Index
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;Norm
BDG 1979 §115;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des Gerhard H in I, vertreten durch Dr. Hermann Rieder, Rechtsanwalt in Innsbruck, Stiftgasse 23, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 24. Oktober 1994, Zl. 44/10-DOK/92, betreffend Schuldspruch ohne Strafe gemäß § 115 BDG 1979, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht als Major in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis; seine Dienststelle ist das Landesgendarmeriekommando für Tirol, bei welchem er unter anderem für das Waffenwesen zuständig gewesen ist.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 26. August 1992 war der Beschwerdeführer wegen Verletzung seiner Dienstpflichten gemäß § 43 Abs. 1 und 2 BDG 1979 für schuldig befunden worden
"in der Zeit zwischen 24. und 27. Juni 1991 mit einem dienstlichen Bolzenschneidegerät an einem am Fenster zum seinerzeit geplanten Waffenlager im Parterre des Landesgendarmeriekommando-Altbaues neu angebrachten verzinkten Stahlgitter fünf verschiedene Gitterstäbe herausgeschnitten zu haben, um seine Ansicht, nämlich die "völlige Unbrauchbarkeit" des Sicherungsgitters zu demonstrieren, wodurch er sich in den Verdacht der absichtlichen schweren Sachbeschädigung gesetzt hat."
Von der Verhängung einer Strafe war gemäß § 115 BDG 1979 abgesehen worden. Diese Entscheidung war im wesentlichen damit begründet worden, daß die Motive des - unter dem Eindruck eines Einbruches in ein Osttiroler Munitionslager stehenden - Beschwerdeführers durchaus rechtmäßig und im Dienste der Allgemeinheit gelegen gewesen sein mögen. Die Wahl der Methode sei jedoch nicht rechtmäßig gewesen. In einem Rechtsstaat und innerhalb einer Organisation, die unter anderem auf dem Prinzip von Befehl und Gehorsam basiere, könne der einzelne seine Vorstellungen nicht mit Mitteln der Selbsthilfe durch Beschädigung von Bundesvermögen durchzusetzen versuchen, insbesondere dann nicht, wenn er als Vorgesetzter selbst ein gutes Beispiel zu geben habe. Durch diesen, wohl von Emotionen getragenen Akt der Disziplinlosigkeit habe der Beschwerdeführer gegen § 43 Abs. 1 und 2 BDG 1979 schuldhaft verstoßen. Angesichts des im Dienste der Allgemeinheit stehenden Motives und der übrigen Versuche, seine Vorgesetzten zu überzeugen, habe die belangte Behörde gemäß § 115 BDG 1979 von der Verhängung einer Strafe abgesehen, weil dies ohne Verletzung dienstlicher Interessen möglich sei und nach den Umständen des Falles und nach der Persönlichkeit des Beschwerdeführers angenommen werden könne, daß ein Schuldspruch allein genügen werde, den Beschwerdeführer von weiteren Verfehlungen abzuhalten.
Aufgrund einer dagegen beim Verwaltungsgerichtshof erhobenen Beschwerde wurde dieser Bescheid mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Juni 1994, Zl. 93/09/0016, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben; die Vorgeschichte und der Verlauf des gegen den Beschwerdeführer geführten Disziplinarverfahrens ist im genannten Erkenntnis ausführlich dargestellt, darauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen hier verwiesen.
Die Aufhebung des genannten Bescheides wurde vom Verwaltungsgerichtshof im wesentlichen damit begründet, daß sich die belangte Behörde trotz aufgrund des Sachverhaltes erkennbarer Anhaltspunkte für das Vorliegen von Rechtfertigungsgründen und für die Unzumutbarkeit rechtmäßigen Verhaltens mit diesen Gesichtspunkten nicht auseinandergesetzt habe. Zwar habe der Beschwerdeführer tatbildmäßig durch eine vorsätzliche Handlung Bundeseigentum beschädigt und sei dies auch nach § 43 Abs. 1 BDG 1979 als Verletzung der Verpflichtung zur Beachtung der geltenden Rechtsordnung zu werten, jedoch könne bei der gegebenen Sachlage weder das Vorliegen von Rechtfertigungsgründen noch - sofern keine Rechtfertigungsgründe festgestellt werden sollten - die Unzumutbarkeit rechtmäßigen Verhaltens verneint werden. Ein gleichzeitiger Verstoß gegen die im § 43 Abs. 1 BDG 1979 sowie gegen die im Abs. 2 der genannten Gesetzesstelle auferlegten Dienstpflicht komme nur dann in Betracht, wenn eine auf die konkreten Dienstpflichten bezogene nicht geringfügige Verletzung des § 43 Abs. 1 BDG 1979 vorliege, weil nur dann das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben gefährdet werde. Eine Verletzung der Dienstpflicht nach § 43 Abs. 2 BDG 1979 sei nur dann anzunehmen, wenn zwischen dem dem Beamten vorgeworfenen Verhalten und seinen dienstlichen Aufgaben eine solche Verbindung bestehe, daß hieraus Dritte bei einer an objektiven Maßstäben orientierten Betrachtung negative Rückschlüsse auf die rechtmäßige und sachliche Erfüllung der diesem Beamten zukommenden Aufgaben ziehen würden. Dem angefochtenen Bescheid könne nicht entnommen werden, inwieferne das Verhalten des Beschwerdeführers im Sinne dieser Ausführungen konkret als Dienstpflichtverletzung nach § 43 Abs. 1 bzw. Abs. 2 BDG 1979 zu werten sei.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 24. Oktober 1994 wurde der Beschwerdeführer neuerlich wegen Verletzung der Dienstpflichten gemäß § 43 Abs. 1 und 2 BDG 1979 durch die erwähnte Handlung für schuldig gesprochen und gemäß § 115 BDG 1979 von der Verhängung einer Strafe abgesehen, der oben wiedergegebene Spruch blieb insoweit unverändert. Der angefochtene Bescheid wurde nach Wiedergabe des Verfahrensganges sowie der anzuwendenden Gesetzesbestimmungen im wesentlichen damit begründet, daß der Beschwerdeführer Bundesvermögen beschädigt habe und damit der Dienstpflicht des § 43 Abs. 1 BDG 1979 in dem Aspekt der Beachtung der Rechtsordnung objektiv zuwidergehandelt habe. Unbeschadet der noch zu beurteilenden Elemente der Rechtswidrigkeit sowie der Schuld habe diese Handlung ein solches Gewicht, daß gleichzeitig das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der Aufgaben durch den Beschwerdeführer im Sinne des § 43 Abs. 2 BDG 1979 beeinträchtigt worden sei. Dies deshalb, weil die Bevölkerung darauf vertraue und vertrauen können solle, daß sich ein Exekutivbeamter rechtmäßig verhalte.
Der Beschwerdeführer könne sich auf einen rechtfertigenden Notstand nicht berufen. Ein solcher liege dann vor, wenn durch das einem Tatbild entsprechende Verhalten ein eindeutig (beträchtlich) höherwertiges, individuelles Rechtsgut vor einem gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden bedeutenden Nachteil auf Kosten eines durch eine (der Rettungshandlung entgegenstehende) Dienstpflicht geschützten geringerwertigen Rechtsgutes gerettet werde, kein anderer schonenderer Weg zur Rettung des höherwertigen Rechtsgutes offenstehe und die Rettungshandlung angemessen sei. Diese Voraussetzungen seien im konkreten Fall nicht gegeben. Wenn man nämlich das Rechtsgut der Sicherheit der Bevölkerung vor Angriffen auf das Waffenlager dem Rechtsgut der Nichtbeschädigung von Bundesvermögen im konkreten Fall gegenüberstelle, so ergebe sich zwar, daß die Sicherheit der Bevölkerung das höherwertige Gut sei. Hingegen habe es keinen aktuellen Angriff auf dieses Gut gegeben, sondern es habe bloß die abstrakte Möglichkeit eines solchen bestanden. Vor allem wäre für den Beschwerdeführer ein schonenderer Weg zur Verteidigung dieses Rechtsgutes möglich und angemessen gewesen. So hätte er seine Einwendungen schriftlich gegenüber dem Leiter des für die bauliche Ausführung zuständigen Referates des Landesgendarmeriekommandos und gegenüber seinem Vorgesetzten anbringen können. Auch hätte der Beschwerdeführer eine Meldung gemäß § 53 Abs. 1 BDG 1979 wegen Fahrlässigkeit bei der Bauausführung erstatten können. Schließlich wäre es auch möglich gewesen, den maßgebenden Personen anhand gleichwertiger Referenzstücke die leichte Durchtrennbarkeit der Gitterstäbe und damit die mangelnde Sicherheit des Waffenlagers vor Augen zu führen.
Das Verhalten des Beschwerdeführers sei auch wegen einer "rechtfertigenden Pflichtenkollision" nicht gerechtfertigt. Eine solche läge dann vor, wenn dem Beamten zwei oder mehrere Dienstpflichten auferlegt seien, die einander ausschließen und nicht gleichwertig sind, und wenn der Beamte die höherwertige Pflicht erfüllt, wobei er zwangsläufig die geringerwertige Pflicht verletzt. Eine solche rechtfertigende Pflichtenkollision sei im vorliegenden Fall nicht vorgelegen, weil sich die Pflichten des Beschwerdeführers in bezug auf das Waffenlager und seine Pflicht, Bundesvermögen nicht zu beschädigen, in der konkreten Situation nicht gegenseitig ausschlössen.
Das Vorliegen eines Verschuldens im Falle des Zuwiderhandelns gegen eine Dienstpflicht könne grundsätzlich dann verneint werden, wenn ein rechtmäßiges Verhalten nicht zumutbar sei. Bei der Prüfung der Zumutbarkeit rechtmäßigen Verhaltens sei z.B. auf einen Erregungszustand, die Ablenkung durch vorangegangene Erlebnisse, Übermüdung oder auch Überforderung infolge langandauernder schwerer Belastung bei einer gefahrengeneigten Tätigkeit Bedacht zu nehmen. Dem Beschwerdeführer sei im vorliegenden Fall ein rechtmäßiges Verhalten in diesem Sinne durchaus zumutbar gewesen, er habe nicht dargetan, daß er aufgrund eines besonderen Erregungszustandes oder wegen vorangegangener Erlebnisse oder wegen Überforderung nicht in der Lage gewesen sei, ein rechtmäßiges Verhalten an den Tag zu legen. Auch sonst seien keine Anhaltspunkte für eine psychische Ausnahmesituation oder dafür ersichtlich, daß sich auch ein pflichtgetreuer Beamter nicht anders verhalten hätte als der Beschwerdeführer.
Der Beschwerdeführer habe daher schuldhaft und rechtswidrig gehandelt, indem er mit einem dienstlichen Bolzenschneidegerät von einem am Fenster am seinerzeit geplanten Waffenlager im Parterre des Landesgendarmeriekommando-Altbaues neu angebrachtem verzinkten Stahlgitter fünf verschiedene Gitterstäbe herausschnitt mit der Absicht, seinen Vorgesetzten klarzumachen, wie unsicher das angebrachte Gitter sei. Die Motive des Beschwerdeführers seien rechtmäßig und im Dienste der Allgemeinheit gelegen gewesen. Die Wahl der Methode sei jedoch nicht rechtmäßig gewesen. Die Stellung des Beschwerdeführers als Vorgesetzter erfordere eine besondere Sorgfalt und Vorbildhaftigkeit in der Ausübung des Dienstes.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, zunächst beim Verfassungsgerichtshof erhobene, und von diesem mit Beschluß vom 6. März 1995, B 178/95-6, abgelehnte und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetretene Beschwerde, in welcher die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die maßgeblichen Bestimmungen des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 (BDG 1979) lauten:
"Allgemeine Dienstpflichten
§ 43. (1) Der Beamte ist verpflichtet, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen.
(2) Der Beamte hat in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, daß das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.
...
Dienstpflichten gegenüber Vorgesetzten
§ 44. (1) Der Beamte hat seine Vorgesetzten zu unterstützen und ihre Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zu befolgen. ...
...
Dienstpflichtverletzungen
§ 91. Der Beamte, der schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt, ist nach diesem Abschnitt zur Verantwortung zu ziehen.
§ 95. ...
(3) Wird von der Verfolgung nicht abgesehen, dann ist, wenn sich eine strafgerichtliche oder verwaltungsbehördliche Verurteilung auf denselben Sachverhalt bezieht, eine Strafe nur auszusprechen, wenn und soweit dies zusätzlich erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten.
Absehen von der Strafe
§ 115. Im Falle eines Schuldspruches kann von der Verhängung einer Strafe abgesehen werden, wenn dies ohne Verletzung dienstlicher Interessen möglich ist und nach den Umständen des Falles und nach der Persönlichkeit des Beamten angenommen werden kann, daß ein Schuldspruch allein genügen wird, den Beamten von weiteren Verfehlungen abzuhalten.
Einstellung des Disziplinarverfahrens
§ 118. (1) Das Disziplinarverfahren ist mit Bescheid einzustellen, wenn
1.
der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit ausschließen,
2.
die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Dienstpflichtverletzung darstellt,
3.
Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen oder
4.
die Schuld des Beschuldigten gering ist, die Tat keine oder nur unbedeutende Folge nach sich gezogen hat und überdies eine Bestrafung nicht geboten ist, um den Beschuldigten von der Verletzung der Dienstpflichten abzuhalten oder der Verletzung von Dienstpflichten durch andere Beamte entgegenzuwirken."
Im Vorerkenntnis vom 30. Juni 1994 hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, daß ein gleichzeitiger Verstoß gegen die Dienstpflichten gemäß § 43 Abs. 1 und 2 BDG 1979 nur dann in Betracht kommt, wenn eine auf die konkreten Dienstpflichten bezogene nicht geringfügige Verletzung des § 43 Abs. 1 BDG 1979 vorliegt, weil nur dann das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben gefährdet werde. Eine Verletzung der Dienstpflicht nach § 43 Abs. 2 BDG 1979 sei nur dann anzunehmen, wenn zwischen dem dem Beamten vorgeworfenen Verhalten und seinen dienstlichen Aufgaben eine solche Verbindung besteht, daß hieraus Dritte bei einer an objektiven Maßstäben orientierten Betrachtung negative Rückschlüsse auf die rechtmäßige und sachliche Erfüllung der diesem Beamten zukommenden Aufgaben ziehen würden. Dem - mit dem genannten Erkenntnis aufgehobenen - Vorbescheid könne im Sinne dieser Ausführungen nicht entnommen werden, inwiefern das Verhalten des Beschwerdeführers als Dienstpflichtverletzung nach § 43 Abs. 1 bzw. Abs. 2 BDG 1979 zu werten sei, und die belangte Behörde habe insoferne ihrer Begründungspflicht gemäß § 105 BDG 1979 i.V.m. § 58 Abs. 2 und § 60 AVG nicht entsprochen.
Diese Beurteilung trifft auf den vorliegend angefochtenen Bescheid jedenfalls soweit ebenfalls zu, als der Beschwerdeführer des Zuwiderhandelns gegen die Dienstpflicht des § 43 Abs. 2 BDG 1979 für schuldig befunden wurde. Die belangte Behörde hat nämlich eine Begründung dahingehend unterlassen, inwiefern aus dem Verhalten des Beschwerdeführers bei einer an objektiven Maßstäben orientierten Betrachtung negative Rückschlüsse auf die rechtmäßige und sachliche Erfüllung der ihm zukommenden Aufgaben zu ziehen wären. Dies führt jedoch deswegen nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides, weil dieser hinsichtlich des Vorwurfes der Verletzung der Dienstpflicht gemäß § 43 Abs. 1 BDG 1979 ausreichend begründet ist, und im Bereich des BDG 1979 rechtens ausgeschlossen ist, daß etwa hinsichtlich einer Dienstpflichtverletzung ein Schuld- und ein Freispruch wegen teilweise erfolgter unrichtiger rechtlicher Qualifikation erfolgen könnte. Angesichts der für eine disziplinarrechtliche Bestrafung einzigen Strafnorm der allgemeinen Vorschrift des § 91 BDG 1979 ist die Idealkonkurrenz für den Bereich der Dienstpflichtverletzung nämlich rechtlich bedeutungslos, weil dem Beamten bei einem Handlungsablauf immer nur eine Dienstpflichtverletzung zur Last gelegt werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. März 1991, Zl. 91/09/0002).
Soweit der Beschwerdeführer den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig hält, weil wegen des Durchtrennens der Eisengitterstäbe ein Disziplinarverfahren nur gegen ihn, nicht aber gegen den stellvertretenden Landesgendarmeriekommandanten eingeleitet worden sei, der ebenfalls mittels dienstlichen Bolzenschneiders Gitterstäbe durchtrennt habe, kann er im übrigen keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzeigen, weil es vorliegend nur um die Rechtmäßigkeit des gegen ihn geführten Disziplinarverfahrens geht, aus der Unterlassung der Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen einen anderen jedoch kein Recht auf ebensolche Unterlassung der Einleitung eines Disziplinarverfahrens abgeleitet werden kann.
Auch bei dem - im vorliegenden Fall verhängten - Schuldspruch ohne Strafe nach § 115 BDG 1979 handelt es sich
-
ungeachtet des Umstandes, daß er nicht im Katalog der Disziplinarstrafen in § 92 Abs. 1 BDG 1979 aufgezählt wird - um eine Disziplinarstrafe, weil damit gegen den Beamten ein rechtlich verbindlicher Vorwurf mit nachteiligen Wirkungen
-
etwa als erschwerender Umstand bei einer späteren
Verurteilung - gemacht wird (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1992, Zl. 91/09/0148). Ein Schuldspruch gemäß § 115 BDG 1979 darf nur erfolgen, wenn von der Verhängung einer Strafe ohne Verletzung dienstlicher Interessen - also im Hinblick auf generalpräventive Erwägungen - abgesehen werden kann und nach den Umständen des Falles und nach der Persönlichkeit des Beamten angenommen werden kann, daß ein Schuldspruch allein genügen werde, den Beamten von weiteren Verfehlungen abzuhalten. Nach den Erläuterungen der Regierungsvorlage zur inhaltlich gleichlautenden Vorgängerbestimmung des § 115 im BDG soll ein Absehen von der Strafe dann möglich sein, wenn das Verschulden geringfügig ist und die Folgen der Dienstpflichtverletzung unbedeutend sind (vgl. 500 BlgNR 14. GP, 88). Dies bedeutet jedoch nicht, daß die Disziplinarbehörden bei geringem Verschulden und unbedeutenden Folgen einer Dienstpflichtverletzung stets einen Schuldspruch gemäß § 115 BDG 1979 auszusprechen hätten. Gemäß § 118 Abs. 1 Z. 4 BDG 1979 ist das Disziplinarverfahren nämlich mit Bescheid einzustellen, wenn die Schuld des Beschuldigten gering ist, die Tat keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und überdies eine Bestrafung nicht geboten ist, um den Beschuldigten von der Verletzung der Dienstpflichten abzuhalten oder der Verletzung von Dienstpflichten durch andere Beamte entgegenzuwirken.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf die Einstellung des Disziplinarverfahrens gemäß § 118 Abs. 1 BDG 1979 allerdings nach der Erlassung eines Verhandlungsbeschlusses nicht mehr erfolgen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 18. Oktober 1989, Zl. 89/09/0023, und vom 18. Februar 1993, Zl. 92/09/0285). Liegen die Voraussetzungen gemäß § 118 Abs. 1 Z. 1 bis 4 BDG 1979 nach der Erlassung eines Verhandlungsbeschlusses vor, so ist der Beamte von den gegen ihn erhobenen Vorwürfen vielmehr freizusprechen. Dies ist in den Fällen der Z. 1 bis 3 des § 118 Abs. 1 BDG 1979 offensichtlich, muß jedoch auch im Fall der Z. 4 der genannten Gesetzesstelle deswegen gelten, weil kein sachlicher Grund dafür ersichtlich ist, daß Beschuldigte im Disziplinarverfahren nach Erlassung eines Verhandlungsbeschlusses bei gleicher Tat und Schuld schuldig zu sprechen wären, das Disziplinarverfahren vor Erlassung eines derartigen Beschlusses aber bloß einzustellen wäre. Kein Zweifel kann nämlich daran bestehen, daß ein Schuldspruch im Vergleich zu einer Einstellung gemäß § 118 Abs. 1 Z. 4 BDG 1979 auch dann einen gravierenderen Eingriff in die Rechtssphäre des Beamten bewirkt, wenn gemäß § 115 BDG 1979 von der Verhängung einer Strafe abgesehen wird. Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 118 Abs. 1 Z. 4 BDG 1979 ist der Beamte daher dann, wenn bereits ein Verhandlungsbeschluß ergangen ist, in sinngemäßer Anwendung des § 118 Abs. 1 Z. 4 BDG 1979 freizusprechen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Februar 1991, Zl. 90/09/0180).
Aus den vorgelegten Akten ergibt sich, daß bei einer Dienstbesprechung am 24. Juni 1991 die Problematik der unzureichenden Absicherung des zukünftigen Waffenlagers erkannt worden und in einem Protokoll festgehalten worden war, daß "(d)iesbezüglich ... von der RG V Entsprechendes zu veranlassen" sei; der Beschwerdeführer sowie der Zeuge P. haben im übrigen bei der Verhandlung vor der Behörde erster Instanz am 22. April 1992 angegeben, zu jenem Zeitpunkt, als der Beschwerdeführer das Gitter durchtrennt habe, sei ohnehin klar gewesen, daß es ersetzt werde.
Bei dieser Sachlage und vor dem genannten rechtlichen Hintergrund hätte im vorliegenden Fall die belangte Behörde als Berufungsbehörde zu dem Ergebnis gelangen müssen, daß von der Verhängung eines Schuldspruches gegen den Beschwerdeführer wegen Vorliegens der im § 118 Abs. 1 Z. 4 BDG 1979 genannten Umstände abzusehen und der Beschwerdeführer freizusprechen war.
Aus den genannten Gründen war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1995090112.X00Im RIS seit
18.02.2002