TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/29 G303 2180582-1

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Veröffentlicht am 29.04.2020
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Entscheidungsdatum

29.04.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3
VwGVG §33 Abs1

Spruch

G303 2180582-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Simone KALBITZER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geb.XXXX, Staatangehörigkeit: Polen, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich,

I. gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.11.2017, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 30.10.2017 gemäß § 33 Absatz 1 VwGVG abgewiesen wird.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

II. gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.05.2016, Zl. XXXX, beschlossen:

A) Die Beschwerde wird als verspätet zurückgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang und Feststellungen:

Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ist polnischer Staatsangehöriger und spricht die polnische Sprache. Er wurde in Österreich ab 2011 wiederholt strafgerichtlich verurteilt.

Mit dem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, (im Folgenden: BFA) vom 27.05.2016 wurde gegen den BF gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein zehnjähriges Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), ihm gemäß § 70 Abs. 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) und einer Beschwerde dagegen die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG aberkannt (Spruchpunkt III.).

Der Spruch dieses Bescheides ist sowohl in der deutschen als auch in der polnischen Sprache abgefasst. Der Bescheid enthält ebenso eine Rechtsmittelbelehrung auf Deutsch und Polnisch, in der darauf hingewiesen wird, dass die Beschwerde gegen den Bescheid innerhalb von zwei Wochen nach dessen Zustellung schriftlich einzubringen ist. Der Bescheid wurde dem BF durch persönliche Übernahme am 30.05.2016 zugestellt.

Der BF brachte einen mit 30.10.2017 datierten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beim BFA ein. Begründend führte es aus, er habe die Frist für die Einbringung von Rechtsmitteln versäumt, da er der deutschen Sprache nicht mächtig sei und er "das Schriftstück des BFA" inhaltlich nicht verstanden habe. Aufgrund der Haftsituation sei er außerdem nicht in der Lage gewesen, rasch genug eine juristische Meinung dazu einzuholen und juristische Beratung zu bekommen. Er ersuche daher um die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die Möglichkeit eine "Berufung" gegen das Aufenthaltsverbot einzubringen, da seine Frau und das gemeinsame Kind in Wien leben würden.

Mit Bescheid des BFA vom 29.11.2017 wurde der Wiedereinsetzungsantrag des BF vom 30.10.2017 gemäß § 71 Abs. 1 AVG abgewiesen.

Mit Eingabe vom 14.12.2017 erhob der BF durch seine Rechtsvertretung eine Beschwerde gegen den Bescheid vom 29.11.2017.

In der Beschwerde gegen die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages wurde ausgeführt, dass die belangte Behörde nicht § 71 AVG, sondern § 33 VwGVG anzuwenden gehabt hätte, da es sich um das Versäumen einer Beschwerdefrist handelt und allein § 33 VwGVG maßgeblich gewesen wäre. Es läge ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis vor, da der BF nach Erhalt des Bescheides einen Anwalt kontaktierte und ihn um Vertretung und Beschwerdeerhebung ersuchte. Offensichtlich habe der Anwalt keinerlei Schritte in diese Richtung gesetzt. Nachdem der BF davon erfuhr, habe er den gegenständlichen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt.

Das BFA legte die Beschwerde und die Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor, wo sie am 22.12.2017 einlangten.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des Gerichtsakts. Entscheidungswesentliche Widersprüche sind nicht aufgetreten.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil I. A):

Bei Versäumen der Beschwerdefrist ist für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand allein § 33 VwGVG die maßgebliche Bestimmung und nicht die §§ 71, 72 AVG, weil es sich um ein Verfahren über eine im VwGVG geregelte Beschwerde handelt. Nach der Rechtsprechung des VwGH sind allerdings die in der Rechtsprechung zu § 71 AVG entwickelten Grundsätze auf § 33 VwGVG übertragbar (VwGH 13.09.2017, Ra 2017/12/0086; 28.09.2016, Ro 2016/16/0013).

§ 33 VwGVG ("Wiedereinsetzung in den vorigen Stand") lautet auszugsweise wie folgt:

(1) Wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

...

(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in den Fällen des Abs 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. ... Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.

(4) Bis zur Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. § 15 Abs 3 ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

...

(5) Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.

(6) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrags findet keine Wiedereinsetzung statt.

Ein Ereignis ist unvorhergesehen, wenn die Partei es tatsächlich nicht miteinberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwartet werden konnte. Unabwendbar ist ein Ereignis jedenfalls dann, wenn sein Eintritt vom Willen des Betroffenen nicht verhindert werden kann (VwGH 31.03.2005, 2005/07/0020). Anders als das Tatbestandsmerkmal des "unabwendbaren" erfasst jenes des "unvorhergesehenen" Ereignisses die subjektiven Verhältnisse der Partei, sodass nicht der objektive Durchschnittsablauf, sondern der konkrete Ablauf der Ereignisse maßgebend ist (VwGH 17.02.1994, 93/16/0020). Die erforderliche zumutbare Aufmerksamkeit ist dann noch gewahrt, wenn der Partei (oder ihrem Vertreter) in Ansehung der Wahrung der Frist nur ein minderer Grad des Versehens unterläuft (VwGH 26.06.1985, 83/03/0134; VfGH 27.02.1985, G 53/83-13 u.a.).

Nach der stRsp des VwGH stellt der Umstand, dass die Partei die deutsche Sprache überhaupt nicht oder nur mangelhaft beherrscht, keinen Grund für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dar (VwGH 22. 5. 1997, 97/18/257; 1. 8. 2000, 2000/21/0097; 19. 9. 2007, 2007/08/0097). Es genügt, dass dem Sprachunkundigen bewusst gewesen sein musste, rechtlich bedeutsame behördliche Schriftstücke erhalten zu haben (vgl VwGH 24. 2. 2000, 96/21/0430; 11. 10. 2001, 98/18/0355; 19. 11. 2003, 2003/21/0090). Besteht Ungewissheit über den Inhalt und die Bedeutung des behördlichen Schreibens, darf die Partei diese nicht auf sich beruhen lassen (VwGH 28. 1. 2003, 2002/18/0291; 27. 1. 2004, 2003/21/0167). Erkennt eine sich auf mangelnde Sprachkenntnisse berufende Partei die ihr zugestellte behördliche Erledigung als Bescheid (behördliches Schriftstück), ist sie auch verpflichtet, sich - allenfalls unter Heranziehung eines Dolmetschers - mit dem Inhalt der Erledigung einschließlich der Rechtsmittelbelehrung vertraut zu machen (VwGH 25. 1. 1996, 95/19/1597; 10. 5. 2000, 95/18/0972; 27. 1. 2004, 2003/21/0167). Vor allem der Rechtsmittelbelehrung (VwGH 10. 5. 2000, 95/18/0972) sowie dem Tag der Bescheidzustellung hat ein Fremder, der die deutsche Sprache nur ungenügend beherrscht, besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Weil aus der Rechtsmittelbelehrung (Rechtsbelehrung nach § 61a AVG) die Zulässigkeit und die Art des zur Verfügung stehenden Rechtsmittels sowie die Einbringungsbehörde und die Dauer der Frist hervorgehen und weil das Zustelldatum besondere Bedeutung für die Einhaltung der Rechtsmittelfrist hat, trifft ihn diesbezüglich eine erhöhte Sorgfaltspflicht (VwGH 7. 8. 2001, 98/18/0068; vgl auch Rz 41; vgl Rz 51). Hat es eine der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtige Partei verabsäumt, diesbezüglich entsprechende Erkundigungen einzuholen, trifft sie ein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden (vgl VwGH 12. 12. 1997, 96/19/3394; 10. 5. 2000, 95/18/0972).

Ergänzend ist anzumerken, dass der Übersetzung entscheidende Bedeutung zukommt, wenn im Gesetz ausdrücklich angeordnet ist, dass Bescheide unter bestimmten Voraussetzungen sowohl in deutscher als auch in einer anderen Sprache auszufertigen sind (vgl § 16 VolksgruppenG) oder den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung in einer der Partei, die der deutschen Sprache nicht mächtig ist (dem Asylwerber), verständlichen Sprache zu enthalten haben (Hengstschläger/Leeb, AVG § 71 Rz 77).

Die Tatsache, dass sich die Partei in Haft befindet, ist für sich allein genommen noch kein Hinderungsgrund, der bei Versäumung einer verfahrensrechtlichen Frist die Bewilligung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigt (VwGH 30.09.2014, Ra 2014/22/0064). Dies gilt auch für Häftlinge, die (noch) unvertreten und/oder der deutschen Sprache nicht mächtig sind (vgl VwGH 13.12.2001, 99/21/0110; 19.11.2003, 2003/21/0090; 31.08.2006, 2004/21/0139) oder nicht über ausreichende Rechtskenntnisse verfügen (VwGH 23.06.1998, 97/21/0770), dh auch das Zusammentreffen von Haft und mangelnder Sprach- oder Rechtskenntnis (Rechtsirrtum) ist per se noch kein Grund für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (vgl VwGH 13.12.2001, 99/21/0110; 28.01.2003, 2002/18/0291; 31.08.2006, 2004/21/0139).

Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers gesteckt wird, sodass den Antragsteller die Obliegenheit trifft, im Antrag konkret jenes unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis zu beschreiben, das ihn an der Einhaltung der Frist gehindert hat. Auf nach Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist geltend gemachte Wiedereinsetzungsgründe und neue, den Wiedereinsetzungsgrund untermauernde Argumente ist daher nicht einzugehen (VwGH 21.02.2017, Ra 2016/12/0026).

Die Anwendung dieser Grundsätze und der zu § 71 Abs. 1 AVG ergangenen und - insoweit auf § 33 Abs. 1 VwGVG übertragbaren - Rechtsprechung auf den hier vorliegenden Sachverhalt ergibt Folgendes:

Der BF begründet seinen Antrag auf Wiedereinsetzung vom 30.10.2017 damit, dass er aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse den Bescheid inhaltlich nicht verstanden habe. Außerdem sei er aufgrund der Haftsituation nicht in der Lage gewesen rasch genug eine juristische Meinung einzuholen und juristische Beratung zu bekommen.

Nur dieses Vorbringen ist als Prüfungsmaßstab für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand relevant. Im Sinne der oben zitierten höchstgerichtlichen Judikatur ist auf die darüber hinausgehenden bzw. sogar konträren Ausführungen in der Beschwerde vom 14.12.2017, dass "der BF nach Erhalt des Bescheids einen Anwalt kontaktierte und diesen um Vertretung und Beschwerdeerhebung ersuchte", dieser jedoch keine Schritte setzte, nicht einzugehen, weil die Zulässigkeit der Wiedereinsetzung nur in dem Rahmen zu untersuchen ist, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers gesteckt wurde und das "Nachschießen" von Wiedereinsetzungsgründen nach dem Ablauf von zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses nicht mehr möglich ist. Das erst in der Beschwerde vom 14.12.2017 erstattete ergänzende Vorbringen ist somit verspätet.

Die vom BF in seinem Wiedereinsetzungsantrag monierte Unkenntnis der deutschen Sprache ist ohne Hinzutritt besonderer, hier nicht behaupteter Umstände, im Sinne der höchstgerichtlichen Judikatur kein Grund für die Wiedereinsetzung. Der Bescheid vom 27.05.2016 wurde dem BF am 30.05.2016 persönlich zugestellt und erhielt sowohl den Spruch als auch eine richtige Rechtsmittelbelehrung in deutscher und in polnischer Sprache. Aus dem Spruch und der Rechtsmittelbelehrung ergibt sich eindeutig der Bescheidcharakter des zugestellten Schriftstückes und die Bekämpfungsmöglichkeit mittels (fristgebundener) Beschwerde. Dem BF musste bewusst gewesen sein, dass er ein rechtlich bedeutsames Schriftstück erhalten hat. Auch da ihm zuvor von der belangten Behörde mit Schreiben vom 21.01.2016 mitgeteilt worden war, dass die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes beabsichtigt sei. Der BF handelte auffallend sorglos, indem er die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht ließ, zumal auch aufgrund seiner strafgerichtlichen Verurteilungen (und der damit einhergehenden Rechtsmittelbelehrungen) sowie der in einer dem BF verständlichen Sprache übersetzten Rechtsmittelbelehrung des Bescheides vom 27.05.2016 davon auszugehen ist, dass ihm sowohl das Institut eines Rechtsmittels als auch die Folgen bei Unterlassung der Erhebung eines solchen bekannt waren.

Der BF hätte die behauptete Ungewissheit über den Inhalt und die Bedeutung des Bescheides somit nicht einfach auf sich beruhen lassen dürfen. Der BF hat in seinem Antrag auf Wiedereinsetzung nicht vorgebracht Schritte unternommen zu haben (allenfalls über den Sozialen Dienst der Justizanstalt; Kontaktaufnahme mit der belangten Behörde oder einem Rechtskundigen, oder zumindest mit einem Dolmetscher), um seine Rechte zu wahren oder sich ihm dabei unvorhergesehene oder unabwendbare Hindernisse entgegen gestellt hätten. Die allgemein mit der Anhaltung in Haft verbundenen Einschränkungen rechtfertigen eine Wiedereinsetzung nicht. Auch das Zusammentreffen der aufgezeigten Umstände vermag die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu rechtfertigen.

Der BF hat somit keinen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund vorgebracht. Darüber hinaus wurden mit dem Antrag vom 30.10.2017 keine Bescheinigungsmittel für den geltend gemachten Wiedereinsetzungsgrund vorgelegt oder auch nur angeboten. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand waren daher nicht gegeben, sodass die belangte Behörde den Wiedereinsetzungsantrag zu Recht abgewiesen hat. Mit der Maßgabe wird lediglich die Rechtsgrundlage entsprechend der höchstgerichtlichen Judikatur von § 71 Abs. 1 AVG auf § 33 Absatz 1 VwGVG geändert.

Zu Spruchteil II. A):

Gemäß § 16 Abs 1 iVm § 3 Abs 2 Z 4 BFA-VG idF BGBl. I Nr. 87/2012 beträgt die Beschwerdefrist gegen den zweitangefochtenen Bescheid vom 27.05.2016 - wie in der Rechtsmittelbelehrung richtig angegeben - zwei Wochen und endete daher (ausgehend von der Zustellung des Bescheids am 30.05.2016) mit Ablauf des 13.06.2016.

Die durch VfGH 26.09.2017, G 134/2017 erfolgte Aufhebung einzelner Wortfolgen in § 16 Abs. 1 BFA-VG, BGBl. I 87/2012 idF BGBl. I 24/2016, und der Ausspruch, dass die aufgehobenen Bestimmungen nicht mehr anzuwenden sind, hat im Beschwerdefall die Wirkung, dass die betreffenden Bestimmungen (auch vom BVwG) nicht mehr anzuwenden sind (vgl. etwa VfSlg. 12.954/1991, 15.401/1999; VfGH 14.12.2005, B 1025/04; 29.6.2011, B 308/11; 9.6.2016, E 543/2016, VfGH 11.10.2017, E 373/2017, ua). An die Stelle der aufgehobenen Bestimmung tritt - im hier maßgeblichen Zeitraum zwischen Zustellung des Bescheides und Einbringung des Rechtsmittels vor Inkrafttreten des FrÄG 2018 am 01.09.2018 - die für Beschwerdeverfahren vor den Verwaltungsgerichten allgemein geltende Beschwerdefrist von 4 Wochen nach § 7 Abs. 4 VwGVG.

Die gleichzeitig mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausgeführte Beschwerde vom 30.10.2017 gegen den Bescheid vom 27.05.2016 ist somit auch bei Anwendung der vierwöchigen Beschwerdefrist verspätet und daher zurückzuweisen.

Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Fest steht, dass auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu keinem anderen Ergebnis führen würde, ging doch der entscheidungsrelevante Sachverhalt aus der Aktenlage klar hervor, weshalb gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben konnte. Zudem war derzeit zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Zu Spruchteil I.B und II.B):

Die Revision war nicht zu zulassen, weil das BVwG keine qualifizierte Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG zu lösen hatte und sich an bestehender höchstgerichtlicher Rechtsprechung orientieren konnte.

Schlagworte

Beschwerdefrist Fristablauf Fristversäumung Verfristung Verspätung Wiedereinsetzungsantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G303.2180582.1.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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