TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/4 W261 2224449-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.05.2020
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Entscheidungsdatum

04.05.2020

Norm

BBG §40
BBG §41 Abs2
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W261 2224449-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS als Vorsitzende und die Richterin Mag. Karin RETTENHABER-LAGLER sowie den fachkundigen Laienrichter Herbert PICHLER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 27.09.2019, betreffend die Zurückweisung des Antrages auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung innerhalb der Jahresfrist, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer ist Inhaber eines Behindertenpasses. Zuletzt wurde mit allgemeinmedizinischem Sachverständigengutachten vom 31.12.2013 ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. festgestellt.

Nach einem neuerlichen Antrag des Beschwerdeführers auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (auch Sozialministeriumservice, in der Folge belangte Behörde) im Jahr 2019 holte die belangte Behörde zur Überprüfung des Antrages ein auf der Aktenlage basierendes HNO-fachärztliches Sachverständigengutachten vom 11.07.2019, ein ebenfalls auf der Aktenlage basierendes allgemeinmedizinisches Sachverständigengutachten vom 16.07.2019 und eine seitens des allgemeinmedizinischen Gutachters erstellte Gesamtbeurteilung vom 17.07.2019 ein. Darin wurden die Funktionseinschränkungen "Prostatakarzinom (ED: 08/2017)", "Spondylogene Beschwerden, myofasziales Syndrom bei degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, Vorfall L2/3", "Karpaltunnelsyndrom beidseits", "Diabetes mellitus Typ 2", "Restsymptomatik nach schwerer Vorfußverletzung rechts" "Hüftgelenksabnützung beidseits" und "Hörstörung beidseits" mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 70 v.H. eingestuft. Aufgrund des neuaufgetretenen Prostatakarzinoms wurde der Gesamtgrad der Behinderung im Vergleich zum Vorgutachten aus dem Jahr 2013 um zwei Stufen erhöht.

Die belangte Behörde bewilligte mit Bescheid vom 18.07.2019 den Antrag des Beschwerdeführers auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung.

Am 11.09.2019 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung bei der belangten Behörde und legte einen orthopädischen Befundbericht vom 27.08.2019 bei.

Da der Antrag binnen der Jahresfrist des § 41 Abs. 2 BBG gestellt wurde, ersuchte die belangte Behörde den Ärztliche Dienst um Feststellung aus medizinischer Sicht, ob der beiliegende Befund geeignet sei, eine offenkundige Änderung des Leidenszustandes glaubhaft zu machen.

In dem als "Sofortige Beantwortung" bezeichneten Schreiben der Leiterin des ärztlichen Dienstes vom 25.09.2019 stellte diese fest, dass die aktuell übermittelten Befunde keine Änderung des Grades der Behinderung gegenüber dem Gutachten aus Juli 2019 ergeben würden.

Mit angefochtenem Bescheid vom 27.09.2019 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass zurück. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr verstrichen sei, und der Beschwerdeführer eine offenkundige Änderung der Funktionsbeeinträchtigungen nicht habe glaubhaft machen können.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde. Darin brachte er im Wesentlichen vor, er habe gleich nach Erhalt des Bescheides bei der belangten Behörde angefragt, warum sein Antrag abgewiesen worden sei, und was er jetzt tun solle. Ihm sei mitgeteilt worden, sich neu untersuchen zu lassen und die entsprechenden Befunde vorzulegen. Der Beschwerdeführer habe daraufhin eine Röntgenuntersuchung der Hüften und Vorfüße durchführen lassen, in der Folge sei ihm von einem Facharzt für Orthopädie ein Befund ausgestellt worden, welcher an die belangte Behörde geschickt worden sei. Der Beschwerdeführer erhebe wegen seines Prostatakrebs und des Diabetes Beschwerde. Er müsse wegen beiden Leiden regelmäßig zu ärztlichen Kontrollen. Das Diabetes-Leiden erfordere nunmehr zusätzlich zur bestehenden Medikation einmal wöchentlich eine Spritzenverabreichung, weiters müsse er regelmäßig zur Blutabnahme. Der Beschwerdeführer leide außerdem an niedrigem Blutdruck, weshalb er alle zwei bis drei Wochen zur hausärztlichen Kontrolle müsse. Die meisten dieser ärztlichen Kontrollen würden in St. Pölten stattfinden. Um ein öffentliches Verkehrsmittel zu erreichen, das ihn dort hinbringt, ist ein 1,5 km langer Weg zum Bahnhof zurückzulegen, in St. Pölten müsse er alle Wege zu Fuß erledigen. Der Beschwerdeführer ersuche daher um neuerliche Prüfung. Der Beschwerde wurden keine medizinischen Befunde angeschlossen.

Die belangte Behörde legte den Aktenvorgang dem Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) mit Schreiben vom 16.10.2019 vor, wo dieser am selben Tag in der Gerichtsabteilung W260 einlangte.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 21.01.2020 wurde das gegenständliche Beschwerdeverfahren der Gerichtsabteilung W260 abgenommen und in weiterer Folge der Gerichtsabteilung W261 neu zugeteilt, wo dieses am 12.02.2020 einlangte.

Das BVwG führte am 12.02.2020 eine Abfrage im Zentralen Melderegister durch, wonach der Beschwerdeführer österreichischer Staatsbürger ist und seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland hat.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Der Beschwerdeführer hat seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland und besitzt einen Behindertenpass.

Beim Beschwerdeführer bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1. Prostatakarzinom (ED: 08/2017)

2. Spondylogene Beschwerden, myofasziales Syndrom bei degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, Vorfall L2/3

3. Karpaltunnelsyndrom beidseits

4. Diabetes mellitus Typ 2

5. Restsymptomatik nach schwerer Vorfußverletzung rechts

6. Hüftgelenksabnützung beidseits

7. Hörstörung beidseits

Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 70 v. H.

Die belangte Behörde bewilligte zuletzt mit Bescheid vom 18.07.2019 den Antrag des Beschwerdeführers auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung.

Der neuerliche Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung langte am 11.09.2019 bei der belangten Behörde ein.

Der vom Beschwerdeführer mit diesem Antrag vorgelegte neue Befund ist nicht geeignet, eine offenkundige Änderung des Leidenszustandes des Beschwerdeführers glaubhaft zu machen. Sämtliche darin getroffenen Diagnosen sind im Sachverständigengutachten vom 17.07.2019 berücksichtigt und ist seither keine Verschlechterung der Leiden eingetreten.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen hinsichtlich der Antragsstellung basieren auf dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland basieren auf dem vom BVwG eingeholten Auszug aus dem Zentralen Melderegister.

Der Gesamtgrad der Behinderung gründet sich auf die seitens der belangten Behörde eingeholte gutachterliche Gesamtbeurteilung eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 17.07.2019, basierend auf einem HNO-fachärztlichen Sachverständigengutachten vom 11.07.2019 und einem allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachten vom 16.07.2019.

Aufgrund dieser Gesamtbeurteilung, wonach der Beschwerdeführer einen Grad der Behinderung von 70 v.H. aufweist, bewilligte die belangte Behörde mit Bescheid vom 18.07.2019 den Antrag des Beschwerdeführers auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung.

Der Beschwerdeführer stellte am 11.09.2019 neuerlich einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung und legte dabei einen orthopädischen Befundbericht vom 27.08.2019 vor.

In diesem Befundbericht, welcher vor allem auf einem Röntgen des Beckens und des rechten Vorfußes vom 19.08.2019 basiert, werden die Feststellungen des Sachverständigen vom 17.07.2019 bestätigt. Sowohl die Restsymptomatik nach schwerer Vorfußverletzung rechts als auch die Hüftgelenksabnützung beidseits sind im Gutachten als Funktionseinschränkungen mit einem Einzelgrad von jeweils 20 v.H. korrekt eingestuft. Der Beckenschiefstand links, die beidseitigen ISG Arthrosen, die beidseitige Coxarthrose, die Osteoporose und der beidseitige Hallux rigidus sind dabei in diesen Leiden mitberücksichtigt. Auch die übrigen im orthopädischen Befundbericht aufgezählten Diagnosen - Diabetes mellitus und Prostatakarzinom - sind im Sachverständigengutachten berücksichtigt und entsprechend ihres Ausmaßes eingestuft.

Die von der belangten Behörde befragte Sachverständige kommt daher in ihrer sofortigen Beantwortung vom 25.09.2019 richtigerweise zum Ergebnis, dass der mit Antrag vom 11.09.2019 vorgelegte orthopädische Befundbericht vom 27.08.2019 nicht geeignet ist, eine Änderung des Grades der Behinderung gegenüber dem Gutachten vom 17.07.2019 zu bewirken.

Insoweit der Beschwerdeführer in der Beschwerde vorbringt, er müsse aufgrund der bestehenden Gesundheitsschädigungen regelmäßig zu ärztlichen Kontrollen in St. Pölten fahren, was ihm mit öffentlichen Verkehrsmitteln schwer falle, so ist dieses Vorbringen ebenfalls nicht geeignet, eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung, des Bescheides der belangten Behörde vom 18.07.2019, zu objektivieren. Er schloss der Beschwerde auch keine weiteren neuen Befunde an, die geeignet wären, eine offenkundige Änderung seines Gesundheitszustandes seit dieser letzten Entscheidung zu belegen.

Der Beschwerdeführer ist damit den Ausführungen der medizinischen Sachverständigen in seiner Beschwerde nicht und damit insbesondere auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).

Seitens des BVwG bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit, Widerspruchsfreiheit und Schlüssigkeit der vorliegenden medizinischen Stellungnahme vom 25.09.2019. Diese wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

1. Zur Entscheidung in der Sache:

Die gegenständlich maßgebliche Bestimmung des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lautet:

"§ 41. (2) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird."

Im Beschwerdefall wurde mit rechtskräftigem Bescheid der belangten Behörde vom 18.07.2019 der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers mit 70 v.H. neu festgesetzt. Am 11.09.2019 brachte der Beschwerdeführer einen neuerlichen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung bei der belangten Behörde ein.

Eine solche neuerliche Antragstellung innerhalb der Jahresfrist führt jedoch nach dem klaren Gesetzeswortlaut des § 41 Abs. 2 BBG nur dann nicht zu einer zurückweisenden Entscheidung ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.

Nach der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) sind "offenkundig" solche Tatsachen, deren Richtigkeit - unter Bedachtnahme auf die Lebenserfahrung - der allgemeinen Überzeugung entsprechen bzw. allgemein bekannt sind (vgl. das Erkenntnis des VwGH vom 16.09.2008, Zl. 2008/11/0083). Eine "Offenkundigkeit" bringt es nach der genannten Rechtsprechung mit sich, dass eine Tatsache erkennbar ist, ohne dass eine Prüfung der individuellen Situation erforderlich ist.

Wie bereits oben in der Beweiswürdigung ausgeführt wurde, hat der Beschwerdeführer mit dem neu vorgelegten Befundbericht eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung im Sinne des § 41 Abs. 2 BBG unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht glaubhaft gemacht.

Die belangte Behörde hat daher mit dem angefochtenen Bescheid zu Recht den am 11.09.2019 eingelangten Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 41 Abs. 2 BBG zurückgewiesen.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 erster Fall VwGVG unterbleiben, weil der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei zurückzuweisen war.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass Frist Grad der Behinderung Neufestsetzung offenkundige Änderung Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W261.2224449.1.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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