TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/4 W261 2227701-1

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Veröffentlicht am 04.05.2020
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Entscheidungsdatum

04.05.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W261 2227701-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS als Vorsitzende und die Richterin Mag. Karin RETTENHABER-LAGLER sowie den fachkundigen Laienrichter Herbert PICHLER als Beisitzerin und Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 07.01.2020, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte erstmals am 21.07.2016 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (auch Sozialministeriumservice, in der Folge belangte Behörde). Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens, in welchem die Funktionseinschränkung "Zöliakie" mit einem Grad der Behinderung von 20 v.H. eingestuft wurde, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 06.10.2016 ab.

Am 27.08.2019 beantragte der Beschwerdeführer erneut die Ausstellung eines Behindertenpasses bei der belangten Behörde.

Nachdem die belangte Behörde den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 02.09.2019 und 02.10.2019 aufforderte, aktuelle Befunde vorzulegen, kam der Beschwerdeführer dem Ersuchen mit Schreiben vom 09.10.2019 nach und schloss ein Konvolut an medizinischen Befunden an. Er führte in seinem Begleitschreiben weiters aus, sein Leben sei durch die Zöliakie sehr eingeschränkt, und er verfüge nicht über die finanziellen Mittel für entsprechende Diätkost. Er habe manchmal in der Arbeit nichts essen können, da er kein Geld für das teure Essen gehabe habe. Einmal habe er jedoch so großen Hunger gehabt, dass er normales Essen gegessen habe. Ihm sei es danach so schlecht gegangen, dass er seinen Job aufgegeben habe. Der Beschwerdeführer würde sich sehr über einen monatlichen Zuschuss von etwa 100 Euro freuen. Jede Art von Hilfe wäre nützlich für ihm.

Die belangte Behörde holte zur Überprüfung des Antrages ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Innere Medizin ein. In dem auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 25.11.2019 basierenden Sachverständigengutachten vom selben Tag wurde die Funktionseinschränkung "Zöliakie" mit einem Grad der Behinderung von 20 v.H. eingestuft.

Die belangte Behörde übermittelte dem Beschwerdeführer das Sachverständigengutachten mit Schreiben vom 25.11.2019 im Rahmen des Parteiengehörs und räumte ihm eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme ein.

Der Beschwerdeführer gab keine Stellungnahme ab.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 07.01.2020 wies die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40, 41 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) ab und stellte einen Grad der Behinderung in Höhe von 20 v.H. fest. Die belangte Behörde legte dem Bescheid das eingeholte Sachverständigengutachten in Kopie bei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und brachte zusammengefasst im Wesentlichen vor, er tue sich schwer damit, aufgrund seiner Behinderung für sich selbst zu sorgen. Der Beschwerdeführer sei arbeitslos und arbeitssuchend, weshalb er keine glutenfreien Produkte kaufen könne. Er habe seinen Job aufgrund seiner Beeinträchtigung verloren. Er wäre über eine finanzielle Unterstützung sehr dankbar, um glutenfreie Lebensmittel kaufen zu können und beantrage die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung. Der Beschwerde schloss er keine neuen Befunde an.

Die belangte Behörde legte den Aktenvorgang dem Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) mit Schreiben vom 21.01.2020 vor, wo dieser am selben Tag in der Gerichtsabteilung W260 einlangte.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 21.01.2020 wurde das gegenständliche Beschwerdeverfahren der Gerichtsabteilung W260 abgenommen und in weiterer Folge der Gerichtsabteilung W261 neu zugeteilt, wo dieses am 12.02.2020 einlangte.

Das BVwG führte am 12.02.2020 eine Abfrage im Zentralen Melderegister durch, wonach die Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers ungeklärt ist und seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland hat.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses langte am 27.08.2019 bei der belangten Behörde ein.

Der Beschwerdeführer erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz im Inland.

Ausmaß der Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers:

Allgemeinzustand: gut. Ernährungszustand: normal.

Größe: 173,00 cm Gewicht: 69,00 kg Blutdruck: 130/80

Klinischer Status - Fachstatus:

HNAP frei, keine Lippenzyanose. Hals: keine Struma, kene pathologischen Lymphknoten palpabel. Thorax: symmetrisch. Pulmo: VA, SKS. Herztöne: rein, rhythmisch, normofrequent.

Abdomen: Leber und Milz nicht palpabel, keine Druckpunkte, keine Resistenzen, Darmgeräusche lebhaft.

Untere Extremitäten:

Keine Ödeme, Fußpulse palpabel. Untersuchung im Sitzen und Liegen, selbständiges An- und Ausziehen.

Gesamtmobilität - Gangbild:

Unauffällig, keine Hilfsmittel.

Status Psychicus:

Allseits orientiert, Ductus kohärent.

Beim Beschwerdeführer besteht folgende Funktionseinschränkung, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern wird:

- Zöliakie

Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 20 v. H.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen hinsichtlich der Antragsstellung basieren auf dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland basieren auf dem vom BVwG eingeholten Auszug aus dem Zentralen Melderegister.

Der Gesamtgrad der Behinderung gründet sich auf das seitens der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Innere Medizin vom 25.11.2019, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am selben Tag.

Darin wird auf die Art des Leidens des Beschwerdeführers und dessen Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Die medizinische Gutachterin setzt sich auch umfassend und nachvollziehbar mit den vorgelegten Befunden auseinander. Die getroffene Einschätzung, basierend auf den vorgelegten Befunden, entspricht der festgestellten Funktionsbeeinträchtigung; die Gesundheitsschädigung ist nach der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.

Für die Einstufung der Stoffwechselstörung leichten Grades nach dem vollendeten 18. Lebensjahr ist zu differenzieren, ob diätische Maßnahmen ausreichend sind, um die Körperfunktionen aufrecht zu erhalten, oder ob zusätzliche therapeutische Maßnahmen dafür erforderlich sind. Der Beschwerdeführer muss sich unbestritten an eine glutenfreie Diät halten. Da er jedoch keine weiteren therapeutischen Maßnahmen benötigt, ist eine höhere Einstufung des Leidens nicht möglich. Auch ein Arbeits- und Alltagsleben ist dem Beschwerdeführer möglich. Das Vorbringen, wonach er sich einmal nicht an die Diät gehalten, es ihm daraufhin sehr schlecht gegangen sei und er aus diesem Grund seine Arbeit aufgegeben habe, ist nicht geeignet, eine höhere Einstufung herbeizuführen, da dem Beschwerdeführer eine Einhaltung der Diät auch im Berufsleben - etwa durch Mitnahme selbst zubereiteter Speisen - grundsätzlich möglich ist.

Sämtliche vorgelegte Befunde wurden von der medizinischen Sachverständigen im Gutachten berücksichtigt. Im Rahmen der Beschwerde legte der Beschwerdeführer keine weiteren Befunde vor, die geeignet wären, eine andere Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigung mit einem höheren Grad der Behinderung herbeizuführen bzw. eine zwischenzeitig eingetretene Verschlechterung des Leidenszustandes zu belegen und allenfalls zu einer anderen rechtlichen Beurteilung zu führen.

Er ist damit den Ausführungen der medizinischen Sachverständigen nicht und damit insbesondere auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).

Seitens des BVwG bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit, Widerspruchsfreiheit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens vom 25.11.2019. Es wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

1. Zur Entscheidung in der Sache

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:

§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

(2) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

Die maßgebenden Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung, BGBl. II. Nr. 261/2010 idgF BGBl II. Nr. 251/2012) lauten auszugsweise wie folgt:

Behinderung

§ 1. Unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Grad der Behinderung

§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.

Gesamtgrad der Behinderung

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v.H. sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht. Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn

- sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

- zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

Grundlage der Einschätzung

§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.

(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.

Zunächst ist rechtlich festzuhalten, dass der Grad der Behinderung im Beschwerdefall - wie dies auch die belangte Behörde zu Recht annahm - nach der Einschätzungsverordnung einzuschätzen war, was im Verfahren auch unbestritten geblieben ist.

Das Leiden des Beschwerdeführers, Zöliakie, hat die medizinische Sachverständige richtig nach Positionsnummer 09.03.01 der Einschätzungsverordnung eine Stufe über dem unteren Rahmensatz und einem Grad der Behinderung von 20 % eingestuft. Dabei berücksichtigt die medizinische Sachverständige, dass der Beschwerdeführer eine Diät einhalten muss. Mittels Diät ist das Leiden jedoch stabilisierbar und es sind keine zusätzlichen Maßnahmen erforderlich. Beim Beschwerdeführer besteht darüber hinaus ein guter Allgemein- und Ernährungszustand.

Wie oben unter Punkt 2. (Beweiswürdigung) ausgeführt, wird der gegenständlichen Entscheidung das seitens der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Innere Medizin vom 25.11.2019 zu Grunde gelegt, nach dem der Gesamtgrad der Behinderung 20 v.H. beträgt.

Im Übrigen ist aber auch darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde und insbesondere auf das von der belangten Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten, das auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers beruht, auf alle beschriebenen Leidenszustände des Beschwerdeführers in fachlicher Hinsicht eingeht, und welchem der Beschwerdeführer nicht substantiiert entgegengetreten ist. Die strittige Tatsachenfrage, genauer die Art und das Ausmaß der Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers, sind einem Bereich zuzuordnen, der von einem Sachverständigen zu beurteilen ist. Beide Parteien haben keinen Verhandlungsantrag gestellt. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W261.2227701.1.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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