotest-in-iraqs-basra-for-second-week-idUSKCN1OK29Q, Zugriff 13.3.2019
- The Guardian (18.7.2018): Protests spread through cities in Iraq's oil-rich Shia south, https://www.theguardian.com/world/2018/jul/18/protests-spread-through-cities-in-iraqs-oil- richshia-south, Zugriff 1.4.2019
- UNAMI - United Nations Assistance Mission for Iraq (3.1.2019): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of December 2018, http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=10269:un-casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-december-2018&Itemid=633&lang=en, Zugriff 12.3.2019
- UNSC - United Nations Security Council (1.2.2019): Implementation of resolution 2421 (2018)
Report of the Secretary-General, https://www.ecoi.net/en/file/local/2002890/S_2019_101_E.pdf, Zugriff 14.3.2019
Sicherheitslage
Im Dezember 2017 erklärte die irakische Regierung den militärischen Sieg über den Islamischen Staat (IS). Die Sicherheitslage hat sich, seitdem die territoriale Kontrolle des IS gebrochen wurde, verbessert (CRS 4.10.2018; vgl. MIGRI 6.2.2018). IS-Kämpfer sind jedoch weiterhin in manchen Gebieten aktiv, die Sicherheitslage ist veränderlich (CRS 4.10.2018).
Derzeit ist es staatlichen Stellen nicht möglich, das Gewaltmonopol des Staates sicherzustellen. Insbesondere schiitische Milizen, aber auch sunnitische Stammesmilizen handeln eigenmächtig. Die im Kampf gegen den IS mobilisierten, zum Teil vom Iran unterstützten Milizen sind nur eingeschränkt durch die Regierung kontrollierbar und stellen eine potenziell erhebliche Bedrohung für die Bevölkerung dar. Durch die teilweise Einbindung der Milizen in staatliche Strukturen (zumindest formaler Oberbefehl des Ministerpräsidenten, Besoldung aus dem Staatshaushalt) verschwimmt die Unterscheidung zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren (AA 12.2.2018).
In der Wirtschaftsmetropole Basra im Süden des Landes können sich die staatlichen Ordnungskräfte häufig nicht gegen mächtige Stammesmilizen mit Verbindungen zur Organisierten Kriminalität durchsetzen. Auch in anderen Landesteilen ist eine Vielzahl von Gewalttaten mit rein kriminellem Hintergrund zu beobachten (AA 12.2.2018). Insbesondere in Bagdad kommt es zu Entführungen durch kriminelle Gruppen, die Lösegeld für die Freilassung ihrer Opfer fordern (MIGRI 6.2.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak. https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland- auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-
stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf. Zugriff 19.7.2018
- CRS - Congressional Research Service (4.10.2018): Iraq: Issues in the 115th Congress. https://fas.org/sgp/crs/mideast/R45096.pdf. Zugriff 29.10.2018
- MIGRI - Finnische Immigrationsbehörde (6.2.2018): Finnish Immigration Service report:
Security in Iraq variable but improving.
https://yle.fi/uutiset/osasto/news/finnish_immigration_service_report_security_in_iraq_variable
but improving/10061710. Zugriff 30.10.2018
Sicherheitslage Autonome Region Kurdistan (KRG)
In Erbil bzw. Sulaymaniya und unmittelbarer Umgebung erscheint die Sicherheitssituation vergleichsweise besser als in anderen Teilen des Irak. Allerdings ist die derzeitige Sicherheitssituation aufgrund der andauernden Kämpfe, in die teilweise auch die kurdischen Streitkräfte (Peshmerga) und diverse Milizen eingebunden sind, besorgniserregend. Insbesondere Einrichtungen der kurdischen Regionalregierung und politischer Parteien sowie militärische und polizeiliche Einrichtungen können immer wieder Ziele terroristischer Attacken sein (BMEIA 1.11.2018).
Die türkische Armee führt regelmäßig (teilweise im Abstand von wenigen Tagen) Luftangriffe auf PKK-Ziele in der kurdischen Autonomieregion im Irak durch. Beide Seiten (sowohl die Türkei als auch die PKK) geben wenig Informationen über die Opfer. In Einzelfällen handelt es sich um Zivilisten (CEDOCA 14.3.2018).
Nachdem die Kurdische Demokratische Partei des Iran (KDPI) ihre bewaffneten Aktivitäten im Jahr 2015 wieder aufnahm, fanden 2016 zum ersten Mal seit zehn Jahren auch wieder iranische Angriffe auf KDPI-Ziele in der Autonomen Region Kurdistan-Irak statt (CEDOCA 14.3.2018). Iranische Revolutionsgarden führten gezielte Tötungen von KDPI-Mitgliedern in der Autonomen Region Kurdistan durch (Al Monitor 7.3.2018). Der Iran hat in der Vergangenheit auch bewaffnete kurdische Oppositionsgruppen im Irak beschossen. Auch im September 2018 kam es zu einem tödlichen Raketenangriff der iranischen Revolutionsgarden auf die KDPI im Irak (Reuters 8.9.2018; vgl. RFE/RL 9.9.2018).
Quellen:
- Al Monitor (7.3.2018): Assassinations mount as Iranian Kurdish militants clash with Tehran, https://www.al-monitor.com/pulse/originals/2018/03/iran-kdpi-kurdish-opposition-iraq- assassinations-rahmani.html, Zugriff 1.11.2018
- BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (1.11.2018): Reiseinformation: Irak, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/irak/, Zugriff 1.11.2018
- CEDOCA - Centre de documentation et de recherches du Commissariat général aux réfugiés et aux apatrides (14.3.2018): IRAK: Situation sécuritaire dans la Région autonome du Kurdistan, https://www.cgra.be/sites/default/files/rapporten/coi_focus_irak._situation_securitaire_dans_la
_region_autonome_du_kurdistan_0.pdf, Zugriff 1.11.2018
- Reuters (8.9.2018): Iran attacks Iranian Kurdish opposition group base in Iraq, https://www.reuters.com/article/us-mideast-crisis-iraq-iran/iran-attacks-iranian-kurdish- opposition-group-base-in-iraq-idUSKCN1LO0KZ, Zugriff 1.11.2018
- RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (9.9.2018): Iran's Revolutionary Guards Confirm Deadly Missile Strikes On Kurdish Rebels In Iraq, https://www.rferl.org/a/at-least-11-iranian- kurdish-fighters-killed-in-attack-rebels-blame-on-tehran/29479697.html, Zugriff 1.11.2018
IDPs und Flüchtlinge
Seit Jänner 2014 hat der Krieg gegen den IS im Irak die Vertreibung von ca. sechs Millionen Irakern verursacht, rund 15 Prozent der Gesamtbevölkerung des Landes (IOM 4.9.2018). Ende September 2018 betrug die Zahl der weiterhin intern Vertriebenen noch 1,89 Millionen (IOM 30.9.2018). Dabei handelt es sich um die niedrigste Zahl an IDPs seit Ende 2014 (IOM 4.9.2018). Die Zahl der Vertriebenen sinkt seit der zweiten Hälfte des Jahres 2017 sukzessive (UNHCR 31.8.2018; vgl. UNHCR 31.7.2018, IOM 30.9.2018); die Zahl der Rückkehrer ist mittlerweile auf 4 Millionen gestiegen (IOM 30.9.2018). Bis zu einer Million Menschen bleiben weiterhin aus dem konfessionellen Konflikt von 2006-08 vertrieben (USDOS 20.4.2018).
Die Regierung und internationale Organisationen, einschließlich UN-Einrichtungen und NGOs, versuchen, IDPs Schutz und andere Hilfe zu gewähren. Eine hohe Anzahl von IDPs außerhalb der Lager belastet die Ressourcen der Gastgebergemeinden (USDOS 20.4.2018).
Anfang 2018 lag die Rückkehrrate noch bei ca. 200.000 Menschen pro Monat. Diese Zahl hat sich seither drastisch verringert. So kehrten im März 2018 beispielsweise 112.446 Menschen in ihre Heimat zurück, von April bis Mai 2018 durchschnittlich 79.000 pro Monat, von Juni bis Juli 45.871. Im August 2018 lag die Zahl der Rückkehrer bei 33.528 Menschen (Joel Wing 19.9.2018).
Verschiedene Hilfsorganisationen berichten über eine Änderung der Einstellung von IDPs. Ursprünglich erklärte eine Mehrheit, sie würden zurückkehren, sobald der Krieg gegen den IS vorbei sei. Jetzt sind sie besorgt aufgrund der Sicherheit, dem Mangel an Dienstleistungen, zerstörten Häusern, wenig Arbeitsplätzen und wenig Geld. Es gibt auch eine beträchtliche Anzahl an IDPs, denen die Rückkehr verweigert wird, weil ihnen vorgeworfen wird, mit dem IS in Verbindung zu stehen. Darüber hinaus gibt es Menschen, die in ihre ursprünglichen Gebiete zurückgereist sind, die Situation dort jedoch als mangelhaft wahrgenommen haben und wieder in die Binnenvertreibung zurückgekehrt sind (Joel Wing 19.9.2018). Der Großteil der verbliebenen IDPs hat keine unmittelbaren Pläne zur Rückkehr (IOM 26.6.2018; vgl. REACH 29.8.2018, Joel Wing 11.10.2018).
Schwierige Rückkehrbedingungen finden sich unter anderem in Sinjar Zentrum, Telafar Zentrum, West Mosul, al-Ba'aj, im Wüsten-Streifen von al-Tal, Hatra (Hadr) und Muhallabiyya (Provinz Ninewa); in Baiji, Tuz Khurmatu/Sulayman Beg und Balad/Duloeiya (Provinz Salah al-Din); in Taza Khurmatu, Hawija Zentrum und al-'Abassi (Provinz Kirkuk); in al-Adheim und Sa'adiya/Jalawla (Provinz Diyala); und im Falludscha-Ramadi Streifen sowie in Ana Zentrum (Provinz Anbar) (IOM 9.2018).
In einigen Gebieten behindern Gewalt und Unsicherheit sowie langjährige politische, stammes- und konfessionelle Spannungen die Fortschritte bei der nationalen Aussöhnung und erschweren den Schutz von IDPs. Tausende von Familien haben mehr als eine Vertreibung erlebt, und viele waren gezwungen, auf der Suche nach Schutz über die Grenzen der jeweiligen Provinz hinaus zu ziehen. Zwangsvertreibungen, kombiniert mit dem langwierigen und weitgehend ungelösten Problem von Millionen von Menschen, die in den letzten Jahrzehnten entwurzelt wurden, haben eine destabilisierende Wirkung auf die ohnehin schon komplexe soziale und politische Dynamik des Landes. Dies belastet die Kapazitäten der lokalen Behörden und offenbart die Grenzen der rechtlichen und administrativen Rahmenbedingungen (USDOS 20.4.2018).
Sowohl Vertriebene als auch Rückkehrer sind vulnerabel und auf humanitäre Hilfe angewiesen, um ihren Lebensunterhalt wiederzuerlangen und ihre Familien ernähren zu können (IOM 4.9.2018).
Die Regierung stellt vielen - aber nicht allen - IDPs, auch in der kurdischen Autonomieregion, Nahrungsmittel, Wasser und finanzielle Hilfe zur Verfügung. Viele IDPs leben in informellen Siedlungen, wo sie keine ausreichende Versorgung mit Wasser, sanitären Einrichtungen oder anderen wichtigen Dienstleistungen erhalten (USDOS 20.4.2018). Alle Bürger sind berechtigt, Lebensmittel im Rahmen des Public Distribution System (PDS) zu erhalten. Die Behörden verteilen aber nicht jeden Monat alle Waren, und nicht alle IDPs können in jeder Provinz auf Lebensmittel aus dem Public Distribution System (PDS) zugreifen. Die Bürger können die PDS-Rationen nur an ihrem Wohnort und in ihrer eingetragenen Provinz einlösen, was zu einem Verlust des Zugangs und der Ansprüche aufgrund von Vertreibungen führt (USDOS 20.4.2018).
Personen, die sich nicht als IDPs an ihrem Wohnort registriert haben, verfügen manchmal nur über einen begrenzten Zugang zu staatlichen Leistungen. Die lokalen Behörden entscheiden oft darüber, ob IDPs Zugang zu örtlichen Leistungen erhalten. Humanitäre Organisationen berichten, dass einige IDPs mangels erforderlicher Unterlagen Schwierigkeiten bei der Registrierung haben. Viele Bürger, die zuvor in den vom IS kontrollierten Gebieten gelebt haben, besitzen keine Personenstandsdokumente, was die Schwierigkeit, einen Ausweis und andere persönliche Dokumente zu erhalten, noch vergrößerte. Durch die Bereitstellung von Rechtshilfe unterstützen die Vereinten Nationen und humanitäre Organisationen IDPs bei der Beschaffung von Dokumenten und der Registrierung bei Behörden, um den Zugang zu staatlichen Leistungen zu verbessern (USDOS 20.4.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland- auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak- stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 12.10.2018
- IOM - International Organization for Migration (26.6.2018): Returns Continue While Obstacles to Return Remain in Iraq: IOM, https://www.iom.int/news/returns-continue-while-obstacles- return-remain-iraq-iom, Zugriff 11.10.2018
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Grundversorgung und Wirtschaft
Der Staat kann die Grundversorgung der Bürger nicht kontinuierlich und in allen Landesteilen gewährleisten (AA 12.2.2018). Die Iraker haben eine dramatische Verschlechterung in Bezug auf die Zurverfügungstellung von Strom. Wasser. Abwasser- und Abfallentsorgung. Gesundheitsversorgung. Bildung. Verkehr und Sicherheit erlebt. Der Konflikt hat nicht nur in Bezug auf die Armutsraten. sondern auch bei der Erbringung staatlicher Dienste zu stärker ausgeprägten räumlichen Unterschieden geführt. Der Zugang zu diesen Diensten und deren Qualität variiert demnach im gesamten Land erheblich (K4D 18.5.2018).
Die über Jahrzehnte internationaler Isolation und Krieg vernachlässigte Infrastruktur ist sanierungsbedürftig. Trotz internationaler Hilfsgelder bleibt die Versorgungslage für ärmere Bevölkerungsschichten schwierig. Die genannten Defizite werden durch die grassierende Korruption zusätzlich verstärkt. Nach Angaben des UN-Programms "Habitat" leben 70 Prozent der Iraker in Städten. die Lebensbedingungen von einem großen Teil der städtischen Bevölkerung gleichen denen von Slums (AA 12.2.2018).
In vom IS befreiten Gebieten muss eine Grundversorgung nach Räumung der Kampfmittel erst wiederhergestellt werden. Einige Städte sind weitgehend zerstört. Die Stabilisierungsbemühungen und der Wiederaufbau durch die irakische Regierung werden intensiv vom United Nations Development Programme (UNDP) und internationalen Gebern unterstützt (AA 12.2.2018).
Wirtschaftslage
Der Irak erholt sich nur langsam vom Terror des sogenannten Islamischen Staat und seinen Folgen. Nicht nur sind ökonomisch wichtige Städte wie Mosul zerstört worden. Dies trifft das Land. nachdem es seit Jahrzehnten durch Krieg. Bürgerkrieg. Sanktionen zerrüttet wurde. Wiederaufbauprogramme laufen bereits. vorsichtig-positive Wirtschaftsprognosen traf die Weltbank im Oktober 2018 für das Jahr 2019. Ob der Wiederaufbau zu einem nachhaltigen positiven Aufschwung beiträgt. hängt aus Sicht der Weltbank davon ab. ob das Land die Korruption in den Griff bekommt (GIZ 11.2018).
Das Erdöl stellt immer noch die Haupteinnahmequelle des irakischen Staates dar (GIZ 11.2018). Rund 90 Prozent der Staatseinnahmen stammen aus dem Ölsektor (AA 12.2.2018).
Noch im Jahr 2016 wuchs die irakische Wirtschaft laut Economist Intelligence Unit (EIU) und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) um 11 Prozent. Im Folgejahr schrumpfte sie allerdings um 0,8 Prozent. Auch 2018 wird das Wachstum um die 1 Prozent betragen, während für 2019 wieder ein Aufschwung von 5 Prozent zu erwarten ist (WKO 2.10.2018). Laut Weltbank wird erwartet, dass das gesamte BIP-Wachstum bis 2018 wieder auf positive 2,5 Prozent ansteigt. Die Wachstumsaussichten des Irak dürften sich dank der günstigeren Sicherheitslage und der allmählichen Belebung der Investitionen für den Wiederaufbau verbessern (WB 16.4.2018). Die positive Entwicklung des Ölpreises ist dafür auch ausschlaggebend. Somit scheint sich das Land nach langen Jahren bewaffneter Auseinandersetzungen wieder in Richtung einer gewissen Normalität zu bewegen. Dieser positiven Entwicklung stehen gleichwohl weiterhin Herausforderungen gegenüber (WKO 2.10.2018).
So haben der Krieg gegen den IS und der langwierige Rückgang der Ölpreise seit 2014 zu einem Rückgang der Nicht-Öl-Wirtschaft um 21,6 Prozent geführt, sowie zu einer starken Verschlechterung der Finanz- und Leistungsbilanz des Landes. Der Krieg und die weit verbreitete Unsicherheit haben auch die Zerstörung von Infrastruktur und Anlageobjekten in den vom IS kontrollierten Gebieten verursacht, Ressourcen von produktiven Investitionen abgezweigt, den privaten Konsum und das Investitionsvertrauen stark beeinträchtigt und Armut, Vulnerabilität und Arbeitslosigkeit erhöht. Dabei stieg die Armutsquote [schon vor dem IS, Anm.] von 18,9 Prozent im Jahr 2012 auf geschätzte 22,5 Prozent im Jahr 2014 (WB 18.4.2018).
Jüngste Arbeitsmarktstatistiken deuten auf eine weitere Verschlechterung der Armutssituation hin. Die Erwerbsquote von Jugendlichen (15-24 Jahre) ist seit Beginn der Krise im Jahr 2014 deutlich gesunken, von 32,5 Prozent auf 27,4 Prozent. Die Arbeitslosigkeit nahm vor allem bei Personen aus den ärmsten Haushalten und Jugendlichen und Personen im erwerbsfähigen Alter (25-49 Jahre) zu. Die Arbeitslosenquote ist in den von IS-bezogener Gewalt und Vertreibung am stärksten betroffenen Provinzen etwa doppelt so hoch wie im übrigen Land (21,1 Prozent gegenüber 11,2 Prozent), insbesondere bei Jugendlichen und Ungebildeten (WB 16.4.2018).
Der Irak besitzt kaum eigene Industrie. Hauptarbeitgeber ist der Staat (AA 12.2.2018). Grundsätzlich ist der öffentliche Sektor sehr gefragt. Die IS-Krise und die Kürzung des Budgets haben Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt im privaten und öffentlichen Sektor. Jobangebote sind mit dem Schließen mehrerer Unternehmen zurückgegangen. Im öffentlichen Sektor sind ebenfalls viele Stellen gestrichen worden. Gute Berufschancen bietet jedoch derzeit das Militär. Das durchschnittliche monatliche Einkommen im Irak beträgt derzeit 350-1.500 USD, je nach Position und Ausbildung (IOM 13.6.2018).
Das Ministerium für Arbeit und Soziales bietet Unterstützung bei der Arbeitssuche und stellt Arbeitsagenturen in den meisten Städten. Die Regierung hat auch ein Programm gestartet, um irakische Arbeitslose und Arbeiter, die weniger als 1 USD pro Tag verdienen, zu unterstützen.
Aufgrund der derzeitigen Situation im Land wurde die Hilfe jedoch eingestellt. Weiterbildungsmöglichkeiten werden durch Berufsschulen, Trainingszentren und Agenturen angeboten (IOM 13.6.2018).
Stromversorgung
Die Stromversorgung des Irak ist im Vergleich zu der Zeit vor 2003 schlecht (AA 12.2.2018). Sie deckt nur etwa 60 Prozent der Nachfrage ab, wobei etwa 20 Prozent der Bevölkerung überhaupt keinen Zugang zu Elektrizität haben. Der verfügbare Stromvorrat variiert jedoch je nach Gebiet und Jahreszeit (Fanack 22.12.2017). Selbst in Bagdad ist die öffentliche Stromversorgung vor allem in den Sommermonaten, wenn bei Temperaturen von über 50 Grad flächendeckend Klimaanlagen eingesetzt werden, häufig unterbrochen. Dann versorgt sich die Bevölkerung aus privaten Generatoren, sofern diese vorhanden sind. Die Versorgung mit Mineralöl bleibt unzureichend und belastet die Haushalte wegen der hohen Kraftstoffpreise unverhältnismäßig. In der Autonomen Region Kurdistan erfolgt die Stromversorgung durch Betrieb eigener Kraftwerke, unterliegt jedoch wie in den anderen Regionen Iraks erheblichen Schwankungen und erreicht deutlich weniger als 20 Stunden pro Tag. Kraftwerke leiden unter Mangel an Brennstoff und es gibt erhebliche Leitungsverluste (AA 12.2.2018).
Wasserversorgung
Die Wasserversorgung wird von der schlechten Stromversorgung in Mitleidenschaft gezogen (AA 12.2.2018). Der Irak befindet sich inmitten einer schweren Wasserkrise, die durch akute Knappheit, schwindende Ressourcen und eine stark sinkende Wasserqualität gekennzeichnet ist (Clingendael 10.7.2018). Die Wasserknappheit dürfte sich kurz- bis mittelfristig noch verschärfen. Besonders betroffen sind die südlichen Provinzen, insbesondere Basra. Der Klimawandel ist dabei ein Faktor, aber auch große Staudammprojekte in der Türkei und im Iran, die sich auf den Wasserstand von Euphrat und Tigris auswirken und zur Verknappung des Wassers beitragen. Niedrige Wasserstände führen zu einem Anstieg des Salzgehalts, wodurch das bereits begrenzte Wasser für die landwirtschaftliche Nutzung ungeeignet wird (UNOCHA 31.8.2018).
Parallel zur Wasserknappheit tragen veraltete Leitungen und eine veraltete Infrastruktur zur Kontaminierung der Wasserversorgung bei (UNOCHA 31.8.2018). Es fehlt weiterhin an Chemikalien zur Wasseraufbereitung. Die völlig maroden und teilweise im Krieg zerstörten Leitungen führen zu hohen Transportverlusten und Seuchengefahr. Im gesamten Land verfügt heute nur etwa die Hälfte der Bevölkerung über Zugang zu sauberem Wasser (AA 12.2.2018). Im August meldete Iraks südliche Provinz Basra 17.000 Fälle von Infektionen aufgrund der Kontaminierung von Wasser. Der Direktor der Gesundheitsbehörde Basra warnte vor einem Choleraausbruch (Iraqi News 28.8.2018).
Nahrungsversorgung
Laut Welternährungsorganisation sind im Irak zwei Millionen Menschen von Nahrungsmittelunsicherheit betroffen (FAO 8.2.2018). 22,6 Prozent der Kinder sind unterernährt (AA 12.2.2018). Schätzungen des Welternährungsprogramms zufolge benötigen mindestens 700.000 Iraker Nahrungsmittelhilfe (USAID 23.2.2018).
Die Landwirtschaft ist für die irakische Wirtschaft von entscheidender Bedeutung. Schätzungen zufolge hat der Irak in den letzten vier Jahren jedoch 40 Prozent seiner landwirtschaftlichen Produktion verloren. Im Zuge des Krieges gegen den IS waren viele Bauern gezwungen, ihre Betriebe zu verlassen. Ernten wurden zerstört oder beschädigt. Landwirtschaftliche Maschinen, Saatgut, Pflanzen, eingelagerte Ernten und Vieh wurden geplündert. Aufgrund des Konflikts und der Verminung konnten Bauern für die nächste Landwirtschaftssaison nicht pflanzen. Die Nahrungsmittelproduktion und -versorgung wurde unterbrochen, die Nahrungsmittelpreise auf den Märkten stiegen (FAO 8.2.2018). Das Land ist stark von Nahrungsmittelimporten abhängig (AW 11.2.2018; vgl. USAID 1.8.2017).
Das Sozialsystem wird vom sogenannten "Public Distribution System" (PDS) dominiert, einem Programm, bei dem die Regierung importierte Lebensmittel kauft, um sie an die Öffentlichkeit zu verteilen. Das PDS ist das wichtigste Sozialhilfeprogramm im Irak, in Bezug auf Flächendeckung und Armutsbekämpfung. Es ist das wichtigste Sicherheitsnetz für Arme, obwohl es von schweren Ineffizienzen gekennzeichnet ist (K4D 18.5.2018). Es sind zwar alle Bürger berechtigt, Lebensmittel im Rahmen des PDS zu erhalten. Das Programm wird von den Behörden jedoch sporadisch und unregelmäßig umgesetzt, mit begrenztem Zugang in den wiedereroberten Gebieten. Außerdem hat der niedrige Ölpreis die Mittel für das PDS weiter eingeschränkt (USDOS 20.4.2018).
Quellen:
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Rückkehr
Die freiwillige Rückkehrbewegung irakischer Flüchtlinge aus anderen Staaten befindet sich im Vergleich zum Umfang der Rückkehr der Binnenflüchtlinge auf einem deutlich niedrigeren, im Vergleich zu anderen Herkunftsstaaten aber auf einem relativ hohen Niveau. Die Sicherheit von Rückkehrern ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig - u.a. von ihrer ethnischen und religiösen Zugehörigkeit, ihrer politischen Orientierung und den Verhältnissen vor Ort. Zu einer begrenzten Anzahl an Abschiebungen in den Zentralirak kommt es jedenfalls aus Deutschland, Großbritannien, Schweden und Australien. Rückführungen aus Deutschland in die Autonome Region Kurdistan finden regelmäßig statt (AA 12.2.2018).
Studien zufolge ist die größte primäre Herausforderung für Rückkehrer die Suche nach einem Arbeitsplatz bzw. Einkommen. Andere Herausforderungen bestehen in der Suche nach einer bezahlbaren Wohnung, psychischen und psychologischen Problemen, sowie negativen Reaktionen von Freunden und Familie zu Hause im Irak (IOM 2.2018; vgl. REACH 30.6.2017). In der Autonomen Region Kurdistan gibt es mehr junge Menschen, die sich nach ihrer Rückkehr organisieren. Ob sich diese Tendenzen verstetigen, wird aber ganz wesentlich davon abhängen, ob sich die wirtschaftliche Lage in der Autonomen Region Kurdistan kurz- und mittelfristig verbessern wird (AA 12.2.2018).
Die Höhe einer Miete hängt vom Ort, der Raumgröße und der Ausstattung der Unterkunft ab. Außerhalb des Stadtzentrums sind die Preise für gewöhnlich günstiger. Die Miete für 250m2 in Bagdad liegt bei ca. 320 USD. In den Städten der kurdischen Autonomieregion liegt die Miete bei 300-600 USD für eine Zweizimmerwohnung. Der Kaufpreis eines Hauses oder Grundstücks hängt ebenfalls von Ort, Größe und Ausstattung ab. Während die Nachfrage nach Mietobjekten stieg, nahm die Nachfrage nach Kaufobjekten ab. Durchschnittliche Betriebskosten betragen pro Monat 15.000 IQD (Anm.: ca. 11 EUR) für Gas, 10.000-25.000 IQD (Anm.: ca. 7-18 EUR) für Wasser, 30.000-40.000 IQD (Anm.: ca. 22-29 EUR) für Strom (staatlich) und 40.000 IQD für private oder nachbarschaftlichen Generatorenstrom (IOM 13.6.2018).
Die lange Zeit sehr angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt wird zusehends besser im Land. Jedoch gibt es sehr viel mehr Kauf- als Mietangebote (GIZ 11.2018). Wohnen ist zu einem der größten Probleme im Irak geworden, insbesondere nach den Geschehnissen von 2003 (IOM 13.6.2018). Die Immobilienpreise in irakischen Städten sind in den letzten zehn Jahren stark angestiegen (IEC 24.1.2018). Im Zuge des Wiederaufbaus nach dem IS stellt der Wohnungsbau eine besonders dringende Priorität dar (Reuters 12.2.2018). Im November 2017 bestätigte der irakische Ministerrat ein neues Programm zur Wohnbaupolitik, das mit der Unterstützung von UN-Habitat ausgearbeitet wurde, um angemessenen Wohnraum für irakische Staatsbürger zu gewährleisten (UNHSP 6.11.2017). Öffentliche Unterstützung bei der Wohnungssuche besteht für Rückkehrer nicht (IOM 13.6.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598 1531143225 deutschland- auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-
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- IOM - International Organization for Migration (13.6.2018): Länderinformationsblatt Irak (2017).
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- Reuters (12.2.2018): Iraq says reconstruction after war on Islamic State to cost $88 billion. https://www.reuters.com/article/us-mideast-crisis-iraq-reconstruction/iraq-savs-reconstruction-
after-war-on-islamic-state-to-cost-88-billion-idUSKBN1FW0JB. Zugriff 17.10.2018
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the Updated Housing Policy of Iraq by the Ministry of Construction. Housing Municipalities and Public Works through the support of UN-Habitat. https://reliefweb.int/report/iraq/council-ministers-endorses-updated-housing-policy-iraq-ministry-construction-housing. Zugriff 17.10.2018
2. Beweiswürdigung:
Die Identität des BF steht aufgrund des vorgelegten Reisepasses im Original fest.
Die Angaben zur Volksgruppe und Religionszugehörigkeit beruhen auf den diesbezüglich gleichbleibenden Angaben des BF.
Die Feststellungen zu Herkunftsort, Familienstand und zum familiären Umfeld im Irak beruhen ebenso auf seinen diesbezüglich glaubwürdigen Angaben.
Die Feststellungen zu den Reisen des BF in den Irak beruhen auf seinen eigenen Angaben in den behördlichen Einvernahmen. Dazu gab der BF an, in dieser Zeit seine Familie besucht und dort Unterkunft genommen zu haben.
Dass der BF im Zuge seines Aufenthaltes im Jahr 2016 um die Hand seiner Cousine angehalten habe, deren Vater dies verweigert habe und deshalb Probleme mit deren Familie entstanden seien, ist wie die belangte Behörde in ihrer Beweiswürdigung ausführte, nicht glaubwürdig. Insbesondere ist nicht glaubwürdig, dass der BF seit dem ersten Kennenlernen im Jahr 2013 drei Jahre mit dem Antrag zugewartet haben will. Hinzu kommt, dass die Cousine laut Angaben des BF bereits verheiratet ist und der BF keinen Kontakt zu ihr hat. Daher ist eine vermeintliche Gefährdung des BF mangels Aktualität jedenfalls auszuschließen. Gegen eine Gefährdung des BF spricht außerdem, dass auch sein Vater und seine Brüder unbehelligt im Heimatort mit der Familie der Cousine leben.
Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf den angeführten Quellen. Es handelt sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation im Irak ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
Auch trat der BF den im Bescheid enthaltenen Länderfeststellungen nicht entgegen. Zu den in der Beschwerde zitierten Reisewarnung des Außenministeriums ist anzuführen, dass diese gegenüber anderen Beweismitteln keine besondere Stellung einnimmt (VwGH 10.09.2018, Ra 2018/19/0411) und sich gegenüber den zu Grunde gelegten Länderberichten als kursorisch und weniger spezifisch erweisen (vgl. VwGH 22.02.2018, Ra 2018/18/0037).
Die Feststellungen zur Straffälligkeit des BF, seinen persönlichen Umständen in Österreich und den gesetzten Integrationsschritten ergeben sich aus seinen Angaben in den behördlichen Einvernahmen sowie einem aktuellen Sozialversicherungsdatenauszug, einem Strafregisterauszug und dem Strafurteil.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes - BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu Spruchteil A):
3.2. Zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten:
3.2.1. Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn dieser in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (in Folge: EMRK) oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder führ ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht (1. Fall) oder nicht mehr (2. Fall) vorliegen.
Zur richtlinienkonformen Interpretation:
Artikel 16 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl. L 304 (in der Folge: Status-RL), über das Erlöschen des subsidiären Schutzes lauten:
(1) Ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser hat keinen Anspruch auf subsidiären Schutz mehr, wenn die Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt haben, nicht mehr bestehen oder sich in einem Maße verändert haben, dass ein solcher Schutz nicht mehr erforderlich ist.
(2) Bei Anwendung des Absatzes 1 berücksichtigen die Mitgliedstaaten, ob sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorübergehend verändert haben, dass die Person, die Anspruch auf subsidiären Schutz hat, tatsächlich nicht länger Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden.
Art. 19 Abs. 1 und 4 Richtlinie 2004/83/EG lauten:
(1) Bei Anträgen auf internationalen Schutz, die nach Inkrafttreten der Richtlinie 2004/83/EG gestellt wurden, erkennen die Mitgliedstaaten einem Drittstaatsangehörigen oder einem Staatenlosen den von einer Regierungs- oder Verwaltungsbehörde, einem Gericht oder einer gerichtsähnlichen Behörde zuerkannten subsidiären Schutzstatus ab, beenden diesen oder lehnen seine Verlängerung ab, wenn die betreffende Person gemäß Artikel 16 nicht länger Anspruch auf subsidiären Schutz erheben kann.
(4) Unbeschadet der Pflicht des Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, gemäß Artikel 4 Absatz 1 alle maßgeblichen Tatsachen offen zu legen und alle maßgeblichen, ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen vorzulegen, weist der Mitgliedstaat, der ihm den subsidiären Schutzstatus zuerkannt hat, in jedem Einzelfall nach, dass die betreffende Person gemäß den Absätzen 1 bis 3 dieses Artikels keinen oder nicht mehr Anspruch auf subsidiären Schutz hat.
Während der erste Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 die Konstellation erfasst, in der der Fremde schon im Zeitpunkt der Zuerkennung von subsidiärem Schutz die dafür notwendigen Voraussetzungen nicht erfüllt hat, betrifft § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 jene Konstellationen, in denen die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nachträglich weggefallen sind (VwGH 14.08.2019, Ra 2016/20/0038).
Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides ergibt sich, dass es sich um die Anwendung des zweiten Falles des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG handelt (vgl. Bescheid S. 24: "Da sich die Umstände im Irak (siehe unten angeführte Länderfeststellungen; weiters fand Berücksichtigung, dass sich auch Familienangehörige im Irak befinden und gaben Sie im Zuge Ihres Asylverfahrens unter anderem an, dass Ihre Familie seit dem Jahr 2002 im Iran leben würde;) für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes geändert haben, wird dieser aberkannt.").
Im zweiten Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG, in dem die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen, wird auf eine Änderung der Umstände abgestellt, die so wesentlich und nicht nur vorübergehend ist, dass die Person, die Anspruch auf subsidiären Schutz hatte, tatsächlich nicht länger Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 22.12.2006 wurde die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF in den Irak als nicht zulässig erklärt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt. Dieser Ausspruch wurde dabei im Wesentlichen mit der damaligen Sicherheits- und Versorgungslage im Irak begründet.
Sofern die belangte Behörde im nunmehr angefochtenen Bescheid die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG damit begründet, dass sich die Situation im Irak verbessert habe, ist auf die rezente Judikatur des VwGH (17.10.2019, Ro 2019/18/0005) zu verweisen, wonach bei der Prüfung der Änderung des maßgeblichen Sachverhalts die letzte Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung als Vergleichsentscheidung heranzuziehen ist.
3.2.2. Der Verwaltungsgerichtshof ve