Entscheidungsdatum
04.05.2020Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W261 2223774-1/13E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS als Vorsitzende und die Richterin Mag. Karin RETTENHABER-LAGLER sowie den fachkundigen Laienrichter Herbert PICHLER als Beisitzerin und als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch den KOBV - Der Behindertenverband für Wien, NÖ & Bgld. gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 02.08.2019, betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer ist seit 13.11.2015 Inhaber eines Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 60 von Hundert (in der Folge v.H.).
Am 26.03.2019 stellte er beim Sozialministeriumservice (in der Folge "belangte Behörde" genannt) einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29 b Straßenverkehrsordnung (StVO) (Parkausweis), der entsprechend dem von der belangten Behörde zur Verfügung gestellten und vom Beschwerdeführer ausgefüllten Antragsformular auch als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gilt und legte eine Reihe von ärztlichen Befunden vor.
Die belangte Behörde holte in weiterer Folge ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Orthopädie ein. In dem auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 13.05.2019 erstatteten Gutachten vom 14.05.2019 stellte die medizinische Sachverständige fest, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass aus medizinischer Sicht nicht vorlägen.
Die belangte Behörde übermittelte das genannte Gutachten dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 16.05.2019 im Rahmen des Parteiengehörs und räumt ihm die Möglichkeit ein, hierzu innerhalb einer Frist von zwei Wochen eine Stellungnahme abzugeben.
Der Beschwerdeführer, bevollmächtigt vertreten durch den KOBV - Der Behindertenverband für Wien, NÖ & Bgld. (in der Folge "KOBV" genannt), machte mit einem Schreiben, welches am 04.06.2019 bei der belangten Behörde einlangte, von diesem Recht Gebrauch und legte weitere Befunde vor und beantragte die Einholung eines nervenfachärztlichen Gutachtens.
Die belangte Behörde ersuchte die befasste Sachverständige um eine ergänzende Stellungnahme, welche diese am 29.07.2019 abgab. Darin führte sie aus, dass die bei der Begutachtung am 13.05.2019 festgestellten Defizite im Bereich Stütz- und Bewegungsapparat in vollem Umfang bei der Beurteilung der Frage der Unzumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel eingeflossen seien. Dies gelte auch für die im Bereich des linken Kniegelenkes bestehende Funktionseinschränkung, durch welche eine hochgradige Einschränkung der Gehstrecke nicht begründet habe werden können. Eine maßgebliche Gangbildbeeinträchtigung sei nicht objektivierbar. Die vorgelegten Befunde würden nicht im Widerspruch zur getroffenen Einstufung stehen, die festgestellten Abnützungserscheinungen der Lendenwirbelsäule und Schultergelenke seien berücksichtigt worden. Befunde, welche neue Tatsachen und noch nicht ausreichend berücksichtigte Leiden medizinisch objektivieren würden, seien nicht vorgelegt worden. Die vorgebrachten Argumente würden keine neuen Erkenntnisse enthalten, welche das vorhandene Begutachtungsergebnis entkräften könnten.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 02.08.2019 wies die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gemäß §§ 42 und 45 BBG ab.
Darüber hinaus führte die belangte Behörde anmerkend aus, dass über den Antrag auf Ausstellung eines § 29b-Ausweises nach der Straßenverkehrsordnung (StVO) nicht abgesprochen werde, da die grundsätzlichen Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass nicht vorliegen würden.
Die belangte Behörde schloss dem genannten Bescheid das eingeholte Sachverständigengutachten und die ergänzende Stellungnahme in Kopie an.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer, bevollmächtigt vertreten durch den KOBV, fristgerecht die gegenständliche Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht. Darin brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass er im August an der Wirbelsäule operiert worden sei und keine weiten Wegstrecken zurücklegen könne. Er benötige zwei Stützkrücken, um sich fortbewegen zu können. Zudem werde auf seine Stellungnahme vom 04.06.2019 verwiesen, wonach bei ihm eine Nerveneinengung im Bereich der Lendenwirbelsäule bestehe, welche zu Parästhesien im Bereich der unteren Extremitäten führe, welches die Einholung eines neurologischen Sachverständigengutachtens indiziere. Der Beschwerdeführer schloss der Beschwerde einen Patientenbrief vom 20.08.2019 eines Orthopädischen Krankenhauses an.
Die belangte Behörde legte den Aktenvorgang dem Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) mit Schreiben vom 26.09.2019 vor, wo dieser am selben Tag einlangte.
Das Bundesverwaltungsgericht führte am 26.09.2019 eine Abfrage im Zentralen Melderegister durch, wonach der Beschwerdeführer österreichischer Staatsbürger ist, und seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland hat.
Das BVwG nahm die Beschwerde zum Anlass, um ein neurologisches Sachverständigengutachten einzuholen. Ein Untersuchungstermin hätte am 03.12.2019 stattfinden sollen, zu welchem der Beschwerdeführer nicht erschien, weil er sich den Termin falsch vorgemerkt hatte.
In dem aufgrund einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 21.01.2020 erstatteten medizinischen Sachverständigengutachten vom selben Tag führte der medizinische Sachverständige aus dem Fachbereich der Neurologie zusammenfassend aus, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass aus medizinischer Sicht nicht vorlägen.
Das BVwG übermittelte das genannte Sachverständigengutachten mit Schreiben vom 10.02.2020 den Parteien des Verfahrens im Rahmen des Parteiengehörs und räumte diesen die Möglichkeit ein, innerhalb einer bestimmten Frist eine Stellungnahme abzugeben.
Der Beschwerdeführer gab, bevollmächtigt vertreten durch den KOBV, mit Eingabe vom 04.03.2020 eine schriftliche Stellungnahme ab, dass es für diesen nicht nachvollziehbar sei, wie der medizinische Sachverständige sein Gangbild beurteilen könne, zumal dieser am Gang zumindest drei Mal stehen bleiben musste, um die gesamte Wegstrecke zu bewältigen. Es sei ihm auch nicht nachvollziehbar, dass der Sachverständige Muskelreflexe auslösen habe können, zumal der Beschwerdeführer am linken Knie mit einer Totalendoprothese versorgt sei, und die Reflexe an diesem Knie nicht hätten ausgelöst werden können. Der Zehenspitzengang sei nicht einmal andeutungsweise möglich gewesen. Es sei die Einholung eines orthopädischen Sachverständigengutachtens und die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung erforderlich.
Die belangte Behörde gab keine Stellungnahme ab. Das BVwG übermittelte die genannte Stellungnahme des Beschwerdeführers mit Schreiben vom 05.03.2020 zur Kenntnisnahme.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
Der Beschwerdeführer erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Der Beschwerdeführer hat seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland und besitzt einen Behindertenpass.
Dem Beschwerdeführer ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.
Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers:
Allgemeinzustand: gut, 77 Jahre
Ernährungszustand: BMI 36,3
Größe: 174,00 cm Gewicht: 110,00 kg Blutdruck: 140/80
Caput/Collum: klinisch unauffälliges Hör- und Sehvermögen. Thorax: symmetrisch, elastisch. Atemexkursion seitengleich, sonorer Klopfschall, VA. HAT rein, rhythmisch. Abdomen: klinisch unauffällig, keine pathologischen Resistenzen tastbar, kein Druckschmerz. Integument: unauffällig.
Schultergürtel und beide oberen Extremitäten:
Rechtshänder. Der Schultergürtel steht horizontal, symmetrische Muskelverhältnisse. Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden. Schulter rechts: Krepitation, annähernd seitengleich bemuskelt, kein Hinweis für Ruptur der Rotatorenmanschette. Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig. Aktive Beweglichkeit: Schultern endlagig eingeschränkt, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist komplett, Fingerspreizen beidseits unauffällig, die grobe Kraft in etwa seitengleich, Tonus und Trophik unauffällig. Nacken- und Schürzengriff sind endlagig eingeschränkt durchführbar.
Becken und beide unteren Extremitäten:
Freies Stehen sicher möglich, Zehenballengang und Fersengang beidseits mit Anhalten und ohne Einsinken kurz durchführbar. Der Einbeinstand ist mit Anhalten möglich. Die tiefe Hocke ist ansatzweise möglich. Die Beinachse ist im Lot. Symmetrische Muskelverhältnisse. Beinlänge ident. Die Durchblutung ist ungestört, keine Ödeme, keine Varizen, die Sensibilität wird im Bereich der Füße als gestört angegeben. Die Beschwielung ist in etwa seitengleich. Kniegelenk links: Narbe nach Knietotalendoprothese, geringgradige Umfangsvermehrung und Überwärmung, kein Erguss, stabil. Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig. Aktive Beweglichkeit: Hüften endlagig eingeschränkt, Knie rechts 0/0/130, links 0/10/90, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich. Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits bis 40 ° bei KG 5 möglich.
Wirbelsäule:
Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet. Deutlich Hartspann. Klopfschmerz über der gesamten Wirbelsäule, ISG und Ischiadicusdruckpunkte sind frei. Aktive Beweglichkeit: HWS: in allen Ebenen 1/3 eingeschränkt beweglich. BWS/LWS: FBA: 30 cm, Rotation und Seitneigen nahezu aufgehoben, Schober 10/10,5, Ott 30/30,5, Hinterhaupt-Wandabstand 14 cm mäßig großbogig verstärkte Kyphose der gesamten Wirbelsäule, geringgradige Skoliose, sonst Lasegue bds. negativ, Muskeleigenreflexe allseits nicht auslösbar.
Neurologischer Status:
Die Hirnnerven sind unauffällig, die Optomotorik ist intakt, an den oberen Extremitäten bestehen keine Paresen, Faustschluss, Fingerspreizen, Pinzettengriff beidseits möglich, die Beweglichkeit ist im rechten Schultergelenk schmerzhaft eingeschränkt. Die Muskeleigenreflexe sind seitengleich untermittellebhaft auslösbar, die Koordination ist intakt, an den unteren Extremitäten bestehen keine Paresen, im Liegen auch gute Anspannen der Muskulatur distal (Vorfußheber/Senker und Großzehenheber) Fersen-/Zehenspitzen-/ Einbeinstand beidseits schmerzbedingt (in der Lendenwirbelsäule) nur angedeutet möglich.
Die Muskeleigenreflexe sind seitengleich untermittellebhaft auslösbar. Die Koordination ist intakt, die Pyramidenzeichen sind an den oberen und unteren Extremitäten negativ. Die Sensibilität wird allseits als intakt angegeben, Vibrationsempfinden in den Unteren Extremitäten distal vermindert.
Gesamtmobilität - Gangbild:
Kommt selbständig gehend mit Halbschuhen 2 Unterarmstützkrücken, das Gangbild barfuß im Untersuchungszimmer ohne Anhalten ist leicht vorgeneigt und kleinschrittig, behäbig, Richtungswechsel mit Anhalten möglich, verlangsamt. Das Stiegensteigen alternierend möglich. Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt.
Status Psychicus:
Allseits orientiert; Merkfähigkeit, Konzentration und Antrieb unauffällig; Stimmungslage ausgeglichen.
Der Beschwerdeführer hat folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
- Morbus Bechterew, Abnützungserscheinungen der Wirbelsäule, geringgradige Skoliose
- Koronare Herzkrankheit
- Polyneuorpathiesyndrom
- Knietotalendoprothese links, Kniegelenksarthrose rechts
- beginnende Abnützungserscheinungen beider Schultergelenke
Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:
Es liegen keine Funktionsbeeinträchtigungen der oberen und unteren Extremitäten und der Wirbelsäule vor, welche die Mobilität erheblich und dauerhaft einschränkten. Es liegen keine so schwerwiegenden sensomotorischen Ausfälle vor, die die Fähigkeit eine Strecke von 300-400m zurückzulegen maßgeblich beeinträchtigen.
Das Zurücklegen dieser Wegstrecke ist für den Beschwerdeführer mit Schmerzen verbunden, für welche es Therapieoptionen gibt.
Beim Beschwerdeführer sind belastungsabhängige Probleme im Bereich der Wirbelsäule bei einem Zustand nach Operationen der Lendenwirbelsäule, zuletzt 8/19 mit geringen neurologischen Ausfallserscheinungen im Vordergrund, welche die Steh- und Gehleistung mäßig einschränken.
Die Gesamtmobilität ist aus orthopädischer Sicht ausreichend, um kurze Wegstrecken von etwa 300-400 m, allenfalls unter Verwendung einer einfachen Gehhilfe, zurücklegen zu können und um Niveauunterschiede zu überwinden, das sichere Aus- und Einsteigen ist möglich.
Es liegen keine so schwerwiegenden sensomotorischen Ausfälle vor, die die Überwindung von Niveauunterschieden beim Ein und Aussteigen maßgeblich beeinflussen.
Es liegen keine so schwerwiegenden sensomotorischen Ausfälle vor, die die Fähigkeit im Verkehrsmittel zu stehen oder sich einen Sitzplatz zu suchen maßgeblich beeinträchtigen. Der Beschwerdeführer benützt Krücken, die als Kompensationsmöglichkeiten geeignet sind.
An den oberen Extremitäten sind keine höhergradigen Funktionsbehinderungen fassbar, die Kraft seitengleich und gut, sodass die Benützung von Haltegriffen zumutbar und möglich ist. Kraft und Koordination sind ausreichend. Bei bekannter koronarer Herzkrankheit liegt kein Hinweis für eine relevante Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit vor. Es konnten weder kardiale Dekompensationszeichen festgestellt werden, noch liegen diesbezügliche Befunde vor. Kognitive Defizite sind nicht fassbar, sodass eine erhebliche Erschwernis beim Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, Be- und Entsteigen sowie bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht begründbar ist.
Es liegt keine schwere Erkrankung des Immunsystems vor.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen, dem Wohnsitz des Beschwerdeführers im Inland und zum Behindertenpass ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.
Die Feststellungen zu Art, Ausmaß und Auswirkungen der Funktionseinschränkungen auf die Zumutbarkeit zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel gründen sich - in freier Beweiswürdigung - in nachstehend ausgeführtem Umfang auf die vorgelegten und eingeholten Beweismittel:
Das von der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Orthopädie vom 14.05.2019, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 13.05.2019 samt ergänzender Stellungnahme vom 29.07.2019 ist schlüssig und nachvollziehbar, es weist keine Widersprüche auf. Es wird auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Auch wird zu den Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel eingehend Stellung genommen und nachvollziehbar ausgeführt, dass es dem Beschwerdeführer - trotz der vorliegenden Funktionseinschränkungen - möglich und zumutbar ist, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen.
Auch das aufgrund der Beschwerde vom BVwG eingeholten Sachverständigengutachten eines Facharztes für Neurologie vom 21.01.2020, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am selben Tag, ist schlüssig und nachvollziehbar, es weist, entgegen des Ausführungen des Beschwerdeführers keine Widersprüche auf. Es wird auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Auch wird zu den Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel eingehend Stellung genommen und nachvollziehbar ausgeführt, dass es dem Beschwerdeführer - trotz der vorliegenden Funktionseinschränkungen - auch aus neurologischer Sicht möglich und zumutbar ist, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Der medizinische Sachverständige berücksichtigte insbesondere auch den Umstand, dass sich der Beschwerdeführer im August 2019 einer weiteren Lendenwirbeloperation unterzog.
Wie aus diesen beiden medizinischen Sachverständigengutachten zu entnehmen ist, stehen beim Beschwerdeführer demnach belastungsabhängige Probleme im Bereich der Wirbelsäule bei geringfügigen neurologischen Ausfällen im Vordergrund, wobei aus dem vom Beschwerdeführer mit der Beschwerde vorgelegten Patientenbrief vom 20.08.2019 zu entnehmen ist, dass bei der Entlassung eine intakte Sensomotorik im Bereich der unteren Extremitäten bestand. Der Beschwerdeführer leidet an Schmerzen, welche jedoch nach dem neurologischen Sachverständigengutachten mit Schmerzmitteln bekämpft werden können.
Wenn der Beschwerdeführer angibt, dass der neurologische Sachverständige nicht beurteilen könne, dass sein Gang breitbasig und mit den zwei Unterarmstützkrücken relativ flüssig sei, so ist dem entgegen zu halten, dass einem medizinischen Sachverständigen der Humanmedizin zugebilligt werden muss, die bei einem von ihm befundeten Menschen vorhandene Mobilität richtig zu erkennen, und die Wahrnehmungen darüber richtig in der Verschriftlichung im Gutachten wiederzugeben. Zudem decken sich diese Ausführungen auch mit den Feststellungen der orthopädischen Sachverständigen, welche in deren Gutachten, welches einige Monate vor der den Leidenszustand des Beschwerdeführers verbessernden Operation der Lendenwirbelsäule erstellt wurde, ebenfalls ausführt, dass das Gangbild barfuß im Untersuchungszimmer ohne Anhalten, leicht vorgeneigt und kleinschrittig und behäbig war. Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer nicht in der Lage sein soll, eine kurze Wegstrecke nicht ohne Pause zu bewältigen, sind keinem der beiden medizinischen Sachverständigengutachten zu entnehmen. Der Beschwerdeführer legte auch keine medizinischen Befunde vor, welche diesen Umstand auch einige Monate nach der Lendenwirbeloperation im August 2019 nach wie vor belegen. Wenn in dem bereits zitierten Patientenbrief vom 20.08.2019 festgehalten ist, dass die Gehstrecke des Beschwerdeführers auf 50m unter Zuhilfenahme von zwei Unterarmstützkrücken eingeschränkt war, und der Beschwerdeführer sodann wegen Schmerzen das Kreuz durch das Aufrichten der Wirbelsäule entlasten musste, so ist dabei zu berücksichtigen, dass dieser Patientenbrief sechs Tage nach der Wirbelsäulenoperation erstellt wurde. Zwischen diesem Patientenbrief und der Untersuchung vor dem neurologischen Sachverständigen am 16.01.2020 liegt ein Zeitraum von ca. fünf Monaten. Medizinische Befunde, welche eine zum derzeitigen Zeitpunkt noch bestehende maßgebliche Einschränkung der Möglichkeit zur Zurücklegung einer Wegstrecke von 300 - 400m objektivieren können, liegen im gegenständlichen Beschwerdeverfahren nicht vor.
Dem Beschwerdeführer ist recht zu geben, dass der neurologische Sachverständige bei der Auflistung seiner Funktionseinschränkungen bei Leiden 4. ein Fehler unterlief, richtigerweise hat der Beschwerdeführer eine Knietotalendoprothese links und eine Kniegelenksarthrose rechts hat, wie dies die orthopädische Sachverständige in deren Gutachten vom 14.05.2019 richtig anführte. Die entsprechende Feststellung beruht daher auf deren Gutachten.
Wenn der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 04.03.2020 ausführt, dass für ihn nicht nachvollziehbar sei, dass der Sachverständige Muskelreflexe auslösen haben können, obwohl der Beschwerdeführer am linken Knie eine Totalendoprothese habe, so ist dem entgegen zu halten, dass sich diese Feststellung im Sachverständigengutachten nicht nur auf die Muskelkreflexe des linken Knies, sondern auf die allgemeinen Muskelreflexe des Beschwerdeführers bezog.
Auch hinsichtlich des Zehenspitzenstandes hielt der neurologische Sachverständige in seinem Gutachten fest, dass dieser schmerzbedingt nur angedeutet möglich war. Damit steht fest, dass es dem Beschwerdeführer nicht möglich ist, auf den Zehenspitzen zu gehen, ob angedeutet oder gar nicht, wie er in seiner Beschwerde anführt, ist für die Entscheidungsfindung nicht von wesentlicher Relevanz.
Dem Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Beschwerde folgend holte das BVwG das genannte neurologische Sachverständigengutachten ein. Es ist daher nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer nunmehr, nachdem auch dieses Gutachten nicht die vom Beschwerdeführer gewünschten Ergebnisse erbrachte, die neuerliche Einholung eines orthopädischen Sachverständigengutachtens begehrt, obwohl ein derartiges medizinisches Sachverständigengutachten bereits vorliegt. Ganz abgesehen davon, dass es dem Beschwerdeführer nicht freisteht, einen bestimmen medizinischen Sachverständigen anzufordern, wird diesem Begehren auch aus dem Grund nicht gefolgt, weil nicht ersichtlich ist, zu welchen anderen Ergebnissen ein orthopädischer Sachverständiger aufgrund der bestehenden und objektivierten Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers kommen soll.
Es steht somit fest, dass dem Beschwerdeführer das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke von 300 bis 400 Meter trotz der bei ihm unbestritten bestehenden Funktionseinschränkungen selbständig möglich ist. Auch das Ein- und Aussteigen in öffentliche Verkehrsmittel ist dem Beschwerdeführer ohne fremde Hilfe zumutbar. Ein sicherer Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln durch Festhalten an Haltegriffen ist gewährleistet.
Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, die folgende Krankheitsbilder umfassen: Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10, sind im Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen. Ebenso wenig besteht ein Hinweis auf eine Erkrankung des Immunsystems.
Der Beschwerdeführer ist mit dem oben wiedergegebenen Vorbringen in der Beschwerde den beiden auf einer persönlichen Untersuchung basierenden Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Orthopädie und eines Facharztes für Neurologie im Lichte obiger Ausführungen daher nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des Sachverständigengutachtens der orthopädischen Sachverständigen vom 14.05.2019, beruhend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 13.05.2019 und des Sachverständigengutachtens des neurologischen Sachverständigen vom 21.01.2020, beruhend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am selben Tag und werden diese beiden Sachverständigengutachten in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
1. Zur Entscheidung in der Sache:
Der Vollständigkeit halber wird zunächst darauf hingewiesen, dass mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 02.08.2019 der Antrag des Beschwerdeführers auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gemäß §§ 42 und 45 Bundesbehindertengesetz idgF BGBl I Nr. 32/2018 (in der Folge kurz BBG) abgewiesen wurde. Verfahrensgegenstand ist somit nicht die Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung, sondern ausschließlich die Prüfung der Voraussetzungen der Vornahme der beantragten Zusatzeintragung.
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:
§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
...
§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
...
§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpass und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen."
§ 1 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, idg F BGBl II Nr. 263/2016 lautet - soweit im gegenständlichen Fall relevant - auszugsweise:
"§ 1 ....
(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:
1. .......
2. ......
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d
vorliegen.
(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
(6)......"
In den Erläuterungen zu § 1 Abs. 2 Z 3 zur Stammfassung der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 wird unter anderem - soweit im gegenständlichen Fall relevant - Folgendes ausgeführt:
"Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (neu nunmehr § 1 Abs. 4 Z. 3, BGBl. II Nr. 263/2016):
...
Durch die Verwendung des Begriffes "dauerhafte Mobilitätseinschränkung" hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.
...
Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:
- arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option
- Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen
- hochgradige Rechtsherzinsuffizienz
- Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie
- COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie
- Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie
- mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden..."
Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist, und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung unzumutbar ist (vgl. VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 18.12.2006, 2006/11/0211, und vom 17.11.2009, 2006/11/0178, jeweils mwN.).
Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321). Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hierbei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).
Bei der Beurteilung der zumutbaren Wegstrecke geht der Verwaltungsgerichtshof von städtischen Verhältnissen und der durchschnittlichen Distanz von 300 bis 400 Metern bis zur nächsten Haltestelle eines öffentlichen Verkehrsmittels aus (vgl. das Erkenntnis vom 27. Mai 2014, Zl. Ro 2014/11/0013).
Wie oben im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt - auf die diesbezüglichen Ausführungen wird verwiesen -, wurde in den beiden eingeholten Sachverständigengutachten vom 14.05.2019 und vom 21.01.2020, beide jeweils beruhend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers, sowohl aus orthopädischer und neurologischer Sicht nachvollziehbar verneint, dass im Fall des Beschwerdeführers - trotz der bei ihm vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen - die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass vorliegen. Mit dem Vorliegen der beim Beschwerdeführer objektivierten aktuellen Funktionsbeeinträchtigungen vermag der Beschwerdeführer noch nicht die Überschreitung der Schwelle der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen darzutun.
Die Voraussetzungen für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung aufgrund von erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sind im Falle des Beschwerdeführers ebenfalls nicht gegeben. Eine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit liegt ebenso wenig vor, wie entscheidungsmaßgebliche Einschränkungen der Sinnesfunktionen. Es kann im vorliegenden Fall außerdem keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, festgestellt werden.
Da festgestellt worden ist, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen kein Ausmaß erreichen, welches die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass rechtfertigt, war spruchgemäß zu entscheiden.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Prüfung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in Betracht kommt.
2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung
Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde, auf das über Veranlassung der belangten Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten für Orthopädie und das über Veranlassung des BVwG eingeholte Sachverständigengutachten für Neurologie, welche beide auf je einer persönlichen Untersuchung beruhen, und welche auf alle Einwände und vorgelegten Befunde des Beschwerdeführers in jeweils fachlicher Hinsicht eingehen, und welchen der Beschwerdeführer im Rahmen des ihm eingeräumten Parteiengehörs nicht substantiiert entgegengetreten ist. Die strittige Tatsachenfrage, genauer die Art und das Ausmaß der Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers und damit verbunden die Frage der Zumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, sind einem Bereich zuzuordnen, der von einem Sachverständigen zu beurteilen ist. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG - trotz dem in der Beschwerde gestellten Antrages auf eine mündliche Verhandlung - nicht entgegen.
Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Behindertenpass Sachverständigengutachten Zumutbarkeit ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W261.2223774.1.00Im RIS seit
28.07.2020Zuletzt aktualisiert am
28.07.2020