Entscheidungsdatum
04.05.2020Norm
BEinstG §14Spruch
W261 2222865-1/6E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS als Vorsitzende und die Richterin Mag. Karin RETTENHABER-LAGLER sowie den fachkundigen Laienrichter Herbert PICHLER als Beisitzerin und Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch den Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien, Niederösterreich und Burgenland, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 06.03.2019, in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 30.04.2019, betreffend die Abweisung des Antrages auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten beschlossen:
A)
In Erledigung der Beschwerde und des Vorlageantrages wird der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin stellte am 04.12.2018 einen Antrag auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten behinderten beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (auch Sozialministeriumservice, in der Folge belangte Behörde) und legte ein Konvolut an medizinische Befunden bei.
Die belangte Behörde holte zur Überprüfung des Antrages ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin ein. In dem auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 23.01.2019 erstatteten Gutachten vom selben Tag stellte die Sachverständige bei der Beschwerdeführerin die Funktionseinschränkungen "1. rheumatoide Arthritis", "2. Panikstörung" und "3. Hypertonie" mit einem Gesamtrad der Behinderung in Höhe von 30 v.H. fest.
Die belangte Behörde übermittelte der Beschwerdeführerin dieses Sachverständigengutachten mit Schreiben vom 28.01.2019 im Rahmen des Parteiengehörs und räumte ihr eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme ein.
Die Beschwerdeführerin gab mit Schreiben vom 06.02.2019 eine Stellungnahme ab, in welcher sie vorbrachte, sie habe nicht alle Unterlagen vorlegen können, da noch weitere Kontrollen und Untersuchungen anstehen würden.
Die belangte Behörde ersuchte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 08.02.2019 daraufhin um Vorlage von aktuellen Befunden. Die Beschwerdeführerin kam der Aufforderung nach und legte ein Konvolut an medizinischen Befunden vor, welche am 26.02.2019 bei der belangten Behörde einlangten.
Die belangte Behörde ersuchte die bereits befasste Ärztin für Allgemeinmedizin um eine ergänzende Stellungnahme. Die allgemeinmedizinische Sachverständige führte in der Stellungnahme vom 04.03.2019 aus, die nachgereichten Befunde würden keine neuen Erkenntnisse hinsichtlich noch nicht berücksichtigter, behinderungswirksamer Gesundheitsschäden beinhalten und würden folglich auch nicht im Widerspruch zum Gutachten vom 26.01.2019 stehen, wodurch sich keine Änderung der bereits durchgeführten Einstufung ergebe.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 06.03.2019 wies die belangte Behörde den Antrag auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten gemäß §§ 2 und 14 Abs. 1 und 2 Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) ab und stellte einen Grad der Behinderung von 30 v.H. fest. Die belangte Behörde legte dem Bescheid das eingeholte Sachverständigengutachten und die ergänzende Stellungnahme in Kopie bei.
Gegen diesen Bescheid erhob die durch den Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien, Niederösterreich und Burgenland (in der Folge KOBV) bevollmächtigt vertretene Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde und brachte zusammengefasst vor, dass das unter der laufenden Nummer 1 eingestufte Leiden zu gering beurteilt worden sei. Die Beschwerdeführerin leide aufgrund ihrer rheumatoiden Erkrankung an massiven Schmerzen und könne keine Gegenstände heben. Weiters leide sie aufgrund einer Fußfehlstellung in Kombination mit beidseitigen Fersensporn an starken Schmerzen in den Füßen. Zwischen diesen Beschwerden und der rheumatoiden Erkrankung komme es zu einer ungünstigen wechselseitigen Leidensbeeinflussung. Auch das unter der laufenden Nummer 2 festgestellte Leiden hätte höher bewertet werden müssen, da es mehrmals pro Woche zu Panikattacken mit Herzrasen, Brustschmerzen, Schweißausbrüchen und Schlafstörungen komme. Bei einer derartigen Panikattacke sei die Beschwerdeführerin nicht arbeitsfähig. Eine Therapie mit Psychopharmaka sei bereits etabliert, eine begleitende Psychotherapie sei geplant. Insgesamt müsse aufgrund der multiplen Leiden der Gesamtgrad der Behinderung zumindest 50 v.H. betragen. Es werde die Einholung von Sachverständigengutachten aus den Fachbereichen Neurologie/Psychiatrie sowie Rheumatologie und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Der Beschwerde wurde ein Konvolut an medizinischen Befunden angeschlossen.
Die belangte Behörde holte in weiterer Folge ein medizinisches Sachverständigengutachten der bereits befassten Ärztin für Allgemeinmedizin aufgrund der Aktenlage vom 29.04.2019 ein. Darin führte sie aus, dass es zu keiner Änderung im Vergleich zum Vorgutachten komme. Für die Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung müsse ein maßgebliches ungünstiges funktionelles Zusammenwirken der einzelnen Leiden vorliegen, dieses liege jedoch gerade eben nicht vor. Ein Fersensporn beidseits sowie eine Hallux valgus-Fehlstellung links würden keinen Grad der Behinderung erreichen, da diese Leiden mittels Schuheinlagen kompensierbar sowie mit lokalen Infiltrationen gut behandelbar seien und ein normales Gangbild bestehe.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 30.04.2019 erließ die belangte Behörde eine Beschwerdevorentscheidung, wonach die Beschwerde abgewiesen werde. Mit einem Grad der Behinderung von 30 v.H. seien die Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten nicht erfüllt.
Die Beschwerdeführerin stellte mit Schreiben vom 21.05.2019 einen Vorlageantrag und führt aus, dass sowohl im allgemeinmedizinischen Gutachten vom 04.03.2019 als auch im ergänzenden Sachverständigen den gravierenden Gesundheitsbeeinträchtigungen der Beschwerdeführerin nicht ausreichend Rechnung getragen worden sei. Außerdem seien keine entsprechenden Fachgutachten erstellt worden, obwohl diese zur Beurteilung der Einschränkungen der Beschwerdeführerin unumgänglich seien. Die bisherigen Einwendungen würden vollinhaltlich aufrecht bleiben. Ergänzend werde zu Leiden 1 ausgeführt, dass dieses schubweise verlaufe und die Schwellungen und Funktionseinschränkungen daher nicht immer gleich ausgeprägt seien. Es werde ein aktueller Befund vom 10.05.2019 vorgelegt, welcher die aktuell wieder vermehrt vorliegenden Schwellungen der Gelenke dokumentiere. Insbesondere bei aktiven Phasen der Erkrankung würden infolgedessen starke Schmerzen sowie Einschränkungen der Feinmotorik auftreten, sodass mit der getroffenen Einstufung kein Auslangen gefunden werden könne. Entgegen der Ausführungen im Sachverständigengutachten seien die Schmerzen infolge der Fußfehlstellung sowie des vorliegenden Fersensporns nicht ausreichend behandelbar und müssten ebenfalls einer Einstufung unterzogen werden. Eine orthopädische Rehabilitation sei vom 17.06. bis 26.07.2019 geplant. Hinsichtlich des Leidens 2 sei trotz regelmäßiger psychiatrischer Behandlung keine Besserung eingetreten. Zusätzlich sei eine depressive Episode aufgetreten, wodurch die Beschwerdeführerin zusätzlich belastet werde. Es komme außerdem immer wieder zu Blutdruckschwankungen und hypertensiven Entgleisungen. Dem Vorlageantrag wurden weitere medizinische Befunde angeschlossen.
Die belangte Behörde wies den Vorlageantrag - ohne Verspätungsvorhalt - mit Bescheid vom 24.05.2019 als verspätet zurück.
Die durch den KOBV vertretene Beschwerdeführerin erhob dagegen mit Eingabe vom 04.06.2019 rechtzeitig Beschwerde und legte dar, dass ihr bzw. ihrer Vertretung die Beschwerdevorentscheidung nachweislich am 08.05.2019 zugestellt worden sei, woraus sich ergebe, dass der Vorlageantrag, der am 22.05.2019 bei der belangten Behörde einlangte, als rechtzeitig eingebracht anzusehen sei.
Mit Erkenntnis vom 23.07.2019 gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde betreffend die Zurückweisung des Vorlageantrages vom 21.05.2019 wegen Verspätung statt und hob den angefochtenen Bescheid vom 24.05.2019 auf.
Mit Eingabe vom 09.08.2019 legte die Beschwerdeführerin durch den KOBV die Ambulanzkartei - Interne Ambulanz des Gesundheitszentrum Wien-Süd der Wiener Gebietskrankenkasse vom 04.07.2019 vor.
Die belangte Behörde legte den Aktenvorgang dem Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) mit Schreiben vom 27.08.2019 vor, wo dieser am selben Tag einlangte.
Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 21.01.2020 wurde das gegenständliche Beschwerdeverfahren der Gerichtsabteilung W260 abgenommen und in weiterer Folge der Gerichtsabteilung W261 neu zugeteilt, wo dieses am 12.02.2020 einlangte.
Das BVwG holte am 12.02.2020 einen Auszug aus dem AJ-WEB Auskunftsverfahren ein, wonach die Beschwerdeführerin bis 31.01.2020 in Bezug von Krankengeld stand und bei ihrem Ehegatten mitversichert ist.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zu A)
Gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (in der Folge VwGVG) hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden,
1. wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, allerdings mit dem Unterschied, dass die Notwendigkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 28 Abs. 3 VwGVG nicht erforderlich ist. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013), § 28 VwGVG, Anm. 11.).
§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, zur Auslegung des § 28 Abs. 3 2. Satz ausgeführt hat, ist vom prinzipiellen Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auszugehen. Nach der Bestimmung des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG kommt bereits nach ihrem Wortlaut die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht (vgl. auch Art. 130 Abs. 4 Z 1 B-VG). Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.
Ist die Voraussetzung des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG erfüllt, hat das Verwaltungsgericht (sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist) "in der Sache selbst" zu entscheiden.
Das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, verlangt, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird.
Wie der Verwaltungsgerichtshof im oben angeführten Erkenntnis ausgeführt hat, wird eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht, vgl. Holoubek, Kognitionsbefugnis, Beschwerdelegitimation und Beschwerdegegenstand, in: Holoubek/Lang (Hrsg), Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, erster Instanz, 2013, Seite 127, Seite 137; siehe schon Merli, Die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte erster Instanz, in Holoubek/Lang (Hrsg), Die Schaffung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, 2008, Seite 65, Seite 73 f).
Der angefochtene Bescheid erweist sich in Bezug auf den zu ermittelnden Sachverhalt aus folgenden Gründen als grob mangelhaft:
Die Beschwerdeführerin leidet unter anderem an einem psychischen Leiden und an rheumatoider Arthritis, welche bereits bei Antragsstellung angegeben und durch Befunde objektiviert wurden.
Es besteht zwar kein Anspruch auf die Zuziehung von Sachverständigen eines bestimmten medizinischen Teilgebietes. Es kommt jedoch auf die Schlüssigkeit der eingeholten Gutachten an. Gegenständlich ist die ausschließlich durch eine Ärztin für Allgemeinmedizin vorgenommene Beurteilung angesichts des komplexen Krankheitsbildes der Beschwerdeführerin offensichtlich sachwidrig erfolgt. Das Vorbringen und die vorgelegten Beweismittel enthalten konkrete Anhaltspunkte, dass die Einholung von Gutachten der Fachrichtungen Psychiatrie und Rheumatologie erforderlich ist, um eine vollständige und ausreichend qualifizierte Prüfung zu gewährleisten.
Das Leiden "Rheumatoide Arthritis" verläuft schubweise und ist, anders als von der allgemeinmedizinischen Sachverständigen festgehalten, derzeit nicht inaktiv, wie der im Rahmen des Vorlageantrages vorgelegte Befund vom 10.05.2019 dokumentiert. Darin wird eine aktuell wieder vermehrt vorliegende Schwellung der Gelenke feststellt, welche mit starken Schmerzen und Einschränkungen der Feinmotorik verbunden ist. Die Beschwerdeführerin war daraufhin auch in orthopädischer Rehabilitation.
Zur Panikstörung ist im psychischen Bereich auch noch eine depressive Episode aufgetreten, wie ebenfalls mit einem im Vorlageantrag vorgelegten Befund vom 15.05.2019 belegt ist.
Darüber hinaus leidet die Beschwerdeführerin an Hyperglykämie, Blutdruckschwankungen und hypertensiven Entgleisungen, was im Vorlageantrag mit ambulantem Patientenbrief vom 13.05.2019 belegt wurde. Damit ist auch die Einholung eines internistischen Sachverständigengutachtens angezeigt.
Dass die Gutachterin die Nieren- und Leberzysten und die befundmäßig belegte Fettleber (steatosis hepatis) als nicht einstufungsrelevant beurteilte, da kein Interventionsbedarf dokumentiert sei, ist nicht nachvollziehbar, ist eine Fettleber nämlich auch ohne Komplikationen nach der Positionsnummer 07.05.03 der Einschätzungsverordnung mit einem Grad der Behinderung von 10 bis 20 v.H. einzuschätzen.
Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde medizinische Sachverständigengutachten der Fachrichtungen Psychiatrie/Neurologie, Rheumatologie und Innere Medizin basierend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin einzuholen und die Ergebnisse unter Einbeziehung des Beschwerdevorbringens und des Vorbringens im Vorlageantrag bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen haben. Die Einzelgutachten sind in Form eines Gesamtgutachtens zusammenzufassen.
Von den Ergebnissen des weiteren Ermittlungsverfahrens wird die Beschwerdeführerin mit der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme in Wahrung des Parteiengehörs in Kenntnis zu setzen sein.
Aus den dargelegten Gründen ist davon auszugehen, dass die belangte Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat und sich der vorliegende Sachverhalt zur Beurteilung des Grades der Behinderung als so mangelhaft erweist, dass weitere Ermittlungen bzw. konkretere Sachverhaltsfeststellungen erforderlich erscheinen.
Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens durch das Bundesverwaltungsgericht kann - im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 VwGVG - nicht im Sinne des Gesetzes liegen. Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist - angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes und angesichts der im gegenständlichen Fall unterlassenen Sachverhaltsermittlungen - nicht ersichtlich.
Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben. Da der maßgebliche Sachverhalt im Fall der Beschwerdeführerin noch nicht feststeht und vom Bundesverwaltungsgericht auch nicht rasch und kostengünstig festgestellt werden kann, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen zurückzuverweisen.
Von der Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung wird gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG abgesehen, zumal aus dem Beschwerdeakt ersichtlich ist, dass eine mündliche Erörterung der Rechtssache mangels ausreichender Sachverhaltserhebungen und Feststellungen der belangten Behörde eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt.
Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Ermittlungspflicht Grad der Behinderung Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W261.2222865.1.00Im RIS seit
28.07.2020Zuletzt aktualisiert am
28.07.2020