Entscheidungsdatum
04.05.2020Norm
BEinstG §9Spruch
W133 2141210-1/12E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Vorsitzende und die fachkundigen Laienrichterinnen Mag. Natascha BAUMANN, MA und Mag. Dr. Ursula JANESCH als Beisitzerinnen über die Beschwerde des XXXX gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 25.10.2016, OB XXXX , betreffend die Vorschreibung einer Ausgleichstaxe für das Kalenderjahr 2015, den Beschluss gefasst:
A)
In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang
Mit Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (im Folgenden als "belangte Behörde" bezeichnet), vom 12.04.2016 wurde der beschwerdeführenden Partei für das Kalenderjahr 2015 gemäß § 9 Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) die Entrichtung einer Ausgleichstaxe in der Höhe von ? 1.984,00 vorgeschrieben.
Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei am 26.04.2016 fristgerecht Vorstellung, worin sie vorbrachte, dass der Bescheid keine Sachverhaltsfeststellungen enthalte und somit mit einem schwerwiegenden Mangel behaftet sei. Es könne nicht nachvollzogen werden, auf welche Annahmen der Bescheid sich stütze. Die beschwerdeführende Partei habe in keinem Monat des Jahres 2015 mehr als 20 Dienstnehmer im Sinne des BEinstG beschäftigt. Sofern der dem Bescheid angeschlossene Berechnungsbeleg als Sachverhaltsfeststellung betrachtet werden solle, begehre die Beschwerdeführerin eine Spezifizierung der angegebenen Dienstnehmerzahlen durch Übermittlung einer Namensliste. Die im Berechnungsbeleg angeführten Zahlen seien unrichtig und würden keinesfalls den tatsächlichen Stand an Beschäftigten im Sinne des BEinstG in den angegebenen Monaten wiedergeben. Um den unrichtigen Angaben entgegentreten zu können, sei es aber notwendig zu wissen, von welchen Personen die belangte Behörde eine Dienstnehmereigenschaft behaupten wolle. Die Behörde sei verpflichtet darzulegen, auf welche konkreten Annahmen sie ihren Bescheid stütze.
Im Rahmen des von der belangten Behörde in der Folge am 27.06.2016 erteilten Parteiengehörs gemäß § 45 AVG wurde der beschwerdeführenden Partei mitgeteilt, dass es sich bei der Vorschreibung der Ausgleichstaxe mit Bescheid vom 12.04.2016 um einen Mandatsbescheid handle, der nach den Bestimmungen des § 57 AVG ohne vorheriges Ermittlungsverfahren erlassen worden sei und, dass die für die Berechnung der Ausgleichstaxe maßgeblichen Dienstnehmerstände im elektronischen Weg von den Trägern der Sozialversicherung zur Verfügung gestellten würden. Nach den durchgeführten Ermittlungen habe die Beschwerdeführerin in den Monaten April bis September und November bis Dezember 2015 (Berechnung der maßgeblichen Zahl der Dienstnehmer mit Stichtag Erster eines jeden Monats) jeweils mindestens 25 Dienstnehmer beschäftigt. Eine Auflistung der in den Monaten Jänner bis Dezember jeweils gemeldeten Personen werde in der Beilage übermittelt. Der beschwerdeführenden Partei wurde Gelegenheit gegeben, binnen zwei Wochen nach Zustellung des Schreibens zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen.
Mit Schreiben vom 19.07.2016 erstattete die beschwerdeführende Partei eine Stellungnahme, worin sie Einwendungen gegen die Berechnungsgrundlagen erhob und im Wesentlichen vorbrachte, dass die von der Behörde übermittelten Dienstnehmerauskünfte die regelmäßige Beschäftigung von Personen ausweisen würden, welche lediglich stundenweise bei der Beschwerdeführerin beschäftigt gewesen seien. Auch solche geringfügigsten Beschäftigungen seien nach geltenden Bestimmungen melde- und sozialabgabenpflichtig, würden aber keine Einbindung der betroffenen Person in das Unternehmen begründen, welche die Rechtsfolgen des BEinstG auslösen würden. Dies betreffe die Personen: XXXX Die geringfügigsten Beschäftigungen dieser Personen seien für die Einstellungspflicht nach dem BEinstG vollkommen irrelevant. Die Beschwerdeführerin habe daher zu keinem Zeitpunkt mehr als 20 Dienstnehmer im Sinne des BEinstG beschäftigt. Es habe daher keine Einstellungspflicht bestanden und folglich sei die Vorschreibung einer Ausgleichstaxe für das Kalenderjahr 2015 nicht zulässig.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 25.10.2016 schrieb die belangte Behörde ohne weitere Ermittlungen der beschwerdeführenden Partei für das Kalenderjahr 2015 gemäß § 9 BEinstG die Entrichtung einer Ausgleichstaxe in der Höhe von ? 1.984,00 vor.
Begründend wurde unter Wiedergabe der maßgeblichen Bestimmungen des BEinstG und unter Zusammenfassung des Beschwerdevorbringens ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin nach den beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger durchgeführten Ermittlungen in den Monaten April bis September und November bis Dezember 2015 jeweils mindestens 25 Dienstnehmer beschäftigt habe. Wie bereits in der Bescheidbegründung vom 12.04.2016 ausgeführt, würden nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch geringfügig Beschäftigte als Dienstnehmer zählen. Die Einwendungen seien nicht geeignet, eine anderslautende Entscheidung herbeizuführen.
Die beschäftigten Personen sowie die Berechnung der Ausgleichstaxe seien im Berechnungsbeleg angeführt. Der Berechnungsbeleg sei Bestandteil der Bescheidbegründung.
Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, worin im Wesentlichen vorgebracht wird, dass der beschwerdeführenden Partei eine Ausgleichstaxe in Höhe von ? 1.984,-- vorgeschrieben worden sei, obwohl die verpflichtungsbegründenden Voraussetzungen des BEinstG in keinem Monat des Kalenderjahres 2015 erfüllt worden seien. Es werde im Bescheid lediglich festgestellt, dass die beschwerdeführende Partei in den Monaten April bis September und November bis Dezember 2015 jeweils mindestens 25 Dienstnehmer beschäftigt habe und laut Judikatur des VwGH auch geringfügig Beschäftige als Dienstnehmer zählen würden. Diese von der belangten Behörde getroffenen Sachverhaltsdarstellungen würden nicht ausreichen, um die behauptete Verpflichtung zu begründen. Unter auszugsweiser Zitierung des Erkenntnisses des VwGH vom 30.09.2011, Zl. 2009/11/0128, bringt die beschwerdeführende Partei weiters vor, dass aus dem angeführten Judikat deutlich werde, dass die belangte Behörde verpflichtet gewesen wäre, anzugeben, aus welchen konkreten Gründen sie vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 lit a BEinstG ausgegangen ist. Der Bescheid enthalte überhaupt keine Feststellungen hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen gemäß der Bestimmung des § 4 BEinstG. Anders als das Sozialministeriumservice in seiner Begründung ausführe, sei gemäß dem zitierten Judikat die Feststellung der Gesamtzahl der Dienstnehmer, von der die Pflichtzahl zu berechnen sei, keineswegs durch die bloße Konstatierung der Anzahl aller Dienstnehmer, die ein Dienstgeber im Bundesgebiet beschäftige, zu treffen. Das Sozialministeriumservice hätte zusätzlich zu prüfen gehabt, ob die von der Beschwerdeführerin beschäftigten Dienstnehmer die oben zitierten Voraussetzungen des § 4 (1) erfüllen. Das Sozialministeriumservice hätte zur Begründung seines Bescheids darlegen müssen, warum es den korrekten und glaubwürdigen Angaben der Beschwerdeführerin über den Mangel der Einbindung der betreffenden fünfzehn Personen in das Unternehmen im Sinne des § 4 (1) BEinstG nicht gefolgt ist. Das Sozialministeriumservice führe dazu nur aus, dass es die persönliche Abhängigkeit und daher die Dienstnehmereigenschaft nicht ausschließe, wenn ein nur geringer Teil der einer Person zur Verfügung stehenden Zeit durch die Beschäftigung in Anspruch genommen werde. Zu Unrecht gelange die Behörde aus dieser Feststellung zu dem unzulässigen Umkehrschluss, dass auch geringfügig oder teilzeitbeschäftigte Personen in die Gesamtzahl der Dienstnehmer einzubeziehen seien, was nicht nur durch keinerlei Judikatur gedeckt, sondern einfach falsch sei. Auch geringfügig- oder teilzeitbeschäftige Personen seien in die Gesamtzahl der Dienstnehmer nur dann einzubeziehen, wenn durch die Art ihrer Beschäftigung und ihrer Einbindung in das Unternehmen die taxativen Voraussetzungen der Bestimmungen des § 4 BEinstG erfüllt würden. Die weitere Begründung des Bescheids beziehe sich in keiner Weise auf den konkreten Sachverhalt, sondern sei eine offenkundig aus Textbausteinen zusammengesetzte allgemeine Rechtsbelehrung, die aber für die zu entscheidende Rechtssache keine konkrete Bedeutung habe.
Am 02.12.2016 legte die belangte Behörde ohne weitere Ermittlungen oder Verfahrensschritte die Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor. Das Verfahren wurde der hg. Gerichtsabteilung W115 zugeteilt.
Zur Überprüfung der Einwendungen holte das Bundesverwaltungsgericht zunächst einen Datenauszug vom Hauptverband der Sozialversicherungsträger ein und brachte diesen den Parteien im Wege eines förmlichen Parteiengehörs zur Kenntnis.
Die beschwerdeführende Partei brachte in der Folge mit Schreiben vom 12.04.2019 unter Verweis auf die höchstgerichtliche Rechtsprechung vor, dass die Einholung eines Datenauszuges des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger nach der ständigen Judikatur des VwGH nicht ausreiche. Durch die Auskunft der GKK, welche Personen im fraglichen Zeitraum auf dem Dienstnehmerkonto gemeldet gewesen seien, ergebe sich nicht zwangsläufig, dass diese auch Dienstnehmer im Sinne des § 4 Abs. 1 BEinstG seien. Als Dienstnehmer nach dem BEinstG seien ausschließlich Personen anzusehen, welche unter eines der in § 4 Abs. 1 BEinstG taxativ genannten Kriterien fallen würden. Das Gericht sei verpflichtet, tragfähige Feststellungen über das Vorliegen persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit der auf den Dienstnehmerkonten aufscheinenden Personen im Sinne des § 4 Abs. 1 lit. a BEinstG zu treffen. Sollte das Gericht Zweifel an den Angaben der beschwerdeführenden Partei haben sei es verpflichtet, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen und den Geschäftsführer zur persönlichen Einvernahme zu laden.
Bezugnehmend auf die im Rahmen des Parteiengehörs erhobenen Einwendungen wurde mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.09.2019 der beschwerdeführenden Partei die Möglichkeit gegeben, darzustellen welche der im eingeholten Datenauszug des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger angeführten Personen nicht unter den Dienstnehmerbegriff des § 4 Abs. 1 BEinstG fallen würden, und diesbezügliche Unterlagen in Vorlage zu bringen.
Mit Schreiben vom 03.10.2019, eingelangt am 04.10.2019, brachte die Beschwerdeführerin unter Vorlage von Lohnzetteln und Beitragsgrundlagen vor, dass die 5 Personen XXXX nicht unter den sehr spezifischen Dienstnehmerbegriff des § 4 BEinstG subsumiert werden könnten. Die belangte Behörde habe ihrem Spruch unterschiedslos die Gesamtzahl sämtlicher im fraglichen Zeitraum von der beschwerdeführenden Partei zur Pflichtversicherung bei der Gebietskrankenkasse angemeldeten Dienstnehmer zugrunde gelegt. Diese Praxis werde aber vom VwGH in seiner ständigen Rechtsprechung GZ 2007/11/0128 verworfen. Es reiche somit nicht, die von der GKK auf dem Dienstnehmerkonto angeführten Personen der Berechnung der Ausgleichstaxe zu Grunde zu legen. Diese seien nur dann in die Berechnung einzubeziehen, wenn sie in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit iSd § 4 Abs. 1 lit a BEinstG beschäftigt seien. Auch habe die belangte Behörde ihren Bescheid auf Judikatur des VwGH (vom 30.04.2014, 2013/11/0220 und vom 23.05.2012, 200/11/0234) gestützt, welche sowohl hinsichtlich Sachverhalt als auch Rechtsfrage nichts mit dem gegenständlichen Fall gemein hätten. Die Behörde habe somit verkannt, dass das BEinstG ausdrücklich nicht auf die gewöhnliche Dienstnehmereigenschaft abstelle, sondern auf ein in besonderer Weise qualifiziertes persönliches und wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem angemeldeten Dienstnehmer und dem Dienstgeber. Wenn aber eine Person - wie bei den oben angeführten Dienstnehmern der Fall - für minimale Aushilfstätigkeiten herangezogen und auch für bloß stundenweise Beschäftigungen ordnungsgemäß zur Pflichtversicherung angemeldet werde, sei dies keinesfalls ein ausreichendes Indiz für das Bestehen der vom BEinstG geforderten umfassenden Abhängigkeit. Lohnzettel und Beitragsgrundlagen seien beigeschlossen, andere Unterlagen, insbesondere schriftliche Arbeitsverträge würden wegen der außergewöhnlichen, für freie Dienstverträge eigentlich atypischen extremen Freiheit in der Ausführung der Tätigkeit und der auffallenden Geringfügigkeit der Beschäftigung (mündliche Vereinbarungen) nicht existieren.
Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.01.2020 wurde das gegenständliche Beschwerdeverfahren mit Wirksamkeit vom 07.02.2020 der Gerichtsabteilung W115 abgenommen und der Gerichtsabteilung W133 neu zugeteilt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zu A) Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer eheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Nach dem klaren Wortlaut des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG ist Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung nach dieser Bestimmung das Fehlen notwendiger Ermittlungen des Sachverhaltes seitens der belangten Behörde.
Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, allerdings mit dem Unterschied, dass die Notwendigkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 28 Abs. 3 VwGVG nicht erforderlich ist (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren 2013, § 28 VwGVG, Anm. 11.)
§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat.
Wie der Verwaltungsgerichtshof unter anderem bereits in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, zur Auslegung des § 28 Abs. 3 zweiter Satz ausgeführt hat, wird eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht, vgl Holoubek, Kognitionsbefugnis, Beschwerdelegitimation und Beschwerdegegenstand, in: Holoubek/Lang (Hrsg), Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, erster Instanz, 2013, Seite 127, Seite 137; siehe schon Merli, Die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte erster Instanz, in: Holoubek/Lang (Hrsg), Die Schaffung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, 2008, Seite 65, Seite 73 f).
Gemäß der aktuellen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG somit insbesondere auch dann in Betracht, wenn die Behörde bloß ansatzweise ermittelt hat bzw. gravierende Ermittlungslücken im verwaltungsbehördlichen Verfahren bestehen (vgl. nochmals das oben zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063 und zuletzt auch VwGH, 11.05.2017, Zl. Ra 2017/04/0030).
Der angefochtene Bescheid erweist sich in Bezug auf den zu ermittelnden Sachverhalt aus folgenden Gründen als gravierend mangelhaft:
§ 1 Abs.1 BEinstG lautet:
"Beschäftigungspflicht
§ 1.
(1) Alle Dienstgeber, die im Bundesgebiet 25 oder mehr Dienstnehmer (§ 4 Abs. 1) beschäftigen, sind verpflichtet, auf je 25 Dienstnehmer mindestens einen begünstigten Behinderten (§ 2) einzustellen. Dieses Bundesgesetz ist nicht anzuwenden auf internationale Organisationen im Sinne des 1 Abs. 7 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1977 über die Einräumung von Privilegien und Immunitäten an internationale Organisationen, BGBl. Nr. 677/1977."
§ 4 BEinstG lautet:
"Berechnung der Pflichtzahl
§ 4.
(1) Dienstnehmer im Sinne der Berechnung der Pflichtzahl sind:
----------
a)-Personen, die in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt werden (ausgenommen Lehrlinge);
b)-Personen, die zum Zwecke der vorgeschriebenen Ausbildung für den künftigen, eine abgeschlossene Hochschulbildung erfordernden Beruf nach Abschluß dieser Hochschulbildung beschäftigt sind;
c)-Heimarbeiter.
(2) Für die Feststellung der Gesamtzahl der Dienstnehmer (Abs. 1), von der die Pflichtzahl zu berechnen ist (§ 1), sind alle Dienstnehmer, die ein Dienstgeber im Bundesgebiet beschäftigt, zusammenzufassen.
(3) Für die Berechnung der Pflichtzahl sind von der gemäß Abs. 2 festgestellten Gesamtzahl der Dienstnehmer die beschäftigten begünstigten Behinderten (§ 2) und Inhaber von Amtsbescheinigungen oder Opferausweisen (§ 5 Abs. 3) nicht einzurechnen."
Unstrittig ist im Beschwerdefall, dass die beschwerdeführende Partei im Kalenderjahr 2015 keinen begünstigten Behinderten eingestellt hatte.
Die mit dem angefochtenen Bescheid erfolgte Vorschreibung einer Ausgleichstaxe bei einer Pflichtzahl von 1 für die Monate April, Mai, Juni, Juli, August und September sowie November und Dezember 2015 wäre folglich nur dann rechtmäßig, wenn die beschwerdeführende Partei in diesen Zeiträumen wenigstens 25 Dienstnehmer im Sinne des § 4 Abs.1 BEinstG beschäftigt hätte.
Die belangte Behörde geht im angefochtenen Bescheid davon aus, dass die beschwerdeführende Partei in den Monaten April, Mai, Juni, Juli, August und September sowie November und Dezember 2015 eine entscheidungsrelevante Anzahl von mindestens 25 Dienstnehmern für die Pflichtzahlberechnung beschäftigt habe. Diese Berechnung stützt sie laut der Begründung des Bescheides auf die von den Trägern der Sozialversicherung gespeicherten Daten über Dienstgeber und Versicherte, wonach am jeweils Ersten der genannten acht Monate zumindest 25 Dienstnehmer vom Dienstgeber zur Sozialversicherung gemeldet gewesen wären (in den Monaten April, November und Dezember je 25 Dienstnehmer, September 26 Dienstnehmer, August 27 Dienstnehmer, Mai und Juni je 28 Dienstnehmer, Juli 29 Dienstnehmer). Nach der Rechtsprechung seien auch geringfügig Beschäftigte in die Gesamtzahl der Dienstnehmer einzubeziehen.
Die beschwerdeführende Partei bringt hingegen im gesamten Verfahren gleichbleibend zusammengefasst vor, im entscheidungsrelevanten Jahr 2015 in keinem Monat eine Anzahl von 25 Dienstnehmern beschäftigt zu haben, welche die nach der Rechtsprechung maßgeblichen Kriterien der persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit erfüllt hätten. Vielmehr seien die von ihr zuletzt auch konkret namhaft gemachten fünf Personen als freie Dienstnehmer und nur äußerst geringfügig beschäftigt gewesen.
Vor diesem Hintergrund wird zunächst die diesbezüglich relevante Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wie folgt kurz dargestellt:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind als Dienstnehmer nach dem BEinstG ausschließlich solche Personen anzusehen, die unter eine der im § 4 Abs. 1 BEinstG taxativ genannten Kriterien fallen. Grundsätzlich müssen zwar bei einer Annahme der Dienstnehmereigenschaft iSd § 4 Abs. 1 lit. a BEinstG nicht sämtliche Voraussetzungen für ein persönliches und wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis gegeben sein, es genügt vielmehr ein Überwiegen der dafür entsprechenden Merkmale gegenüber zB den Merkmalen einer selbständigen Ausübung der Erwerbstätigkeit (VwGH vom 30.09.2011, Zl. 2007/11/0128, mit weiterem Judikaturverweis). Entscheidend bleibt jedoch, wie die Beschäftigung jeweils konkret ausgeübt wird (vgl. in diesem Zusammenhang die Erkenntnisse des VwGH vom 11. Dezember 1990, Zl. 88/08/0269, und vom 16. Mai 2001, Zl. 96/08/0072). Es reicht sohin nicht, die von der Gebietskrankenkasse auf dem Dienstnehmerkonto angeführten Personen der Berechnung der Ausgleichstaxe zu Grunde zu legen. Diese sind nur dann nur in die Berechnung einzubeziehen, wenn sie in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit iSd § 4 Abs. 1 lit. a BEinstG beschäftigt sind (vgl. nochmals die oben bereits erwähnte Entscheidung des VwGH vom 30.09.2011, Zl. 2007/11/0128).
Zur Klarstellung sei - aufgrund der Bescheidbegründung, die darauf hindeutet, dass die Behörde die irrige Annahme vertreten dürfte, dass geringfügig beschäftigte Personen jedenfalls auf die Pflichtzahl anzurechnen sind - darauf hinzuweisen, dass diese Kriterien der persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit iSd § 4 Abs. 1 lit. a BEinstG natürlich auch in Bezug auf geringfügig beschäftigte Personen vorliegen müssen. Das bedeutet, dass auch bei geringfügig beschäftigten Personen eine Beschäftigung in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhhängigkeit gegen Entgelt (ausgenommen Lehrlinge) vorliegen muss, damit diese als Dienstnehmer im Sinne des § 4 Abs. 1 lit. a BEinstG auf die Berechnung der Pflichtzahl anzurechnen sind.
Wenn - wie im Beschwerdefall voliegend - die beschwerdeführende Partei im gesamten Verfahren bestreitet, dass sie im relevanten Zeitraum mindestens 25 Personen beschäftigt habe, die als Dienstnehmer im Sinne des § 4 Abs. 1 lit. a BEinstG anzusehen sind, so hat die Behörde zu diesem entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein entsprechendes Ermittlungsverfahren zu führen. Dies gilt auch dann, wenn es nach dem Vorbringen der beschwerdeführenden Partei zwar keinerlei schriftliche Aufzeichnungen bzw schriftliche Verträge zu den genannten Personen gibt, aber als Beweismittel die persönliche Befragung des (damaligen) Geschäftsführers bzw der genannten Personen angeboten wurde bzw möglich ist, falls die Behörde dem schriftlichen Vorbringen der Partei keinen Glauben schenkt. Es reicht in einem solchen Fall nach der bisherigen Rechtsprechung eben gerade nicht, die von der Gebietskrankenkasse auf dem Dienstnehmerkonto angeführten Personen der Berechnung der Ausgleichstaxe zu Grunde zu legen (vgl. nochmals die oben bereits erwähnte Entscheidung des VwGH vom 30.09.2011, Zl. 2007/11/0128).
Für den Ausschluss der Annahme eines "echten" Dienstverhältnisses genügt es, wenn (alternativ) einer der drei Ausschlussgründe (generelle Vertretungsbefugnis; sanktionslose Ablehnung einzelner Arbeitsleistungen im Rahmen einer Gesamtverpflichtung; Zuziehung einer Hilfskraft ohne weitere Verständigung des Vertragspartners) vorliegt. Besteht ein solcher, ist nicht mehr entscheidend, ob hinsichtlich der Beschäftigung selbst die sonstigen Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit überwiegen (vgl. VwGH vom 31.08.2015, Zl. 2013/11/0130 mit weiterem Verweis und grundsätzlichen Ausführungen zur Abgrenzung zwischen echtem Dienstvertrag und freiem Dienstvertrag). Fehlt es aber an einem derartigen Ausschlussgrund, ist auf die sonstigen Kriterien für die persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit einzugehen.
Eine aufgrund eines "freien" Dienstvertrages beschäftigte Person ist mangels Vorliegens der Voraussetzungen der persönlichen Abhängigkeit im Sinne des § 4 Abs. 1 lit. a BEinstG kein Dienstnehmer im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes (vgl. zum Ganzen auch Widy/Auer-Mayer/Schrattbauer, Behinderteneinstellungsgesetz 8. Aufl., Erl. zu § 4).
Wie bereits ausgeführt wurde, ist bei der Frage der Abgrenzung zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis und einem "freien" Dienstvertrag nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entscheidend, wie die Beschäftigung jeweils konkret augeübt wird bzw wurde. Ein Dienstzettel oder Dienstvertrag hat zwar Indizwirkung, jedoch sind nach der bisherigen Rechtsprechung letztlich die wahren Verhältnisse ("gelebte Vertragsverhältnisse") entscheidend.
Im Beschwerdefall gibt es zu dem entscheidungsmaßgeblichen Vorbringen der - nicht anwaltlich vertretenen - beschwerdeführenden Partei, im entscheidungsrelevanten Jahr 2015 in keinem Monat eine Anzahl von 25 Dienstnehmern beschäftigt zu haben, welche die nach der Rechtsprechung maßgeblichen Kriterien der persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit erfüllt hätten, vielmehr seien die von ihr zuletzt auch konkret namhaft gemachten fünf Personen als "freie Dienstnehmer" beschäftigt gewesen, keinerlei Ermittlungstätigkeit und keine nachvollziehbaren Feststellungen im angefochtenen Bescheid. Die gleiche Vorgangsweise tätigte die belangte Behörde im Übrigen auch in den weiteren beim BVwG anhängigen Ausgleichstaxverfahren betreffend die beschwerdeführende Partei für die Kalenderjahre 2014, 2017 und 2018. Die beschwerdeführende Partei hatte bereits in ihrer Stellungnahme vom 19.07.2016 zum Parteiengehör Einwendungen gegen die von der Behörde übermittelte Beschäftigten-Liste erhoben, welche sich auch auf konkret von ihr namhaft gemachte Personen bezog. Die Behörde setzte jedoch zu diesen Einwendungen keinerlei entsprechende Ermittlungsschritte und legte dem Bescheid auch diesbezüglich keine nachvollziehbaren Feststellungen zugrunde, sondern stützte sich trotz der konkreten Einwendungen wiederum nur auf die von dem Sozialversicherungsträger übermittelte Liste der vom Dienstgeber zur Sozialversicherung gemeldeten Personen.
Ob die Unterlassung der erforderlichen Ermittlungen auf einem Rechtsirrtum der Behörde beruhte oder die Behörde diese schwierigeren Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden, ist letztlich nicht relevant.
Die seitens des Bundesverwaltungsgerichtes erforderliche Überprüfung im Rahmen der freien Beweiswürdigung ist auf Grundlage der bisherigen Ermittlungsergebnisse nicht möglich. Das bisherige Ermittlungsverfahren vermag die verwaltungsbehördliche Entscheidung nicht zu tragen.
Die belangte Behörde wird somit im fortgesetzten Verfahren betreffend das im vorliegenden Verfahren zu beurteilende Kalenderjahr 2015 unter Einbeziehung der beschwerdeführenden Partei (nach Möglichkeit mündliche Befragung des Geschäftsführers oder eines anderen geeigneten kundigen Vertreters der beschwerdeführenden Partei bzw im Zweifel auch zeugenschaftliche Befragung der jeweils betroffenen Beschäftigten) zu klären haben, ob die von der beschwerdeführenden Partei namhaft gemachten 5 Personen XXXX in den Monaten April, Mai, Juni, Juli, August und September sowie November und Dezember 2015 tatsächlich in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhhängigkeit gegen Entgelt als Dienstnehmer im Sinne des § 4 Abs. 1 lit. a BEinstG bei der beschwerdeführenden Partei beschäftigt waren oder aber - wie von ihr vorgebracht - ein "freies" Dienstverhältnis zu diesen Personen vorlag. Sollte die Behörde nach dem nachgeholten Ermittlungsverfahren neuerlich zum Ergebnis gelangen, dass eine Ausgleichstaxpflicht besteht, sind auch entsprechende vollständige und nachvollziehbare Feststellungen im neuerlichen Bescheid zu treffen.
Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens durch das Bundesverwaltungsgericht kann - im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 VwGVG - nicht im Sinne des Gesetzes liegen. Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist - angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes und angesichts der im gegenständlichen Fall unterlassenen gravierenden Sachverhaltsermittlungen - nicht ersichtlich.
Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben. Da der maßgebliche Sachverhalt im zu beurteilenden Fall noch nicht feststeht und vom Bundesverwaltungsgericht auch nicht rasch und kostengünstig festgestellt werden kann, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.
Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Ausgleichstaxe Dienstverhältnis Ermittlungspflicht Kassation mangelnde SachverhaltsfeststellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W133.2141210.1.00Im RIS seit
28.07.2020Zuletzt aktualisiert am
28.07.2020