TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/30 G305 2191728-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.04.2020
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Entscheidungsdatum

30.04.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

G305 2191732-1/11E

G305 2191730-1/11E

G305 2191728-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX (BF1), des mj. XXXX, geb. XXXX (mj. BF2), und der mj. XXXX, geb. am XXXX (mj. BF3), alle StA. Irak, die minderjährigen Beschwerdeführer vertreten durch den Vater XXXX als gesetzlichem Vertreter, alle vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX.03.2018, Zl. XXXX (BF1), XXXX (mj. BF2) und XXXX(BF3), nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 31.10.2019 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerden werden gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3 und § 57 AsylG iVm. § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 Abs. 1 bis 3 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die beschwerdeführenden Parteien (im Folgenden: so oder kurz: bfP oder Beschwerdeführer) sind Staatsangehörige der Republik Irak und stellten diese am 28.12.2015, nachdem sie am selben Tag ohne Mitnahme eines - angeblich von einem Schlepper in IZMIR (Türkei) abgenommenen Reisepasses - (sohin illegal) ins Bundesgebiet eingereist waren, einen Antrag auf internationalen Schutz. Am 28.12.2015 fand eine Erstbefragung des BF1 vor Organen der LPD Niederösterreich statt.

Als Grund für seine Ausreise führte er eine angebliche Bedrohung durch Milizen ins Treffen. Auch sei er von Milizen entführt und mit dem Tod bedroht worden; die Drohung habe er ernst genommen und deshalb das Land verlassen [BF1 in Niederschrift über die Erstbefragung vom 28.12.2015, S. 5, Pkt. 11.]. Die beiden minderjährigen Beschwerdeführer schlossen sich den Ausreisegründen des BF1 an.

2. Am 30.08.2017 wurde der von einem Organ des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA oder belangte Behörde) niederschriftlich einvernommen.

Zu den Gründen für seine Ausreise befragt, gab er im Wesentlichen kurz zusammengefasst an, dass unter anderen er vom IS, als dieser die Baufirma, bei der der BF arbeitete, niedergebrannt hatte, mit dem Tod bedroht worden sei, sollten sie die Arbeit nicht verlassen. Der IS habe den Sohn des Besitzers dieses Unternehmens entführt. Nachdem der BF die Arbeit verlassen hatte, habe er am 31.07.2015 an friedlichen Demonstrationen gegen die Regierung teilgenommen. In der Folge sei er 25 Tage in der Polizeistation XXXX festgehalten worden. Bei seiner Freilassung habe man ihm gesagt, dass er an keinen weiteren Demonstrationen mehr teilnehmen dürfe. Dennoch habe er an weiteren Demonstrationen teilgenommen. Einer seiner Freunde sei während den Demonstrationen entführt und der andere getötet worden. Weil er Schiit und seine Frau Sunnitin sei, habe ihre Familie zwischen ihnen Probleme gemacht. Seine Frau habe sich von ihm scheiden lassen. Im Übrigen sei diese in den Irak zurückgekehrt [BF1 in Niederschrift des BFA vom 30.08.2017, S. 29f]. Er sei nie persönlich von den Milizen bedroht worden. Er habe mit der Regierung ein Problem. Bei seiner Ausreise sei er - von seiner zwischenzeitig in den Irak zurückgekehrten [BF1 in Niederschrift des BFA vom 30.08.2017, S. 27] - Ehegattin und den beiden Kindern (den Mitbeschwerdeführern) begleitet worden.

3. Mit Bescheiden vom XXXX.03.2018, Zl. XXXX (BF1), Zl. XXXX (mj. BF2) und Zl. XXXX (mj. BF3), wurden die auf die Gewährung von internationalem Schutz gerichteten Anträge der beschwerdeführenden Parteien vom 28.12.2015 hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Irak gemäß § 8 Abs. 1 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.), ihnen ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm. § 9 BFA-VG gegen sie jeweils eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.), und gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise der BF 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

4. Gegen die zuvor näher bezeichneten Bescheide der belangten Behörde erhoben die bfP fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und verbanden ihre Beschwerden mit dem Anträgen, dass die angefochtenen Bescheide der Erstbehörde dahingehend abgeändert werden mögen, dass ihren Anträgen auf internationalen Schutz Folge gegeben und ihnen der Status von Asylberechtigten zuerkannt werden möge (1.), in eventu ihnen der Status von subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 zuerkannt werden möge (2.), in eventu ihnen ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. §§ 55, 57 AsylG zuerkannt werden möge (3.) und dass die gegen sie ausgesprochene Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und die Aussprüche über die Zulässigkeit der (Anm.: Rückschiebung) in den Irak gem. § 46 FPG aufgehoben werden möge (4.), in eventu die angefochtenen Bescheide zur Gänze behoben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückverwiesen werden mögen (5.) und eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht anberaumt werden möge (6.).

5. Am 31.10.2019 wurde eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht im Beisein des Rechtsvertreters der bfP und eines Dolmetschers für die Muttersprache der beschwerdeführenden Parteien durchgeführt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Die im Spruch genannten Beschwerdeführer (XXXX, geb. XXXX (BF1), XXXX, geb. XXXX (mj. BF2) und XXXX, geb. XXXX (mj. BF3)) sind allesamt in XXXX geboren und haben dort bis zu ihrer Ausreise aus dem Irak am 11.11.2015 gelebt. Sie sind sämtlich Staatsangehörige der Republik Irak.

Die Beschwerdeführer gehören allesamt der muslimisch-schiitischen Glaubensrichtung an.

Sie gehören der Ethnie der Araber an und ist ihre Muttersprache arabisch.

Sie sind miteinander verwandt. Beim BF1 handelt es sich um den Vater der beiden minderjährigen Beschwerdeführer (BF2 und BF3).

1.2. Zur Ausreise, Reise, Einreise der beschwerdeführenden Parteien in Österreich und ihrer darauffolgenden Asylantragstellung:

Die bfP sind gemeinsam mit der (zwischenzeitig in den Irak zurückgekehrten und dort lebenden) Ehegattin des BF1 am Tag der Antragstellung (28.12.2015) ohne Mitnahme eines - angeblich von Schleppern in Izmir einbehaltenen - Reisedokuments, sohin illegal, ins Bundesgebiet eingereist. Von Izmir aus setzten sie mit dem Schlauchboot auf eine griechische Insel über, wo sie erkennungsdienstlich behandelt wurden. Dazu gibt es einen EURODAC-Treffer zu XXXX vom 22.12.2015. In der Folge gelangten sie über Mazedonien und die Balkanroute nach Österreich. Nachdem sie hier die Grenze überquert hatten, gelangten sie mit dem Taxi bis Wiener Hauptbahnhof, von wo aus sie den Zug nach Traiskirchen bestiegen [BF1 in Niederschrift über die Erstbefragung vom 28.12.2015, S. 4].Am 16.06.2015 stellten die BF in Österreich den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

1.3. Zur individuellen Situation der beschwerdeführenden Parteien:

Bei den drei Beschwerdeführern handelt es sich um den Vater (BF1) und dessen Kinder (mj. BF2 und mj. BF3).

Die gemeinsam mit ihnen ausgereiste Mutter ist am 23.07.2016 in den Irak zurückgekehrt. Als Gründe dafür gab der BF1 an, dass sie von ihrer Familie dazu gedrängt worden sei und sie auch starkes Heimweh gehabt hätte. Sie lebt seit ihrer Rückkehr unbehelligt im Herkunftsstaat [BF in Niederschrift des BFA vom 30.08.2017, S. 7 = AS 27].

Die familiären Anknüpfungspunkte der bfP befinden sich im Herkunftsstaat.

Der in Bagdad geborene, dort bis zu seiner Ausreise gelebt habende Erstbeschwerdeführer hat im Herkunftsstaat sechs Jahre die Grundschule und sechs Jahre das Gymnasium, sowie drei Jahre die technische Akademie besucht, ohne letztere abgeschlossen zu haben. Eine Berufsausbildung hat er nicht absolviert [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 31.10.2019, S. 9 unten].

Von 1994 bis zu seiner Ausreise aus dem Irak arbeitete er in einer Baufirma für Infrastruktur und Straßenbau im Asphaltbau und war für die Asphaltierung der Straßen des Herkunftsstaates zuständig und fuhr zu diesem Zweck bei der Auslieferung des Asphalts mit. In dieser Eigenschaft stellte er den Kontakt zwischen den Ingenieuren und dem Unternehmen her und zeichnete für die Registrierung der verarbeiteten Kubatur verantwortlich. An jenem Unternehmen, bei dem er arbeitete, hielt er nach eigenen Angaben einen Gesellschafteranteil im Ausmaß von 5% und soll dort auch als Aufsichtsrat fungiert haben [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 31.10.2019, S. 10].

Bis zu ihrer Ausreise aus dem Herkunftsstaat am 11.11.2015 lebten die bfP und die ebenfalls mit ihnen ausgereiste, zwischenzeitig in den Irak wieder zurückgekehrte Ehegattin des BF1 im Bezirk XXXX in XXXX [BF1 in Niederschrift des BFA vom 20.08.2017, S. 13] in einem Miethaus. Der BF1 zahlte einen monatlichen Mietzins in Höhe von umgerechnet ca. 350,00 US-Dollar [Ebda., S. 11 unten]. Die Ehegattin des BF1 war als Hausfrau tätig. Sie ist wieder in den Irak zurückgekehrt und lebt seit ihrer Rückkehr wieder im Bezirk XXXX in XXXX. Die behauptete Ehescheidung konnte der BF1 nicht glaubhaft machen.

Die Mutter und eine Schwester des BF1 leben noch im Irak [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 31.10.2019, S. 11 unten]. Diese Schwester des BF1 ist verheiratet. Aus der Ehe mit ihrem Gatten sind insgesamt drei Kinder im Alter von 12 (zwölf), 10 (zehn) und 2 (zwei) Jahren hervorgegangen, wobei die beiden älteren Kinder die Schule besuchen [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 31.10.2019, S. 14].

Die beschwerdeführenden Parteien haben keine im Bundesgebiet lebenden Familienangehörigen oder Verwandte [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 31.10.2019, S. 17 oben].

Der BF1 verfügt lediglich über rudimentäre Grundkenntnisse der deutschen Sprache [Ebda., S. 17 Mitte].

In Österreich leben alle drei Beschwerdeführer von Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung. Keiner von ihnen geht hier einer legalen Erwerbstätigkeit nach. Die bfP leben von den Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung [Ebda., S. 17 unten].

Die mj. Beschwerdeführer besuchen in Österreich die Schule. Der BF1 besucht hier weder die Schule, noch die Universität, noch ist er aktives Mitglied in einem Verein [Ebda., S. 18 oben].

Die bfP sind strafrechtlich unbescholten.

Anlässlich einer in Österreich am 01.02.2016 stattgehabten lungenfachärztlichen Untersuchung wurde beim BF1 ein Asthma Bronchiale dokumentiert, woran er nach eigenen Angaben seit seiner Kindheit leidet und diesbezüglich im Irak behandelt wurde. Demnach erhielt er bis zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres 2003 wöchentlich eine Spritze. Ab einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres 2003 bis zu seiner Ausreise am 11.11.2015 aus dem Irak verwendete der BF1 Ventulinspray und Sauerstoff, den er im XXXX in XXXX in Flaschen bezog; den Ventulinspray bezog er aus einer, in seinem Wohnbezirk gelegenen Apotheke. Im Zustand des Asthma Bronchiale ist der BF1 aus dem Irak ausgereist [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 31.10.2019, S. 4 und S. 5 oben]. Seit der Ankunft in Österreich erhält der BF1 anstelle des Medikaments Ventulin das Medikament mit der Bezeichnung Seretide (ein Pulverspray) [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 31.10.2019, S. 5 Mitte]. Aus den von ihm zur Vorlage gebrachten fachärztlichen Befunden geht daraus eine im Normbereich gelegene Sauerstoffsättigung von 97% hervor. Daraus ist aus medizinischer Sicht abzuleiten, dass dem Organismus des BF1 ausreichend Sauerstoff zur Verfügung steht, weshalb hier keine lebensbedrohliche Erkrankung vorliegt. Aus medizinischer Sicht wurde bei ihm eine Rückführung in den Herkunftsstaat für zumutbar erachtet [Beigezogener med. SV in Verhandlungsniederschrift vom 31.10.2019, S. 4]. Das Medikament Ventulin enthält den Wirkstoff Salbutamol, das eine bronchienerweiternde Wirkung zeitigt, und wird dieses über eine Druckgasinhalation verabreicht. Das aktuell beim BF1 applizierte Medikament Seretide Diskus enthält den Wirkstoff Salmeterol (ein Beta 2 Sympatikomimetikum), der ebenfalls eine bronchienerweiternde Wirkung zeitigt, dessen Wirkungsansatz dieselbe Wirkung wie der Wirkstoff Salbutamol aufweist und wird dieses Medikament über einen Pulverinhalator verabreicht [Beigezogener ärztlicher SV in Verhandlungsniederschrift vom 31.10.2019, S. 6f].

Abgesehen von der bei ihm festgestellten Asthma Bronchiale hat er keine medizinisch relevanten Leiden oder Gebrechen [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 31.10.2019, S. 5 Mitte].

Anlässlich einer Untersuchung der mj. BF3 nach erfolgter Ankunft im Bundesgebiet wurde bei ihr eine Zyste im Bereich der Wirbelsäule entdeckt und wurde diese in der Folge zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt im August des Jahres 2017 operativ entfernt. Die mj. BF3 gilt als geheilt. Nach der erfolgten Operation erhielt sie keine weiteren Heilbehandlungen mehr; sie muss auch keine Medikamente nehmen [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 31.10.2019, S. 5 unten]. Überdies wurde bei der mj. BF3 zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres 2014 in dem im Bezirk XXXX gelegenen Zentralkrankenhaus von XXXX festgestellt, dass diese eine Gehirnhautentzündung gehabt habe. Dagegen bekam sie im Irak einen "Sirup". In Österreich erfuhr sie diesbezüglich keine weitere Behandlung, da sie medizinisch als geheilt gilt [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 31.10.2019, S. 5f].

Die mj. BF3 und der mj. BF3, der nie zu keinem Zeitpunkt an einem medizinisch relevanten Gebrechen litt, sind gesund [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 31.10.2019, S. 6 oben; beigezogener ärztlicher Sachverständiger in Verhandlungsniederschrift vom 31.10.2019, S. 7]. Aus medizinischer Sicht liegt bei keiner der bfP eine lebensgefährliche Erkrankung vor, die einer Abschiebung in den Herkunftsstaat entgegenstünde [Beigezogener ärztlicher Sachverständiger in Verhandlungsniederschrift vom 31.10.2019, S. 4 und S. 7].

1.4. Zu den Fluchtgründen der beschwerdeführenden Parteien:

Niemand von den bfP war je Mitglied einer politischen Partei oder einer anderen politisch aktiven Bewegung oder bewaffneten Gruppierung des Herkunftsstaates [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 31.10.2019, S. 10 unten].

Keiner von ihnen hatte je ein Problem mit der Polizei, den Verwaltungsbehörden oder den Gerichten des Herkunftsstaates.

Der BF1 konnte nicht glaubhaft machen, dass er, wie vor der belangten Behörde angegeben, im Herkunftsstaat an Demonstrationen regierungsfeindlichen Demonstrationen teilgenommen hätte und deshalb verhaftet worden wäre bzw. dass er, wie vor dem Bundesverwaltungsgericht angegeben, regierungsfeindliche Demonstrationen organisiert hätte.

Auch konnte er nicht glaubhaft machen, dass er aus politischen Gründen oder aus Gründen seiner Zugehörigkeit zur Ethnie der Araber bzw. aus religiösen Motiven von Milizen des Herkunftsstaates oder dem IS oder sonstigen im Herkunftsstaat aktiven Gruppierungen verfolgt oder bedroht worden wäre.

Die minderjährigen Beschwerdeführer haben keine eigenen Fluchtgründe.

1.5. Zu etwaigen Integrationsschritten der BF im Bundesgebiet:

Der BF1 hat in Österreich einen Deutschkurs besucht und am 08.01.2018 ein Sprachzertifikat auf dem Niveau A1 erworben. Auch besuchte er im Zeitraum von September 2018 bis Januar 2019 bzw. von März 2019 bis Juli 2019 einen Vorbereitungskurs auf die A2-Prüfung im Ausmaß von 5 mal wöchentlich zu je 1,5 Stunden mit einer Regelmäßigkeit von 80%.

Darüber hinaus belegte er an der Volkshochschule einen Kurs im Ausmaß von insgesamt 120 Unterrichtseinheiten mit der Bezeichnung "Integration von Anfang an - Alphabetisierung- und Deutschspracherwerbsmaßnahmen (bis A1) für AsylwerberInnen in der Kärntner Grundversorgung".

Der mj. BF2 besuchte in den Schuljahren 2017/2018 und 2018/2019 die Volksschule XXXX. Er besucht auch aktuell noch die angeführte Volksschule und war er im Jahr 2019 Mitglied in einem Sportverein (XXXX).

Wie der mj. BF2 besucht auch die mj. BF3 seit dem Schuljahr 2018/2019 die Volksschule in XXXX. Aktuell besucht sie die zweite Klasse dieser Volksschule.

1.6. Zur Lage im Irak wird festgestellt:

Nachdem es den irakischen Sicherheitskräften (ISF) gemeinsam mit schiitischen Milizen, den sogenannten Popular Mobilisation Forces (PMF), mit Unterstützung durch die alliierten ausländischen Militärkräfte im Laufe des Jahres 2016 gelungen war, die Einheiten der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) sowohl aus den von ihr besetzten Teilen der südwestlichen Provinz Al Anbar bzw. deren Metropolen Fallouja und Ramadi als auch aus den nördlich an Bagdad anschließenden Provinzen Diyala und Salah al Din zu verdrängen, beschränkte sich dessen Herrschaftsgebiet in der Folge auf den Sitz seiner irakischen Kommandozentrale bzw. seines "Kalifats" in der Stadt Mossul, Provinz Ninava, sowie deren Umgebung bis hin zur irakisch-syrischen Grenze. Ab November 2016 wurden die Umgebung von Mossul sowie der Ostteil der Stadt bis zum Ufer des Tigris sukzessive wieder unter die Kontrolle staatlicher Sicherheitskräfte gebracht, im Westteil wurde der IS von den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, die aus dem Süden, Norden und Westen in das Zentrum der Stadt vordrangen, in der Altstadt von Mossul eingekesselt. Der sunnitische IS wiederum versuchte, parallel zu diesen Geschehnissen durch vereinzelte Selbstmordanschläge in Bagdad und anderen Städten im Süd- sowie Zentralirak seine wenn auch mittlerweile stark eingeschränkte Fähigkeit zu demonstrieren, die allgemeine Sicherheitslage zu destabilisieren. Anfang Juli 2017 erklärte der irakische Premier Abadi Mossul für vom IS befreit. In der Folge wurden auch frühere Bastionen des IS westlich von Mossul in Richtung der irakisch-syrischen Grenze wie die Stadt Tal Afar durch die Militärallianz vom IS zurückerobert. Zuletzt richteten sich die Operationen der Militärallianz gegen den IS auf letzte Überreste seines früheren Herrschaftsgebiets im äußersten Westen der Provinz Anbar sowie eine Enklave um Hawija südwestlich von Kirkuk.

Die Sicherheitslage innerhalb der drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, nämlich Dohuk, Erbil und Suleimaniya, ist angesichts der Maßnahmen der regionalen Sicherheitskräfte wie Grenzkontrollen und innerregionale Aufenthaltsbestimmungen als stabil anzusehen. Seit Oktober 2017 befindet sich die kurdische Regionalregierung in Konflikt mit der irakischen Zentralregierung in der Frage der Kontrolle über die von kurdischen Sicherheitskräften bislang besetzt gehaltenen Grenzregionen südlich der Binnengrenze der Autonomieregion zum übrigen irakischen Staatsgebiet, insbesondere die Region um die Stadt Kirkuk betreffend. Zuletzt kam es zu einer Besetzung dieser Region sowie weiterer Landstriche entlang der Binnengrenze durch die irakische Armee und der Zentralregierung nahestehende Volksmobilisierungseinheiten, während sich die kurdischen Sicherheitskräfte aus diesen Bereichen zurückzogen. Eine Einreise in die drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion ist angesichts eines Luftraumembargos der Nachbarstaaten Türkei und Iran gegen die kurdische Regionalregierung auf direkte Weise aktuell nur auf dem Landweg möglich.

Die Sicherheitslage in den südirakischen Provinzen, insbesondere in der Provinz Basra, war, als Folge einer Sicherheitsoffensive staatlicher Militärkräfte im Gefolge interkonfessioneller Gewalt im Jahr 2007, ab 2008 stark verbessert und bis 2014 insgesamt stabil. Auch war die Region nicht unmittelbar von der Invasion der Truppen des IS im Irak in 2013 und 2014 betroffen. Die Gegenoffensive staatlicher Sicherheitskräfte und deren Verbündeter gegen den IS in Anbar und den nördlicher gelegenen Provinzen bedingte zuletzt eine Verlagerung von Militär- und Polizeikräften in den Norden, die wiederum eine größere Instabilität im Süden, verbunden vor allem mit einem Anstieg an krimineller Gewalt mit sich brachte.

Die Sicherheitslage im Großraum Bagdad war durch die genannten Ereignisse im Wesentlichen ebenfalls nicht unmittelbar beeinträchtigt. Es waren jedoch vereinzelte Anschläge bzw. Selbstmordattentate auf öffentliche Einrichtungen oder Plätze mit einer teils erheblichen Zahl an zivilen Opfern zu verzeichnen, die, ausgehend vom Bekenntnis des - als sunnitisch zu bezeichnenden - IS dazu, sich gegen staatliche Sicherheitsorgane oder gegen schiitische Wohnviertel und Städte richteten, um dort ein Klima der Angst sowie religiöse Ressentiments zu erzeugen und staatliche Sicherheitskräfte vor Ort zu binden. Hinweise auf eine etwaig religiös motivierte Bürgerkriegssituation finden sich in den Länderberichten nicht, ebenso auch nicht in Bezug auf die Säuberung von ethnischen oder religiösen Gruppierungen bewohnte Gebiete.

Anlassbezogen ist nicht hervorgekommen, dass die Beschwerdeführer einer asylrelevanten Bedrohung durch schiitische Milizen oder durch die Gerichte, die Verwaltungsbehörden oder die Polizei des Herkunftsstaates ausgesetzt gewesen wären bzw. bei ihrer Rückkehr einer solcher ausgesetzt sein könnten. Auch ist nicht hervorgekommen, dass es ihnen - selbst bei Wahrunterstellung einer allfälligen asylrelevanten Verfolgung - nicht möglich gewesen wäre, eine innerstaatliche Fluchtalternative zu wählen. Abgesehen davon ist hervorzuheben, dass die Ehegattin im Juli 2017 freiwillig in den Herkunftsstaat zurückgekehrt ist und sich seit seiner Rückkehr dort unbehelligt bei ihrer eigenen Kernfamilie aufhält. Dass eine asylrelevante Verfolgung oder Bedrohung des BF1 durch Mitglieder der Kernfamilie seiner Ehegattin gegeben gewesen wäre, kam anlassbezogen nicht hervor bzw. haben Angehörige dieser Kernfamilie den bfP sowie der Ehegattin des BF1 bei der Ausreise aus dem Herkunftsstaat geholfen. Im Herkunftsstaat (konkret: in XXXX) leben den Angehörigen der Kernfamilie der Ehegattin des BF1 die Mutter und die Schwester des BF1 mit deren Familie. Die Schwester des BF1 ist in der Gemeinde XXXX angestellt und geht sie dort ihrer beruflichen Tätigkeit nach.

1.6.1. Die Miliz Asa'ib Ahl al-Haqq (Liga der Rechtschaffenen oder Khaz'ali-Netzwerk, League of the Righteous, kurz: AAH) ist eine der unter der PMF zusammengefassten schiitischen Milizen. Diese Miliz wurde 2006 von Qais al-Khaz'ali gegründet und bekämpfte zu jener Zeit die US-amerikanischen Truppen im Irak. Ausgegangen wird von einer Truppengröße von mindestens 3.000 Mann; einige Quellen sprechen von 10.000 bis 15.000 Kämpfern. Die Miliz erhält starke Unterstützung vom Iran und ist, wie die Badr-Organisation und Kata'ib Hizbullah, vor allem westlich und nördlich von Bagdad aktiv. Seitens der Regierung wurde 2016 der Versuch unternommen, Teile der PMF in die staatliche Sicherheitsstruktur einzugliedern und unter die Kontrolle des Premierministers zu stellen - ein Projekt, dessen Ausgang noch immer unklar ist.

Quellen:

- Australian Government, DFAT COUNTRY INFORMATION REPORT IRAQ, 26.06.2017, http://dfat.gov.au/about-us/publications/Documents/country-information-report-iraq.pdf (Letzter Zugriff am 16.07.2018)

- ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zum Irak: Aktivitäten der Asa'ib Ahl al-Haqq, insbesondere Verhalten gegenüber sunnitischen MuslimInnen 02.02.2018, https://www.ecoi.net/de/dokument/1424853.html (Letzter Zugriff am 16.07.2018)

- UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Sunni (Arab) Muslims, 06/2017 https://www.ecoi.net/en/file/local/1403272/1226_1499246656_iraq-sunni-arabs-cpin-v2-0-june-2017.pdf (Letzter Zugriff am 16.07.2018)

- UNHCR - UN High Commissioner for Refugees: Iraq: Relevant COI for Assessments on the Availability of an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA); Ability of Persons Originating from (Previously or Currently) ISIS-Held or Conflict Areas to Legally Access and Remain in Proposed Areas of Relocation, 12.04.2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1397131/1930_1492501398_58ee2f5d4.pdf (Letzter Zugriff am 16.07.2018)

- UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Sunni (Arab) Muslims, 06/2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1403272/1226_1499246656_iraq-sunni-arabs-cpin-v2-0-june-2017.pdf (Letzter Zugriff am 18.07.2018)

- BFA Staatendokumentation: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Irak: Von schiitischen Milizen dominierte Gebiete (Ergänzung zum Länderinformationsblatt), 04.01.2018 https://www.ecoi.net/en/file/local/1422124/5618_1516263925_irak-sm-von-schiitischen-milizen-dominierte-gebiete-2018-01-04-ke.doc (Letzter Zugriff am 18.07.2018)

Die bfP haben anlässlich ihrer Einvernahme vor der belangten Behörde bzw. anlässlich ihrer PV vor dem Bundesverwaltungsgericht angegeben, dass weder sie, noch deren Ehegatte bzw. Vater, je Mitglied einer Miliz des Herkunftsstaates oder des IS waren bzw. hat auch keine der bfP angegeben, von einer Miliz für Kriegsdienste erfolglos angeworben worden zu sein und wegen einer Weigerung Konsequenzen ausgesetzt gewesen zu sein.

Eine landesweite und systematische Verfolgung von Angehörigen der schiitischen Glaubensgemeinschaft, die überdies der Mehrheitsbevölkerung der Araber angehören, durch diese schiitische Miliz besteht nicht. Den Berichten zum Herkunftsstaat der Beschwerdeführer lässt sich nicht entnehmen, dass diese Miliz Angehörige der schiitischen Glaubensrichtung verfolgen und vertreiben würden. Abgesehen davon hat der BF1 eine persönliche Bedrohung oder Verfolgung durch die schiitische Miliz ASA'IB AHL AL HAQQ oder eine Miliz anderer Provenienz in Abrede gestellt.

1.6.2. Alleinstehende Frauen

Jahre der Instabilität und des Krieges haben im Irak zu einer großen Zahl an Haushalten geführt, deren Haushaltsvorstande Frauen sind ("female-headed-households"). Laut einer Schätzung betrug die Zahl solcher Haushalte im Jahr 2011 zwischen einer und zwei Millionen (IOM 12.10.2011). Präzise Angaben existieren nicht. Die Zahlen variieren, je nach Art der Erhebung (MIGRI 22.5.2018; vgl. z.B. ICRC 8.2011). Als Witwen, Geschiedene oder von ihren Ehemännern Getrennte, versorgen diese Frauen ihre Familien alleine. Manchmal ist der Ehemann krank oder pflegebedürftig. Viele von Frauen geführte Haushalte stellen einen besonders vulnerablen Teil der irakischen Bevölkerung dar, vor allem in ländlichen Gebieten bzw. als IDPs (IOM 12.10.2011).

Zehn Prozent der irakischen Frauen sind Witwen, viele davon Alleinversorgerinnen ihrer Familien. Ohne männliche Angehörige erhöht sich das Risiko für diese Familien, Opfer von Kinderheirat und sexueller Ausbeutung zu werden (AA 12.2.2018).

Scheidung bleibt im Irak weiterhin mit einem starken sozialen Stigma verbunden (MRG 11.2015; vgl. MIGRI 22.5.2018). Das gesellschaftliche Klima gegenüber Geschiedenen ist nicht offen repressiv. Üblicherweise werden geschiedene Frauen in die eigene Familie integriert. Sie müssen jedoch damit rechnen, schlechter bezahlte Arbeitsstellen annehmen zu müssen oder als Zweit- oder Drittfrau in Mehrehen erneut verheiratet zu werden. Im Rahmen einer Ehescheidung wird das Sorgerecht für Kinder ganz überwiegend den Vätern (und ihren Familien) zugesprochen (AA 12.2.2018). Laut einer Studie führt das mit einer Scheidung assoziierte gesellschaftliche Stigma dazu, dass viele Frauen in Beziehungen bleiben, in denen sie Missbrauch ausgesetzt sind, um Ablehnung bzw. die Androhung von noch größerer Gewalt durch Familienmitglieder und Mitglieder der Community zu vermeiden. In manchen Fällen ist das Stigma so groß, dass Frauen von ihren Familien gezwungen werden, zu ihren sie misshandelnden Ehemännern zurückzukehren. Geschiedene Frauen, die zu ihren Familien zurückkehren, sind aufgrund ihres Status als geschiedene Frauen oft weiteren Formen des Missbrauchs und der Stigmatisierung ausgesetzt (MRG 11.2015).

Opfern von Zwangsscheidungen wird die Rückkehr ins Elternhaus durch einen Ehrenkodex verwehrt. Bei Zwangsscheidungen handelt es sich um eine Praxis, die vor allem im Süden des Landes vorkommt. Dabei droht der Mann seiner Frau mit der Scheidung, falls ihre Familie ihm oder seiner Familie nicht mehr Geld zukommen lasst. Wenn dies nicht geschieht, muss die Frau ihren Mann und ihre Familie verlassen und bleibt als Verstoßene zurück. Die Rückkehr ins Elternhaus wird aus Ehrengrunden verwehrt (USDOS 20.4.2018).

Ohne Zustimmung eines männlichen Verwandten können Frauen keine Ausweisdokumente erhalten (MIGRI 22.5.2018; vgl. USDOS 20.4.2018). Die Gesetzgebung hindert Frauen daran, ohne die Zustimmung eines männlichen Vormunds oder gesetzlichen Vertreters einen Reisepass zu beantragen (USDOS 20.4.2018; vgl. FH 16.1.2018). Frauen können ohne Zustimmung eines männlichen Verwandten auch keinen Personalausweis bekommen, der etwa für den Zugang zu Nahrungsmittelhilfe, Gesundheitsversorgung, Beschäftigung, Bildung und Wohnen benötigt wird (USDOS 20.4.2018). Zusätzlich wird generell erwartet, dass eine Frau immer mit einem Mann reist, der als ihr Vormund agiert (Lattimer EASO 26.4.2017).

Quellen:

- - AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak,https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschlandauswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irakstand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 29.8.2018

- - FH - Freedom House (16.1.2018): Freedom in the World 2018: Iraq - Profile, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2018/iraq, Zugriff 10.9.2018

- - ICRC - The International Committee of the Red Cross in Iraq (8.2011): Households Headed by Women in Iraq: A Case for Action, https://www.icrc.org/eng/assets/files/2011/iraq-womensurvey-2011-08-eng.pdf, Zugriff 10.9.2018

- - IOM - International Organization for Migration (12.10.2011): Iraq - Special Report: Female Headed Households, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/Full%20Report_278.pdf, Zugriff 7.9.2018

- - Lattimer EASO (26.4.2017): Minorities and Vulnerable Groups - EASO COI Meeting Report Iraq: Practical Cooperation Meeting, 25-26 April 2017, Brussels, https://www.ecoi.net/en/file/local/1404903/90_1501570991_easo-2017-07-iraq-meetingreport.pdf, Zugriff 5.11.2018

- - MIGRI - Finnische Immigrationsbehorde Maahanmuuttovirasto (22.5.2018): Overview of the status of women living without a safety net in Iraq, https://coi.easo.europa.eu/administration/finland/Plib/Report_Women_Iraq_Migri_CIS.pdf, Zugriff 3.9.2018

- - MRG - Minority Rights Group (11.2015): The Lost Women of Iraq: Family-based violence during armed conflict, https://minorityrights.org/wp-content/uploads/2015/11/MRG-report-A4_OCTOBER-2015_WEB.pdf, Zugriff 4.9.2018

- - USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 4.9.2018

Zunächst ist festzustellen, dass aus den Berichten zum Herkunftsstaat der bfP nicht hervorgeht, dass allfällig geschiedene alleinstehende Männer mit Kindern wegen dieses Umstandes der Gefahr einer Stigmatisierung unterlägen.

Die Ehegattin des BF1 ist im Juli 2017 zwar freiwillig in den Herkunftsstaat zu den Angehörigen ihrer Kernfamilie zurückgekehrt, wo sie sich seit ihrer Rückkehr unbehelligt aufhält. Die Ehescheidung erfordert im Irak einen contrarius actus, wofür anlassbezogen konkrete Anhaltspunkte fehlen. Allerdings ist es dem BF1 nicht gelungen, darzutun, dass die Ehe zwischen ihm und seiner Ehegattin geschieden worden wäre. Anhaltspunkte, die die Auflösung des Ehebandes nahelegen könnten, wurden ebenfalls nicht dargetan. Der BF1 hat weder Scheidungsurkunden eines irakischen Personenstandsgerichtes zur Vorlage gebracht, noch konnte er nachweisen, dass seine Ehegattin zwischenzeitig mit einem anderen Mann die Ehe eingegangen wäre. Es ist daher davon auszugehen, dass die zwischen ihm und seiner Ehegattin geschlossene Ehe nach wie vor aufrecht ist [PV der BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 05.08.2019, S. 8 unten].

Die nach XXXX freiwillig zurückgekehrte Ehegattin des BF1 hält sich unbehelligt in XXXX auf und kam anlassbezogen nicht hervor, dass sie den bfP, konkret den gemeinsamen Kindern, bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat die notwendige Unterstützung vorenthalten wird. Selbst wenn sie für die gemeinsamen Kinder nicht sorgen sollte, verfügt sie mit ihrer in XXXX aufhältigen Kernfamilie über ein familiäres Netz, das den Angaben des BF1 bereit wäre, für die minderjährigen Kinder zu sorgen. Dass der BF1 einer familiären Versorgung bedürfte, erscheint nicht erforderlich, zumal er als Gesellschafter eines im Irak tätigen Unternehmens, einer Baufirma für Infrastruktur und den Straßenbau, zeitnah nach der Rückkehr wird arbeiten und zum eigenen Unterhalt sowie zum Unterhalt seiner Familie beitragen wird können.

1.6.3. Kinder

Art. 29 und 30 der irakischen Verfassung enthalten Kinderschutzrechte. Irak ist dem Zusatzprotokoll zur VN-Kinderrechtskonvention zum Schutz von Kindern in bewaffneten Konflikten beigetreten (AA 12.2.2018). Das Gesetz verbietet die kommerzielle Ausbeutung von Kindern, sowie Pornografie jeglicher Art, einschließlich Kinderpornografie (USDOS 20.4.2018).

Im Falle einer Nichtregistrierung der Geburt eines Kindes werden diesem staatliche Leistungen wie Bildung, Lebensmittelbeihilfe und Gesundheitsversorgung vorenthalten. Alleinstehende Frauen und Witwen hatten oft Probleme bei der Registrierung ihrer Kinder. Kinder, die nicht die irakische Staatsbürgerschaft besitzen, haben ebenfalls keinen Anspruch auf staatliche Leistungen. Humanitäre Organisationen berichten von einem weit verbreiteten Problem bezüglich Kindern, die im IS-Gebiet geboren worden sind und keine von der Regierung ausgestellte Geburtsurkunden erhalten (USDOS 20.4.2018).

Die Grundschulbildung ist für Kinder, die die irakische Staatsbürgerschaft besitzen, in den ersten sechs Schuljahren verpflichtend und wird für diese kostenfrei angeboten. In der kurdischen Autonomieregion besteht die Schulpflicht bis zum Alter von 15 Jahren; auch dort kostenfrei. Der gleichberechtigte Zugang von Mädchen zu Bildung bleibt eine Herausforderung, insbesondere in ländlichen und unsicheren Gebieten. Der Zugang zu Bildung von Kindern, die aufgrund des Konfliktes intern vertrieben wurden, ist stark einschränkt (USDOS 20.4.2018). Die Sicherheitslage und die große Zahl zerstörter Schulen verhindern mancherorts den Schulbesuch, sodass die Alphabetisierungsrate in den letzten 15 Jahren drastisch gefallen ist (aktuell bei 79,7 Prozent), besonders in ländlichen Gebieten. Im Unterschied dazu sind in der Autonomen Region Kurdistan fast alle Menschen des Lesens und Schreibens mächtig. In den vom IS beherrschten Gebieten fand kein regulärer Schulunterricht statt (AA 12.2.2018).

Über ein Viertel aller Kinder im Irak lebt in Armut. Dabei waren, über die letzten Jahrzehnte, Kinder im Süden des Landes und in ländlichen Gebieten am stärksten betroffen (UN News 19.1.2018; vgl. UNICEF 31.1.2017). Armut wirkt sich nicht nur negativ auf die Bildung, sondern auch auf die Gesundheit von Kindern aus (UNICEF 31.1.2017). 22,6 Prozent der Kinder im Irak sind unterernährt (AA 12.2.2018). Ein Viertel aller Kinder unter fünf Jahren sind physisch unterentwickelt bzw. im Wachstum zurückgeblieben (UNICEF 31.1.2017).

Die Zahl der Fälle von Kindesmissbrauch nimmt zu. Soziale Medien helfen verstärkt bei der Aufdeckung von Missbrauch und Folter (Al Monitor 2.5.2017). Berichten zufolge verkaufen Menschenhandelsnetze irakische Kinder zur kommerziellen sexuellen Ausbeutung. Letztere erfolgt im In- und Ausland. Verbrecherbanden sollen Kinder zwingen, im Irak zu betteln und Drogen zu verkaufen (USDOS 28.6.2018).

Die Verfassung und das Gesetz verbieten Kinderarbeit. In den Gebieten, die unter die Zuständigkeit der Zentralregierung fallen, beträgt das Mindestbeschäftigungsalter 15 Jahre. Das Gesetz begrenzt die Arbeitszeit für Personen unter 18 Jahren auf sieben Stunden pro Tag und verbietet Beschäftigungen, die der Gesundheit, Sicherheit oder Moral von Personen unter 18 Jahren schaden. Trotzdem gibt es im ganzen Land Fälle von Kinderarbeit, auch in ihren schlimmsten Formen. Es gibt dokumentierte Fälle von durch den Konflikt intern vertriebenen Kindern, die gezwungen wurden Kinderarbeit zu leisten. Versuche der Regierung Kinderarbeit z.B. durch Inspektionen zu überwachen, blieben erfolglos (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598 1531143225 deutschland- auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-

- stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf. Zugriff 5.9.2018

- Al Monitor (2.5.2017): How can Iraq address child abuse, torture?, https://www.al-monitor.com/ pulse/originals/2017/05/child-abuse-iraq-domestic-violence.html. Zugriff 20.9.2018

- UNGASC - United Nations General Assembly Security Council (16.5.2018): Children and armed conflict, https://www.ecoi.net/en/file/local/1436649/1930_1530169188_n1815109.pdf. Zugriff 18.7.2018

- UN News - United Nations News (19.1.2018): One in four Iraqi children impacted by conflict, poverty; education key for lasting peace - UNICEF, https://news.un.org/en/storv/2018/01/1000811. Zugriff 20.9.2018

- UNICEF - United Nations International Children's Emergency Fund (31.1.2017): Child Poverty in Iraq: An Analysis of Child Poverty Trends and Policy Recommendations for the National

- Poverty Reduction Strategy 2017-202, https://reliefweb.int/report/iraq/child-poverty-iraq- analysis-child-poverty-trends-and-policy-recommendations-national, Zugriff 20.9.2018

- USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 5.9.2018

- USDOS - United States Department of State (28.6.2018): Trafficking in Persons Report 2018 - Country Narratives - Iraq, https://www.state.gov/j/tip/rls/tiprpt/countries/2018/282675.htm. Zugriff 14.9.2018

Anlassbezogen kam hervor, dass die Mutter und die Schwester des BF1 (letztere mit ihrer eigenen Kernfamilie, bestehend aus dem Ehegatten und drei minderjährigen Kindern im Alter von zwei, zehn und zwölf Jahren in XXXX leben. Die Kinder der in der Stadtverwaltung von XXXX tätigen Schwester des BF1 sind schulpflichtig und besuchen im Herkunftsstaat die Schule. Es kann nicht erkannt werden, weshalb es den zurückgekehrten minderjährigen Beschwerdeführern (BF2 und BF3), die bereits vor ihrer Ausreise aus dem Herkunftsstaat den Großteil ihres Lebens im Herkunftsstaat verbrachten und dort sozialisiert wurden, nicht möglich sein sollte, am intakten und funktionierenden Bildungssystem in XXXX teilzunehmen. Wie der BF1 gehören auch der mj. BF3 und die mj. BF2 der Mehrheitsbevölkerung der Araber und der ebenfalls die Mehrheit bildenden Religion der schiitischen Muslimen an. Dazu, dass Kinder und Jugendliche, die diesem Personenkreis einer Benachteiligung unterlägen, finden sich in den Länderberichten zum Herkunftsstaat der bfP keine Zeugnisse bzw. hat der BF1, der insgesamt den Eindruck vermittelt hat, dass er sich um seine Kinder kümmern wird, keine konkrete Behauptung in die Richtung erhoben, dass seine Kinder bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat auf Grund ihrer Zugehörigkeit zur Mehrheitsbevölkerung der Araber bzw. auf Grund ihrer religiösen Zugehörigkeit zu den schiitischen Muslimen eine Benachteiligung erfahren könnten.

1.6.4. Berufsgruppen:

Aus den Länderinformationen zum Herkunftsstaat der bfP geht hervor, dass Polizisten, Soldaten, Journalisten, Menschenrechtsverteidiger, Intellektuelle, Richter und Rechtsanwälte und alle Mitglieder des Sicherheitsapparats besonders gefährdet seien (AA 12.2.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 27.9.2018

- IWPR - Institute for War and Peace Reporting (25.11.2009): Fear chokes Nasiriya's Song, https://iwpr.net/global-voices/fear-chokes-nasiriyas-song, Zugriff 2.10.2009

- USDOS - United States Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1394979.html, Zugriff 2.10.2018

- USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 21.9.2018

Der BF1 war - nach eigenen Angaben - bis zu seiner Ausreise für ein Bauunternehmen für Infrastruktur und den Straßenbau tätig und hält an diesem Unternehmen als Gesellschafter einen Anteil im Ausmaß von 5%. Er gehört weder auf Grund seiner Tätigkeit, noch auf Grund seiner gesellschaftsrechtlichen Stellung zu einer der gefährdeten Berufsgruppen im Herkunftsstaat. In Hinblick auf die schulpflichtigen minderjährigen Beschwerdeführer erübrigt sich eine nähere Auseinandersetzung mit diesem Themenkreis.

1.6.5. Medizinische Versorgung

Das Gesundheitswesen besteht aus einem privaten und einem öffentlichen Sektor. Grundsätzlich sind die Leistungen des privaten Sektors besser, zugleich aber auch teurer. Ein staatliches Krankenversicherungssystem existiert nicht. Alle irakischen Staatsbürger, die sich als solche ausweisen können, haben Zugang zum Gesundheitssystem. Fast alle Iraker leben etwa eine Stunde vom nächstliegenden Krankenhaus bzw. Gesundheitszentrum entfernt. In ländlichen Gegenden lebt jedoch ein bedeutender Teil der Bevölkerung weiter entfernt von solchen Einrichtungen (IOM 13.6.2018).

Auf dem Land kann es bei gravierenden Krankheitsbildern problematisch werden. Die Erstversorgung ist hier grundsätzlich gegeben; allerdings gilt die Faustformel: Je kleiner und abgeschiedener das Dorf, umso schwieriger die medizinische Versorgung. Staatliche wie private Krankenhäuser sind fast ausschließlich in den irakischen Städten zu finden. Dort ist die Dichte an praktizierenden Ärzten, an privaten und staatlichen Kliniken um ein Vielfaches größer. Gleiches gilt für Apotheken und medizinische Labore (GIZ 11.2018).

Bei der Inanspruchnahme privatärztlicher Leistungen muss zunächst eine Art Praxisgebühr bezahlt werden. Diese beläuft sich in der Regel zwischen 15.000 und 20.000 IQD. Für spezielle Untersuchungen und Laboranalysen sind dann noch zusätzliche Kosten zu veranschlagen. Außerdem müssen Medikamente, die man direkt vom Arzt bekommt, gleich vor Ort bezahlt werden. In den staatlichen Zentren zur Erstversorgung entfällt zwar in der Regel die Praxisgebühr, jedoch nicht die Kosten für eventuelle Zusatzleistungen. Darunter fallen etwa Röntgen- oder Ultraschalluntersuchungen (GIZ 11.2018).

In Bagdad arbeiten viele Krankenhäuser nur mit deutlich eingeschränkter Kapazität. Die Ärzte und das Krankenhauspersonal gelten generell als qualifiziert, viele haben aber aus Angst vor Entführungen oder Repressionen das Land verlassen. Korruption ist verbreitet. Die für die Grundversorgung der Bevölkerung besonders wichtigen örtlichen Gesundheitszentren (ca. 2.000 im gesamten Land) sind entweder geschlossen oder wegen baulicher, personeller und Ausrüstungsmängel nicht in der Lage, die medizinische Grundversorgung sicherzustellen (AA 12.2.2018). Laut Weltgesundheitsorganisation ist die primäre Gesundheitsversorgung nicht in der Lage, effektiv und effizient auf die komplexen und wachsenden Gesundheitsbedürfnisse der irakischen Bevölkerung zu reagieren (WHO o.D.).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland- auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf. Zugriff 12.10.2018

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (11.2018): Irak - Alltag, https://www.liportal.de/irak/alltag/#c37767. Zugriff 20.11.2018

- IOM - International Organization for Migration (13.6.2018): Länderinformationsblatt Irak (2017), https://www.bamf.de/SharedDocs/MILoDB/DE/Rueckkehrfoerderung/Laenderinformationen/Informationsblaetter/cfs_irak-dl de.pdf:isessionid=0E66FF3FBC9BF77D6FB52022F1A7B611.1 cid294?blob=publicationFile. Zugriff 16.10.2018

- WHO - World Health Organization (o.D.): Iraq: Primary Health Care, http://www.emro.who.int/irq/programmes/primary-health-care.html. Zugriff 16.10.2018

Durch den, dem konkreten Beschwerdeverfahren beigezogenen ärztlichen Sachverständigen ist objektiviert, dass keine der beschwerdeführenden Parteien an einer lebensbedrohlichen Erkrankung leidet. Einzig der BF1 leidet seit seiner Kindheit an Asthma Bronchiale, wogegen er bereits im Herkunftsstaat bis zu seiner Ausreise daraus medikamentös adäquat behandelt wurde. Dagegen wird er auch seit seiner Einreise ins Bundesgebiet medikamentös behandelt. Die vom BF1 beschriebene Medikation im Herkunftsstaat wurde vom beigezogenen ärztlichen Sachverständigen als unbedenklich qualifiziert und stellte dieser nachvollziehbar dar, dass das im Irak verabreichte Medikament und das in Österreich verabreichte Medikament dieselbe Wirkweise (Erweiterung der Bronchien) hätten.

Zwar wurde bei der mj. BF3 im Bereich der Wirbelsäule eine Zyste entdeckt, die nach Angaben des BF1 in der Folge operativ entfernt wurde. Eine bereits im Herkunftsstaat bei ihr festgestellte Gehirnhautentzündung konnte medikamentös vollkommen abgeheilt werden, sodass bei ihr keinerlei körperliche Gebrechen bzw. keine Beeinträchtigung der Gesundheit vorliegen bzw. gegeben ist.

Der BF3 hatte zu keinem Zeitpunkt eine Gesundheitsbeeinträchtigung bzw. ein körperliches Gebrechen.

Aus medizinischer Sicht steht einer Rückkehr der bfP in den Herkunftsstaat kein Hindernis entgegen und ist in Bezug auf das Asthma Bronchiale des BF1 schon aus seinen eigenen Angaben die Schlussfolgerung zu ziehen, dass nach erfolgter Rückkehr eine adäquate medikamentöse Versorgung des Asthma Bronchiale möglich sein wird.

Zusammengefasst ist zu konstatieren, dass (medizinisch objektiviert) keine der beschwerdeführenden Parteien an einer lebensbedrohlichen Erkrankung, die einem Rücktransport in den Herkunftsstaat bzw. einem Leben dort entgegenstünde.

1.7 Überdies konnten die beschwerdeführenden Parteien nicht glaubhaft machen, dass sie mit den Behörden, der Polizei oder den Gerichten des Herkunftsstaates etwa wegen ihres Religionsbekenntnisses, ihrer ethnischen Zugehörigkeit oder aus politischen Gründen Probleme gehabt hätten.

Nach eigenen Angaben wurde der BF von einer Miliz bzw. von Angehörigen einer Miliz zu keinem Zeitpunkt persönlich bedroht oder verfolgt [BF1, AS 32].

Der BF1 hat überdies eine Zugehörigkeit zu einer politischen Partei im Herkunftsstaat in Abrede gestellt. Auch gelang es ihm nicht, darzutun, dass er im Herkunftsstaat an Demonstrationen sei es als bloßer Teilnehmer (wie vor dem BFA behauptet) sei es als Organisator (wie vor dem Bundesverwaltungsgericht behauptet) an Demonstrationen mitgewirkt hätte und deshalb inhaftiert worden wäre. Selbst bei Wahrunterstellung einer am 31.07.2015 erfolgten Festnahme kam nicht hervor, dass er nach seiner Freilassung mit der Polizei, den Verwaltungsbehörden oder den Gerichten des Herkunftsstaates noch ein Problem gehabt hätte. Mit der vom BF1 behaupteten Unterzeichnung einer Erklärung, nie mehr an Demonstrationen teilzunehmen, war die Angelegenheit für die staatlichen Behörden abgetan.

Die beschwerdeführenden Parteien hatten zu keinem Zeitpunkt Kontakt mit Angehörigen einer Miliz, namentlich der Miliz ASA¿IB AHL AL-HAQQ. Auch wurde kein Mitglied der beschwerdeführenden Familie je dazu angeworben, für diese oder eine andere (schiitische) Miliz oder den Islamischen Staat zu kämpfen. Auch sind keine Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die bfP (weitere) Berührungspunkte mit dieser oder einer anderen, im Herkunftsstaat aktiven Miliz gehabt hätten.

Ebenso konnte nicht festgestellt werden, dass auch nur einer der Beschwerdeführer mit Angehörigen derselben Glaubensrichtung oder einer anderen im Herkunftsstaat beheimateten Glaubensrichtungen Probleme gehabt hätte. Der BF1, der sich erstmals in der PV vor dem Bundesverwaltungsgericht als Atheist darzustellen versuchte, konnte dies nicht glaubhaft machen, zumal er dem VR auf die Frage "Gehören Sie einer Religionsgemeinschaft an?" ohne Beisetzung von Anmerkungen antwortete: "Ich bin schiitischer Muslim, auch meine Kinder sind schiitische Muslime" [PV des BF1 in Verhandlungsschrift vom 31.10.2019, S. 8f] und ist darin ein klares Bekenntnis zu dieser Religionsgemeinschaft zu erblicken. Gründe, warum er den später behaupteten Hang zum Atheismus nicht schon hier dartat, sind anlassbezogen nicht erkennbar.

Die von den bfP weiter vorgebrachten Bedrohungspunkte (Bedrohung durch die Familie der Ehegattin des BF1, einmal wegen der Ermordung von Verwandten seiner Ehegattin im Jahr 2014 und dann wieder wegen der religiösen Zugehörigkeit zu den Schiiten) konnten die bfP weder im Rahmen verwaltungsbehördlichen Ermittlungsverfahrens vor der belangten Behörde, noch in der am 31.10.2019 durchgeführten mündlichen Verhaltung als asylrelevante Bedrohungen glaubhaft machen.

Abschließend konnte nicht festgestellt werden, dass die beschwerdeführenden Parteien bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat aus in ihrer Person gelegenen Gründen oder aufgrund der allgemeinen Lage vor Ort der realen Gefahr einer Verletzung ihrer durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention geschützten Rechte, oder dass sie als Zivilpersonen einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes ausgesetzt wären.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem diesbezüglichen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

2.2. Zu den Personen der bfP und deren individuellen Situation

2.2.1. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität (Name und Geburtsdatum), Staats- und Religionszugehörigkeit, sowie zur Muttersprache der bfP getroffen wurden, beruhen diese auf dem diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt.

2.2.2. Zur individuellen Situation der beschwerdeführenden Parteien:

Die Feststellungen zu den familiären Verhältnissen der bfP beruhen auf den diesbezüglich glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung. Auf den Angaben des BF1 anlässlich seiner PV vor dem Bundesverwaltungsgericht beruht auch die Feststellung, dass dessen Ehegattin am 23.07.2016 in den Irak zurückgekehrt ist und sich dort seither aufhält. Seinen eigenen Familienstand, nämlich eine behauptete Ehescheidung, konnte der BF1 dagegen nicht glaubhaft machen. Zwar behauptete er in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, dass seine Ehegattin im Irak ein Jahr nach der Trennung, sohin im Juli 2017, die Scheidung eingereicht hätte und dass diese zwischenzeitig jemand anderen geheiratet haben soll [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 31.10.2019, S. 22], doch konnte er diese angebliche Ehescheidung nicht nachweisen. Das schon widerspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, da es Beschwerdeführern aus dem Irak notorisch gelingt, eine von einem staatlichen Gericht vollzogene Ehescheidung durch Vorlage des Scheidungsurteils bzw. Scheidungsvergleichs urkundlich nachzuweisen. In der Folge gab er an, dass er die Scheidungsdokumente deshalb nicht bekommen habe, da er von seiner Frau und seiner Familie als "Sünder oder Atheist" bezeichnet werde [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 31.10.2018, S. 22f]. Dafür gibt es jedoch keinen Anlass, zumal der BF1 weder seiner Ehegattin, noch deren im Irak aufhältigen Familie mitteilte, dass er sich ihnen jemals als Atheist zu erkennen gegeben hätte [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 31.10.2018, S. 20f]. Damit ist nicht nachvollziehbar, warum er von seiner Ehegattin und deren Familie verfolgt werden sollte. Darüber hinaus gab der BF1 anlässlich seiner am 30.08.2017 vor der belangten Behörde stattgehabten Einvernahme noch an, dass er verheiratet sei [BF1 in Niederschrift des BFA vom 30.08.2017, S. 6 unten]. Bei Wahrunterstellung seiner vor dem Bundesverwaltungsgericht gemachten Angaben soll die Scheidung zu diesem Zeitpunkt bereits vollzogen gewesen sein und hätte - bei Wahrunterstellung der Ehescheidung - seine Antwort schon vor der belangten Behörde anders lauten müssen, als dass er verheiratet sei. Dass jemand, dessen Ehe bereits im Jahr 2017 geschieden worden sein soll, die Scheidungsdokumente nicht innerhalb von zwei Jahren organisieren kann, vor allem, wenn sich die Mutter und die in der Stadtverwaltung tätige Schwester des BF1 und sein Freund noch in XXXX aufhalten und die Ehescheidung schon wegen des Aufenthaltes der Ehegattin des BF1 in XXXX vor einem do. Personenstandsgericht erfolgt sein konnte, erscheint dem erkennenden Gericht ebenfalls nicht glaubwürdig.

Dass er bezüglich der Scheidungsdokumente überaus vage und unbestimmt blieb und sich überdies in Widersprüche verstrickte, vermittelte er diesbezüglich dem erkennenden Gericht einen unglaubwürdigen persönlichen Gesamteindruck.

Die dazu getroffenen Feststellungen, dass es sich bei den bfP um schiitische Muslime handelt, gründet auf den Angaben des BF1 "Ich bin schiitischer Muslim, auch meine Kinder sind schiitische Muslime" auf die Frage des vorsitzenden Richters (in der Folge kurz: VR) "gehören Sie einer Religionsgemeinschaft an?", die er wörtlich wie folgt beantwortete [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 31.10.2019, S. 9 oben]. Mit diesen Angaben, die er sowohl bei seiner Einvernahme durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes [BF1, AS. 1 ], als auch vor der belangten Behörde konsistent machte [Niederschrift des BFA vom 30.08.2017, S. 7 Mitte], setzte er sich in einen eklatanten Widerspruch mit seinen erstmals vor dem BVwG erhobenen Behauptungen, dass er seit seiner Kindheit ungläubig und Atheist sei, er dies aber nie erwähnen würde [Ebda., S. 12]. Dass der BF1 seit seiner Kindheit ungläubig und Atheist wäre, erscheint dem Gericht schon deshalb unglaubwürdig, zumal er diese Behauptung erstmals vor dem Bundesverwaltungsgericht erhob und sich auch hier in eklatante Widersprüche verstrickte. Zudem handelt es sich hier um ein gesteigertes Vorbringen, das - abgesehen von den Widersprüchen, in die er sich verstrickte - insgesamt unglaubwürdig erscheint. Überdies hatte der BF1 zu keinem Zeitpunkt behauptet, eine religiös motivierte Behauptung oder Bedrohung erlitten zu haben.

Dagegen erweisen sich die Angaben des BF1 zur familiären Situation vor der Ausreise aus dem Irak als konsistent und daher glaubhaft. Demnach hatte der verheiratete BF1 sowohl vor dem BFA als auch vor dem Bundesverwaltungsgericht angegeben, dass er im Herkunftsstaat gearbeitet und dort zum Familieneinkommen beigetragen hätte, während seine Ehegattin keiner Berufstätigkeit nachging und als Hausfrau tätig war.

Dass der BF1 den Lebens- bzw. den Familienunterhalt im Irak aus seiner Erwerbstätigkeit bestreiten konnten, konnte aufgrund seiner Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, denen die belangte Behörde nicht entgegengetreten ist, festgestellt werden [PV des BF1 in der Verhandlungsniederschrift vom 31.10.2019, S. 10].

Auf dieser Quelle beruhen auch die Konstatierungen, dass er in einer Baufirma für Infrastruktur und Straßenbau im Irak tätig war und als Aufsichtsrat für den Transport und die Aufbringung des Asphalts zuständig war. Auf seinen Angaben beruhen auch die Feststellungen, dass er Aufsichtsrat in der Gesellschaft seiner Dienstgeberin war und als Gesellschafter des Unternehmens einen Gesellschaftsanteil in Höhe von 5% hielt [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 31.10.2019, S. 10 Mitte].

Die Konstatierung, dass die BF3 vor ihrer Heirat eine Schneiderlehre absolvierte und auch im erlernten Beruf arbeitete, gründet auf ihren diesbezüglichen Angaben vor dem BFA [BF3 in Niederschrift des BFA vom 03.10.2017, S. 4]. Diese Angaben wiederholte sie auch anlässlich ihrer PV vor dem Bundesverwaltungsgericht [PV der BF3 in Verhandlungsniederschrift vom 29.05.2019, S. 9 Mitte].

Die zum Gesundheitszustand des BF1 und der mj. BF3 getroffenen Feststellungen beruhen einerseits auf den Angaben des Erstbeschwerdeführers, andererseits auf den zur Vorlage gebrachten Arztbefunden und auf der gutachterlichen Stellungnahme des der PV der bfP am 31.10.2018 beigezogenen medizinischen Sachverständigen, MR XXXX. Aus seiner gutachterlichen Stellungnahme lässt sich auch ableiten, dass niemand der bfP an einer lebensbedrohlichen Erkrankung leidet. Auf dieser Quelle beruht auch die Konstatierung, dass auch das (einzig) beim BF1 diagnostizierte Asthma Bronchiale weder eine lebensbedrohliche Erkrankung darstellt, noch einer Rückschiebung der bfP in den Herkunftsstaat entgegensteht. Da die bfP den vom beigezogenen med. SV getroffenen Feststellungen nicht auf derselben fachlichen Ebene entgegengetreten sind, waren die entsprechenden Feststellungen zu treffen. Die Feststellung, dass der Rückschiebung nichts entgegensteht, war auch vor dem Gesichtspunkt der Angaben des BF1, dass er seit seiner Geburt am Asthma Bronchiale leide und seither bis zu seiner Ausreise aus dem Irak daran im Krankenhaus Al-Yarmuk in Bagdad behandelt wurde. Die bei der mj. BF3 bestandenen körperlichen Gebrechen, die teils medikamentös, teils operativ behoben wurden, sind aus der Sicht des dem Verfahren beigezogenen med. SV behoben und die mj. BF3 daher aus medizinischer Sicht als geheilt zu betrachten. Daraus und aus der Stellungnahme des dem Verfahren beigezogenen med. SV, ergibt sich die grundsätzliche Reisefähigkeit der bfP [BF1 und med. SV in Verhandlungsniederschrift vom 31.10.2019, S. 4ff].

2.3. Zur Ausreise, Reise und Einreise der beschwerdeführenden Parteien in Österreich und der darauffolgenden Asylantragstellung im Bundesgebiet:

Die Konstatierungen, dass die bfP am 11.11.2015 mit dem Bus von XXXX ausgehend in den Norden des Irak fuhren und in der Folge nach Ankara ausreisten, von hier aus nach Izmir, sowie von hier aus nach Griechenland, gründet auf den Angaben, die der BF1 am 28.12.2015 vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde gemacht hatte [BF1 in Niederschrift über die Erstbefragung vom 28.12.2015, S. 4, Pkt. 9.9].

Die Konstatierung, dass die bfP am 28.12.2015 einen Asylantrag stellten, ergibt sich aus dem Akteninhalt.

2.4. Zum Fluchtvorbringen der beschwerdeführenden Parteien:

Das Fluchtvorbringen der bfP stützt sich im Wesentlichen auf die diesbezüglichen Angaben des Erstbeschwerdeführers, der anlässlich seiner Erstbefragung vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde am 28.12.2015 zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates noch angegeben hatte, das Land deshalb verlassen zu haben, weil er von den Milizen bedroht worden sei. Sie hätten seinen Schwager und seinen Cousin getötet. Auch er sei von den Milizen entführt und mit dem Tod bedroht worden. Er habe die Drohung ernst genommen und deshalb das Land verlassen [BF1 in Erstbefragungsprotokoll vom 28.12.2015, S. 5 = AS 5; Pkt. 11.].

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Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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