Entscheidungsdatum
04.05.2020Norm
BEinstG §9Spruch
W133 2222907-1/4E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Vorsitzende und die fachkundigen Laienrichterinnen Mag. Natascha BAUMANN, MA und Mag. Dr. Ursula JANESCH als Beisitzerinnen über die Beschwerde des XXXX gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 28.06.2019, OB XXXX , betreffend die Vorschreibung einer Ausgleichstaxe für das Kalenderjahr 2018, den Beschluss gefasst:
A)
In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang
Mit Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (im Folgenden als "belangte Behörde" bezeichnet), vom 16.05.2019 wurde der beschwerdeführenden Partei für das Kalenderjahr 2018 gemäß § 9 Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) die Entrichtung einer Ausgleichstaxe in der Höhe von ? 2.313,00 vorgeschrieben. Dem Bescheid wurde ein Berechnungsbeleg über die Anzahl der für die Pflichtzahl angerechneten Dienstnehmer beigelegt.
Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei fristgerecht Vorstellung, worin sie im Wesentlichen vorbrachte, in keinem Monat des Jahres 2018 eine ausreichende Anzahl von Dienstnehmern im Sinne des BEinstG beschäftigt zu haben. Frau XXXX sei als freie Dienstnehmerin lediglich geringfügig beschäftigt. Keinerlei persönliche oder wirtschaftliche Abhängigkeit bestehe auch betreffend die Dienstnehmer XXXX , diese seien - unter genauer Auflistung der jeweiligen Stunden pro Monat in der Vorstellung - nur sehr geringfügig beschäftigt gewesen. Es gebe keinen sachlichen Anhaltspunkt für die Vermutung einer wirtschaftlichen oder sozialen Abhängigkeit dieser Personen. Die beschwerdeführende Partei stelle daher den Antrag, die genannten 5 Personen aus der Berechnung der Gesamtzahl der bei der beschwerdeführenden Partei in den Monaten Jänner bis September 2018 beschäftigten Personen im Sinne des § 4 Abs. 1 BEinstG auszunehmen. Daraus ergebe sich für sämtliche Monate des Jahres 2018 eine Dienstnehmeranzahl im Sinne des BEinstG von weniger als 25 Dienstnehmern. Daher sei der Bescheid zu beheben.
Im Rahmen des von der belangten Behörde in der Folge am 06.06.2019 erteilten Parteiengehörs gemäß § 45 AVG wurde der beschwerdeführenden Partei mitgeteilt, dass nach den beim Hauptverband durchgeführten Erhebungen im Jahr 2018 Herr XXXX in der Zeit von Jänner bis September 2018, Herr XXXX in der Zeit von Jänner bis Mai 2018, Herr XXXX in der Zeit von Jänner bis Dezember 2018 und Frau XXXX im Jänner 2018 als geringfügig beschäftigte Arbeiter/in beschäftigt gewesen seien. Die Bestimmungen des BEinstG würden keine Unterscheidung zwischen Dienstnehmern, die eine Normalarbeitszeit aufweisen würden und solchen, die teilzeitbeschäftigt, geringfügig beschäftigt oder fallweise beschäftigt seien vornehmen. Die Dienstnehmereigenschaft sei ganz allgemein nicht vom Ausmaß der zeitlichen Beschäftigung oder der Höhe des erzielten Entgeltes abhängig. Daraus ergebe sich, dass Teilzeitbeschäftigte, geringfügig oder fallweise Beschäftigte ebenfalls Dienstnehmer im Sinne des BEinstG seien.
Weiters werde festgestellt, dass Frau XXXX im Jahr 2018 als freie Dienstnehmerin auf dem Dienstgeberkonto der beschwerdeführenden Partei angemeldet gewesen und demzufolge in der Gesamtdienstnehmeranzahl nicht enthalten sei. Sollte binnen zwei Wochen keine Stellungnahme eingelangt sein, werde aufgrund des bisherigen Ermittlungsverfahrens entschieden. Eine namentliche Auflistung der von der Behörde ihrem Berechnungsbeleg zugrunde gelegten Personen enthielt das Parteiengehörschreiben der Behörde nicht.
Mit Schreiben vom 24.06.2019 erstattete die beschwerdeführende Partei eine Stellungnahme, worin sie ausführte, dass sie schon wiederholt darauf hingewiesen habe, dass die Behauptung, dass "Teilzeitbeschäftigte, geringfügig oder fallweise Beschäftigte ebenfalls Dienstnehmer im Sinne des BEinstG" seien, weder der Rechtsordnung noch der ständigen Judikatur entspreche. Im Hinblick auf die im vorliegenden Fall angeführten teilzeitbeschäftigten, geringfügig oder fallweise beschäftigten Personen sei es Aufgabe der belangten Behörde darzulegen, aufgrund welcher konkreter Tatsachen oder Umstände sie von einer persönlichen oder wirtschaftlichen Abhängigkeit im Sinne des BEinstG ausgehe. Die aktuelle Praxis der Behörde, welche die Judikatur des VwGH offenkundig ignoriere, sei zumindest bedenklich.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 28.06.2019 schrieb die belangte Behörde der beschwerdeführenden Partei für das Kalenderjahr 2018 gemäß § 9 BEinstG die Entrichtung einer Ausgleichstaxe in der Höhe von ? 2.313,00 vor.
Begründend wiederholte sie unter Wiedergabe der maßgeblichen Bestimmungen des BEinstG und unter Zusammenfassung des Vorstellungsvorbringens im Wesentlichen wiederum ihre Ausführungen, welche sie der beschwerdeführenden Partei bereits mit dem am 06.06.2019 erteilten Parteiengehör zur Kenntnis gebracht hatte. Der Berechnungsbeleg sei Bestandteil der Bescheidbegründung. Dem Bescheid wurde wiederum der Berechnungsbeleg über die Anzahl der für die Pflichtzahl angerechneten Dienstnehmer beigelegt, welcher bereits dem Bescheid vom 16.05.2019 angeschlossen worden war und welchem sich nicht entnehmen lässt, welche konkreten Personen als Dienstnehmer für die Berechnung der Pflichtzahl angerechnet wurden.
Mit Schreiben vom 24.06.2019 wandte sich die beschwerdeführende Partei zunächst an die damalige Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz, worin sie dieser mitteilte, dass die Behörde ungeachtet ihrer mehrfachen Hinweise routinemäßig unrichtige Rechtsbelehrungen verwende, worin sie - unter Darstellung der Entscheidung des VwGH vom 30.09.2011, Zl. 2007/11/0128 - die Rechtsprechung des Höchstgerichtes ignoriere. Alle einschlägigen Erledigungen stütze die Dienststelle auf den Satz: "Daraus ergibt sich, dass Teilzeitbeschäftigte, geringfügig oder fallweise Beschäftigte ebenfalls Dienstnehmer im Sinne des BEinstG sind". Diese Behauptung verstoße gegen das genannte Judikat. Durch diese unrichtige Behauptung würden rechtssuchende Unternehmen, die nicht anwaltlich vertreten seien, in die Irre geführt. Die beschwerdeführende Partei ersuchte um entsprechende Maßnahmen der Dienstaufsicht.
In Beantwortung dieses Schreibens teilte das BMASGK der beschwerdeführenden Partei mit Schreiben vom 03.07.2019 mit, dass das durch die Behörde durchgeführte Verfahren einer Überprüfung unterzogen worden sei. Aufgrund der fristgerecht erhobenen Vorstellung sei der beschwerdeführenden Partei ein Parteiengehör gewährt worden. Dieses diene dazu, Parteien vom Ergebnis des Verfahrens in Kenntnis zu setzen und Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Bescheid, welcher aufgrund der Vorstellung neuerlich zu erlassen gewesen sei, sei am 02.07.2019 versendet worden. Es bleibe der beschwerdeführenden Partei selbstverständlich unbenommen, gegen diesen Bescheid das Rechtsmittel der Beschwerde einzubringen, über welche das unabhängige Bundesverwaltungsgericht zu entscheiden habe.
Mit E-Mailnachricht vom 14.08.2019 erhob die beschwerdeführende Partei fristgerecht Beschwerde gegen den Bescheid vom 28.06.2019, worin sie im Wesentlichen vorbringt, dass der Bescheid auf mangelhafter bzw. fehlender Sachverhaltsfeststellung sowie auf einer mehrfach geäußerten irrigen Rechtsansicht beruhe. Statt die notwendige Überprüfung vorzunehmen, habe die Behörde eine irreführende Rechtsbelehrung übermittelt, die beim Rechtsmittelwerber offenkundig den Eindruck bewirken solle, dass vom Höchstgericht die Einbeziehung auch geringfügig oder teilzeitbeschäftigter Personen in die Gesamtzahl der Dienstnehmer ohne weiteres und peremptorisch angeordnet sei und die Höhe des Entgelts für diese Verpflichtung zur Einbeziehung vollkommen unwesentlich wäre. Bei einer ordnungsgemäßen Überprüfung hätte die Behörde ohne weiteres feststellen können, dass zumindest die vier in der Stellungnahme benannten Personen im Hinblick auf den Charakter ihrer Tätigkeit, ebenso wie im Hinblick auf den außerordentlich geringfügigen Umfang der Beschäftigung weder in einem Verhältnis persönlicher noch gar wirtschaftlicher Abhängigkeit gestanden seien und, dass ohne ein Hinzutreten weiterer Umstände, welche ungeachtet der Geringfügigkeit der Beschäftigung die Denkmöglichkeit einer faktischen Abhängigkeit zumindest indizieren würden, von einer solchen keinesfalls ausgegangen werden könne. Die beschwerdeführende Partei stimme der Feststellung der Behörde zu, dass "Die Dienstnehmereigenschaft ganz allgemein nicht vom Ausmaß der zeitlichen Beschäftigung oder der Höhe des erzielten Entgeltes abhängig sei". Vollkommen unrichtig und im krassen Gegensatz zur Judikatur des VwGH stehe aber die Behauptung der Behörde: "Daraus ergibt sich, dass Teilzeitbeschäftigte, geringfügig oder fallweise Beschäftigte ebenfalls Dienstnehmer im Sinne des BEinstG sind". Diese von der Behörde gezogene Schlussfolgerung stehe im Widerspruch zum Gesetzeswortlaut des § 4 Abs. 1 lit a BEinstG, sondern auch zur Judikatur des VwGH vom 30.09.2011, Zl. 2007/11/0128. Die Behörde scheue sich auch nicht davor, dieses von ihr entgegen dem Gesetzeswortlaut statuierte Prinzip auf einen Dienstnehmer anzuwenden, welcher im gesamten Jahresverlauf insgesamt 24 Stunden für die beschwerdeführende Partei tätig gewesen sei, und gehe auf das Vorbringen der mangelnden persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit von insgesamt vier Beschäftigten mit keinem Wort ein. Die Behörde halte sich zu dieser Vorgangsweise berechtigt, weil sie meine, einfach jeden Dienstnehmer unterschiedslos als einen Dienstnehmer im Sinne des BEinstG qualifizieren zu dürfen. Die Behörde könne sich auch nicht auf die Bestimmung des § 16 BEinstG berufen, da diese zwar den Rechtsmittelwerber zur Auskunftserteilung auf konkrete Fragen verpflichte, keinesfalls aber eine stillschweigend insinuierte Beweislastumkehr bewirke.
Am 28.08.2019 legte die belangte Behörde ohne weitere Ermittlungen oder Verfahrensschritte die Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor. Das Verfahren wurde der hg. Gerichtsabteilung W115 zugeteilt.
Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.01.2020 wurde das gegenständliche Beschwerdeverfahren mit Wirksamkeit vom 07.02.2020 der Gerichtsabteilung W115 abgenommen und der Gerichtsabteilung W133 neu zugeteilt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zu A) Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer eheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Nach dem klaren Wortlaut des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG ist Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung nach dieser Bestimmung das Fehlen notwendiger Ermittlungen des Sachverhaltes seitens der belangten Behörde.
Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, allerdings mit dem Unterschied, dass die Notwendigkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 28 Abs. 3 VwGVG nicht erforderlich ist (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren 2013, § 28 VwGVG, Anm. 11.).
§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat.
Wie der Verwaltungsgerichtshof unter anderem bereits in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, zur Auslegung des § 28 Abs. 3 zweiter Satz ausgeführt hat, wird eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht, vgl Holoubek, Kognitionsbefugnis, Beschwerdelegitimation und Beschwerdegegenstand, in: Holoubek/Lang (Hrsg), Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, erster Instanz, 2013, Seite 127, Seite 137; siehe schon Merli, Die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte erster Instanz, in: Holoubek/Lang (Hrsg), Die Schaffung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, 2008, Seite 65, Seite 73 f).
Gemäß der aktuellen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG somit insbesondere auch dann in Betracht, wenn die Behörde bloß ansatzweise ermittelt hat bzw. gravierende Ermittlungslücken im verwaltungsbehördlichen Verfahren bestehen (vgl. nochmals das oben zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063 und zuletzt auch VwGH, 11.05.2017, Zl. Ra 2017/04/0030).
Der angefochtene Bescheid erweist sich in Bezug auf den zu ermittelnden Sachverhalt aus folgenden Gründen als gravierend mangelhaft:
§ 1 Abs.1 BEinstG lautet:
"Beschäftigungspflicht
§ 1.
(1) Alle Dienstgeber, die im Bundesgebiet 25 oder mehr Dienstnehmer (§ 4 Abs. 1) beschäftigen, sind verpflichtet, auf je 25 Dienstnehmer mindestens einen begünstigten Behinderten (§ 2) einzustellen. Dieses Bundesgesetz ist nicht anzuwenden auf internationale Organisationen im Sinne des 1 Abs. 7 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1977 über die Einräumung von Privilegien und Immunitäten an internationale Organisationen, BGBl. Nr. 677/1977."
§ 4 BEinstG lautet:
"Berechnung der Pflichtzahl
§ 4.
(1) Dienstnehmer im Sinne der Berechnung der Pflichtzahl sind:
----------
a)-Personen, die in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt werden (ausgenommen Lehrlinge);
b)-Personen, die zum Zwecke der vorgeschriebenen Ausbildung für den künftigen, eine abgeschlossene Hochschulbildung erfordernden Beruf nach Abschluß dieser Hochschulbildung beschäftigt sind;
c)-Heimarbeiter.
(2) Für die Feststellung der Gesamtzahl der Dienstnehmer (Abs. 1), von der die Pflichtzahl zu berechnen ist (§ 1), sind alle Dienstnehmer, die ein Dienstgeber im Bundesgebiet beschäftigt, zusammenzufassen.
(3) Für die Berechnung der Pflichtzahl sind von der gemäß Abs. 2 festgestellten Gesamtzahl der Dienstnehmer die beschäftigten begünstigten Behinderten (§ 2) und Inhaber von Amtsbescheinigungen oder Opferausweisen (§ 5 Abs. 3) nicht einzurechnen."
Unstrittig ist im Beschwerdefall, dass die beschwerdeführende Partei im Kalenderjahr 2018 keinen begünstigten Behinderten eingestellt hatte.
Die mit dem angefochtenen Bescheid erfolgte Vorschreibung einer Ausgleichstaxe bei einer Pflichtzahl von 1 für die Monate Jänner bis September 2018 wäre folglich nur dann rechtmäßig, wenn die beschwerdeführende Partei in diesen Zeiträumen wenigstens 25 Dienstnehmer im Sinne des § 4 Abs.1 BEinstG beschäftigt hätte.
Die belangte Behörde geht im angefochtenen Bescheid davon aus, dass die beschwerdeführende Partei in den Monaten Jänner bis September 2018 eine entscheidungsrelevante Anzahl von mindestens 25 Dienstnehmern für die Pflichtzahlberechnung beschäftigt habe. Diese Berechnung stützt sie laut der Begründung des Bescheides auf die von den Trägern der Sozialversicherung gespeicherten Daten über Dienstgeber und Versicherte, wonach im Kalenderjahr 2018 am jeweils Ersten der Monate Jänner, Februar, März, August und September jeweils 25 Dienstnehmer, April, Juni und Juli 26 Dienstnehmer, und Mai 27 Dienstnehmer von der beschwerdeführenden Partei zur Sozialversicherung gemeldet gewesen wären. Zu den Vorstellungseinwendungen hielt die Behörde in der Begründung fest, nach den beim Hauptverband durchgeführten Erhebungen im Jahr 2018 seien Herr XXXX in der Zeit von Jänner bis September 2018, Herr XXXX in der Zeit von Jänner bis Mai 2018, Herr XXXX in der Zeit von Jänner bis Dezember 2018 und Frau XXXX im Jänner 2018 als geringfügig beschäftigte Arbeiter/in beschäftigt gewesen. Die Bestimmungen des BEinstG würden keine Unterscheidung zwischen Dienstnehmern, die eine Normalarbeitszeit aufweisen würden und solchen, die teilzeitbeschäftigt, geringfügig beschäftigt oder fallweise beschäftigt seien vornehmen. Die Dienstnehmereigenschaft sei ganz allgemein nicht vom Ausmaß der zeitlichen Beschäftigung oder der Höhe des erzielten Entgeltes abhängig. Daraus ergebe sich, dass Teilzeitbeschäftigte, geringfügig oder fallweise Beschäftigte ebenfalls Dienstnehmer im Sinne des BEinstG seien.
Die beschwerdeführende Partei bringt hingegen im gesamten Verfahren gleichbleibend zusammengefasst vor, im entscheidungsrelevanten Jahr 2018 in keinem Monat eine Anzahl von mindestens 25 Dienstnehmern beschäftigt zu haben, welche die nach der Rechtsprechung maßgeblichen Kriterien der persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit erfüllt hätten. Vielmehr seien die von ihr auch konkret namhaft gemachten vier Personen ohne Vorliegen von persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit und nur äußerst geringfügig beschäftigt gewesen.
Vor diesem Hintergrund wird zunächst die diesbezüglich relevante Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wie folgt kurz dargestellt:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind als Dienstnehmer nach dem BEinstG ausschließlich solche Personen anzusehen, die unter eine der im § 4 Abs. 1 BEinstG taxativ genannten Kriterien fallen. Grundsätzlich müssen zwar bei einer Annahme der Dienstnehmereigenschaft iSd § 4 Abs. 1 lit. a BEinstG nicht sämtliche Voraussetzungen für ein persönliches und wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis gegeben sein, es genügt vielmehr ein Überwiegen der dafür entsprechenden Merkmale gegenüber zB den Merkmalen einer selbständigen Ausübung der Erwerbstätigkeit (VwGH vom 30.09.2011, Zl. 2007/11/0128, mit weiterem Judikaturverweis). Entscheidend bleibt jedoch, wie die Beschäftigung jeweils konkret ausgeübt wird (vgl. in diesem Zusammenhang die Erkenntnisse des VwGH vom 11. Dezember 1990, Zl. 88/08/0269, und vom 16. Mai 2001, Zl. 96/08/0072). Es reicht sohin nicht, die von der Gebietskrankenkasse auf dem Dienstnehmerkonto angeführten Personen der Berechnung der Ausgleichstaxe zu Grunde zu legen. Diese sind nur dann nur in die Berechnung einzubeziehen, wenn sie in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit iSd § 4 Abs. 1 lit. a BEinstG beschäftigt sind (vgl. nochmals die oben bereits erwähnte Entscheidung des VwGH vom 30.09.2011, Zl. 2007/11/0128).
Zur Klarstellung sei - aufgrund der Bescheidbegründung, die darauf hindeutet, dass die Behörde die irrige Annahme vertreten dürfte, dass geringfügig beschäftigte Personen jedenfalls auf die Pflichtzahl anzurechnen sind - darauf hinzuweisen, dass diese Kriterien der persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit iSd § 4 Abs. 1 lit. a BEinstG natürlich auch in Bezug auf geringfügig beschäftigte Personen vorliegen müssen. Das bedeutet, dass auch bei geringfügig beschäftigten Personen eine Beschäftigung in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt (ausgenommen Lehrlinge) vorliegen muss, damit diese als Dienstnehmer im Sinne des § 4 Abs. 1 lit. a BEinstG auf die Berechnung der Pflichtzahl anzurechnen sind.
Wenn - wie im Beschwerdefall voliegend - die beschwerdeführende Partei im gesamten Verfahren bestreitet, dass sie im relevanten Zeitraum mindestens 25 Personen beschäftigt habe, die als Dienstnehmer im Sinne des § 4 Abs. 1 lit. a BEinstG anzusehen sind, und auch bereits konkrete Beschäftigte namhaft gemacht hat, die nicht darunter zu subsumieren seien, so hat die Behörde zu diesem entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein entsprechendes Ermittlungsverfahren zu führen, falls die Behörde dem Vorbringen der Partei keinen Glauben schenkt. Es reicht in einem solchen Fall nach der bisherigen Rechtsprechung eben gerade nicht, die von der Gebietskrankenkasse auf dem Dienstnehmerkonto angeführten Personen der Berechnung der Ausgleichstaxe zu Grunde zu legen.
Für den Ausschluss der Annahme eines "echten" Dienstverhältnisses genügt es, wenn (alternativ) einer der drei Ausschlussgründe (generelle Vertretungsbefugnis; sanktionslose Ablehnung einzelner Arbeitsleistungen im Rahmen einer Gesamtverpflichtung; Zuziehung einer Hilfskraft ohne weitere Verständigung des Vertragspartners) vorliegt. Besteht ein solcher, ist nicht mehr entscheidend, ob hinsichtlich der Beschäftigung selbst die sonstigen Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit überwiegen (vgl. VwGH vom 31.08.2015, Zl. 2013/11/0130 mit weiterem Verweis und grundsätzlichen Ausführungen zur Abgrenzung zwischen echtem Dienstvertrag und freiem Dienstvertrag). Fehlt es aber an einem derartigen Ausschlussgrund, ist auf die sonstigen Kriterien für die persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit einzugehen.
Eine aufgrund eines "freien" Dienstvertrages beschäftigte Person ist mangels Vorliegens der Voraussetzungen der persönlichen Abhängigkeit im Sinne des § 4 Abs. 1 lit. a BEinstG kein Dienstnehmer im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes (vgl. zum Ganzen auch Widy/Auer-Mayer/Schrattbauer, Behinderteneinstellungsgesetz 8. Aufl., Erl. zu § 4).
Wie bereits ausgeführt wurde, ist bei der Frage der Abgrenzung zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis und einem "freien" Dienstvertrag nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entscheidend, wie die Beschäftigung jeweils konkret augeübt wird bzw wurde. Ein Dienstzettel oder Dienstvertrag hat zwar - ebenso wie die Meldung der Sozialversicherungsträger - Indizwirkung, jedoch sind nach der bisherigen Rechtsprechung letztlich die wahren Verhältnisse ("gelebte Vertragsverhältnisse") entscheidend.
Im Beschwerdefall gibt es zu dem entscheidungsmaßgeblichen Vorbringen der - nicht anwaltlich vertretenen - beschwerdeführenden Partei, im entscheidungsrelevanten Jahr 2018 in keinem Monat eine Anzahl von mindestens 25 Dienstnehmern beschäftigt zu haben, welche die nach der Rechtsprechung maßgeblichen Kriterien der persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit erfüllt hätten, vielmehr seien die von ihr zuletzt auch konkret namhaft gemachten vier Personen nicht in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit, somit naheliegenderweise als "freie Dienstnehmer", beschäftigt gewesen, keine ausreichende Ermittlungstätigkeit und keine nachvollziehbaren Feststellungen im angefochtenen Bescheid. Die gleiche Vorgangsweise tätigte die belangte Behörde im Übrigen auch in den weiteren beim BVwG anhängigen Ausgleichstaxverfahren betreffend die beschwerdeführende Partei für die Kalenderjahre 2014, 2015 und 2017. Die Behörde setzte zu den Einwendungen der beschwerdeführenden Partei keine entsprechenden Ermittlungsschritte und legte dem Bescheid auch diesbezüglich keine nachvollziehbaren Feststellungen zugrunde. Wie bereits oben ausgeführt wurde, reicht es bei einer konkreten Bestreitung des Vorliegens der Kriterien der persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit iSd § 4 Abs. 1 lit. a BEinstG nach der bisherigen Rechtsprechung eben gerade nicht, nur die von dem Sozialversichungsträger auf dem Dienstnehmerkonto angeführten Personen der Berechnung der Ausgleichstaxe zu Grunde zu legen.
Anstatt konkrete Ermittlungen vorzunehmen, wurde der beschwerdeführenden Partei mit Schreiben des BMASGK vom 03.07.2019 vielmehr mitgeteilt, dass es ihr selbstverständlich unbenommen bleibe, gegen den Bescheid das Rechtsmittel der Beschwerde einzubringen, über welche das unabhängige Bundesverwaltungsgericht zu entscheiden habe.
Ob die Unterlassung der erforderlichen Ermittlungen auf einem Rechtsirrtum der Behörde beruhte oder die Behörde diese schwierigeren Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden, wofür im Beschwerdefall aufgrund der dargestellten Umstände konkrete Anhaltspunkte bestehen, ist letztlich nicht relevant.
Die seitens des Bundesverwaltungsgerichtes erforderliche Überprüfung im Rahmen der freien Beweiswürdigung ist auf Grundlage der bisherigen Ermittlungsergebnisse nicht möglich. Das bisherige Ermittlungsverfahren vermag die verwaltungsbehördliche Entscheidung nicht zu tragen.
Die belangte Behörde wird somit im fortgesetzten Verfahren betreffend das im vorliegenden Verfahren zu beurteilende Kalenderjahr 2018 unter Einbeziehung der beschwerdeführenden Partei (nach Möglichkeit mündliche Befragung des Geschäftsführers oder eines anderen geeigneten kundigen Vertreters der beschwerdeführenden Partei bzw im Zweifel auch zeugenschaftliche Befragung der jeweils betroffenen Beschäftigten) zu klären haben, ob die von der beschwerdeführenden Partei namhaft gemachten vier Personen XXXX in den Monaten Jänner bis September 2018 tatsächlich in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhhängigkeit gegen Entgelt als Dienstnehmer im Sinne des § 4 Abs. 1 lit. a BEinstG bei der beschwerdeführenden Partei beschäftigt waren oder aber - wie von ihr vorgebracht - allenfalls ein "freies" Dienstverhältnis zu diesen Personen vorlag. Sollte die Behörde nach dem nachgeholten Ermittlungsverfahren neuerlich zum Ergebnis gelangen, dass eine Ausgleichstaxpflicht besteht, sind auch entsprechende vollständige und nachvollziehbare Feststellungen im neuerlichen Bescheid zu treffen.
Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens durch das Bundesverwaltungsgericht kann - im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 VwGVG - nicht im Sinne des Gesetzes liegen. Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist - angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes und angesichts der im gegenständlichen Fall unterlassenen gravierenden Sachverhaltsermittlungen - nicht ersichtlich.
Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben. Da der maßgebliche Sachverhalt im zu beurteilenden Fall noch nicht feststeht und vom Bundesverwaltungsgericht auch nicht rasch und kostengünstig festgestellt werden kann, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.
Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Ausgleichstaxe Dienstverhältnis Ermittlungspflicht Kassation mangelnde SachverhaltsfeststellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W133.2222907.1.00Im RIS seit
28.07.2020Zuletzt aktualisiert am
28.07.2020