TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/4 W261 2220190-1

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Veröffentlicht am 04.05.2020
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Entscheidungsdatum

04.05.2020

Norm

BBG §42
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W261 2220190-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS als Vorsitzende und die Richterin Mag. Karin RETTENHABER-LAGLER sowie den fachkundigen Laienrichter Herbert PICHLER als Beisitzerin und als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien vom 20.03.2019, in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 06.06.2019, betreffend die Streichung der Zusatzeintragung "Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs. 1 zweiter Teilstrich VO 303/1996 liegt vor" aus dem Behindertenpass zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer ist seit 2017 Inhaber eines Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 50 von Hundert (in der Folge v.H.) mit den Zusatzeintragungen "Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs. 1 zweiter Teilstrich VO 303/1996 liegt vor" und "Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs. 1 dritter Teilstrich VO 303/1996 liegt vor".

Am 29.11.2018 stellte er beim Sozialministeriumservice (in der Folge "belangte Behörde" genannt) einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung und legte eine Reihe von ärztlichen Befunden vor.

Die belangte Behörde holte in weiterer Folge ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin ein. In dem auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 14.01.2019 erstatteten Gutachten vom selben Tag stellte der medizinische Sachverständige fest, dass der Gesamtgrad der Behinderung weiterhin 50 v.H. betrage. Im Vergleich zum Vorgutachten habe sich die Funktionseinschränkung "Hepatopathie" gebessert und der Grad der Behinderung dieses Leidens von 20 v.H. auf 10 v.H. gemindert, da keine Lebersynthesestörung mehr dokumentiert sei.

Die belangte Behörde übermittelte dem Beschwerdeführer das genannte Gutachten mit Schreiben vom 18.01.2019 im Rahmen des Parteiengehörs und räumte ihm die Möglichkeit ein, hierzu innerhalb einer Frist von zwei Wochen eine Stellungnahme abzugeben.

Mit Eingabe vom 25.01.2019 gab der Beschwerdeführer eine schriftliche Stellungnahme ab, wonach er ausführte, die Summe seiner gesundheitlichen Einschränkungen seien vom allgemeinmedizinischen Sachverständigen nicht fachspezifisch gewürdigt worden und listete seine bei ihm gestellten Diagnosen und die tägliche Dauermedikation und Therapie auf. Die Gesamtheit seiner Gesundheitseinschränkungen, die deutlich negative Auswirkungen auf seinen Alltag habe, müsste mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 v.H. eingestuft werden. Der Beschwerdeführer legte ein Konvolut an neuen Befunden vor.

Die belangte Behörde holte in der Folge ein weiteres Sachverständigengutachten des bereits befassten Arztes für Allgemeinmedizin ein. In dem aufgrund der Aktenlage am 25.02.2019 erstatteten Gutachten stellte die medizinische Sachverständige erneut einen Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. fest und führte aus, dass sich keine maßgebliche Änderung im Vergleich zum Vorgutachten ergebe. Die Hepatopathie wurde erneut mit einem Grad der Behinderung von 10 v.H. eingestuft.

Die belangte Behörde übermittelte dem Beschwerdeführer das genannte Gutachten mit Schreiben vom 25.02.2019 im Rahmen des Parteiengehörs und räumte ihm die Möglichkeit ein, hierzu innerhalb einer Frist von zwei Wochen eine Stellungnahme abzugeben.

Mit Eingabe vom 01.03.2019 gab der Beschwerdeführer eine Stellungnahme ab. Darin führte er aus, dass bereits zum dritten Mal - erstmals am 11.07.2017, anschließend am 14.01.2019 und am 25.02.2019 - derselbe allgemeinmedizinische Sachverständige ein Gutachten erstellte, der seine Antipathie dem Beschwerdeführer gegenüber bereits bei der ersten Untersuchung im Jahr 2017 unmissverständlich in abfälligen Worten und abwertenden Gesten zum Ausdruck gebracht habe. Es entspreche keinesfalls der zu erwartenden Objektivität und Unbefangenheit, dass dreimal in Folge derselbe Arzt ein Gutachten erstelle, wenn bereits zwei seiner Gutachten beanstandet worden seien. Der Sachverständige sei darüber hinaus ein Arzt für Allgemeinmedizin und könne die psychischen Krankheiten des Beschwerdeführers nicht beurteilen. Der Beschwerdeführer wiederholte in weiterer Folge im Wesentlichen sein Vorbringen der Stellungnahme vom 25.01.2019 und legte weitere Befunde vor, die er zu großem Teil bereits zuvor vorgelegt hatte.

Die belangte Behörde ersuchte den bereits befassten Sachverständigen und Arzt für Allgemeinmedizin um eine Stellungnahme. In der ergänzenden Stellungnahme vom 19.03.2019 hielt dieser fest, dass die vorgelegten Befunde überwiegend bereits bei den bisherigen Begutachtungen vorgelegen seien. Die neu vorgelegten Befunde würden keine neuen Aspekte aufzeigen. Die Leiden des Beschwerdeführers seien unter Beachtung der vom Beschwerdeführer zur Verfügung gestellten Befunde zur Kenntnis genommen und einer richtsatzgemäßen Einschätzung unterzogen worden. Insgesamt würden die Einwendungen des Beschwerdeführers keine ausreichend relevanten Sachverhalte beinhalten, die eine Änderung des Gutachtens bewirken würden, sodass daran festgehalten werde.

Mit Bescheid vom 20.03.2019 wies die belangte Behörde den Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung ab und stellte fest, dass der Grad der Behinderung weiterhin 50 v.H. betrage. Die belangte Behörde schloss dem Bescheid das eingeholte Sachverständigengutachten vom 25.02.2019 und die ergänzende Stellungnahme vom 19.03.2019 in Kopie an.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 20.03.2019 stellte die belangte Behörde weiters fest, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs. 1 zweiter Teilstrich VO 303/1996 liegt vor" nicht mehr vorliege, weshalb die genannte Zusatzeintragung aus dem Behindertenpass zu entfernen sei.

Mit Eingabe vom 25.03.2019 erhob der Beschwerdeführer sowohl gegen den Bescheid, mit welchem der Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung abgewiesen wurde, als auch gegen den Bescheid, mit welchem die Zusatzeintragung "Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs. 1 zweiter Teilstrich VO 303/1996 liegt vor" aus dem Behindertenpass gestrichen wurde, fristgerecht Beschwerde. Darin wiederholte er im Wesentlichen seine Einwendungen der Stellungnahme vom 01.03.2019 und schloss ein Konvolut an medizinischen Befunden an, wovon lediglich der psychotherapeutische Befundbericht vom 18.03.2019 erstmals vorgelegt wurde.

Mit E-Mail vom 16.04.2019 übermittelte der Beschwerdeführer seine Heiratsurkunde vom selben Tag, um seine Namensänderung mitzuteilen.

Die belangte Behörde holte in weiterer Folge ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Psychiatrie ein. In dem auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 03.06.2019 erstatteten Gutachten vom 05.09.2019 stellte die medizinische Sachverständige fest, dass der Gesamtgrad der Behinderung weiterhin 50 v.H. betrage. Das Leiden "Hepatopathie" werde mit 10 v.H. eingestuft. Es ergebe sich keine wesentliche Änderung im Vergleich zum Vorgutachten. Durch die vorgelegten Befunde und der Statuserhebung im Rahmen der persönlichen Untersuchung seien keine Verbesserungen oder Verschlechterungen der festgestellten Leiden im Vergleich zum Vorgutachten objektivierbar.

Die belangte Behörde wies mit Beschwerdevorentscheidungen vom 06.06.2019 sowohl die Beschwerde betreffend die Abweisung der Neufestsetzung des Grades der Behinderung als auch jene betreffend die Streichung der Zusatzeintragung "Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs. 1 zweiter Teilstrich VO 303/1996 liegt vor" ab.

Mit Schreiben vom 14.06.2018 stellte der Beschwerdeführer fristgerecht einen Vorlageantrag.

Die belangte Behörde legte den Aktenvorgang dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 18.06.2019 vor, wo dieser am selben Tag in der Gerichtsabteilung W260 einlangte.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 21.01.2020 wurde das gegenständliche Beschwerdeverfahren der Gerichtsabteilung W260 abgenommen und in weiterer Folge der Gerichtsabteilung W261 neu zugeteilt, wo dieses am 12.02.2020 einlangte.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am 12.02.2020 eine Abfrage im Zentralen Melderegister durch, wonach der Beschwerdeführer österreichischer Staatsbürger ist und seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland hat.

Über die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen die mit Bescheid vom 20.03.2019 erfolgte Abweisung der Neufestsetzung des Grades der Behinderung ergeht ein gesondertes Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Der Beschwerdeführer erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Der Beschwerdeführer hat seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland und besitzt einen Behindertenpass.

Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers:

Allgemeinzustand: gut. Ernährungszustand: unauffällig.

Größe: 174,00 cm Gewicht: 77,00 kg

Klinischer Status - Fachstatus:

Caput: HNAP frei, kein Meningismus, HWS frei beweglich, Sprache unauffällig.

Hirnnerven: Pupillen rund, isocor bds., Lichtreaktion prompt und konsensuell, Lidspalten gleich weit, Bulbusmotilität in allen Ebenen frei und koordiniert, kein pathologischer Nystagmus, keine Doppelbilder, HN VII seitengleich innerviert, basale HN frei.

Obere Extremeitäten: Trophik, Tonus und grobe Kraft stgl. unauffällig. VA: kein Absinken, Feinmotilität nicht beeinträchtigt, BSR, TSR, RPR mittellebhaft bds. auslösbar, Knips bds. negativ, Eudiadochokinese bds., FNV bds. zielsicher, keine unwillkürlichen Bewegungen.

Untere Extremitäten: Trophik, Tonus und grobe Kraft stgl. unauffällig. PV: kein Absinken, PSR und ASR mittellebhaft bds. auslösbar, Babinski bds. negativ, KHV bds. zielsicher, keine unwillkürlichen Bewegungen. Laseque linksseitig endlagig pos.

Sensibilität: Angabe einer diffusen Hypästhesie linke OE, Hypästhesie lat. OSCH links.

Gesamtmobilität - Gangbild:

Gangbild unauffällig, Zehen- und Fersengang möglich

Status Psychicus: wach, zur Person, örtlich, zeitlich orientiert, Konzentration, Aufmerksamkeit im Gespräch unauffällig, Mnestik altersentsprechend unauffällig, Antrieb etwas reduziert, Stimmung gedrückt, Befindlichkeit klagsam, Affizierbarkeit in beiden Skalenbereichen gegeben, Ductus kohärent und zielführend, anamn. Stimmenhören (beschimpfend), anamn. Panikattacken, latente Selbstmordgedanken, Ein- und Durchschlafstörung.

Der Beschwerdeführer hat folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

- Depressive Störung mit psychotischen Symptomen

- Colitis ulcerosa

- Lactoseintoleranz

- Obstruktives Schlafapnoe-Syndrom (OSAS)

- Degenerative Wirbelsäulenveränderungen

- Hepatopathie

- Zervikalsyndrom/Spannungskopfschmerz

- Degenerative Gelenksveränderungen

- Alterssichtigkeit und Glaucom bei beidseits Visus von 1,0

Das Leberleiden des Beschwerdeführers "Hepatopathie" erreicht keinen Grad der Behinderung von 20 v.H.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen, dem Wohnsitz des Beschwerdeführers im Inland und zum Behindertenpass ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.

Die Feststellungen zu Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen gründen sich - in freier Beweiswürdigung - in nachstehend ausgeführtem Umfang auf die vorgelegten und eingeholten Beweismittel:

Das von der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Psychiatrie vom 05.06.2019, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 03.06.2019, ist schlüssig und nachvollziehbar, es weist keine Widersprüche auf. Es wird auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Damit wird auch das ebenfalls von der belangten Behörde eingeholte allgemeinmedizinische Sachverständigengutachten vom 25.02.2019 und die ergänzende Stellungnahme des Arztes für Allgemeinmedizin vom 19.03.2019 bestätigt, welche zum selben Ergebnis kommen.

Im Vergleich zum Vorgutachten vom 24.08.2017, in welchem die Funktionseinschränkung "Hepatopathie" mit einem Grad der Behinderung von 20 v.H. eingestuft wurde, da auch unter Therapie erhöhte Transaminasen feststellbar waren, ist das Leiden nunmehr mit 10 v.H. eine Stufe herabgesetzt, da inzwischen keine Lebersynthesestörung mehr dokumentiert ist.

Der Beschwerdeführer legte keinen medizinischen Befund vor, welcher geeignet wäre, eine andere Beurteilung des Leberleidens mit einem höheren Grad der Behinderung herbeizuführen, bzw. eine zwischenzeitig eingetretene Verschlechterung des Leidenszustandes zu belegen und allenfalls zu einer anderen rechtlichen Beurteilung zu führen. Er machte auch in seinen Stellungnahmen, der Beschwerde und im Vorlageantrag keine Angaben dazu, dass das Leberleiden zu niedrig eingestuft worden sei.

Er ist mit dem oben wiedergegebenen Vorbringen in der Beschwerde dem auf einer persönlichen Untersuchung basierenden Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Psychiatrie vom 05.06.2019 im Lichte obiger Ausführungen daher nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des Sachverständigengutachtens vom 05.06.2019, beruhend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 03.06.2019, und wird dieses Sachverständigengutachten in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

1. Zur Entscheidung in der Sache:

Der Vollständigkeit halber wird zunächst darauf hingewiesen, dass mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 20.03.2019 die Zusatzeintragung "Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs. 1 zweiter Teilstrich VO 303/1996 liegt vor" gemäß §§ 42 und 45 Bundesbehindertengesetz idgF BGBl I Nr. 100/2018 (in der Folge kurz BBG) gestrichen wurde. Verfahrensgegenstand ist somit nicht die Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung, sondern ausschließlich die Prüfung der Voraussetzungen der genannten Zusatzeintragung. Über die Beschwerde gegen die mit Bescheid vom 20.03.2019 erfolgte Abweisung der Neufestsetzung des Grades der Behinderung ergeht ein gesondertes Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag.

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpass und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen."

§ 1 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, idg F BGBl II Nr. 263/2016 lautet - soweit im gegenständlichen Fall relevant - auszugsweise:

"§ 1 ....

(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:

1. die Art der Behinderung, etwa dass der Inhaber/die Inhaberin des Passes

...

h) eine Gesundheitsschädigung gemäß § 2 Abs. 1 zweiter Teilstrich der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen aufweist;

diese Eintragung ist bei Vorliegen einer Gallen-, Leber- oder Nierenerkrankung mit einem festgestellten Grad der Behinderung von mindestens 20% vorzunehmen.

2. ......

3. ......

(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

(6)......"

Wie oben im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt - auf die diesbezüglichen Ausführungen wird verwiesen -, wurde im eingeholten Sachverständigengutachten vom 05.06.2019, beruhend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 03.06.2019, nachvollziehbar begründet, dass das bestehende Leberleiden "Hepatopathie" mit dem unteren Rahmensatz der Positionsnummer 07.05.01 der Einschätzungsverordnung und einem Grad der Behinderung von 10 v.H. eingestuft ist, da - im Unterschied zum Vorgutachten aus dem Jahr 2017 - keine Leberfunktionsstörung mehr dokumentiert ist.

Da die Voraussetzung der Zusatzeintragung "Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs. 1 zweiter Teilstrich VO 303/1996 liegt vor", wonach eine Gallen-, Leber- oder Nierenerkrankung mit einem festgestellten Grad der Behinderung von mindestens 20 v.H. vorliegen muss, nicht (mehr) gegeben ist, war spruchgemäß zu entscheiden.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Prüfung der Zusatzeintragung in Betracht kommt.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde, auf das über Veranlassung der belangten Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten, das auf einer persönlichen Untersuchung beruht und auf alle Einwände und vorgelegten Befunde des Beschwerdeführers in fachlicher Hinsicht eingeht, und welchen der Beschwerdeführer nicht substantiiert entgegengetreten ist. Die strittige Tatsachenfrage, genauer die Art und das Ausmaß des Leberleidens des Beschwerdeführers ist einem Bereich zuzuordnen, der von einem Sachverständigen zu beurteilen ist. Der Beschwerdeführer hat keine mündliche Beschwerdeverhandlung beantragt. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass Gesundheitsschädigung Sachverständigengutachten Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W261.2220190.1.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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