TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/4 W261 2225289-1

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Veröffentlicht am 04.05.2020
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Entscheidungsdatum

04.05.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W261 2225289-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS als Vorsitzende und die Richterin Mag. Karin RETTENHABER-LAGLER sowie den fachkundigen Laienrichter Herbert PICHLER als Beisitzerin und Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 04.09.2019, in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 25.10.2019, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin stellte am 16.07.2019 einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (auch Sozialministeriumservice, in der Folge belangte Behörde), welcher als Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gewertet wurde und legte ein Konvolut an medizinischen Befunden bei. In dem ihrem Antrag angeschlossenen Begleitschreiben führte die Beschwerdeführerin aus, dass bei ihr bereits am 06.08.1987 die Diagnose Zöliakie gestellt worden sei, sich an ihrer Beeinträchtigung/Behinderung nichts geändert habe und auch in Zukunft nie etwas ändern werde. Die Beschwerdeführerin wolle keinen Behindertenpass haben, sie habe aber vom Finanzamt gesagt bekommen, sie solle einen solchen beantragen, um im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung eine Rückerstattung für ihre Diät zu erhalten. Ihre Mutter habe in der Vergangenheit aufgrund der Behinderung der Beschwerdeführerin erhöhte Familienbeihilfe erhalten, was aufgrund eines seitens der belangten Behörde erstatteten Sachverständigengutachtens erfolgt sei.

Die belangte Behörde holte zur Überprüfung des Antrages ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin ein. In dem auf der Aktenlage basierenden Sachverständigengutachten vom 12.08.2019 wurde die Funktionseinschränkung "Zöliakie, ED 1987" mit einem Grad der Behinderung von 20 v.H. eingestuft.

Die belangte Behörde übermittelte der Beschwerdeführerin das Sachverständigengutachten mit Schreiben vom 13.08.2019 im Rahmen des Parteiengehörs und räumte ihr eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme ein.

Mit Schreiben vom 26.08.2019 gab die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme ab. Darin führte sie im Wesentlichen aus, ihr Zöliakie-Leiden sei zuvor mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H. eingestuft worden. Es handle sich um eine unheilbare Krankheit mit lebenslanger Einschränkung der Ernährung, an der sich nichts geändert habe. Es sei deshalb nicht verständlich, warum nunmehr eine Einstufung von 20 v.H. erfolgt sei und sie ersuche um Erklärung für die deutliche Herabstufung. Die Beschwerdeführerin ersuche, das Leiden wenigstens mit einem Grad der Behinderung von 25 v.H. einzustufen, damit es vom Finanzamt berücksichtigt werden könne. Dem Schreiben wurden keine medizinischen Unterlagen angeschlossen.

Die belangte Behörde ersuchte die bereits befasste Ärztin für Allgemeinmedizin um eine ergänzende Stellungnahme. Die allgemeinmedizinische Sachverständige führte in der Stellungnahme vom 04.09.2019 aus, dass das Leiden der Beschwerdeführerin entsprechend der Einschätzungsverordnung mit der Positionsnummer 09.03.01 für Personen mit vollendetem 18. Lebensjahr erfasst worden sei, eine Stufe über dem unteren Rahmensatz, da die Erkrankung unter Einhaltung einer glutenfreien Diät weitgehend stabil sei, kein Hinweis auf einen reduzierten Ernährungszustand dokumentiert sei, mit vollendetem 18. Lebensjahr ausreichende Krankheitsakzeptanz und Eigenkompetenz anzunehmen sei und keine zusätzlichen therapeutischen Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Körperfunktionen erforderlich seien. Eine höhere Einschätzung sei gemäß der geltenden Richtlinien nicht möglich.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 04.09.2019 wies die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40, 41 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) ab und stellte einen Grad der Behinderung in Höhe von 20 v.H. fest. Der im Rahmen des Parteiengehörs erhobene Einwand sei nicht geeignet gewesen, eine Änderung des Gutachtens zu bewirken. Die belangte Behörde legte dem Bescheid das eingeholte Sachverständigengutachten und die ergänzende Stellungnahme in Kopie bei.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde und brachte zusammengefasst im Wesentlichen vor, was sie bereits im Rahmen der Stellungnahme zum Parteiengehör angegeben hatte. Ihr gehe es gesundheitlich nur deshalb so gut, weil sie sich streng an ihre Diät halte. Wenn sie in einem Restaurant esse, in dem nicht genau auf eine Zubereitung ohne Kontamination geachtet werde, gehe es ihr danach sehr wohl schlecht. Die Beschwerdeführerin gebe für glutenfreie Lebensmittel jährlich um die 950 Euro aus. Bisher sei sie vom Finanzamt finanziell unterstützt worden und habe sich die glutenfreie Diät dadurch leisten können. Mit der Herabstufung auf einen Grad der Behinderung auf 20 v.H. müsse sie die finanzielle Belastung jetzt selbst tragen. Die Beschwerdeführerin möchte keinen Behindertenpass, sondern ersuche um die Einstufung des Grades der Behinderung mit mindestens 25 v.H., um vom Finanzamt finanzielle unterstützt werden zu können. Sie schloss der Beschwerde ein Konvolut an medizinischen Befunden vor, welche bereits bei Antragsstellung vorgelegt wurden.

Die belangte Behörde holte in weiterer Folge auf Grundlage der Aktenlage am 24.10.2019 ein medizinisches Sachverständigengutachten der bereits befassten Ärztin für Allgemeinmedizin ein. Darin bestätigte sie die Einstufung der Funktionseinschränkung "Zöliakie, Erstdiagnose 1987" mit einem Grad der Behinderung von 20 v.H. Es ergebe sich keine Änderung zum Vorgutachten.

Die belangte Behörde erließ in weiterer Folge die Beschwerdevorentscheidung vom 25.10.2019, wonach die Beschwerde abgewiesen wurde.

Die Beschwerdeführerin brachte am 05.11.2019 fristgerecht einen Vorlageantrag ein, in welcher sie die Einwendungen der Beschwerde aufrecht hielt.

Die belangte Behörde legte den Aktenvorgang dem Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) mit Schreiben vom 11.11.2020 vor, wo dieser am selben Tag in der Gerichtsabteilung W260 einlangte.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 21.01.2020 wurde das gegenständliche Beschwerdeverfahren der Gerichtsabteilung W260 abgenommen und in weiterer Folge der Gerichtsabteilung W261 neu zugeteilt, wo dieses am 12.02.2020 einlangte.

Das BVwG führte am 12.02.2020 eine Abfrage im Zentralen Melderegister durch, wonach die Beschwerdeführerin österreichische Staatsbürgerin ist und ihren ordentlichen Wohnsitz im Inland hat.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses langte am 16.07.2019 bei der belangten Behörde ein.

Die Beschwerdeführerin erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz im Inland.

Bei der Beschwerdeführerin besteht folgende Funktionseinschränkung, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern wird:

- Zöliakie, Erstdiagnose 1987

Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 20 v. H.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen hinsichtlich der Antragsstellung basieren auf dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Inland basieren auf dem vom BVwG eingeholten Auszug aus dem Zentralen Melderegister.

Der Gesamtgrad der Behinderung gründet sich auf das seitens der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 24.10.2019, basierend auf der Aktenlage.

Darin wird auf die Art des Leidens der Beschwerdeführerin und dessen Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Die medizinische Gutachterin setzt sich auch umfassend und nachvollziehbar mit den vorgelegten Befunden auseinander. Die getroffene Einschätzung, basierend auf den vorgelegten Befunden, entspricht der festgestellten Funktionsbeeinträchtigung; die Gesundheitsschädigung ist nach der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft. Damit wird auch das Ergebnis des dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachtens vom 12.08.2019 bestätigt, welches zum selben Ergebnis kommt.

Insoweit die Beschwerdeführerin vorbringt, die Zöliakie sei zuvor mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H. eingestuft gewesen und hätte sich nicht verbessert, ist festzuhalten, dass die Einschätzungsverordnung für die Einschätzung der Stoffwechselstörung leichten Grades bis zum vollendeten 18. Lebensjahr eine eigene Positionsnummer vorsieht, da bei Kindern und Jugendlichen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr eine strikte Diäteinhaltung und/oder eine strikte Einhaltung ergänzender therapeutischer Maßnahmen besonders wichtig sind, um Spätfolgen und eine rapide Verschlimmerung während der besonders vulnerablen Phase der Entwicklung zu vermeiden. Stoffwechselentgleisungen äußern sich oftmals rasch und ohne Vorankündigung, sodass eine engmaschige Überwachung erforderlich ist. Für die Einstufung von der Stoffwechselstörung leichten Grades nach dem vollendeten 18. Lebensjahr ist zu differenzieren, ob diätische Maßnahmen ausreichend sind, um die Körperfunktionen aufrecht zu erhalten, oder ob zusätzliche therapeutische Maßnahmen dafür erforderlich sind. Die Beschwerdeführerin muss sich unbestritten an eine strenge, lebenslängliche Diät halten. Da sie durch diese sehr gut eingehaltene diätologische Kontrolle des Leidens durch glutenfreie Kost jedoch keine weiteren therapeutischen Maßnahmen benötigt, ist eine höhere Einstufung des Leidens nicht möglich.

Sämtliche der im Rahmen der Beschwerde vorgelegten Befunde wurden bereits bei Antragsstellung vorgelegt und von der medizinischen Sachverständigen berücksichtigt. Die Beschwerdeführerin legte keine weiteren Befunde vor, die geeignet wären, eine andere Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigung mit einem höheren Grad der Behinderung herbeizuführen bzw. eine zwischenzeitig eingetretene Verschlechterung des Leidenszustandes zu belegen und allenfalls zu einer anderen rechtlichen Beurteilung zu führen.

Sie ist damit den Ausführungen der medizinischen Sachverständigen nicht und damit insbesondere auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).

Seitens des BVwG bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit, Widerspruchsfreiheit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens vom 24.10.2019. Es wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

1. Zur Entscheidung in der Sache

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:

§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

(2) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

Die maßgebenden Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung, BGBl. II. Nr. 261/2010 idgF BGBl II. Nr. 251/2012) lauten auszugsweise wie folgt:

Behinderung

§ 1. Unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Grad der Behinderung

§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.

Gesamtgrad der Behinderung

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v.H. sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht. Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn

- sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

- zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

Grundlage der Einschätzung

§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.

(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.

Zunächst ist rechtlich festzuhalten, dass der Grad der Behinderung im Beschwerdefall - wie dies auch die belangte Behörde zu Recht annahm - nach der Einschätzungsverordnung einzuschätzen war, was im Verfahren auch unbestritten geblieben ist.

Das Leiden der Beschwerdeführerin, Zöliakie, hat die medizinische Sachverständige richtig nach Positionsnummer 09.03.01 der Einschätzungsverordnung eine Stufe über dem unteren Rahmensatz und einem Grad der Behinderung von 20 % eingestuft. Dabei berücksichtigt die medizinische Sachverständige, dass bei der Beschwerdeführerin seit der Erstdiagnose im Jahr 1987 dauerhaft glutenfreie Kost erforderlich sei. Laut vorgelegter ärztlicher Bestätigung vom 18.06.2019 wird diese sehr gut eingehalten, was durch eine serologische Kontrolle bestätigt wurde.

Wie oben unter Punkt 2. (Beweiswürdigung) ausgeführt, wird der gegenständlichen Entscheidung das seitens der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 24.10.2019 zu Grunde gelegt, nach dem der Gesamtgrad der Behinderung 20 v.H. beträgt.

Im Übrigen ist aber auch darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde und insbesondere auf das von der belangten Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten, das auf der Aktenlage beruht, auf alle beschriebenen Leidenszustände der Beschwerdeführerin in fachlicher Hinsicht eingeht, und welchem die Beschwerdeführerin nicht substantiiert entgegengetreten ist. Die strittige Tatsachenfrage, genauer die Art und das Ausmaß der Funktionseinschränkungen der Beschwerdeführerin sind einem Bereich zuzuordnen, der von einem Sachverständigen zu beurteilen ist. Beide Parteien haben keinen Verhandlungsantrag gestellt. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W261.2225289.1.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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