TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/4 W261 2228585-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.05.2020
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Entscheidungsdatum

04.05.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W261 2228585-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS als Vorsitzende und die Richterin Mag. Karin RETTENHABER-LAGLER sowie den fachkundigen Laienrichter Herbert PICHLER als Beisitzerin und Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch NEMETSCHKE HUBER KOLOSEUS Rechtsanwälte GmbH, gegen den gemäß § 45 Abs. 2 BBG in Form der Ausstellung eines Behindertenpasses ergangenen Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 13.11.2019, in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 17.01.2020, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Dem Beschwerdeführer wurde erstmals im Jahr 2017 vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (auch Sozialministeriumservice, in der Folge belangte Behörde) ein Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H. ausgestellt. Dies erfolgte aufgrund der festgestellten Leiden "1. Versteiftes Sprunggelenk links" (Einzelgrad der Behinderung 40 v.H.), "2. Osteomyelitis (Knocheneiterung)" (Einzelgrad der Behinderung 40 v.H.) und "3. Periphere arterielle Verschlusskrankheit, Venenbypass am linken Unterschenkel" (Einzelgrad der Behinderung 20 v.H.). Der Behindertenpass wurde befristet ausgestellt, da die untersuchende orthopädische Sachverständige aufgrund der wahrscheinlichen Besserung des Leidens 2 nach Abheilen der Infektion eine Nachuntersuchung im August 2018 empfahl.

Im Jahr 2018 wurde der Beschwerdeführer daraufhin abermals untersucht. Aufgrund der festgestellten Funktionseinschränkungen "1. Osteomyelitis (Knocheneiterung)" (Einzelgrad der Behinderung 40 v.H.), 1. Versteiftes Sprunggelenk links" (Einzelgrad der Behinderung 40 v.H.), "3. Sensomotorisches Neuropathiesyndrom an den unteren Extremitäten" (Einzelgrad der Behinderung 30 v.H.) und "4. Periphere arterielle Verschlusskrankheit, Venenbypass am linken Unterschenkel" (Einzelgrad der Behinderung 20 v.H.) stellte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer in Folge einen Behindertenpass mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 60 v.H. und der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" aus. Weiters stellte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer einen Ausweis gemäß § 29 b Straßenverkehrsordnung (StVO) (Parkausweis) aus. Sowohl der Behindertenpass als auch der Parkausweis wurden bis 31.10.2019 befristet, da eine Besserung des Osteomyelitis-Leidens möglich und in diesem Zusammenhang eine Neuevaluierung der Zusatzeintragung vorzunehmen sei.

Mit Schreiben vom 03.06.2019 teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit, dass sein Behindertenpass mit der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den nächsten Monaten ablaufen werde. Falls er Interesse an einer Neuausstellung des Behindertenpasses habe, werde er gebeten, den beiliegenden Antrag auszufüllen, zu unterschreiben und mit den entsprechenden Unterlagen an die belangte Behörde zu retournieren.

Der Beschwerdeführer stellte daraufhin am 08.07.2019 einen Antrag auf Neuausstellung des Behindertenpasses und legte ein Konvolut an medizinischen Unterlagen bei.

Die belangte Behörde holte zur Überprüfung des Antrages ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie ein. In dem auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 21.08.2019 basierenden Gutachten vom 23.09.2019 wurden die Funktionseinschränkungen "1. Sprunggelenk links: Ankylosierung (Versteifung)", "2. Polyneuropathie beide untere Extremitäten: sensomotorisches Neuropathiesyndrom", "3. "Periphere arterielle Verschlusskrankheit, Zustand nach Venenbypass linker Unterschenkel" und "4. Handgelenk links: beginnende Arthrose" mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. eingestuft. Im Vergleich zum Vorgutachten sei eine einschätzungsrelevante Veränderung eingetreten. Klinisch würden keine rezenten erhöhten Aktivitätszeichen der Osteomyelitis bestehen, neue Befunde würden nicht vorliegen. Leiden 4 werde neu in die Einschätzung aufgenommen. Der Gesamtgrad der Behinderung ändere sich im Vergleich zum Vorgutachten, da das vormalige Leiden 1, Osteomyelitis, weder klinisch durch Aktivitätszeichen noch durch Befunde belegt sei. Es handle sich um einen Dauerzustand. Die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass würden nicht vorliegen.

Die belangte Behörde übermittelte dem Beschwerdeführer das Sachverständigengutachten mit Schreiben vom 25.09.2019 im Rahmen des Parteiengehörs und räumte ihm eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme ein.

Mit Schreiben vom 02.10.2019 gab der Beschwerdeführer eine Stellungnahme ab. Darin brachte er im Wesentlichen vor, das Zurücklegen einer Wegstrecke von 300 bis 400 Metern zum Erreichen eines öffentlichen Verkehrsmittels sei ihm nicht möglich, da sich sein Zustand eher verschlechtert habe. Der Behindertenparkplatz sei sehr wichtig für ihn, da der PKW die einzige Form der Mobilität für ihn darstelle. Seine Ehefrau sei nach einem Schlaganfall halbseitig gelähmt und befinde sich in einem Pflegeheim, wo sie der Beschwerdeführer jeden Tag besuche, um ihr bei der Nahrungsaufnahme zu helfen. Der Beschwerdeführer schloss der Stellungnahme einen orthopädischen Befundbericht vom 02.10.2019 an.

Aufgrund der Einwendungen des Beschwerdeführers ersuchte die belangte Behörde den bereits befassten orthopädischen Sachverständigen um eine ergänzende Stellungnahme. In seiner Stellungnahme vom 05.11.2019 führte dieser im Wesentlichen aus, dass aus dem nachgereichten Befund nur die bereits bekannten Diagnosen ersichtlich seien. Es würden keine neuen radiologischen Befunde vorliegen, eine klinische Untersuchung oder ein fachärztlicher Status zum Vergleich werde im vorgelegten Befund nicht angeführt und als Therapie nur eine Empfehlung ausgesprochen. Im Sachverständigengutachten vom 23.09.2019 seien die subjektiven Angaben des Beschwerdeführers und die objektiven Befunde erfasst worden und in der Einschätzung auch die Schmerzsymptomatik mit der notwendigen medikamentösen Therapie berücksichtigt worden. Aus den Einwänden des Beschwerdeführers und dem nachgereichten Schreiben seien daher keine neuen Erkenntnisse zu gewinnen. Zusammenfassend ergebe sich somit keine Änderung im Gutachten hinsichtlich der Einschätzungen und der Feststellungen zur Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.

Unter Zugrundelegung des ärztlichen Sachverständigengutachtens und der ergänzenden Stellungnahme stellte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 13.11.2019 einen Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H. aus. Diesem ausgestellten Behindertenpass kommt gemäß der Bestimmung des § 45 Abs. 2 BBG Bescheidcharakter zu. Über die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" sowie den Ausweis gemäß § 29 b Straßenverkehrsordnung (StVO) (Parkausweis) ergingen keine Entscheidungen der belangten Behörde.

Gegen diesen in Form der Ausstellung eines Behindertenpasses ergangenen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und schloss ein Schreiben eines Facharztes für Chirurgie und Gefäßchirurgie vom 27.11.2019 an, in welchem unter anderem ausgeführt wurde, dass der Beschwerdeführer nur mit Hilfe von Stützkrücken maximal 100 Meter zurücklegen könne. Es werde ersucht, dem Beschwerdeführer die "entsprechende Plakette im Kfz bzw. einen Behindertenparkplatz" zu genehmigen.

Die belangte Behörde holte in weiterer Folge ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Orthopädie ein. In dem auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 19.12.2019 erstatteten Gutachten vom 13.01.2020 stellte die medizinische Sachverständige die Funktionseinschränkungen "1. Versteifung linkes Sprunggelenk", "2. Polyneuropathie beide untere Extremitäten, sensomotorisches Neuropathiesyndrom", "3. "Periphere arterielle Verschlusskrankheit, Zustand nach Venenbypass linker Unterschenkel", "4. Chronisch venöse Insuffizienz" und "5. Arthrose der Hand- und Fingergelenke" mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. fest. Im Vergleich zum Vorgutachten vom 02.10.2018 habe sich das vormalige Leiden 1 gebessert, da derzeit kein Hinweis auf eine Aktivität der Osteomyelitis bestehe. Im Vergleich zum Vorgutachten vom 23.09.2019 werde das Arthroseleiden neu bezeichnet und die chronisch venöse Insuffizienz neu in die Einschätzung aufgenommen. Das im Rahmen der Beschwerde vorgelegte Schreiben des Facharztes für Chirurgie und Gefäßchirurgie bestätige bekannte Diagnosen, eine maßgebliche Verschlimmerung sei dem Befund nicht zu entnehmen. Das Ausmaß der Polyneuropathie ohne erhebliche Gangbildbeeinträchtigung könne eine Einschränkung der Gehstrecke auf etwa 100 Meter nicht ausreichend begründen. Der im Rahmen der persönlichen Untersuchung vorgelegte Röntgenbefund des Sprunggelenkes vom 19.12.2019 bringe keine neuen Informationen, sodass an den getroffenen Einstufungen festgehalten werde. Die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" würden nicht vorliegen.

Die belangte Behörde erließ in weiterer Folge die Beschwerdevorentscheidung vom 17.01.2020, wonach die Beschwerde abgewiesen wurde.

Der Beschwerdeführer brachte am 06.02.2020, vertreten durch NEMETSCHKE HUBER KOLOSEUS Rechtsanwälte GmbH, fristgerecht einen Vorlageantrag ein. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen 77-jährigen Mann handle, der bereits seit Jahren an zahlreichen Einschränkungen und Leiden des Bewegungsapparates leide. Es sei nicht im Entferntesten nachvollziehbar, weshalb die insgesamt mit 120% festgestellten Leiden insgesamt lediglich 50% Gesamtgrad der Behinderung ergeben sollten. Es sei ebenso nicht ersichtlich, wie nun eineinhalb Jahre nach der letzten Begutachtung die Leiden, die damals zu einer Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel geführt hätten, sich plötzlich soweit verbessert haben sollten, dass beim Beschwerdeführer nunmehr die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sein sollte. Insoweit nun im Sachverständigengutachten vom 13.01.2020 festgehalten werde, dass das Schreiben des Facharztes für Chirurgie und Gefäßchirurgie vom 27.11.2019 lediglich bekannte Diagnosen bestätige und keine maßgebliche Verschlimmerung des Zustandes enthalte, sei dem entgegenzuhalten, dass allein die bereits 2018 diagnostizierten Gesundheitsschädigungen des Beschwerdeführers zu einer Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel geführt hätten und eine Verschlimmerung des Zustandes daher überhaupt nicht erforderlich sei, um weiterhin von einer Unzumutbarkeit auszugehen. Der Beschwerdeführer sei nicht in der Lage, eine Strecke von mehr als 100 Metern zurückzulegen und benötige dafür zudem Stützkrücken, sodass der Transport von Einkäufen nicht möglich sei. Darüber hinaus lebe er in einer Gasse, die äußerst abschüssig ist und müsse zum Erreichen des nächsten öffentlichen Verkehrsmittels eine Wegstrecke von etwa 400 Metern steil bergab bzw. bergauf gehen, was ihm nicht möglich und nicht zumutbar sei. Dem Beschwerdeführer sei es außerdem nicht möglich, seine Ehefrau im Pflegeheim mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu besuchen. Die seitens der belangten Behörde durchgeführten Untersuchungen würden einen äußerst oberflächlichen Eindruck machen und hätten sich offenkundig mit dem tatsächlichen Leidensbild des Beschwerdeführers nicht ausreichend auseinandergesetzt. Insbesondere das Sachverständigengutachten vom 13.01.2020, basierend auf einer persönlichen Untersuchung am 19.12.2019, sei vollkommen ungeeignet, den Entzug der begehrten Zusatzeintragung argumentativ und fachlich zu tragen. Es werde die Einholung von Sachverständigengutachten aus dem Bereich Orthopädie/orthopädische Chirurgie und Gefäßchirurgie sowie die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung beantragt. Dem Schreiben wurden die bereits zuvor vorgelegten Befunde vom 02.10.2019 und 27.11.2019 angeschlossen und keine neuen medizinischen Befunde vorgelegt.

Die belangte Behörde legte den Aktenvorgang dem Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) mit Schreiben vom 14.02.2020 vor, wo dieser am selben Tag einlangte.

Das BVwG führte am 07.04.2020 eine Abfrage im Zentralen Melderegister durch, wonach der Beschwerdeführer österreichischer Staatsangehöriger ist und seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland hat.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Antrag auf Neuausstellung bzw. Verlängerung des befristeten Behindertenpasses langte am 08.07.2019 bei der belangten Behörde ein.

Der Beschwerdeführer erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz im Inland und besitzt einen Behindertenpass.

Ausmaß der Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers:

Allgemeinzustand: gut. Ernährungszustand: gut.

Größe: 178,00 cm Gewicht: 82,00 kg Blutdruck: 220/110

Klinischer Status - Fachstatus:

Caput/Collum: klinisch unauffälliges Hör- und Sehvermögen. Thorax: symmetrisch, elastisch.

Atemexkursion seitengleich, sonorer Klopfschall, VA. HAT rein, rhythmisch. Abdomen: klinisch unauffällig, keine pathologischen Resistenzen tastbar, kein Druckschmerz. Integument: unauffällig.

Schultergürtel und beide oberen Extremitäten:

Rechtshänder. Der Schultergürtel steht horizontal, symmetrische Muskelverhältnisse. Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird bds. Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger als gestört angegeben. Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden. Handgelenke bds: Narbe nach CTS OP bds, ggr. Umfangsvermehrung, keine Überwärmung. Mäßige Polyarthrose der Fingergelenke mit eingeschränktem Faustschluss, FKHA 2-3cm. Opponensfunktion nicht eingeschränkt. Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig. Aktive Beweglichkeit: Schultern, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung frei, Handgelenke, Daumen und Langfinger seitengleich endlagig eingeschränkt beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist komplett, Fingerspreizen beidseits unauffällig, die grobe Kraft in etwa seitengleich, Tonus und Trophik unauffällig. Nacken- und Schützengriff sind endlagig eingeschränkt durchführbar.

Becken und beide unteren Extremitäten:

Freies Stehen sicher möglich, Zehenballengang und Fersengang nicht möglich. Der Einbeinstand ist mit Anhalten rechts möglich, links nicht möglich. Die tiefe Hocke ist nicht möglich. Die Beinachse ist im Lot. Annähernd symmetrische Muskelverhältnisse. Beinlänge nicht ident, links minus 2cm. Die Durchblutung ist ungestört, deutliches Ödem linker Unterschenkel bis Fuß, periphere Pulse links nicht tastbar, keine sichtbaren Varizen, die Sensibilität wird von den Kniegelenken abwärts zunehmend als gestört angegeben. Sprunggelenk links: in Mittelstellung versteift. Umfang geringgradig vermehrt, keine Entzündungszeichen, keine Fistel. Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig. Aktive Beweglichkeit: Hüften S0/0/100, IR/AR 10/0/30, Knie 0/0/130, Sprunggelenke: links in Mittelstellung verstieft, rechts nicht eingeschränkt, Zehen sind annähernd frei beweglich. Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits bis 60° bei KG 5 möglich.

Wirbelsäule:

Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet. Mäßig Hartspann. Kein Klopfschmerz über der Wirbelsäule, ISG und Ischiadicusdruckpunkte sind frei.

Aktive Beweglichkeit: HWS: in allen Ebenen frei beweglich. BWS/LWS: FBA: 20cm, in allen Ebenen frei beweglich. Lasegue bds. negativ, Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar.

Gesamtmobilität - Gangbild:

Kommt selbständig gehend mit orthopädischen Schuhen mit 2 Unterarmstützkrücken, das Gangbild ist mit Anhalten mäßig links hinkend. Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt.

Status Psychicus:

Allseits orientiert, Merkfähigkeit, Konzentration und Antrieb unauffällig, Stimmungslage ausgeglichen.

Beim Beschwerdeführer bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

- Versteifung linkes Sprunggelenk

- Polyneuropathie beide untere Extremitäten, sensomotorisches Neuropathiesyndrom

- Periphere arterielle Verschlusskrankheit, Zustand nach Venenbypass linker Unterschenkel

- Chronisch venöse Insuffizienz

- Arthrose der Hand- und Fingergelenke

Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt aktuell 50 v. H.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen hinsichtlich der Antragsstellung und zum Behindertenpass basieren auf dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland basieren auf dem vom BVwG eingeholten Auszug aus dem Zentralen Melderegister.

Der Gesamtgrad der Behinderung gründet sich auf das seitens der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Orthopädie vom 13.01.2020, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 19.12.2019. Darin wird auf die Art der Leiden des Beschwerdeführers und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Die Gutachterin setzt sich auch umfassend und nachvollziehbar mit den vorgelegten Befunden sowie mit der Frage der wechselseitigen Leidensbeeinflussungen und dem Zusammenwirken der zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen auseinander. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf den vom Beschwerdeführer vorgelegten sowie im Rahmen der persönlichen Untersuchung erhobenen Befunden, entsprechen auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen; die Gesundheitsschädigungen wurden nach der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.

Im Vergleich zum orthopädischen Vorgutachten vom 23.09.2019, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 21.08.2019, das dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegt wurde, ist die Arthrose der Hand- und Fingergelenke nunmehr befundmäßig nicht nur im linken Handgelenk belegt, weshalb die Einstufung nicht wie zuvor unter der Positionsnummer 02.06.20, sondern unter der Positionsnummer 02.02.01 eingestuft ist. Außerdem ist im Vergleich zum Vorgutachten nunmehr als weitere Funktionseinschränkung eine chronisch venöse Insuffizienz objektiviert, welche mit einem Einzelgrad der Behinderung von 20 v.H. als neues Leiden aufgenommen wurde. Betreffend den Gesamtgrad der Behinderung ergibt sich dadurch hingegen mangels maßgeblichem ungünstigem Zusammenwirken der genannten Leiden keine Änderung.

Insoweit im Vorlageantrag vorgebracht wird, dass nicht im Entferntesten nachvollziehbar sei, weshalb die insgesamt mit 120% festgestellten Leiden insgesamt lediglich 50% Gesamtgrad der Behinderung ergeben sollten, ist darauf hinzuweisen, dass eine Addition entsprechend § 3 Abs. 1 Einschätzungsverordnung rechtsrichtig nicht erfolgt ist; diesbezüglich wird auf die nachfolgenden rechtlichen Ausführungen verwiesen.

Sowohl im Sachverständigengutachten vom 23.09.2019 als auch in jenem vom 13.01.2020 wird schlüssig ausgeführt, dass sich im Vergleich zum Vorgutachten aus dem Jahr 2018 nunmehr weder klinisch in der Statuserhebung noch durch vorgelegte aktuelle Befunde Hinweise auf eine Aktivität der Osteomyelitis ergeben. Die am 02.10.2018 mit einem Grad der Behinderung von 40 v.H. eingestufte Knocheneiterung entfällt somit nunmehr, was die Herabsetzung des Gesamtgrades der Behinderung von zuvor 60 v.H. auf nunmehr 50 v.H. zur Folge hat. Dass seit Oktober 2018 eine Besserung der Osteomyelitis eingetreten ist, ist durchaus plausibel, wurde damals seitens der untersuchenden Sachverständigen doch aufgrund einer möglichen Besserung des Leidens und in diesem Zusammenhang einer Neuevaluierung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel eine Nachuntersuchung für Oktober 2019 empfohlen und der Behindertenpass des Beschwerdeführers daher nur befristet bis 31.10.2019 ausgestellt.

Insoweit sich das Vorbringen des Beschwerdeführers gegen die entfallene Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass richtet, ist darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde über die genannte Zusatzeintragung nicht bescheidmäßig abgesprochen hat, weshalb diese Frage nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens vor dem BVwG ist. Dasselbe gilt aus diesem Grund ebenso für den Ausweis gemäß § 29 b StVO.

Das im Rahmen der Beschwerde vorgelegte Schreiben eines Facharztes für Chirurgie und Gefäßchirurgie vom 27.11.2019 war, wie die orthopädische Sachverständige schlüssig ausführt, ebenso nicht geeignet, eine Änderung der Beurteilung herbeizuführen wie der Röntgenbefund des linken Sprunggelenks vom 19.12.2019. Mit dem Vorlageantrag legte der Beschwerdeführer keine neuen Befunde vor.

Er ist damit den Ausführungen der medizinischen Sachverständigen nicht und damit insbesondere auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).

Seitens des BVwG bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit, Widerspruchsfreiheit und Schlüssigkeit des vorliegenden orthopädischen Sachverständigengutachtens vom 13.01.2020. Es wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

1. Zur Entscheidung in der Sache

Zunächst ist festzuhalten, dass Gegenstand des Beschwerdeverfahrens die Ausstellung eines Behindertenpasses mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H., und nicht die Frage der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass ist. Die belangte Behörde hat bisher keinen Bescheid erlassen, wonach über diesen Antrag vom 08.07.2019 des Beschwerdeführers entschieden wurde.

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:

§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

(2) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

Die maßgebenden Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung, BGBl. II. Nr. 261/2010 idgF BGBl II. Nr. 251/2012) lauten auszugsweise wie folgt:

Behinderung

§ 1. Unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Grad der Behinderung

§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.

Gesamtgrad der Behinderung

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v.H. sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht. Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn

- sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

- zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

Grundlage der Einschätzung

§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.

(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.

Zunächst ist rechtlich festzuhalten, dass der Grad der Behinderung im Beschwerdefall - wie dies auch die belangte Behörde zu Recht annahm - nach der Einschätzungsverordnung einzuschätzen war, was im Verfahren auch unbestritten geblieben ist.

Leiden 1 des Beschwerdeführers, eine Versteifung des linken Sprunggelenks ist richtig mit dem oberen Rahmensatz der Positionsnummer 02.05.32 der Einschätzungsverordnung und einem Grad der Behinderung von 40 % eingestuft, da beim Beschwerdeführer eine Beinverkürzung und die Notwendigkeit einer orthopädischen Schuhversorgungbei Osteomyelitis besteht.

Leiden 2, Polyneuropathie beider unterer Extremitäten und ein sensomotorisches Neuropathiesyndrom, ist unter der Positionsnummer 04.06.01 eine Stufe unter dem oberen Rahmensatz mit einem Grad der Behinderung von 30 % eingestuft, da mit Gehbehelfen ein ausreichend sicheres Gehen möglich ist.

Bei Leiden 3 handelt es sich um eine periphere arterielle Verschlusskrankheit und einen Zustand nach Venenbypass des linken Unterschenkels, welche richtig nach der Position 05.03.02 der Einschätzungsverordnung mit dem unteren Rahmensatz und einem Grad der Behinderung von 20 % eingestuft sind, da ein guter Zustand nach Operation besteht.

Leiden 4, eine chronisch venöse Insuffizienz, ist korrekt nach der Positionsnummer 05.08.01 eine Stufe über dem unteren Rahmensatz mit einem Grad der Behinderung von 20 % eingestuft, da eine Schwellungsneigung besteht.

Leiden 5 ist eine Arthrose der Hand- und Fingergelenke, welche die Sachverständige richtig mit dem unteren Rahmensatz der Positionsnummer 02.02.01 und einem Grad der Behinderung von 10 % einstufte, da eine geringe funktionelle Einschränkung besteht.

Die Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung hat bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen nicht im Wege der Addition der einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen zu erfolgen, sondern es ist bei Zusammentreffen mehrerer Leiden zunächst von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für welche der höchste Wert festgestellt wurde, und dann ist zu prüfen, ob und inwieweit durch das Zusammenwirken aller zu berücksichtigenden Funktionsbeeinträchtigungen eine höhere Einschätzung des Grades der Behinderung gerechtfertigt ist (vgl. den eindeutigen Wortlaut des § 3 der Einschätzungsverordnung, sowie die auf diese Rechtslage übertragbare Rechtsprechung, VwGH 17.07.2009, 2007/11/0088; 22.01.2013, 2011/11/0209 mwN).

Wie oben unter Punkt 2. (Beweiswürdigung) ausgeführt, wird der gegenständlichen Entscheidung das seitens der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Orthopädie vom 13.01.2020, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 19.12.2019 zu Grunde gelegt, nach dem der Gesamtgrad der Behinderung 50 v.H. beträgt.

Die medizinische Sachverständige stellt in diesem Sachverständigengutachten fest, dass Leiden 1 durch Leiden 2 um eine Stufe erhöht wird, da ein maßgebliches ungünstiges Zusammenwirken der beiden Leiden besteht. Die übrigen Leiden erhöhen mangels relevanter, ungünstiger Leidensbeeinflussung nicht weiter. Somit ergibt sich ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H.

Damit wird auch das zuvor seitens der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie vom 23.09.2019, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 21.08.2019 bestätigt, das betreffend des Gesamtgrad der Behinderung zum selben Ergebnis kommt.

Die vom Beschwerdeführer im Rahmen der Beschwerde vorgebrachten Befunde und das im Vorlageantrag erstattete Vorbringen waren nicht geeignet, die durch die medizinischen Sachverständigen getroffenen Beurteilungen zu widerlegen bzw. eine zwischenzeitlich eingetretene Verschlechterung des Zustandes zu belegen.

Insoweit sich das Vorbringen hauptsächlich auf die nicht vorgenommene Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass und das Begehren eines Parkausweises gemäß § 29 b StVO richtet, ist darauf hinzuweisen, dass dazu keine abweisenden Bescheide der belangten Behörde vorliegen. Der angefochtene und gemäß § 45 Abs. 2 BBG in Form der Ausstellung eines Behindertenpasses ergangene Bescheid der belangten Behörde vom 13.11.2019 stellt lediglich fest, dass der Beschwerdeführer Inhaber eines Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H. ist. Daher geht das Vorbringen zur Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ins Leere und ist für das gegenständliche Beschwerdeverfahren nicht von Belang.

Was schließlich den im Vorlageantrag gestellten Antrag auf Einholung weiterer Gutachten durch Fachärzte für Orthopädie/orthopädische Chirurgie und Gefäßchirurgie betrifft, so hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem (wenngleich zum Behinderteneinstellungsgesetz ergangenen) Erkenntnis vom 24.06.1997, 96/08/0114, ausgeführt, dass die Behörden im Zusammenhang mit der Einschätzung des Grades der Behinderung nach dem BEinstG verpflichtet sind, zur Klärung medizinischer Fachfragen ärztliche Gutachten einzuholen. Das Gesetz enthält aber keine Regelung, aus der erschlossen werden kann, dass ein Anspruch auf die Beiziehung von Fachärzten bestimmter Richtung bestünde. Es besteht demnach kein Anspruch auf die Zuziehung eines Facharztes eines bestimmten medizinischen Teilgebietes. Es kommt vielmehr auf die Schlüssigkeit der eingeholten Gutachten an. Das seitens der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Orthopädie ist schlüssig und geht auf sämtliche Einwendungen und vorgelegten Befunde ein. Die Leiden des Beschwerdeführers sind entsprechend der Einschätzungsverordnung korrekt eingestuft. Da der Sachverhalt feststeht und die Sache daher entscheidungsreif ist, war dem im Vorlageantrag gestellten Antrag auf Einholung weiterer Sachverständigengutachtens nicht Folge zu geben, zumal bereits ein orthopädisches Sachverständigengutachten eingeholt wurde und der Entscheidung zu Grunde gelegt wird. Auch das Gefäßleiden des Beschwerdeführers wurde berücksichtigt. Es finden sich keinerlei Hinweise auf weitere nichtberücksichtigte Leiden des Beschwerdeführers und wurden diese auch von ihm nicht vorgebracht.

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, aktuell erfüllt. Hinweise dafür, dass der Gesamtgrad der Behinderung höher als der bereits von der belangten Behörde festgestellte Gesamtgrad der Behinderung von 50 v. H. sein könnte, sind im Beschwerdeverfahren nicht hervorgekommen.

Im Übrigen ist aber auch darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.

Abschließend sei darauf hingewiesen, dass es hinsichtlich der vom Beschwerdeführer begehrten Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass diesem freisteht, bei der belangten Behörde die bescheidmäßige Entscheidung über diesen Antrag zu begehren, gegen welchen der Beschwerdeführer in weiterer Folge, insofern er sich dadurch beschwert erachtet, eine Beschwerde an das BVwG erheben könnte.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde und insbesondere auf den von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten, die auf persönlichen Untersuchungen des Beschwerdeführers beruhen, auf alle beschriebenen Leidenszustände des Beschwerdeführers in fachlicher Hinsicht eingehen, und welchen der Beschwerdeführer nicht substantiiert entgegengetreten ist. Die strittige Tatsachenfrage, genauer die Art und das Ausmaß der Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers, sind einem Bereich zuzuordnen, der von einem Sachverständigen zu beurteilen ist. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W261.2228585.1.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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