TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/30 W111 2217873-1

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Veröffentlicht am 30.04.2020
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Entscheidungsdatum

30.04.2020

Norm

AsylG 2005 §7 Abs1
AsylG 2005 §7 Abs3
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W111 2217873-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Dr. DAJANI, LL.M., als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Hans Peter KANDLER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.10.2018, Zl. 770701407-180669635/BMI-BFA_WIEN_RD, zu Recht:

A) Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid gemäß § 7 Abs. 1 und Abs. 3 AsylG 2005 aufgehoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 02.08.2007 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.08.2009, 07 07.014_BAW, wurde ihm der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

3. Mit Aktenvermerk vom 17.07.2018 leitete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl das gegenständliche Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten ein.

4. Am 02.10.2018 erfolgte vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl insbesondere zu seinen Reisebewegungen eine niederschriftliche Einvernahme.

5. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 09.10.2018 hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 18.08.2009 zuerkannten Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aberkannt und gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 festgestellt, dass diesem die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Weiters wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 1 FPG 2005 erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass dessen Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Tschetschenien, Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt V.) und gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise festgelegt (Spruchpunkt VI.).

In der Entscheidungsbegründung hielt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen und sinngemäß fest, dass der Beschwerdeführer mitgeteilt habe, dass er in die Russische Föderation, Tschetschenien, gereist sei, da seine Mutter unter Bluthochdruck leide. Weiters habe er angegeben, dass er seitdem er den Status des Asylberechtigten innehabe, immer wieder regelmäßig für längere Zeit nach Tschetschenien gereist sei. Zuletzt sei er eineinhalb Monate in seinem Heimatland aufhältig gewesen. Weiters habe er nach seien eigenen Angaben in Tschetschenien bei den Behörden seinen russischen Reisepass erneuern lassen.

Zudem wurde festgestellt, dass er in der Republik Österreich nicht strafrechtlich verurteilt worden sei und im Bundesgebiet aufrecht gemeldet sei.

In rechtlicher Hinsicht stützte sich die belangte Behörde auf § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 und führte aus, dass eine freiwillige Unterschutzstellung (Art 1 Abschnitt C Z 1 GFK) vorliege.

6. Mit Eingabe vom 16.04.2019 wurde durch den bevollmächtigten Rechtsanwalt fristgerecht die verfahrensgegenständliche Beschwerde eingebracht. Begründend wurde im Wesentlichen und sinngemäß ausgeführt, dass unabhängig von der falschen Wertung der Rückkehr des Beschwerdeführers die belangte Behörde es verabsäumt habe, den Sachverhalt unter die Norm des § 7 Abs. 3 AsylG 2005 zu subsumieren. Wie die belangte Behörde richtigerweise festgestellt habe, sei ihm der Status des Asylberechtigten mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.08.2009, Zahl 07 07.014-BAW, zuerkannt worden. Da seit der Erteilung die zur Aberkennung erforderliche 5-Jahresfrsit seit langem verstrichen sei, keine Straffälligkeit sowie ein Hauptwohnsitz im Bundesgebiet vorliegen würden, sei die Entscheidung rechtswidrig ergangen.

7. Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und der bezughabende Verwaltungsakt langten am 24.04.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation.

Der Beschwerdeführer stellte am 02.08.2007 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.08.2009, 07 07.014_BAW, wurde ihm der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Im Strafregister der Republik Österreich scheint keine Verurteilung des Beschwerdeführers auf.

Im Zeitraum vom 05.11.2007 bis 27.11.2007 lag keine Meldung im Zentralen Melderegister vor. Vom 01.10.2007 bis 05.11.2007, vom 27.11.2007 bis 31.01.2008 sowie vom 26.07.2012 bis 28.04.2014 war er obdachlos gemeldet. Ansonsten war er mit Hauptwohnsitz in Österreich gemeldet.

Es liegen keine Hinweise auf eine Verständigung der nach dem NAG zuständigen Aufenthaltsbehörde durch das Bundesamt vor. Dem Beschwerdeführer kommt kein Aufenthaltstitel nach dem NAG zu.

2. Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich unstrittig aus dem Akteninhalt, insbesondere den vom Bundesamt herangezogenen und vorgelegten Akten samt der Beschwerdeschrift, sowie aus den eingeholten Strafregisterauszügen und Anfragen beim Zentralen Melderegister (vgl. insbesondere AS 187).

Die Aufnahme weiterer Beweise war wegen Entscheidungsreife nicht mehr erforderlich.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Der Bescheid vom 09.10.2018, 770701407-180669635, wurde laut Zustellverfügung mit RSa an den Beschwerdeführer, XXXX , adressiert. Das Briefkuvert mit Aufgabetag 11.10.2018 langte am 15.10.2018 mit dem Vermerk "zurück" beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein. Darauf war mit Datum 12.10.2018 vermerkt, dass laut Auskunft der Abgabenstelle, der Empfänger verzogen ist.

Daraus folgt, dass die genannte Adresse nicht als Abgabenstelle iSd § 2 Z 4 ZustG in Betracht kam, da der Beschwerdeführer bereits verzogen war (Verlust der Eigenschaft als Abgabenstelle). Die melderechtliche Meldung ist irrelevant (vgl. Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht (11. Auflage), Rz 205/2). Eine Zustellung an diese Adresse konnte daher rechtswirksam nicht erfolgen.

Der mit 09.10.2018 datierte Bescheid über die Aberkennung des Status des Asylberechtigten wurde vom Beschwerdeführer am 21.03.2019 eigenhändig übernommen und daher (erst) mit 21.03.2019 rechtswirksam zugestellt.

Da sich die gegenständliche zulässige und rechtzeitige Beschwerde gegen einen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG zur Entscheidung zuständig.

Zu Spruchteil A) Aufhebung des Bescheides:

3.2.1. Gemäß § 7 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Status des Asylberechtigten einem Fremden von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn ein Asylausschlussgrund nach § 6 vorliegt (Z 1); einer der in Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Endigungsgründe eingetreten ist (Z 2) oder der Asylberechtigte den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat (Z 3).

Gemäß Art. 1 Abschnitt C der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), BGBl. Nr. 55/1955 und 78/1974, wird dieses Abkommen auf eine Person, die unter die Bestimmungen des Abschnittes A fällt, nicht mehr angewendet werden, wenn sie

1. sich freiwillig wieder unter den Schutz ihres Heimatlandes gestellt hat; oder

2. die verlorene Staatsangehörigkeit freiwillig wieder erworben hat; oder

3. eine andere Staatsangehörigkeit erworben hat und den Schutz des neuen Heimatlandes genießt; oder

4. sich freiwillig in den Staat, den sie aus Furcht vor Verfolgung verlassen oder nicht betreten hat, niedergelassen hat; oder

5. wenn die Umstände, auf Grund deren sie als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr bestehen und sie es daher nicht weiterhin ablehnen kann, sich unter den Schutz ihres Heimatlandes zu stellen.

6. staatenlos ist und die Umstände, aufgrund deren sie als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr bestehen, sie daher in der Lage ist, in ihr früheres Aufenthaltsland zurückzukehren.

3.2.2. Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde die amtswegig durchgeführte Aberkennung auf § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 gestützt und dies damit begründet, dass der in Art. 1 Abschnitt C Z 1 der Genfer Flüchtlingskonvention angeführte Endigungsgrund, nämlich die freiwillige Unterschutzstellung, eingetreten sei.

Gemäß § 7 Abs. 3 AsylG 2005 kann das Bundesamt einem Fremden, der nicht straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3), den Status eines Asylberechtigten gemäß Abs. 1 Z 2 leg.cit. nicht aberkennen, wenn die Aberkennung durch das Bundesamt - wenn auch nicht rechtskräftig - nicht innerhalb von fünf Jahren nach Zuerkennung erfolgt und der Fremde seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hat. Kann nach dem ersten Satz nicht aberkannt werden, hat das Bundesamt die nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, zuständige Aufenthaltsbehörde vom Sachverhalt zu verständigen. Teilt diese dem Bundesamt mit, dass sie dem Fremden einen Aufenthaltstitel rechtskräftig erteilt hat, kann auch einem solchen Fremden der Status eines Asylberechtigten gemäß Abs. 1 Z 2 leg.cit. aberkannt werden.

Die Erlassung des angefochtenen Bescheides, mit welchem die Aberkennung des Asylstatus ausgesprochen wurde, erfolgte mehr als fünf Jahre nach der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten im Jahr 2009. Der Beschwerdeführer ist nach wie vor unbescholten, hatte seinen Hauptwohnsitz jedenfalls zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl im Bundesgebiet und trifft dies auch nach wie vor zu. Dem Akteninhalt ist nicht zu entnehmen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vor Bescheiderlassung die Aufenthaltsbehörde verständigt hätte. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel nach dem NAG zukommen würde. § 7 Abs. 3 AsylG 2005 steht daher einer Aberkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 entgegen.

Es deutet auch nichts darauf hin, dass der Beschwerdeführer sonstige Aberkennungstatbestände nach § 7 Abs. 1 Z 1 oder 3 AsylG 2005 verwirklicht hätte.

3.2.3. Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG. Der maßgebliche Sachverhalt war aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen. Aufgrund der Aktenlage stand fest, dass der gegenständliche Bescheid aufzuheben ist. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte unterbleiben.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Voraussetzungen Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W111.2217873.1.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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