TE Bvwg Beschluss 2020/5/4 W133 2112044-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.05.2020
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Entscheidungsdatum

04.05.2020

Norm

BEinstG §9
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

W133 2112044-1/11E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Vorsitzende und die fachkundigen Laienrichterinnen Mag. Natascha BAUMANN, MA und Mag. Dr. Ursula JANESCH als Beisitzerinnen über die Beschwerde des XXXX gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 23.07.2015, OB XXXX , betreffend die Vorschreibung einer Ausgleichstaxe für das Kalenderjahr 2014, den Beschluss gefasst:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang

Mit Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (im Folgenden als "belangte Behörde" bezeichnet), vom 12.05.2015 wurde dem XXXX " (im Folgenden als "beschwerdeführende Partei" bezeichnet) für das Kalenderjahr 2014 gemäß § 9 Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) die Entrichtung einer Ausgleichstaxe in der Höhe von ? 244,00 vorgeschrieben. Dem Bescheid lag ein Berechnungsbeleg bei, wonach die beschwerdeführende Partei nur im Dezember 2014 eine entscheidungsrelevante Anzahl von 25 Dienstnehmern für die Pflichtzahlberechnung beschäftigt habe.

Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei am 23.06.2015 fristgerecht Vorstellung, worin sie zusammengefasst vorbrachte, dass die Anzahl der mit Dienstvertrag bei ihr beschäftigten Personen im Jahr 2014 zu keinem Zeitpunkt die Zahl von 25 erreicht oder überschritten habe. Der Bescheid enthalte keine Feststellungen darüber, wie das Bundessozialamt zur Anzahl der im Unternehmen mit Dienstvertrag beschäftigten Personen gelangt sei. Es sei somit nicht erkennbar, auf welches Sachverhaltssubstrat sich die Vorschreibung der Ausgleichstaxe stütze, bzw. auf Grund welcher Berechnungen die vorgeschriebene Summe von ? 244,-- gewonnen worden sei. Der Bescheid sei nicht nachvollziehbar, auch stelle die angeführte Begründung nicht auf einen konkreten Sachverhalt ab, sondern sei offenbar aus vorgefertigten Textbausteinen zusammengestellt. Es werde vermutet, dass - wie mit Bescheid über das Jahr 2012 erfolgter Vorgangsweise der Behörde - wieder freie Dienstnehmer und Lehrlinge in die Zahl der Beschäftigten eingerechnet worden seien. Es werde um Übermittlung einer Aufstellung der Namen der vermeintlichen Dienstnehmer der beschwerdeführenden Partei samt Beschäftigungszeiten ersucht. Solange die Behörde kein nachvollziehbares konkretes Sachverhaltssubstrat für ihre Entscheidung anführe, könne auch von der beschwerdeführenden Partei eine konkrete Widerlegung irriger Annahmen nicht verlangt werden.

Im Rahmen des am 01.07.2015 in der Folge erteilten Parteiengehörs gem. § 45 AVG teilte die belangte Behörde der beschwerdeführenden Partei mit, dass es sich bei der Vorschreibung der Ausgleichstaxe um einen Bescheid gemäß § 57 AVG handle, welcher ohne vorhergehendes Ermittlungsverfahren erlassen werde und, dass die für die Berechnung der Ausgleichstaxe maßgeblichen Dienstnehmerstände im elektronischen Weg von den Trägern der Sozialversicherung zur Verfügung gestellt würden. In der Beilage wurde eine der Berechnung der Ausgleichstaxe für 2014 zugrundeliegende Auflistung von 25 konkreten, am 01.12.2014 zur Sozialversicherung gemeldeten Personen übermittelt.

Der beschwerdeführenden Partei wurde Gelegenheit gegeben, binnen zwei Wochen nach Zustellung des Schreibens zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen. Als Kontakt wurden die Postanschrift sowie die E-Mailadresse: "post.w6@sozialministeriumservice.at" angeführt.

Im Rahmen der eingeräumten Frist langten offenbar unter dieser Mailadresse keine Einwendungen der beschwerdeführenden Partei bei der belangten Behörde ein.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 23.07.2015 schrieb die belangte Behörde der beschwerdeführenden Partei für das Kalenderjahr 2014 gemäß § 9 BEinstG die Entrichtung einer Ausgleichstaxe in der Höhe von ? 244,00 vor. Als Beilage und integrierten Bestandteil des Bescheides übersandte die Behörde der beschwerdeführenden Partei neuerlich den Berechnungsbeleg, welchen sie bereits gemeinsam mit dem Bescheid vom 12.05.2015 übermittelt hatte. Begründend führte die Behörde unter Wiedergabe der maßgeblichen Bestimmungen des BEinstG und unter Zusammenfassung des Vorstellungsvorbringens aus, dass laut Hauptverband der Sozialversicherungsträger am 01.12.2014 von dem Dienstgeber 25 Dienstnehmer zur Sozialversicherung gemeldet gewesen seien. Die namentliche Aufstellung der beschäftigten Dienstnehmer sei gemäß § 45 AVG im Rahmen des Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht worden und es seien keine Einwendungen erhoben worden.

Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei am 28.07.2015 fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, worin sie im Wesentlichen vorbringt, dass die im Rahmen des Parteiengehörs vorgebrachten Tatsachenmitteilungen, welche sie am 03.07.2015 per E-Mail fristgerecht an die Behörde übermittelt habe, von der belangten Behörde ignoriert worden seien und somit das Recht auf Parteiengehör verletzt worden sei. Somit sei auch die im Bescheid getroffene Feststellung, dass keine Einwendungen vorgebracht worden seien, unhaltbar. Im Einwand zum Parteiengehör sei festgehalten worden, dass im fraglichen Zeitraum niemals 25 Personen bei der Beschwerdeführerin beschäftigt gewesen seien und somit auch zu keinem Zeitpunkt eine Verpflichtung der Beschwerdeführerin im Sinne des BEinstG bestanden habe. Der in der Begründung des Bescheides enthaltene Verweis auf eine angebliche Auflistung der beschäftigten Personen im Berechnungsbeleg gehe ins Leere, da ein solcher Beleg mit einer Aufstellung von 25 Namen von 25 oder mehr gleichzeitig bei der beschwerdeführenden Partei beschäftigten Personen von der belangten Behörde nie vorgelegt worden sei. Es werde auf die am 03.07.2015 im Rahmen des Parteiengehörs fristgerecht per E-Mail übermittelten Einwendungen verwiesen, welche einen Bestandteil der Beschwerde bilden würden. Bereits mit diesen Einwendungen sei vorgebracht worden, dass die im Schreiben vom 01.07.2015 genannten Personen nie in einem nach dem BEinstG geforderten Umfang gleichzeitig beschäftigt gewesen seien, sodass zu keinem Zeitpunkt die nach dem Gesetz kritische Zahl der Beschäftigten für eine Einstellungspflicht überschritten worden sei. Eine solche Behauptung sei von der belangten Behörde auch nicht in einer als Sachverhaltsfeststellung zu bewertenden Weise festgestellt worden. Eine bloße Liste von 25 Personen, die irgendwann einmal für ein paar Stunden bei der Beschwerdeführerin beschäftigt gewesen seien, ohne einen Erweis der vom Gesetz geforderten Gleichzeitigkeit dieser Beschäftigung, könne die notwendige Sachverhaltsfeststellung nicht substituieren. Für die nur gelegentlich und stundenweise beschäftigten Aushilfskräfte könnten die geforderten Arbeitsverträge nicht vorgelegt werden, da es keine schriftlichen Verträge gebe. Auch sei es nicht Aufgabe der beschwerdeführenden Partei, das Nichtvorliegen der Voraussetzungen für die Erhebung einer Taxe zu beweisen, sondern die Aufgabe der Behörde in nachvollziehbarer Weise das - im konkreten Fall nicht gegebene - Vorliegen der Voraussetzungen festzustellen.

Am 29.07.2015 legte die belangte Behörde ohne weitere Ermittlungen oder Verfahrensschritte die Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor. Das Verfahren wurde der hg. Gerichtsabteilung W115 zugeteilt.

Zur Überprüfung der Einwendungen holte das Bundesverwaltungsgericht zunächst einen Datenauszug vom Hauptverband der Sozialversicherungsträger ein und brachte diesen den Parteien im Wege eines förmlichen Parteiengehörs zur Kenntnis.

Die beschwerdeführende Partei brachte in der Folge mit Schreiben vom 12.04.2019 unter Verweis auf die höchstgerichtliche Rechtsprechung vor, dass die Einholung eines Datenauszuges des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger nach der ständigen Judikatur des VwGH nicht ausreiche. Durch die Auskunft der GKK, welche Personen im fraglichen Zeitraum auf dem Dienstnehmerkonto gemeldet gewesen seien, ergebe sich nicht zwangsläufig, dass diese auch Dienstnehmer im Sinne des § 4 Abs. 1 BEinstG seien. Als Dienstnehmer nach dem BEinstG seien ausschließlich Personen anzusehen, welche unter eines der in § 4 Abs. 1 BEinstG taxativ genannten Kriterien fallen würden. Das Gericht sei verpflichtet, tragfähige Feststellungen über das Vorliegen persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit der auf den Dienstnehmerkonten aufscheinenden Personen im Sinne des § 4 Abs. 1 lit. a BEinstG zu treffen. Sollte das Gericht Zweifel an den Angaben der beschwerdeführenden Partei haben sei es verpflichtet, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen und den Geschäftsführer zur persönlichen Einvernahme zu laden.

Bezugnehmend auf die im Rahmen des Parteiengehörs erhobenen Einwendungen wurde der beschwerdeführenden Partei mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.09.2019 die Möglichkeit gegeben, darzustellen, welche der im eingeholten Datenauszug des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger angeführten Personen nicht unter den Dienstnehmerbegriff des § 4 Abs. 1 BEinstG fallen würden und diesbezügliche Unterlagen in Vorlage zu bringen.

Mit Schreiben vom 03.10.2019, eingelangt am 04.10.2019, brachte die beschwerdeführende Partei unter Vorlage von Lohnzetteln und Beitragsgrundlagen vor, dass die 8 Personen XXXX nicht unter den sehr spezifischen Dienstnehmerbegriff des § 4 BEinstG subsumiert werden könnten. Die belangte Behörde habe ihrem Spruch unterschiedslos die Gesamtzahl sämtlicher im fraglichen Zeitraum vom XXXX zur Pflichtversicherung bei der Gebietskrankenkasse angemeldeten Dienstnehmer zugrunde gelegt. Diese Praxis werde aber vom VwGH in seiner ständigen Rechtsprechung GZ 2007/11/0128 verworfen. Es reiche somit nicht, die von der GKK auf dem Dienstnehmerkonto angeführten Personen der Berechnung der Ausgleichstaxe zu Grunde zu legen. Diese seien nur dann in die Berechnung einzubeziehen, wenn sie in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit iSd § 4 Abs. 1 lit a BEinstG beschäftigt seien. Auch habe die belangte Behörde ihren Bescheid auf Judikatur des VwGH (vom 30.04.2014, 2013/11/0220 und vom 23.05.2012, 200/11/0234) gestützt, welche sowohl hinsichtlich Sachverhalt als auch Rechtsfrage nichts mit dem gegenständlichen Fall gemein habe. Die Behörde habe somit verkannt, dass das BEinstG ausdrücklich nicht auf die gewöhnliche Dienstnehmereigenschaft abstelle, sondern auf ein in besonderer Weise qualifiziertes persönliches und wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem angemeldeten Dienstnehmer und dem Dienstgeber. Wenn aber eine Person - wie bei den oben angeführten Dienstnehmern der Fall -für minimale Aushilfstätigkeiten herangezogen und auch für bloß stundenweise Beschäftigungen ordnungsgemäß zur Pflichtversicherung angemeldet werde, sei dies keinesfalls ein ausreichendes Indiz für das Bestehen der vom BEinstG geforderten umfassenden Abhängigkeit. Lohnzettel und Beitragsgrundlagen seien beigeschlossen, andere Unterlagen, insbesondere schriftliche Arbeitsverträge würden wegen der außergewöhnlichen, für freie Dienstverträge eigentlich atypischen extremen Freiheit in der Ausführung der Tätigkeit und der auffallenden Geringfügigkeit der Beschäftigung (mündliche Vereinbarungen) nicht existieren.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.01.2020 wurde das gegenständliche Beschwerdeverfahren mit Wirksamkeit vom 07.02.2020 der Gerichtsabteilung W115 abgenommen und der Gerichtsabteilung W133 neu zugeteilt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A) Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer eheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Nach dem klaren Wortlaut des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG ist Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung nach dieser Bestimmung das Fehlen notwendiger Ermittlungen des Sachverhaltes seitens der belangten Behörde.

Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, allerdings mit dem Unterschied, dass die Notwendigkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 28 Abs. 3 VwGVG nicht erforderlich ist (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren 2013, § 28 VwGVG, Anm. 11.)

§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat.

Wie der Verwaltungsgerichtshof unter anderem bereits in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, zur Auslegung des § 28 Abs. 3 zweiter Satz ausgeführt hat, wird eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht, vgl Holoubek, Kognitionsbefugnis, Beschwerdelegitimation und Beschwerdegegenstand, in: Holoubek/Lang (Hrsg), Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, erster Instanz, 2013, Seite 127, Seite 137; siehe schon Merli, Die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte erster Instanz, in: Holoubek/Lang (Hrsg), Die Schaffung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, 2008, Seite 65, Seite 73 f).

Gemäß der aktuellen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG somit insbesondere auch dann in Betracht, wenn die Behörde bloß ansatzweise ermittelt hat bzw. gravierende Ermittlungslücken im verwaltungsbehördlichen Verfahren bestehen (vgl. nochmals das oben zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063 und zuletzt auch VwGH, 11.05.2017, Zl. Ra 2017/04/0030).

Der angefochtene Bescheid erweist sich in Bezug auf den zu ermittelnden Sachverhalt aus folgenden Gründen als gravierend mangelhaft:

§ 1 Abs.1 BEinstG lautet:

"Beschäftigungspflicht

§ 1.

(1) Alle Dienstgeber, die im Bundesgebiet 25 oder mehr Dienstnehmer (§ 4 Abs. 1) beschäftigen, sind verpflichtet, auf je 25 Dienstnehmer mindestens einen begünstigten Behinderten (§ 2) einzustellen. Dieses Bundesgesetz ist nicht anzuwenden auf internationale Organisationen im Sinne des 1 Abs. 7 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1977 über die Einräumung von Privilegien und Immunitäten an internationale Organisationen, BGBl. Nr. 677/1977."

§ 4 BEinstG lautet:

"Berechnung der Pflichtzahl

§ 4.

(1) Dienstnehmer im Sinne der Berechnung der Pflichtzahl sind:

----------

a)-Personen, die in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt werden (ausgenommen Lehrlinge);

b)-Personen, die zum Zwecke der vorgeschriebenen Ausbildung für den künftigen, eine abgeschlossene Hochschulbildung erfordernden Beruf nach Abschluß dieser Hochschulbildung beschäftigt sind;

c)-Heimarbeiter.

(2) Für die Feststellung der Gesamtzahl der Dienstnehmer (Abs. 1), von der die Pflichtzahl zu berechnen ist (§ 1), sind alle Dienstnehmer, die ein Dienstgeber im Bundesgebiet beschäftigt, zusammenzufassen.

(3) Für die Berechnung der Pflichtzahl sind von der gemäß Abs. 2 festgestellten Gesamtzahl der Dienstnehmer die beschäftigten begünstigten Behinderten (§ 2) und Inhaber von Amtsbescheinigungen oder Opferausweisen (§ 5 Abs. 3) nicht einzurechnen."

Unstrittig ist im Beschwerdefall, dass die beschwerdeführende Partei im Kalenderjahr 2014 keinen begünstigten Behinderten eingestellt hatte.

Die mit dem angefochtenen Bescheid erfolgte Vorschreibung einer Ausgleichstaxe bei einer Pflichtzahl von 1 für den Monat Dezember 2014 wäre folglich nur dann rechtmäßig, wenn die beschwerdeführende Partei in diesem Zeitraum wenigstens 25 Dienstnehmer im Sinne des § 4 Abs.1 BEinstG beschäftigt hätte.

Die belangte Behörde geht im angefochtenen Bescheid davon aus, dass die beschwerdeführende Partei im Dezember 2014 eine entscheidungsrelevante Anzahl von 25 Dienstnehmern für die Pflichtzahlberechnung beschäftigt habe. Diese Berechnung stützt sie laut der Begründung des Bescheides auf die von den Trägern der Sozialversicherung gespeicherten Daten über Dienstgeber und Versicherte, wonach am 01.12.2014 25 Dienstnehmer vom Dienstgeber zur Sozialversicherung gemeldet gewesen wären. Nach der Rechtsprechung seien auch geringfügig oder teilzeitbeschäftigte Personen in die Gesamtzahl der Dienstnehmer einzubeziehen.

Die beschwerdeführende Partei bringt hingegen im gesamten Verfahren gleichbleibend zusammengefasst vor, im entscheidungsrelevanten Jahr 2014 in keinem Monat eine Anzahl von 25 Dienstnehmern beschäftigt zu haben, welche die nach der Rechtsprechung maßgeblichen Kriterien der persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit erfüllt hätten. Vielmehr seien die von ihr zuletzt auch konkret namhaft gemachten Personen als freie Dienstnehmer und nur äußerst geringfügig beschäftigt gewesen.

Vor diesem Hintergrund wird zunächst die diesbezüglich relevante Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wie folgt kurz dargestellt:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind als Dienstnehmer nach dem BEinstG ausschließlich solche Personen anzusehen, die unter eine der im § 4 Abs. 1 BEinstG taxativ genannten Kriterien fallen. Grundsätzlich müssen zwar bei einer Annahme der Dienstnehmereigenschaft iSd § 4 Abs. 1 lit. a BEinstG nicht sämtliche Voraussetzungen für ein persönliches und wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis gegeben sein, es genügt vielmehr ein Überwiegen der dafür entsprechenden Merkmale gegenüber zB den Merkmalen einer selbständigen Ausübung der Erwerbstätigkeit (VwGH vom 30.09.2011, Zl. 2007/11/0128, mit weiterem Judikaturverweis). Entscheidend bleibt jedoch, wie die Beschäftigung jeweils konkret ausgeübt wird (vgl. in diesem Zusammenhang die Erkenntnisse des VwGH vom 11. Dezember 1990, Zl. 88/08/0269, und vom 16. Mai 2001, Zl. 96/08/0072). Es reicht sohin nicht, die von der Gebietskrankenkasse auf dem Dienstnehmerkonto angeführten Personen der Berechnung der Ausgleichstaxe zu Grunde zu legen. Diese sind nur dann nur in die Berechnung einzubeziehen, wenn sie in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit iSd § 4 Abs. 1 lit. a BEinstG beschäftigt sind (vgl. nochmals die oben bereits erwähnte Entscheidung des VwGH vom 30.09.2011, Zl. 2007/11/0128).

Zur Klarstellung sei - aufgrund der Bescheidbegründung, die darauf hindeutet, dass die Behörde die irrige Annahme vertreten dürfte, dass geringfügig beschäftigte Personen jedenfalls auf die Pflichtzahl anzurechnen sind - darauf hinzuweisen, dass diese Kriterien der persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit iSd § 4 Abs. 1 lit. a BEinstG natürlich auch in Bezug auf geringfügig beschäftigte Personen vorliegen müssen. Das bedeutet, dass auch bei geringfügig beschäftigten Personen eine Beschäftigung in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhhängigkeit gegen Entgelt (ausgenommen Lehrlinge) vorliegen muss, damit diese als Dienstnehmer im Sinne des § 4 Abs. 1 lit. a BEinstG auf die Berechnung der Pflichtzahl anzurechnen sind.

Wenn - wie im Beschwerdefall voliegend - die beschwerdeführende Partei im gesamten Verfahren bestreitet, dass sie im relevanten Zeitraum mindestens 25 Personen beschäftigt habe, die als Dienstnehmer im Sinne des § 4 Abs. 1 lit. a BEinstG anzusehen sind, so hat die Behörde zu diesem entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein entsprechendes Ermittlungsverfahren zu führen. Dies gilt auch dann, wenn es nach dem Vorbringen der beschwerdeführenden Partei zwar keinerlei schriftliche Aufzeichnungen bzw schriftliche Verträge zu den genannten Personen gebe, aber als Beweismittel die persönliche Befragung des (damaligen) Geschäftsführers bzw der genannten Personen angeboten wurde bzw möglich ist, falls die Behörde dem schriftlichen Vorbringen der Partei keinen Glauben schenkt. Es reicht in einem solchen Fall nach der bisherigen Rechtsprechung eben gerade nicht, die von der Gebietskrankenkasse auf dem Dienstnehmerkonto angeführten Personen der Berechnung der Ausgleichstaxe zu Grunde zu legen (vgl. nochmals die oben bereits erwähnte Entscheidung des VwGH vom 30.09.2011, Zl. 2007/11/0128).

Für den Ausschluss der Annahme eines "echten" Dienstverhältnisses genügt es, wenn (alternativ) einer der drei Ausschlussgründe (generelle Vertretungsbefugnis; sanktionslose Ablehnung einzelner Arbeitsleistungen im Rahmen einer Gesamtverpflichtung; Zuziehung einer Hilfskraft ohne weitere Verständigung des Vertragspartners) vorliegt. Besteht ein solcher, ist nicht mehr entscheidend, ob hinsichtlich der Beschäftigung selbst die sonstigen Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit überwiegen (vgl. VwGH vom 31.08.2015, Zl. 2013/11/0130 mit weiterem Verweis und grundsätzlichen Ausführungen zur Abgrenzung zwischen echtem Dienstvertrag und freiem Dienstvertrag). Fehlt es aber an einem derartigen Ausschlussgrund, ist auf die sonstigen Kriterien für die persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit einzugehen.

Eine aufgrund eines "freien" Dienstvertrages beschäftigte Person ist mangels Vorliegens der Voraussetzungen der persönlichen Abhängigkeit im Sinne des § 4 Abs. 1 lit. a BEinstG kein Dienstnehmer im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes (vgl. zum Ganzen auch Widy/Auer-Mayer/Schrattbauer, Behinderteneinstellungsgesetz 8. Aufl., Erl. zu § 4).

Wie bereits ausgeführt wurde, ist bei der Frage der Abgrenzung zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis und einem "freien" Dienstvertrag nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entscheidend, wie die Beschäftigung jeweils konkret augeübt wird bzw wurde. Ein Dienstzettel oder Dienstvertrag hat zwar Indizwirkung, jedoch sind nach der bisherigen Rechtsprechung letztlich die wahren Verhältnisse ("gelebte Vertragsverhältnisse") entscheidend.

Im Beschwerdefall gibt es zu dem entscheidungsmaßgeblichen Vorbringen der - nicht anwaltlich vertretenen - beschwerdeführenden Partei, im entscheidungsrelevanten Jahr 2014 in keinem Monat eine Anzahl von 25 Dienstnehmern beschäftigt zu haben, welche die nach der Rechtsprechung maßgeblichen Kriterien der persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit erfüllt hätten, vielmehr seien die von ihr zuletzt auch konkret namhaft gemachten Personen als "freie Dienstnehmer" beschäftigt gewesen, keinerlei Ermittlungstätigkeit und keine nachvollziehbaren Feststellungen im angefochtenen Bescheid. Die gleiche Vorgangsweise tätigte die belangte Behörde im Übrigen auch in den weiteren beim BVwG anhängigen Ausgleichstaxverfahren betreffend die beschwerdeführende Partei für die Kalenderjahre 2015, 2017 und 2018. Die beschwerdeführende Partei hatte bereits in ihrer Stellungnahme zum Parteiengehör vom 01.07.2015 Einwendungen gegen die von der Behörde übermittelte Beschäftigten-Liste erhoben, welche sich auch auf konkret von ihr namhaft gemachte Personen bezog. Diese Stellungnahme war von der beschwerdeführenden Partei - nach der in der Beschwerde dargestellten Mailansicht der Stellungnahme - offenbar irrtümlich an die Mailadresse "post.6@sozialministeriumservice.at" gesendet worden und nicht an die in der Stellungnahme angegebene Mailadresse "post.w6@sozialministeriumservice.at". Dem vorgelegten Verwaltungsakt kann nicht zweifelsfrei entnommen werden, ob die Stellungnahme bei der Behörde eingelangt ist oder nicht. Spätestens zum Zeitpunkt des Einlangens der vorliegenden Beschwerde musste der Behörde jedoch bekannt gewesen sein, dass die beschwerdeführende Partei auch bereits vor Bescheiderlassung konkrete Einwendungen gegen die von ihr angenommenen Berechnungsgrundlagen erhoben hatte. Die Behörde holte diese erforderlichen Ermittlungen auch nicht im Wege eines ebenfalls möglichen Beschwerdevorentscheidungsverfahrens nach.

Ob die Unterlassung der erforderlichen Ermittlungen auf einem Rechtsirrtum der Behörde beruhte oder die Behörde diese schwierigeren Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden, ist letztlich nicht relevant.

Die seitens des Bundesverwaltungsgerichtes erforderliche Überprüfung im Rahmen der freien Beweiswürdigung ist auf Grundlage der bisherigen Ermittlungsergebnisse nicht möglich. Das bisherige Ermittlungsverfahren vermag die verwaltungsbehördliche Entscheidung nicht zu tragen.

Die belangte Behörde wird somit im fortgesetzten Verfahren betreffend das im vorliegenden Verfahren zu beurteilende Kalenderjahr 2014 unter Einbeziehung der beschwerdeführenden Partei (nach Möglichkeit mündliche Befragung des Geschäftsführers oder eines anderen geeigneten kundigen Vertreters der beschwerdeführenden Partei bzw im Zweifel auch zeugenschaftliche Befragung der jeweils betroffenen Beschäftigten) zu klären haben, ob die von der beschwerdeführenden Partei namhaft gemachten Personen XXXX im Dezember 2014 tatsächlich in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhhängigkeit gegen Entgelt als Dienstnehmer im Sinne des § 4 Abs. 1 lit. a BEinstG bei der beschwerdeführenden Partei beschäftigt waren oder aber - wie von ihr vorgebracht - ein "freies" Dienstverhältnis zu diesen Personen vorlag. Sollte nur bei einer der genannten Personen tatsächlich ein "freier" Dienstvertrag vorgelegen sein, würde im vorliegenden Fall bereits die Ausgleichstaxpflicht entfallen. Die weiteren von der beschwerdeführenden Partei namentlich genannten Personen ( XXXX ) waren nach den aktuell vorliegenden Unterlagen der Behörde (Dienstnehmerauskunft für 12/2014) jedenfalls nicht im fraglichen Zeitraum Dezember 2014 für die beschwerdeführende Partei tätig, sodass die Art deren Dienstverhältnisses im Beschwerdefall nicht relevant ist. Sollte die Behörde nach dem nachgeholten Ermittlungsverfahren neuerlich zum Ergebnis gelangen, dass eine Ausgleichstaxpflicht besteht, sind auch entsprechende vollständige und nachvollziehbare Feststellungen im neuerlichen Bescheid zu treffen.

Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens durch das Bundesverwaltungsgericht kann - im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 VwGVG - nicht im Sinne des Gesetzes liegen. Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist - angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes und angesichts der im gegenständlichen Fall unterlassenen gravierenden Sachverhaltsermittlungen - nicht ersichtlich.

Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben. Da der maßgebliche Sachverhalt im zu beurteilenden Fall noch nicht feststeht und vom Bundesverwaltungsgericht auch nicht rasch und kostengünstig festgestellt werden kann, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Ausgleichstaxe Dienstverhältnis Ermittlungspflicht Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W133.2112044.1.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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