TE Bvwg Beschluss 2020/5/4 W282 2219825-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.05.2020
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Entscheidungsdatum

04.05.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
B-VG Art133 Abs4
FPG §52
FPG §53
FPG §55
VwGVG §28 Abs3

Spruch

W282 2219825-1/5E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. Florian KLICKA, BA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Serbien, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Wolfgang WEBER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX :

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Am 14.09.2018 wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge auch kurz "Bundesamt") von der Bezirkshauptmannschaft XXXX (in Folge kurz "BH B.") mit Schreiben vom 05.09.2018 im Sinne des § 25 Abs. 1 NAG um Stellungnahme ersucht, ob betreffend die Beschwerdeführerin, eine serbische Staatsangehörige, aufenthaltsbeende Maßnahmen beabsichtigt wären. Hierzu führte sie begründend im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin sei seit XXXX 2011 im österreichischen Bundesgebiet aufhältig. Am XXXX 2012 sei der Beschwerdeführerin ein Erst-Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" erteilt worden, der in weiterer Folge zweimal verlängert worden sei. Am XXXX 2017 habe die Beschwerdeführerin bei der BH B. einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt - EU" eingebracht und zum Nachweis der Erfüllung der Integrationsprüfung des Moduls 2 ein gefälschtes Zertifikat vorgelegt. Vom Bezirksgericht XXXX sei sie daraufhin zu einer näher genannten Geldstrafe verurteilt worden. Weiters sei die Beschwerdeführerin vom Landesgericht für Strafsachen Wien am XXXX 2012 zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zwölf Monaten verurteilt worden.

2. Am 16.01.2019 wurde zur Überprüfung des Aufenthaltes der Beschwerdeführerin und zur Erlassung einer aufenthaltsbeenden Maßnahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine Einvernahme durchgeführt. In dieser gab die Beschwerdeführerin im Wesentlichen an, sie habe am XXXX 2017 einen Verlängerungsantrag gestellt, wobei sie bis dato keine Antwort erhalten habe. Die Beschwerdeführerin sei seit ungefähr acht Jahren in Österreich, wo ihr Ehemann, ihr Sohn, ihre Stieftochter und ihre Schwester leben würden. Weiters gehe sie seit ungefähr vier Jahren einer Erwerbstätigkeit nach. Betreffend ihre Verurteilungen führte die Beschwerdeführerin abschließend aus, sie bereue ihr Verhalten.

3. Mit Bescheid vom XXXX 2019 wurde der Beschwerdeführerin kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen und festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Serbien zulässig sei (Spruchpunkt I.-II.). Unter einem wurde gegen die Beschwerdeführerin ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.) und die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen aus, aufgrund der wiederholten Straffälligkeit bzw. neuerlichen Verurteilung und der daraus resultierenden neuen Sachlage - insbesondere im Hinblick auf die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung - sei das gegenständliche Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot eingeleitet worden. Der Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich sei seit XXXX 2017 rechtswidrig; auch ihr Beschäftigungsverhältnis sei ab diesem Zeitpunkt rechtswidrig. Weiters hielt das Bundesamt fest, dass vom Vorliegen eines schützenswerten Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK nicht auszugehen sei. Im Hinblick auf ihre gerichtlichen Verurteilungen habe die Beschwerdeführerin nicht ernsthaft damit rechnen können, dauerhaft im Bundesgebiet verbleiben zu können. Zur Begründung des Einreiseverbotes führte das Bundesamt aus, die Beschwerdeführerin stelle eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar.

4. Mit der am 03.06.2019 eingelangten Beschwerde erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid. Dabei brachte sie zusammengefasst vor, die behördliche Annahme, dass sie sich unrechtmäßig in Österreich aufhalte, sei unrichtig, zumal gemäß § 24 NAG ein Antragsteller bis zur rechtskräftigen Entscheidung über einen rechtzeitig gestellten Verlängerungsantrag weiterhin rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig sei. Die Stützung der Rückkehrentscheidung auf § 52 Abs. 1 Z 1 FPG sei daher verfehlt. Ebenso sei die Ausübung der Erwerbstätigkeit der Beschwerdeführerin rechtmäßig. Ferner lasse das Fehlverhalten der Beschwerdeführerin nicht den zwingenden Schluss zu, dass von ihr zukünftig eine Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit ausgehe. Betreffend die Integration der Beschwerdeführerin wurde ausgeführt, dass eine solche entgegen der behördlichen Annahme kaum gesteigert werden könne. Sie habe noch nie in Serbien gelebt und habe ihr gesamtes Leben zunächst in Deutschland und anschließend in Österreich verbracht. Weiters habe das Bundesamt die Interessen ihres österreichischen Kindes unzureichend berücksichtigt. Abschließend wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt und es wurden die Anträge gestellt, in der Sache selbst zu entscheiden und den bekämpften Bescheid zu beheben; in eventu den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt zurückzuverweisen.

5. Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 07.06.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

6. Mit Eingabe vom 19.11.2019 wurde das Vollmachtsverhältnis zu Rechtsanwalt Dr. Wolfgang WEBER bekanntgegeben und Meldezettel, Schulbesuchsbestätigungen, Lohn- und Gehaltsabrechnungen sowie Reisepass- und Personalausweiskopien in Vorlage gebracht.

7. Am 30.01.2020 langte ein weiterer Schriftsatz ein, der darauf verweist, dass die Vorverurteilung der Beschwerdeführerin bereits getilgt sei, weshalb ihr diese nicht mehr zur Last gelegt werden könne.

8. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 04.03.2020 wurde die Rechtssache der Gerichtsabteilung G304 abgenommen und der Gerichtsabteilung W282 neu zugewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die Beschwerdeführerin führt die im Spruch genannte Identität (Name und Geburtsdatum) und ist serbische Staatsangehörige. Sie wurde in Deutschland geboren und ist seit XXXX 2011 im österreichischen Bundesgebiet aufhältig. Sie ist mit einem österreichischen Staatsangehörigen, mit dem sie ein gemeinsames minderjähriges Kind hat, seit XXXX 2009 verheiratet.

1.2. Am XXXX 2012 wurde der Beschwerdeführerin ein Erst-Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" mit einer Gültigkeit bis XXXX 2013 erteilt. Dieser Aufenthaltstitel wurde jeweils am XXXX 2013 und XXXX 2014 (zuletzt mit einer Gültigkeit bis XXXX 2017) verlängert. Am XXXX 2017 hat die Beschwerdeführerin bei der BH B. einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt - EU" gestellt, über den noch nicht rechtskräftig entschieden wurde.

1.3. Am 14.09.2018 wurde das Bundesamt von der BH B. im Sinne des § 25 Abs. 1 NAG um Stellungnahme ersucht, ob betreffend die Beschwerdeführerin aufenthaltsbeende Maßnahmen beabsichtigt wären. Daraufhin wurde am 16.01.2019 zur Überprüfung des Aufenthaltes der Beschwerdeführerin und zur Erlassung einer aufenthaltsbeenden Maßnahme vor dem Bundesamt eine Einvernahme durchgeführt und mit Bescheid vom XXXX der Beschwerdeführerin kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen und festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Serbien zulässig sei. Unter einem wurde gegen die Beschwerdeführerin ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen und die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt. Begründend führte die belangte Behörde unter anderem aus, der Aufenthalt der Beschwerdeführerin sei seit XXXX 2017 rechtswidrig und sie stelle eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie in den Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichts:

2.1. Die Feststellungen zur Identität der Beschwerdeführerin, ihrer Staatsangehörigkeit, ihrem Familienstand und ihrem Aufenthalt im Bundesgebiet ergeben sich aus den dahingehenden unbedenklichen Angaben der Beschwerdeführerin in der Einvernahme vor dem Bundesamt, den vorgelegten Urkunden (insb. der Geburtsurkunde der Beschwerdeführerin [AS 93], der Heiratsurkunde [AS 43], der Geburtsurkunde ihres Sohnes [AS 53] und den weiteren Identitätsnachweisen [AS 55, 71-87]) und der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister.

2.2. Die Feststellungen zu den beantragten Aufenthaltstiteln stützen sich auf das Schreiben der BH B. vom 05.09.2018 (AS 3-5) sowie der Einsichtnahme in das Informationsverbundsystem Zentrale Fremdenregister vom 28.04.2020.

2.3. Der unter Punkt 1.3. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichts.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Rechtsgrundlagen:

3.1.1. Der mit "Rückkehrentscheidung" betitelte § 52 FPG lautet wie folgt:

"(1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre,

1a. nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Einreisetitels entgegengestanden wäre oder eine Voraussetzung gemäß § 31 Abs. 1 wegfällt, die für die erlaubte visumfreie Einreise oder den rechtmäßigen Aufenthalt erforderlich ist,

2. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

3. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

4. der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder

5. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.

Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" verfügt, hat das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.

(7) Von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 ist abzusehen, wenn ein Fall des § 45 Abs. 1 vorliegt und ein Rückübernahmeabkommen mit jenem Mitgliedstaat besteht, in den der Drittstaatsangehörige zurückgeschoben werden soll.

(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des § 16 Abs. 4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Liegt ein Fall des § 55a vor, so wird die Rückkehrentscheidung mit dem Ablauf der Frist für die freiwillige Ausreise durchsetzbar. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 28 Abs. 2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

(10) Die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 kann auch über andere als in Abs. 9 festgestellte Staaten erfolgen.

(11) Der Umstand, dass in einem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung deren Unzulässigkeit gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festgestellt wurde, hindert nicht daran, im Rahmen eines weiteren Verfahrens zur Erlassung einer solchen Entscheidung neuerlich eine Abwägung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG vorzunehmen, wenn der Fremde in der Zwischenzeit wieder ein Verhalten gesetzt hat, das die Erlassung einer Rückkehrentscheidung rechtfertigen würde."

3.1.2. Der mit "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" betitelte § 57 AsylG 2005 lautet wie folgt:

"(1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Abs. 3 und § 73 AVG gehemmt.

(3) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 2 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein Strafverfahren nicht begonnen wurde oder zivilrechtliche Ansprüche nicht geltend gemacht wurden. Die Behörde hat binnen sechs Wochen über den Antrag zu entscheiden.

(4) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 3 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO nicht vorliegt oder nicht erlassen hätte werden können."

3.1.3. Der mit "Antragstellung und amtswegiges Verfahren" betitelte § 58 AsylG 2005 lautet wie folgt:

(1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt,

4. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird oder

5. ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

(2) - (14) [...]"

3.1.4. Der mit "Verlängerungsverfahren" betitelte § 24 NAG lautet wie folgt:

"(1) Verlängerungsanträge (§ 2 Abs. 1 Z 11) sind vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels, frühestens jedoch drei Monate vor diesem Zeitpunkt, bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen; § 23 gilt. Danach gelten Anträge als Erstanträge. Nach Stellung eines Verlängerungsantrages ist der Antragsteller, unbeschadet der Bestimmungen nach dem FPG, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag weiterhin rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig. Über die rechtzeitige Antragstellung kann dem Fremden auf begründeten Antrag eine einmalige Bestätigung im Reisedokument angebracht werden, die keine längere Gültigkeitsdauer als drei Monate aufweisen darf. Diese Bestätigung berechtigt zur visumfreien Einreise in das Bundesgebiet. Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, Form und Inhalt der Bestätigung durch Verordnung zu regeln.

(2) Anträge, die nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels gestellt werden, gelten nur dann als Verlängerungsanträge, wenn

1. der Antragsteller gleichzeitig mit dem Antrag glaubhaft macht, dass er durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis gehindert war, rechtzeitig den Verlängerungsantrag zu stellen, und ihn kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, und

2. der Antrag binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses gestellt wird; § 71 Abs. 5 AVG gilt.

Der Zeitraum zwischen Ablauf der Gültigkeitsdauer des letzten Aufenthaltstitels und der Stellung des Antrages, der die Voraussetzungen der Z 1 und 2 erfüllt, gilt nach Maßgabe des bisher innegehabten Aufenthaltstitels als rechtmäßiger und ununterbrochener Aufenthalt.

(3) Fremden ist im Rahmen eines Verlängerungsverfahrens ein Aufenthaltstitel mit dem gleichen Aufenthaltszweck zu erteilen, wenn die Voraussetzungen für diesen weiterhin vorliegen.

(4) Mit einem Verlängerungsantrag (Abs. 1) kann bis zur Erlassung des Bescheides ein Antrag auf Änderung des Aufenthaltszwecks des bisher innegehabten Aufenthaltstitels oder auf Änderung des Aufenthaltstitels verbunden werden. Sind die Voraussetzungen für den beantragten anderen Aufenthaltszweck oder Aufenthaltstitel nicht erfüllt, ist darüber gesondert mit Bescheid abzusprechen und der bisherige Aufenthaltstitel mit dem gleichen Aufenthaltszweck zu verlängern, soweit die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen.

(5) Stellt der Fremde entgegen § 9 Abs. 5 Z 3 IntG einen weiteren Verlängerungsantrag, hat die Behörde den Antrag ohne weiteres abzuweisen."

3.1.5. Der mit "Verfahren im Fall des Fehlens von Erteilungsvoraussetzungen für die Verlängerung eines Aufenthaltstitels" betitelte § 25 NAG lautet wie folgt:

"(1) Fehlen in einem Verfahren zur Verlängerung des Aufenthaltstitels Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 11 Abs. 1 und 2, so hat die Behörde - gegebenenfalls nach Einholung einer Stellungnahme des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl - den Antragsteller davon in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass eine Aufenthaltsbeendigung gemäß §§ 52 ff. FPG beabsichtigt ist und ihm darzulegen, warum dies unter Bedachtnahme auf den Schutz seines Privat- oder Familienlebens (§ 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012) zulässig scheint. Außerdem hat sie ihn zu informieren, dass er das Recht hat, sich hiezu binnen einer gleichzeitig festzusetzenden, 14 Tage nicht unterschreitenden Frist zu äußern. Nach Ablauf dieser Frist hat die Behörde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl - gegebenenfalls unter Anschluss der Stellungnahme des Fremden - zu verständigen. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG gehemmt.

(2) Erwächst eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, ist das Verfahren über den Verlängerungsantrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels formlos einzustellen. Das Verfahren ist im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung auf Antrag des Fremden fortzusetzen, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird. Ist eine Aufenthaltsbeendigung unzulässig, hat die Behörde einen Aufenthaltstitel mit dem gleichen Zweckumfang zu erteilen.

(3) Fehlen in einem Verfahren zur Verlängerung eines Aufenthaltstitels besondere Erteilungsvoraussetzungen des 2. Teiles, hat die Behörde den Antrag ohne weiteres abzuweisen."

3.1.6. Der mit "Zweckänderungsverfahren" betitelte § 26 NAG lautet wie folgt:

"Wenn der Fremde den Aufenthaltszweck während seines Aufenthalts in Österreich ändern will, hat er dies der Behörde im Inland unverzüglich bekannt zu geben. Eine Zweckänderung ist nur zulässig, wenn der Fremde die Voraussetzungen für den beantragten Aufenthaltstitel erfüllt und ein gegebenenfalls erforderlicher Quotenplatz zur Verfügung steht. Sind alle Voraussetzungen gegeben, hat der Fremde einen Rechtsanspruch auf Erteilung dieses Aufenthaltstitels. Liegen die Voraussetzungen nicht vor, ist der Antrag abzuweisen; die Abweisung hat keine Auswirkung auf das bestehende Aufenthaltsrecht."

3.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich:

3.2.1. Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt und gemäß Z 10 leg. cit. als Drittstaatsangehöriger jeder Fremder der nicht EWR-Bürger oder Schweizer Bürger ist.

Die Beschwerdeführerin ist aufgrund ihrer serbischen Staatsangehörigkeit demnach Fremde iSd § 2 Abs. 4 Z 1 FPG und Drittstaatsangehörige iSd § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.

Gemäß § 31 Abs. 1 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthaltes im Bundesgebiet die Befristung oder Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthaltes oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben (Z 1), oder sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder eine Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder aufgrund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind (Z 2).

Das Bundesamt begründete die Rückkehrentscheidung im Wesentlichen damit, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerin unrechtmäßig sei (vgl. S. 20, 23, 25, 29 des angefochtenen Bescheides; siehe auch Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides, der sich ausdrücklich auf § 52 Abs. 1 Z 1 FPG stützt). Wie in der Beschwerde zutreffend erkannt wurde, übersieht das Bundesamt dabei allerdings Folgendes:

Nach § 24 Abs. 1 dritter Satz NAG ist der Antragsteller nach Stellung eines Verlängerungsantrages, unbeschadet der Bestimmungen nach dem FPG, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag weiterhin rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig.

Die Beschwerdeführerin hat am XXXX 2017 - somit kurz vor Ablauf ihres bis zum XXXX 2017 innegehabten Aufenthaltstitels - einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt - EU" gestellt.

Ein kurz vor Ablauf des innegehabten Aufenthaltstitels gestellter Antrag auf Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels bezweckt sowohl die Verlängerung des Aufenthaltsrechts in Österreich als auch den Umstieg auf einen anderen Aufenthaltstitel. Ein derartiger Antrag ist daher nicht als bloßer Zweckänderungsantrag, sondern als Verlängerungsantrag im Sinne von § 2 Abs. 1 Z 11 und § 24 Abs. 4 NAG anzusehen (vgl. VwGH 31.01.2013, 2011/23/0499, mwN; vgl. auch VwGH 27.07.2017, Ra 2017/22/0060).

Der am XXXX 2017 gestellte Antrag der Beschwerdeführerin stellt im Hinblick auf die obigen Ausführungen sohin einen Verlängerungsantrag nach § 2 Abs. 1 Z 11 und § 24 Abs. 4 NAG dar. Dass über diesen Antrag im Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung bereits rechtskräftig entschieden worden wäre, ist dem Verwaltungsakt nicht zu entnehmen und wurde vom Bundesamt auch nicht festgestellt. Vielmehr wurde der Beschwerdeführerin in der niederschriftlichen Einvernahme die Frage gestellt, warum sie hinsichtlich ihres Antrages bis dato noch keine Antwort erhalten habe (vgl. S. 2 der Niederschrift), und stellte das Bundesamt in seiner Entscheidung fest, die Beschwerdeführerin habe einen Antrag auf Erteilung eines "Daueraufenthaltes - EU" eingebracht (vgl. S. 9 des angefochtenen Bescheides), ohne jedoch festzustellen, dass darüber bereits rechtskräftig entschieden worden wäre.

In weiterer Folge verkannte die belangte Behörde die Rechtslage, indem sie annahm, die Beschwerdeführerin befinde sich seit Ablauf der Gültigkeit des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels nicht mehr rechtmäßig im Bundesgebiet (vgl. hierzu jedoch die Bestimmungen nach § 24 Abs. 1 dritter Satz NAG). Dabei übersah das BFA, dass aufgrund des am XXXX 2017 gestellten Antrages der Beschwerdeführerin, der als Verlängerungsantrag zu werten ist, die Beschwerdeführerin bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag weiterhin rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig ist. Eine solche rechtskräftige Entscheidung über diesen ist dem Verwaltungsakt und dem Zentralen Fremdenregister bis dato allerdings nicht zu entnehmen.

Soweit das Bundesamt wiederholt darauf verweist, dass die Beschwerdeführerin bei ihrem Antrag auf Verlängerung eine gefälschte Urkunde vorgelegt hat, ist festzuhalten, dass ein rechtmäßiger Aufenthalt auch nicht durch allfällige strafrechtliche Verurteilungen unrechtmäßig wird (vgl. VwGH 27.01.2015, 2013/22/0293).

Die Erlassung einer auf § 52 Abs. 1 FPG gestützten Rückkehrentscheidung und eines damit nach § 53 FPG verbundenen Einreiseverbotes stellt sich daher als nicht zulässig dar. Vielmehr hätte das Bundesamt die Voraussetzungen nach Maßgabe des § 52 Abs. 4 FPG prüfen müssen (siehe dazu die weiteren Ausführungen unter Pkt. II.3.2.2.2.).

Da auch die Prüfung der Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 das Vorliegen eines unrechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet voraussetzt (siehe § 58 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005; Pkt. II.3.1.3.), erweist sich folglich auch Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides als rechtswidrig.

Im Hinblick auf die Rechtswidrigkeit der Rückkehrentscheidung erweisen sich des Weiteren die damit zusammenhängenden Aussprüche über die Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat (Spruchpunkt II.) und über die Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV.) ebenso als rechtswidrig.

Letztlich erweist sich auch - wie bereits angeführt - das in Spruchpunkt III. erlassene Einreiseverbot (in der Dauer von fünf Jahren) als rechtswidrig, und zwar schon allein deshalb, weil sich die gleichzeitig erlassene Rückkehrentscheidung als rechtswidrig erwiesen hat und ein Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 1 FPG nur im Zusammenhalt mit einer Rückkehrentscheidung erlassen werden kann.

3.2.2. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Nach § 28 Abs. 2 leg. cit. hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen und die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, allerdings mit dem Unterschied, dass die Notwendigkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 28 Abs. 3 VwGVG nicht erforderlich ist (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren 2013, § 28 VwGVG, Anm. 11.)

§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat. Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu der vergleichbaren Bestimmung des § 66 Abs. 2 AVG ergibt sich, dass nur Mängel der Sachverhaltsfeststellung d.h. im Tatsachenbereich zur Behebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit berechtigen (vgl. VwGH 19.11.2009, 2008/07/0168).

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit den Erkenntnissen vom 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315 und Zl. 2000/20/0084, grundsätzliche Ausführungen zur Anwendbarkeit des § 66 Abs. 2 AVG im Asylverfahren im Allgemeinen und durch den Unabhängigen Bundesasylsenat im Besonderen getätigt. Dabei hat er im letztgenannten insbesondere ausgeführt: "Bei der Abwägung der für und gegen eine Entscheidung gemäß § 66 Abs. 2 AVG sprechenden Gesichtspunkte muss nämlich auch berücksichtigt werden, dass das Asylverfahren nicht nur möglichst kurz sein soll. Zur Sicherung seiner Qualität hat der Gesetzgeber einen Instanzenzug vorgesehen, der zur belangten Behörde und somit zu einer gerichtsähnlichen, unparteilichen und unabhängigen Instanz als besonderem Garanten eines fairen Asylverfahrens führt (vgl. bereits das Erkenntnis vom 16. April 2002, Zl. 99/20/0430). Die der belangten Behörde in dieser Funktion schon nach der Verfassung zukommende Rolle einer obersten Berufungsbehörde (Art. 129c 1 B-VG) wird aber ausgehöhlt und die Einräumung eines Instanzenzuges zur bloßen Formsache degradiert, wenn sich das Asylverfahren einem eininstanzlichen Verfahren vor der Berufungsbehörde nähert, weil es das Bundesasylamt ablehnt, auf das Vorbringen sachgerecht einzugehen und brauchbare Ermittlungsergebnisse in Bezug auf die Verhältnisse im Herkunftsstaat in das Verfahren einzuführen. Diese über die Unvollständigkeit der Einvernahme hinausgehenden Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens sprechen auch bei Bedachtnahme auf die mögliche Verlängerung des Gesamtverfahrens unter dem Gesichtspunkt, dass eine ernsthafte Prüfung des Antrages nicht erst bei der "obersten Berufungsbehörde" beginnen und zugleich - abgesehen von der im Sachverhalt beschränkten Kontrolle der letztinstanzlichen Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof - bei derselben Behörde enden soll, für die mit der Amtsbeschwerde bekämpfte Entscheidung."

In seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063-4 hat der Verwaltungsgerichtshof zuletzt in Hinblick auf die nach § 28 Abs. 3 VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit ausgesprochen, dass prinzipiell eine meritorische Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte bestehe und von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen beziehungsweise besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden könne. Diesbezüglich führte er aus, dass eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen insbesondere dann in Betracht komme, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gelte, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden.

3.2.2.1. Der Verwaltungsgerichtshof judiziert in mittlerweile ständiger Rechtsprechung, dass das Verwaltungsgericht prinzipiell nicht nur die gegen einen verwaltungsbehördlichen Bescheid eingebrachte Beschwerde, sondern auch die Angelegenheit zu erledigen hat, die von der Verwaltungsbehörde zu entscheiden war (vgl. VwGH 30.01.2019, Ra 2018/03/0131, mwN). Eine Auslegung des § 27 VwGVG dahingehend, dass die Prüfbefugnis der Verwaltungsgerichte stark eingeschränkt zu verstehen wäre, ist demnach unzutreffend (vgl. VwGH 09.09.2015, Ra 2015/03/0019, mit Hinweis auf VwGH 17.12.2014, Ro 2014/03/0066). Allerdings stellt die "Sache" des bekämpften Bescheides den äußersten Rahmen für die Prüfbefugnis des Verwaltungsgerichts dar. "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ist jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat (vgl. VwGH 17.10.2019, Ro 2019/18/0005, mwN).

3.2.2.2. Im vorliegenden Fall hätte das Bundesamt für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung das Vorliegen der Voraussetzungen nach Maßgabe des § 52 Abs. 4 FPG in Verbindung mit den darin genannten Bestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) prüfen müssen. Dabei hat es jedoch gegenständlich jegliche Ermittlungen zum Vorliegen der Voraussetzungen dafür unterlassen und auch keine Feststellungen dazu getroffen. Das Bundesamt hat es somit unterlassen, den relevanten Sachverhalt zu ermitteln und festzustellen bzw. bloß ansatzweise ermittelt.

Unter Bezugnahme auf die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unter Pkt. II.3.2.2.1. ist es nach Ansicht des erkennenden Gerichts diesem gegenständlich nicht verwehrt, bei Verneinung der Voraussetzungen des § 52 Abs. 1 Z 1 FPG die Voraussetzungen des Abs. 4 leg. cit. zu prüfen; ein sogenannter "Umstieg" auf § 52 Abs. 4 FPG wäre sohin grundsätzlich möglich (vgl. die Entscheidung des VwGH vom 20.10.2016, Ra 2016/21/0289, der ein Erkenntnis des BVwG zugrunde lag, mit welchem eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 4 Z 4 FPG (und somit nicht wie vom Bundesamt nach § 52 Abs. 1 Z 1 FPG) erlassen wurde. Jenes Erkenntnis wurde vom VwGH zwar wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, allerdings nicht aus dem Grund, dass das BVwG die "Sache" des Beschwerdeverfahrens überschritten hätte. Vgl. dazu insb. Rz 7: "Das BVwG erkannte daher zutreffend, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen den Revisionswerber als rechtmäßig aufhältigen Drittstaatsangehörigen nicht (wie vom BFA) auf § 52 Abs. 1 Z 1 FPG gegründet werden konnte, sondern nur unter den Bedingungen des § 52 Abs. 4 Z 4 FPG zulässig wäre.")

Da das Bundesamt den Sachverhalt gegenständlich jedoch nicht ordnungsgemäß ermittelt hat, trotz Kenntnis vom Verlängerungsantrag der BF diesen unberücksichtigt gelassen hat und insbesondere infolge einer unzutreffenden Rechtsansicht in eine falsche Richtung ermittelt hat, ist auf der Grundlage des bisherigen Beweisverfahrens die rechtliche Beurteilung des Sachverhalts nicht möglich; dieser ist vielmehr in wesentlichen Teilen ergänzungsbedürftig.

Die Voraussetzungen für eine Sachentscheidung durch das Gericht liegen in einer Gesamtschau somit nicht vor, weil es weder zu einer Kostenersparnis noch zu einer Verfahrensbeschleunigung führt, wenn das erkennende Gericht die notwendigen Erhebungen selbst vornimmt, zumal das Bundesamt - wie bereits ausgeführt - in eine falsche Richtung ermittelte. Es liegt auch nicht im Sinne des Gesetzes, wenn das Bundesverwaltungsgericht erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und beurteilt, sodass es seine umfassende Kontrollbefugnis nicht wahrnehmen kann. Eine ernsthafte Prüfung des Sachverhaltes soll nicht erst beim Bundesverwaltungsgericht beginnen und - bis auf die eingeschränkte Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts - zugleich enden.

Der angefochtene Bescheid ist somit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt zurückzuverweisen. Das Bundesamt wird im fortgesetzten Verfahren zu prüfen haben, ob die Voraussetzungen für eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 4 FPG erfüllt sind, und der Beschwerdeführerin Gelegenheit zur Stellungnahme dazu geben.

3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Da auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entfallen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

In der Beschwerde findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben. Die Entscheidung folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Ermittlungspflicht individuelle Verhältnisse Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W282.2219825.1.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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