Entscheidungsdatum
30.04.2020Norm
AVG §13 Abs7Spruch
W225 2009944-1/109E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. WEISS, LL.M. als Einzelrichterin im Verfahren über die Beschwerde der XXXX , vertreten durch Onz-Onz-Kraemmer-Hüttler Rechtsanwälte GmbH, Schwarzenbergplatz 16, 1010 Wien, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 05.06.2014, Zl RU4-U-759/001-2014, betreffend das Feststellungsverfahren gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 zum Vorhaben "Errichtung eines Schweinemaststalles auf Parzelle Nummer XXXX " zu Recht erkannt:
A)
Der Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 05.06.2014, Zl RU4-U-759/001-2014, wird wegen Unzuständigkeit der Bescheid erlassenden Behörde ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Mit Bescheid vom 05.06.2014, Zl RU4-U-759/001-2014, stellte die Niederösterreichische Landesregierung (in der Folge: belangte Behörde) fest, dass das Vorhaben des Antragstellers "Errichtung eines Schweinemaststalles auf der Parzelle Nr. XXXX ", das den Neubau eines Schweinemaststalles mit einer Gesamtkapazität von 1.200 Mastplätzen auf dem Grundstück Nummer XXXX unter gleichzeitiger Auflassung der bestehenden Tierhaltung im Ortsgebiet (540 Mastplätze) vorsieht, keinen Tatbestand im Sinne des Anhanges 1 zum UVP-G 2000 erfüllt und daher nicht der Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem UVP-G 2000 unterliegt.
Gegen diesen Bescheid erhob die XXXX (in der Folge: BF), vertreten durch Onz-Onz-Kraemmer-Hüttler Rechtsanwälte GmbH, Schwarzenbergplatz 16, 1010 Wien, Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.03.2015, Zl. W225 2009944-1/7E, betreffend Feststellung gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 zum Vorhaben "Errichtung eines Schweinemaststalles auf Parzelle Nr. XXXX " wurde die Beschwerde der BF abgewiesen.
Über die dagegen erhobene Revision entschied der VwGH mit Erkenntnis vom 24.01.2017, Ra 2015/05/0035-7 und behob die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes.
Am 05.11.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Beschwerdeverhandlung statt und wurde das Erkenntnis mit den wesentlichen Entscheidungsgründen mündlich verkündet, W225 2009944-1/99E.
Über die dagegen erhobene Revision entschied der VwGH mit Erkenntnis vom 11.12.2019, Ra 2019/05/0005-10 und behob die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes.
Mit Schriftsatz vom 22.04.2020, welcher am 22.04.2020 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt war, zog die Projektwerberin, vertreten durch Allinger/Ludwiger Rechtsanwälte, in 2700 Wiener Neustadt, ihren Feststellungsantrag vom 30.04.2014 mangels Verwirklichungsabsicht zurück.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Feststellung:
Der unter Punkt I. wiedergegebene Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt.
Beweiswürdigung:
Der Sachverhalt ergibt sich aus den Akten des Verwaltungsverfahrens und blieb sowohl im Verwaltungsverfahren als auch im Beschwerdeverfahren unbestritten.
Rechtliche Beurteilung:
Zuständigkeit und Allgemeines:
Zur Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Entscheidungen nach dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz (UVP-G 2000) wird ausgeführt, dass gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit erkennen.
Gemäß Art. 131 Abs. 4 Z. 2 lit. a B-VG iVm § 40 Abs. 1 UVP-G 2000 entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen nach dem UVP-G 2000 das Bundesverwaltungsgericht.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Für UVP-Feststellungsverfahren nach § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 ist im Gegensatz zur Vergangenheit keine Senatszuständigkeit mehr vorgesehen (§ 40 Abs. 2 UVP-G 2000).
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Das Verfahren für das ordentliche Rechtsmittel der Beschwerde ist grundsätzlich geregelt im Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG). Gemäß § 1 VwGVG wird das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes geregelt, wobei gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht sind, unberührt bleiben. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A) Ersatzlose Behebung des Bescheides:
Gemäß § 13 Abs. 7 AVG kann ein verfahrenseinleitender Antrag in jeder Lage des Verfahrens zurückgezogen werden. Diese Bestimmung ist gemäß § 17 VwGVG auch auf das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten anwendbar.
Das Zurückziehen des verfahrenseinleitenden Antrags ist bis zur rechtskräftigen Erlassung eines Bescheides - und somit auch noch im Beschwerdeverfahren - möglich (vgl. - zum Berufungsverfahren - VwGH 25.07.2013, 2013/07/0099; Hengstschläger/Leeb, AVG § 13, Rz 42). Im gegenständlichen Fall zog die Projektwerberin mit Datum vom 22.04.2020 ihren Feststellungsantrag vom 30.04.2014 mangels Verwirklichungsabsicht zurück. Erfolgt die Zurückziehung eines Antrags vor Erlassung des Bescheides erster Instanz, so hat die Behörde das Verfahren formlos einzustellen. Wird der verfahrenseinleitende Antrag - wie im gegenständlichen Fall - hingegen erst im Rahmen einer Beschwerde gegen den den Antrag erledigenden Bescheid zurückgezogen, so bewirkt die Zurückziehung des verfahrenseinleitenden Antrags den Wegfall der Zuständigkeit der Behörde zur Erlassung dieses Bescheides und damit (nachträglich) dessen Rechtswidrigkeit (vgl. - zum Berufungsverfahren - VwGH 23.01.2014, 2013/07/0235).
Der Bescheid vom 05.06.2014, Zl RU4-U-759/001-2014, wurde somit von einer unzuständigen Behörde erlassen. Unzuständigkeiten sind von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens wahrzunehmen (VwGH 21.01.1992, 91/11/0076) und durchbrechen den Grundsatz der Bindung an das Beschwerdevorbringen. Hat eine unzuständige Behörde entschieden, so hat das mit Beschwerde angerufene Verwaltungsgericht diese Unzuständigkeit wahrzunehmen und diese Entscheidung zu beheben (VwGH 28.01.2016, Ra 2015/07/0140; vgl. Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, § 27 E4).
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Hebt das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf, sind die Behörden nach § 28 Abs. 5 VwGVG verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
Bei der Aufhebung gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG handelt es sich um eine materielle Erledigung der Rechtssache in Form eines Erkenntnisses. Diese Form der negativen Sachentscheidung ist von der Formalerledigung des Verfahrens durch Aufhebung und Zurückverweisung mit Beschluss nach § 28 Abs. 3 2. Satz und Abs. 4 VwGVG zu unterscheiden. Eine neuerliche Entscheidung der Verwaltungsbehörde über den Gegenstand wird bei ersatzloser Behebung regelmäßig nicht mehr in Betracht kommen, wenngleich im Einzelfall über den zugrundeliegenden (unerledigten) Antrag dennoch abermals zu entscheiden sein kann (siehe Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013], § 28 VwGVG Anm 17).
In bestimmten Fällen hat die Sachentscheidung des Verwaltungsgerichts auch in einer bloßen Kassation ("ersatzlosen Behebung") des angefochtenen Bescheides zu bestehen; die Aufhebung stellt sich in diesem Fall selbst als negative Sachentscheidung gemäß § 28 Abs. 2 iVm Abs. 5 VwGVG dar: Dies dann, wenn nach der materiellrechtlichen Situation die Erlassung eines Bescheides überhaupt unzulässig war oder während des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht unzulässig geworden ist und allein die Kassation eines solchen Bescheides den von der Rechtsordnung gewünschten Zustand herstellen kann (vgl. Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht, 10. Auflage, Rz 833).
Eine ersatzlose Behebung hat zu erfolgen, wenn die Verwaltungsbehörde unzuständig war; die Unzuständigkeit der Verwaltungsbehörde ist auch dann vom Verwaltungsgericht von Amts wegen aufzugreifen, wenn sie weder im Verfahren eingewendet noch in der Beschwerde releviert wurde. Weiters hat eine ersatzlose Behebung dann zu erfolgen, wenn der dem Verfahren zugrundeliegende Antrag, der durch den angefochtenen Bescheid der Unterinstanz erledigt wurde, zurückgezogen wird (vgl. - zur Berufungsentscheidung - VwGH 03.07.1984, 82/07/0020; 23.1.1995, 92/06/0084; Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht, 10. Auflage, Rz 845).
Da der verfahrenseinleitende Feststellungsantrag vom 30.04.2014 mit Schriftsatz vom 22.04.2020 mangels Verwirklichungsabsicht zurückgezogen und der angefochtene Bescheid vom 05.06.2014, Zl RU4-U-759/001-2014, dadurch, wie oben ausgeführt, von einer unzuständigen Behörde erlassen worden war, erwies sich dieser als (rückwirkend) rechtswidrig und war daher - vor einer inhaltlichen Prüfung - spruchgemäß von Amts wegen ersatzlos zu beheben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl. VwGH 28.01.2016, Ra 2015/07/0140). Auf Grund dieser Rechtslage wäre eine Revision ohne Aussicht auf Erfolg.
Schlagworte
Antragszurückziehung Behebung der Entscheidung ersatzlose Behebung Feststellungsantrag Feststellungsverfahren Kassation Umweltverträglichkeitsprüfung unzuständige Behörde Unzuständigkeit Verwirklichungswille Zurückziehung Zurückziehung AntragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W225.2009944.1.00Im RIS seit
28.07.2020Zuletzt aktualisiert am
28.07.2020