TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/29 W114 2204590-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.04.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

29.04.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
MOG 2007 §19 Abs7
MOG 2007 §6
VwGVG §14 Abs1
VwGVG §15 Abs1
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W114 2204590-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Bernhard DITZ über die Beschwerde von XXXX , XXXX , XXXX , BNr. XXXX , vom 06.02.2018, gegen den Bescheid des Vorstandes für den GB II der Agrarmarkt Austria, Dresdner Straße 70, 1200 Wien (AMA) vom 12.01.2018, AZ II/4-DZ/17-8137468010, nach Vorlageantrag vom 25.05.2018 in Folge Beschwerdevorentscheidung vom 14.05.2018, AZ II/4-DZ/17-10193321010, betreffend die Gewährung von Direktzahlungen für das Antragsjahr 2017 zu Recht:

A.)

Die Beschwerde wird abgewiesen und die Beschwerdevorentscheidung bestätigt.

B.)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Am 30.03.2017 fand am Betrieb von XXXX , XXXX , XXXX , BNr. XXXX , im Weiteren: Beschwerdeführerin oder BF, eine Vor-Ort-Kontrolle (VOK) des Landes Tirol im Rahmen der Cross Compliance (CC) statt. Bei dieser VOK wurde ein Verstoß gegen die Richtlinie 2008/120/EG des Rates vom 18.12.2008 über Mindestanforderungen für den Schutz von Schweinen (TSSW - Modul 21) festgestellt. Konkret wurde bezüglich der Anforderung 21.9 "Füttern, Tränken und beigefügte Stoffe", bei der VOK festgestellt, dass zwei Schweine keinen Zugang zu Frischwasser hatten. Aufgrund dieser Kontrollfeststellung wurde vom Land Tirol eine Sanktion von 3 % (Ausmaß: 1 / Schwere: 3 / Dauer: 5) vergeben.

2. Am 11.04.2017 stellte die Beschwerdeführerin einen Mehrfachantrag-Flächen (im Weiteren: MFA) für das Antragsjahr 2018 und beantragte u.a. die Gewährung von Direktzahlungen für das Antragsjahr 2018.

3. Mit Bescheid der AMA vom 12.01.2018, AZ II/4-DZ/17-8137468010, wurden der BF für das Antragsjahr 2017 Direktzahlungen in Höhe von EUR XXXX gewährt.

In diesem Bescheid wurde ein "Abzug wegen Cross Compliance-Verstößen, 3,00 %" in Höhe von EUR XXXX bei der Basisprämie, EUR XXXX bei der Greeningprämie, EUR XXXX bei der Top-up Bonuszahlung für Junglandwirte, EUR XXXX bei der gekoppelten Stützung für Kühe, EUR XXXX bei der gekoppelten Stützung für sonstige Rinder, EUR XXXX bei der gekoppelten Stützung für Mutterziegen und EUR XXXX bei der gekoppelten Stützung für sonstige Ziegen verfügt. Dazu wird im angefochtenen Bescheid auf einen beiliegenden Anhang "Cross Compliance-Berechnung (Berechnungsdatum 13.11.2017) - Direktzahlungen gemäß VO 1307/2013" hingewiesen.

Aus den Ausführungen im Bescheid samt Anhang ergibt sich, dass aufgrund von einem am 30.03.2017 festgestellten Verstoß im Bereich Tierschutz - "Füttern, Tränken und beigefügte Stoffe" ein CC-Abzug mit einem Ausmaß von 3 % zu verhängen gewesen wäre.

Diese Entscheidung wurde der Beschwerdeführerin am 23.01.2018 zugestellt.

4. Gegen diesen Bescheid erhob die BF mit Schriftsatz vom 06.02.2018 Beschwerde. Darin führte sie aus, dass bei der am 29.03.2017 durchgeführten CC-Kontrolle Mängel festgestellt worden wären. Mängel im Bereich der Anbindehaltung würden jedoch innerhalb der gesetzlichen Kulanzgrenze liegen. Fehlende Tränkenippel wären beanstandet worden, obwohl für Schweine laufend Frischwasser im Trog verfügbar sei. Der Kontrollor habe nicht erklären können, in welcher Höhe der Nippel zu montieren wäre. Der Mangel sei innerhalb von 14 Tagen behoben worden, was auch bei einer Nachkontrolle auch bestätigt worden wäre. Daher sei von einer CC-Sanktionierung Abstand zu nehmen.

5. Vom Land Tirol, an die die Beschwerde übermittelt wurde, wurde am 04.05.2018 der AMA mitgeteilt, dass am 24.04.2017 eine Nachkontrolle stattgefunden habe, bei der festgestellt worden wäre, dass dass der Mangel unmittelbar nach der Kontrolle behoben worden wäre und daher die Bewertung des ehemalig festgestellten Mangels hinsichtlich der Dauer von 5 (dauerhaft) auf 1 (kurzfristig) geändert werde.

6. Die Änderung der Bewertung durch das Land Tirol berücksichtigend wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom 14.05.2018, AZ II/4-DZ/17-10193321010, der Bescheid der AMA vom 12.01.2018, AZ II/4-DZ/17-8137468010, abgeändert und der verfügte CC-Abzug im Ausmaß von 3 % auf ein Ausmaß von nur mehr 1 % reduziert, wodurch sich folgende Abzüge ergeben:

* bei der Basisprämie: EUR 5,46;

* bei der Greeningprämie: EUR 2,46;

* bei der Top-up Bonuszahlung für Junglandwirte: EUR 2,30;

* bei der gekoppelten Stützung für Kühe: EUR 1,24;

* bei der gekoppelten Stützung für sonstige Rinder: EUR 1,05;

* bei der gekoppelten Stützung für Mutterziegen: EUR 0,28;

* bei der gekoppelten Stützung für sonstige Ziegen: EUR 0,07.

Diese Entscheidung wurde der Beschwerdeführerin am 23.05.2018 zugestellt.

7. Am 25.05.2018 stellte die Beschwerdeführerin einen Vorlageantrag.

8. Die AMA legte dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) am 30.08.2018 den angefochtenen Bescheid, die Beschwerdevorentscheidung, die Beschwerde und den Vorlageantrag sowie die Unterlagen des Verwaltungsverfahrens zur Entscheidung vor.

9. Gemäß einer Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des BVwG vom 19.03.2020 wurde die verfahrensgegenständliche Angelegenheit mit 24.03.2020 der Gerichtsabteilung W114 (Mag. Bernhard DITZ) zur Erledigung zugewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Die Beschwerdeführerin stellte am 11.04.2017 einen MFA für das Antragsjahr 2017 und beantragte die Gewährung von Direktzahlungen für das Antragsjahr 2017.

1.2. Am Heimbetrieb der Beschwerdeführerin fand am 29.03.2017 eine VOK statt. Dabei wurde ein Verstoß gegen die Anforderung "Tierschutz" festgestellt, da zwei Schweine nicht durchgehend Zugang zu Frischwasser hatten.

1.3. Bei einer unangekündigten Nachkontrolle am 24.04.2017 wurde der am 29.03.2017 festgestellte Verstoß nicht mehr festgestellt.

1.4. Das Merkblatt Cross Compliance 2017, Stand Februar 2017, welches bei der AMA und auch bei allen Landwirtschaftskammern allgemein für alle Betroffenen in der jeweils aktuellen Fassung aufliegt und auch elektronisch über die Startseite der AMA aufgerufen werden kann, weist für das betroffene Antragsjahr 2017 auszugsweise folgenden Inhalt auf:

"4 Cross Compliance-Bestimmungen für den Bereich Tierschutz

4.1 Allgemeines

Die Basis der gemeinschaftlichen Tierschutzbestimmungen bildet die Richtlinie 98/58/EG über den Schutz von landwirtschaftlichen Nutztieren. Zusätzlich gibt es spezielle Richtlinien für den Schutz von Kälbern (Richtlinie 2008/119/EG), Schweinen (Richtlinie 2008/120/EG), Legehennen (Richtlinie 1999/74/EG) und Masthühnern (Richtlinie 2007/43/EG), wobei die beiden zuletzt genannten im Rahmen der Cross Compliance nicht berücksichtigt werden. Die Zielsetzung der Gemeinschaftsbestimmungen besteht darin, EU-weite Mindeststandards für die Haltungsanforderungen festzulegen. Den Mitgliedstaaten ist es jedoch gestattet, in ihrer nationalen Umsetzung der EU-Richtlinien über die gemeinschaftlichen Mindeststandards hinauszugehen und strengere Anforderungen festzulegen.

Das österreichweit gültige Tierschutzgesetz (BGBl I Nr. 118/2004) samt der 1. Tierhaltungsverordnung (1. THVO, BGBl II Nr. 485/2004) bildet die nationale Umsetzung der EU-Bestimmungen. Das österreichische Tierschutzrecht ist umfassender und in Teilbereichen auch strenger als die EU-Mindestanforderungen.

Die Einhaltung der Tierhaltungsanforderungen wird gemäß Tierschutzgesetz geprüft und Verstöße können zu Verwaltungsstrafen führen. Darüber hinaus werden gewisse Bereiche im Rahmen der Cross Compliance kontrolliert und können zu Kürzungen der Direktzahlungen, Zahlungen im Rahmen der ländlichen Entwicklung und im Weinsektor führen.

In diesem Merkblatt wird nicht die allgemeine Tierschutzkontrolle erörtert, sondern es werden nur die Cross Compliance-Verpflichtungen beschrieben. Schreiben die EU-Richtlinien konkrete Zahlenangaben (z.B. für die Besatzdichte) oder konkrete Inhalte vor, so wird deren Einhaltung kontrolliert, selbst wenn die nationalen Bestimmungen strenger wären. In allen anderen Fällen ist die Einhaltung der österreichischen Rechtsvorschriften maßgeblich.

4.3.1 SCHUTZ VON LANDWIRTSCHAFTLICHEN NUTZTIEREN

Bei Cross Compliance-Kontrollen werden folgende Punkte geprüft:

* Eine qualitativ und mengenmäßig ausreichende Futter- und Wasserversorgung ist sicherzustellen

4.3.3 SCHUTZ VON SCHWEINEN

Wasserversorgung

Ständiger Zugang zu Frischwasser muss gegeben sein.

5.1.1 WARUM KONTROLLE

Österreich ist aufgrund der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 und der dazu erlassenen Durchführungs- und delegierten Rechtsakte verpflichtet, ein wirksames Kontrollsystem einzuführen, damit die rechtmäßige Verwendung der EU-Fördermittel sichergestellt ist.

Die Cross Compliance-Vor-Ort-Kontrollen werden von der AMA oder von den zuständigen Landesbehörden durchgeführt.

Folgende Inhalte werden von den Landesbehörden vor Ort kontrolliert:

* Hormonanwendungsverbot und Tierarzneimittelanwendung

* Lebens- und Futtermittelsicherheit

* Tierseuchen

* Tierschutz

Alle anderen Vor-Ort-Kontrollen werden von der AMA abgewickelt.

Zusätzlich werden aufgrund einiger Rechtsakte Verwaltungskontrollen durchgeführt. Die Verwaltungskontrolle ist ein EDV-unterstützter Datenabgleich in der AMA, der sicherstellen soll, dass die Voraussetzungen für die Gewährung der Beihilfen und die Cross Compliance-Vorschriften eingehalten werden.

5.1.2 ZUGRIFFS- UND KONTROLLRECHT

Für die Vor-Ort-Kontrollen müssen die Betriebsinhaber den für die Kontrolle zuständigen Organen das Betreten der Geschäfts- und Betriebsräume sowie der Flächen während der Geschäfts- und Betriebszeit oder nach Vereinbarung ermöglichen. Die Betriebsinhaber haben auch das Erstellen von Fotos durch die Prüforgane zur Dokumentation der Kontrollfeststellungen zu dulden.

Bei der Kontrolle muss eine geeignete und informierte Person anwesend sein, Auskünfte erteilen und die erforderliche Unterstützung leisten.

Die Kontrollorgane können in alle Unterlagen (wie z.B. Bestandsverzeichnis, Aufzeichnungen zur Wasserentnahme, ...), die für die Kontrolle erforderlich sind, Einsicht nehmen. Die Kontrollorgane können die zeitweilige Überlassung von Aufzeichnungen und Unterlagen oder Ausdrucke EDV-geführter Aufzeichnungen und Unterlagen verlangen und müssen in diesem Fall deren Aushändigung bestätigen.

5.1.3 AUFBEWAHRUNGS- UND AUFZEICHNUNGSPFLICHTEN/-EMPFEHLUNGEN

Für Antrags- und Bewilligungsunterlagen, Bücher, Karten, Bestandsverzeichnisse, im Falle der Bewässerung von Flächen die Aufzeichnungen zur Wasserentnahme und sonstige für die Gewährung der beantragten Zahlungen maßgeblichen Belege gilt eine Aufbewahrungsfrist von vier Jahren. Aufgrund vertraglicher Bestimmungen kann diese Frist auch länger sein (z.B. zehn Jahre im Rahmen von ÖPUL 2015). Zusätzlich sind im Betrieb Unterlagen, die für die Identifizierung der Flächen notwendig sind, zur Verfügung zu halten. Sonstige gesetzliche Aufbewahrungs- und Aufzeichnungspflichten müssen beachtet werden.

..."

2. Beweiswürdigung:

Der Sachverhalt ergibt sich aus den von der AMA vorgelegten Unterlagen des Verwaltungsverfahrens.

Aus diesen Unterlagen, insbesondere aus den vorgelegten unwidersprochenen Kontrollberichten des Amtes der Tiroler Landesregierung, ergibt sich zweifelsfrei das Vorliegen von einem mittlerweile abgestellten Verstoß im Bereich TSSW. Dieser Verstoß wurden von der Beschwerdeführerin auch nicht substantiiert bestritten.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur Zuständigkeit und zum Verfahren:

Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das Verwaltungsgericht des Bundes über Beschwerden in Rechtssachen in Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden. Gemäß § 1 AMA-Gesetz 1992, BGBl. 376/1992 idF BGBl. I Nr. 46/2014, iVm § 6 Marktordnungsgesetz 2007 (MOG 2007), BGBl. I Nr. 55/2007 idF BGBl. I Nr. 89/2015, erfolgt die Abwicklung der landwirtschaftlichen Direktzahlungen durch die AMA im Rahmen der unmittelbaren Bundesverwaltung.

Gemäß § 17 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. 33/2013 idF BGBl. Nr. 122/2013, sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG) mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, und jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem, dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.2. Zum Anfechtungsgegenstand:

Die AMA hat den ursprünglich angefochtenen Bescheid vom 12.01.2018, AZ II/4-DZ/17-8137468010, mit Abänderungsbescheid vom 14.05.2018, AZ II/4-DZ/17-10193321010, abgeändert. Aus der Rechtsmittelbelehrung des Abänderungsbescheides, in der auf die Möglichkeit eines Vorlageantrages hingewiesen wird, ergibt sich, dass die AMA eine Beschwerdevorentscheidung erlassen hat.

Gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG i.V.m. § 19 Abs. 7 MOG 2007 steht es der Behörde nach der Rechtslage ab 01.01.2014 frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von vier Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen (Beschwerdevorentscheidung).

Gemäß § 15 Abs. 1 VwGVG kann jede Partei binnen zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag).

Aus der Entstehung der den Vorlageantrag regelnden Gesetzesbestimmung des § 15 VwGVG und den Gesetzesmaterialien ist zu schließen, dass nach Stellung eines Vorlageantrages die Beschwerdevorentscheidung nicht außer Kraft tritt (vgl. dazu etwa Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren2 (1918) § 15 Anm. 9 oder Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht11 (2019), Rz 774). Die Beschwerdevorentscheidung bildet vielmehr den Beschwerdegegenstand und ersetzt den ursprünglichen Bescheid zur Gänze (vgl. VwGH vom 20.05.2015, Ra 2015/09/0025).

3.3. Maßgebliche Rechtsgrundlagen in der für das betroffene Antragsjahr maßgeblichen Fassung:

Die Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.12.2013 über die Finanzierung, die Verwaltung und das Kontrollsystem der Gemeinsamen Agrarpolitik, ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 549, im Folgenden VO (EU) 1306/2013, lautet auszugsweise:

"TITEL VI

CROSS-COMPLIANCE

KAPITEL I

Geltungsbereich

Artikel 91

Allgemeiner Grundsatz

(1) Erfüllt ein in Artikel 92 genannter Begünstigter die Cross- Compliance-Vorschriften gemäß Artikel 93 nicht, so wird gegen ihn eine Verwaltungssanktion verhängt.

(2) Die Verwaltungssanktion gemäß Absatz 1 findet nur dann Anwendung, wenn der Verstoß das Ergebnis einer Handlung oder Unterlassung ist, die unmittelbar dem betreffenden Begünstigten anzulasten ist, und mindestens eine der beiden folgenden zusätzlichen Bedingungen erfüllt ist:

a) Der Verstoß betrifft die landwirtschaftliche Tätigkeit des Begünstigten;

b) die Fläche des Betriebs des Begünstigten ist betroffen.

[...]."

"Artikel 93

Cross-Compliance-Vorschriften

(1) Die in Anhang II aufgeführten Cross-Compliance-Vorschriften umfassen die Grundanforderungen an die Betriebsführung gemäß Unionsrecht und die auf nationaler Ebene aufgestellten Standards für die Erhaltung von Flächen in gutem landwirtschaftlichem und ökologischem Zustand und betreffen die folgenden Bereiche:

a) Umweltschutz, Klimawandel und guter landwirtschaftlicher Zustand der Flächen,

b) Gesundheit von Mensch, Tier und Pflanzen,

c) Tierschutz.

(2) Die in Anhang II genannten Rechtsakte über die Grundanforderungen an die Betriebsführung gelten in der zuletzt in Kraft getretenen Fassung und im Falle von Richtlinien so, wie sie von den Mitgliedstaaten umgesetzt wurden.

[...]."

"Artikel 97

Anwendung von Verwaltungssanktionen

(1) Werden die Cross-Compliance-Vorschriften in einem bestimmten Kalenderjahr (im Folgenden "betreffendes Kalenderjahr") zu irgendeinem Zeitpunkt nicht erfüllt und ist dieser Verstoß dem Begünstigten, der den Beihilfe- oder den Zahlungsantrag in dem betreffenden Kalenderjahr gestellt hat, unmittelbar anzulasten, so wird die Verwaltungssanktion gemäß Artikel 91 verhängt.

[...]."

"Artikel 99

Berechnung der Verwaltungssanktion

(1) Zur Anwendung der Verwaltungssanktion gemäß Artikel 91 wird der Gesamtbetrag der in Artikel 92 genannten Zahlungen, der dem betroffenen Begünstigten gewährt wurde bzw. zu gewähren ist, für die Beihilfeanträge, die er in dem Kalenderjahr, in dem der Verstoß festgestellt wurde, eingereicht hat oder einreichen wird, gekürzt oder gestrichen.

Bei der Berechnung dieser Kürzungen und Ausschlüsse werden Schwere, Ausmaß, Dauer und wiederholtes Auftreten der Verstöße sowie die Kriterien nach den Absätzen 2, 3 und 4 berücksichtigt.

(2) Bei einem Verstoß aufgrund von Fahrlässigkeit beträgt die Kürzung höchstens 5 %, im Wiederholungsfall höchstens 15 %.

Die Mitgliedstaaten können ein Frühwarnsystem einrichten, das auf Verstöße Anwendung findet, die angesichts ihrer geringen Schwere, ihres begrenzten Ausmaßes und ihrer geringen Dauer in hinreichend begründeten Fällen nicht mit einer Kürzung oder einem Ausschluss geahndet werden. Nutzt ein Mitgliedstaat diese Option, sendet die zuständige Behörde dem Begünstigten eine Frühwarnung, in der dem Begünstigten die Feststellungen mitgeteilt werden und auf die Verpflichtung zu Abhilfemaßnahmen verwiesen wird. Wird bei einer späteren Kontrolle festgestellt, dass der Verstoß nicht behoben wurde, wird die Kürzung gemäß Unterabsatz 1 rückwirkend vorgenommen.

Verstöße, die eine direkte Gefährdung der Gesundheit von Mensch oder Tier bedeuten, werden jedoch immer mit einer Kürzung oder einem Ausschluss geahndet.

Die Mitgliedstaaten können den Begünstigten, die zum ersten Mal eine Frühwarnung erhalten haben, vorrangig Zugang zum System der landwirtschaftlichen Betriebsberatung gewähren.

(3) Bei vorsätzlichen Verstößen beträgt die Kürzung grundsätzlich nicht weniger als 20 % und kann bis zum vollständigen Ausschluss von einer oder mehreren Beihilferegelungen gehen und für ein oder mehrere Kalenderjahre gelten.

(4) In keinem Fall übersteigt die Gesamthöhe der Kürzungen und Ausschlüsse in einem Kalenderjahr den Gesamtbetrag im Sinne von Absatz 1 Unterabsatz 1."

Anhang II der VO (EU) 1306/2013 verweist unter der Rubrik "GAB 12" auf Art. 3 und 4 der Richtlinie 2008/120/EG des Rates vom 18.12.2008 über Mindestanforderungen für den Schutz von Schweinen, ABl. L 47 vom 18.02.2009, S. 5. Die angeführten Bestimmungen wurden in Österreich im Rahmen des Tierschutzgesetzes, BGBl. I Nr. 118/2004, sowie der 1. Tierhaltungsverordnung, BGBl. II Nr. 485/2004 idF BGBl. II Nr. 151/2017, umgesetzt. Anlage 5 "Mindestanforderungen für die Haltung von Schweinen" dieser Verordnung lautet auszugsweise:

"2. Allgemeine Haltungsvorschriften für Schweine

2.8. Ernährung

Alle Schweine müssen ständig Zugang zu ausreichend Frischwasser haben. Das Angebot an Tränkevorrichtungen ist an die Gruppengröße anzupassen."

Die Delegierte Verordnung (EU) Nr. 640/2014 der Kommission vom 11.03.2014 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf das integrierte Verwaltungs- und Kontrollsystem und die Bedingungen für die Ablehnung oder Rücknahme von Zahlungen sowie für Verwaltungssanktionen im Rahmen von Direktzahlungen, Entwicklungsmaßnahmen für den ländlichen Raum und der Cross-Compliance, im Folgenden VO (EU) 640/2014 lautet auszugsweise:

"Artikel 38

Allgemeine Vorschriften betreffend Verstöße

[...]

(2) Das "Ausmaß" eines Verstoßes wird insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache bestimmt, ob der Verstoß weitreichende Auswirkungen hat oder auf den Betrieb selbst begrenzt ist.

(3) Die "Schwere" eines Verstoßes hängt insbesondere davon ab, welche Bedeutung den Auswirkungen des Verstoßes unter Berücksichtigung der Ziele der betreffenden Anforderung oder des betreffenden Standards beizumessen ist.

(4) Ob ein Verstoß von "Dauer" ist, richtet sich insbesondere danach, wie lange die Auswirkungen des Verstoßes andauern oder welche Möglichkeiten bestehen, diese Auswirkungen mit angemessenen Mitteln abzustellen.

(5) Für die Zwecke dieses Kapitels gelten Verstöße als "festgestellt", sofern sie sich als Folge jedweder Kontrollen nach Maßgabe der vorliegenden Verordnung ergeben oder der zuständigen Kontrollbehörde bzw. Zahlstelle auf andere Weise zur Kenntnis gelangt sind."

"Artikel 39

Berechnung und Anwendung von Verwaltungssanktionen bei Fahrlässigkeit

(1) Ist der festgestellte Verstoß auf Fahrlässigkeit des Begünstigten zurückzuführen, so wird eine Kürzung vorgenommen. Diese Kürzung beläuft sich in der Regel auf 3 % des Gesamtbetrags der Zahlungen und jährlichen Prämien gemäß Artikel 92 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013.

Auf der Grundlage des bewertenden Teils des Kontrollberichts, in dem die zuständige Kontrollbehörde die Bedeutung der Verstöße bewertet, und unter Berücksichtigung der Kriterien gemäß Artikel 38 Absätze 1 bis 4 kann die Zahlstelle jedoch beschließen, den genannten Prozentsatz auf 1 % des in Unterabsatz 1 genannten Gesamtbetrags zu verringern oder auf 5 % dieses Betrags zu erhöhen oder aber keine Kürzung vorzunehmen, wenn die Vorschriften über die betreffende Anforderung oder den betreffenden Standard einen Ermessensspielraum lassen, den festgestellten Verstoß nicht weiterzuverfolgen, oder wenn die Förderung gemäß Artikel 17 Absätze 5 und 6 der Verordnung (EU) Nr. 1305/2013 gewährt wird.

[...]."

Anlage 5 zur Verordnung der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen über die Mindestanforderungen für die Haltung von Pferden und Pferdeartigen, Schweinen, Rindern, Schafen, Ziegen, Schalenwild, Lamas, Kaninchen, Hausgeflügel, Straußen und Nutzfischen (1. Tierhaltungsverordnung), BGBl. II Nr. 485/2004 idF des BGBL. II Nr. 151/2017 sieht unter Punkt 2.8. "Ernährung" vor, dass alle Schweine ständig Zugang zu ausreichend Frischwasser haben müssen.

3.4. Daraus folgt rechtlich:

In der gegenständlichen Angelegenheit wurden der Beschwerdeführerin von der AMA die für das Antragsjahr 2017 gewährten Direktzahlungen mit der Begründung gekürzt, sie habe gegen die Bestimmungen des Tierschutzes, und zwar gegen die Anforderung Ernährung, wonach Schweine ständig Zugang zu ausreichend Frischwasser haben müssen, verstoßen.

Die Beschwerdeführerin selbst räumt ein, dass dieser Verstoß bei der gegenständlichen VOK am 30.03.2017 festgestellt worden wäre. Sie rechtfertigt ein Absehen von einer CC-Kürzung damit, dass sie sehr rasch für eine Beseitigung des Verstoßes gesorgt habe und nur einen Monat später bei einer unangekündigten VOK festgestellt worden wäre, dass der Verstoß beseitigt worden wäre.

Dazu wird vom erkennenden Gericht hingewiesen, dass es von der Beschwerdeführerin vorbildlich war, dass sie sofort bereit war, einen im Rahmen einer VOK festgestellten Verstoß zu beseitigen bzw. diesen innerhalb kurzer Zeit auch beseitigt hat.

Die AMA hat - unter Berücksichtigung der Ausführungen des Kontrollors bei der Tiroler Landesregierung - diesen Bemühungen auch Rechnung getragen und die Höhe der Sanktion von 3 % auf 1 % herabgesetzt.

Es bleibt dabei jedoch bei der Tatsache, dass in der gegenständlichen VOK am 30.03.2017 ein Verstoß festgestellt wurde.

Gemäß Artikel 39 Abs.1 VO (EU) 640/2014 beläuft sich die Kürzung in der Regel auf 3 % des Gesamtbetrages der Zahlungen und jährlichen Prämien, sodass in der Regel auch ein Prozentsatz von 3 % als angemessen zu betrachten wäre.

Das erkennende Gericht schließt sich jedoch der Auffassung der AMA bzw. des Amtes der Tiroler Landesregierung an, dass nicht der Regelprozentsatz von 3 %, sondern der privilegierte Prozentsatz von nur einem Prozent zur Anwendung gelangen kann, weil die Beschwerdeführerin eben sehr rasch alles getan hat, um den festgestellten Verstoß zu beheben. Nach Auffassung des erkennenden Gerichtes ist in der gegenständlichen Angelegenheit ein gänzliches Absehen von jeglicher Sanktionierung jedoch nicht verhältnismäßig, da bei einem solchen Abspruch das europarechtlich determinierte Sanktionsrecht ad Absurdum geführt werden würde. Daher war die Entscheidung der AMA zu bestätigen und das Beschwerdebegehren der Beschwerdeführerin abzuweisen.

3.5 Zu Unzulässigkeit einer ordentlichen Revision (Spruchpunkt B):

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Zwar liegt für den vorliegenden Fall naturgemäß noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor. Die Rechtslage ist jedoch so eindeutig, dass von einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht gesprochen werden kann; vgl. VwGH 28.02.2014, Ro 2014/16/0010 sowie VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053.

Schlagworte

Abzug Angemessenheit Beschwerdevorentscheidung Cross Compliance Direktzahlung Kontrolle Kürzung Mindestanforderung Prämiengewährung Tierschutz Unregelmäßigkeiten Vorlageantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W114.2204590.1.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten